Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 12 Ar 1085/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 321/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 16. Januar 1997 sowie die Bescheide der Beklagten vom 13. Dezember 1994 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juni 1995 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 15. August 1993 bis zum 30. Mai 1994 und Rückforderung eines Betrages in Höhe von DM 7.443,– sowie um die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen für dieselbe Zeit in Höhe von DM 1.977,81.
Der 1953 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und hat 3 Kinder (geboren 1981, 1983 und 1985).
Seit 1987 ist er im Besitz einer Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft (Gaststätte B.) in dem Gebäude, in dem er und seine Familie auch wohnen.
Der Kläger arbeitete von 1987 bis Juli 1990 bei H. in B. als Arbeiter, sowie von August 1990 bis 31. Mai 1993 als Hilfsschlosser und Heizer 20 Stunden wöchentlich bei B. & D. GmbH (Bruttoarbeitsentgelt der letzten 3 Monate ca. DM 4.700,–). Er gehörte, auch während des streitbefangenen Zeitraumes, der BKK T. D. AG, H., an.
Am 6. Mai 1993 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Im Antragsformular beantwortete der Kläger die Fragen nach der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bzw. nach der Mithilfe bei der selbständigen Tätigkeit eines Familienangehörigen jeweils mit "nein”. Gesundheitliche Einschränkungen gab er nicht an. Mit Bescheid vom 7. Juli 1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 1. Juni 1993 in Höhe von DM 183,60 wöchentlich für 312 Tage (Bemessungsentgelt DM 370,–, Leistungsgruppe F, erhöhter Leistungssatz), ab 1. Januar 1994 DM 178,20 wöchentlich. Der Kläger bezog Arbeitslosengeld bis einschließlich 30. Mai 1994 (Erschöpfung des Anspruchs).
Vom 22. Juli bis 8. August 1993 verbrachte der Kläger einen von der Beklagten genehmigten Urlaub in Griechenland und meldete sich am 9. August 1993 persönlich zurück.
Am 31. Mai 1994 beantragte der Kläger die Bewilligung von Anschluß-Arbeitslosenhilfe. Das erste Antragsformular ist verschollen. Im, dem Kläger am 5. September 1994 ausgehändigten, Ersatzformular (unterschrieben vom Kläger 23. September 1994, angenommen von der Beklagten 30. September 1994) ist die Frage nach einer selbständigen Tätigkeit sowohl bei "ja” als auch bei "nein” angekreuzt, die Frage nach der Mithilfe bei der selbständigen Tätigkeit eines Familienangehörigen verneint. Gleichzeitig ist angegeben, daß das Gaststättengebäude mit selbstbewohnter Wohnung (77 qm) dem Kläger gehört (Verkehrswert DM 250.000,– lt. Kaufvertrag, Belastungen DM 280.000,–). Letztere Angaben waren von den Bevollmächtigten des Klägers bestätigt. Ferner wurden eine Verdienstbescheinigung der 1947 geborenen Ehefrau des Klägers (M. H. GmbH & Co. KG, Mai bis Juli monatliches Netto zwischen DM 1.043 und 1.126) sowie vorläufige Verlustermittlungen der Gaststätte für 1993 (Verlust DM 4.682,48) und für Januar bis Juni 1994 (Verlust DM 3.971,93) vorgelegt. Mit Bescheid vom 4. November 1994 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, daß es für die Zeit vom 31. Mai bis 29. September 1994 an der Bedürftigkeit und für die Folgezeit wegen der selbständigen Tätigkeit an der Verfügbarkeit fehle. Nach Aktenlage wurde der Bescheid bestandskräftig. Am 14. November 1994 unterschrieb der Kläger eine persönliche Veränderungsanzeige: "LE ist ab 15.8.93 in Arbeit, selbständig, Gasthaus”.
Die Beklagte hörte den Kläger nunmehr zu der beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 15. August 1993 an und wies darauf hin, daß die Bewilligung rechtswidrig sei, "weil Sie ab 15.8.93 (eigene Abmeldung) selbständig sind.” Die Bevollmächtigten des Klägers teilten mit, daß der Kläger in B. eine Gaststätte betreibe und die Einkünfte im Jahr 1993 insgesamt negativ seien. Der Verlust erhöhe sich noch, wenn man die Abschreibungen auf die Einrichtungen dazu rechne.
Mit (erstem) Bescheid vom 13. Dezember 1994 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld auf unter Hinweis auf § 48 SGB X für die Zeit vom 15. August 1993 bis zum 30. Mai 1994, da der Kläger ab 15. August 1993 selbständig sei und dies grob fahrlässig nicht mitgeteilt und auch gewußt habe bzw. infolge besonders schwer verletzter Sorgfaltspflicht nicht gewußt habe, daß der Anspruch auf die Leistung weggefallen sei. Gleichzeitig forderte die Beklagte die ohne Rechtsgrund erhaltene Leistung in Höhe von DM 7.443,– zurück.
Mit (zweitem) Bescheid vom 13. Dezember 1994 forderte die Beklagte Krankenversicherungsbeiträge für denselben Zeitraum in Höhe von DM 1.977,81 unter Hinweis auf § 157 Abs. 3 a AFG.
Gegen beide Bescheide hat der Kläger am 19. Dezember 1994 Widerspruch eingelegt und u.a. erklärt, er halte die Gastwirtschaft von 18 bis 23 Uhr geöffnet, es sei denn mangels Gästen werde bereits früher geschlossen. Dienstag sei Ruhetag. Während des Sommers sei 4 Wochen wegen Betriebsferien geschlossen. Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 23. Juni 1995 hat die Beklagte die Widersprüche zurückgewiesen und im wesentlichen damit begründet, durch den Betrieb der Gaststätte übe der Kläger eine mehr als kurzzeitige Tätigkeit aus (mindestens 18 Stunden) und sei damit nicht arbeitslos. Er halte die Gastwirtschaft nach eigenen Angaben an 6 Tagen zwischen 18 und 23 Uhr geöffnet. Selbst wenn man einräume, daß die Gaststätte gelegentlich früher geschlossen werde, müsse unter Berücksichtigung der Vor- und Nacharbeit davon ausgegangen werden, daß der Kläger wöchentlich 18 und mehr Stunden tätig sei. Damit sei er seit der Eröffnung der Gastwirtschaft am 15. August 1993 nicht mehr arbeitslos gewesen. Der Kläger sei durch das Merkblatt für Arbeitslose darüber informiert gewesen, daß er eine selbständige Tätigkeit anzeigen müsse. Wenn er diese Hinweise nicht beachte, handele er grob fahrlässig im Sinne des § 48 SGB X. Die Entscheidung über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes sei daher rückwirkend ab 15. August 1993 aufzuheben gewesen (§ 48 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 3 AFG).
Wer Arbeitslosengeld beziehe, sei für den Fall der Krankheit versichert (§ 155 Abs. 1 AFG). Die Beiträge für die nach § 155 Versicherten trage die Beklagte (§ 157 Abs. 1 AFG). Der Versicherte habe bei rückwirkender Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung der Leistung der Beklagten die Beiträge zu erstatten (§ 157 Abs. 3 a Satz 1 AFG). Da kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bei einer gesetzlichen Krankenversicherung bestanden habe, müsse der Kläger die für ihn abgeführten Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von DM 1.977,81 erstatten.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Juli 1995 Klage erhoben und vorgetragen, es treffe zu, daß er in der streitbefangenen Zeit Arbeitslosengeld in Höhe von DM 7.443,– erhalten habe. Es treffe weiter zu, daß er gemeinsam mit seiner Ehefrau seit 15. August 1993 eine Gastwirtschaft betreibe. Diese habe 1993 einen Verlust von DM 21.282,– erbracht und auch bis 30. Mai 1994 sei mit Verlust gearbeitet worden. Er habe wenig Arbeitseinsatz beigesteuert und maximal am Öffnungstag 3–4 Stunden seine Ehefrau unterstützt, die die Hauptarbeit in der Gastwirtschaft leiste. Im Termin am 8. Februar 1996 hat der Kläger erklärt, die Gastwirtschaft werde von ihm, seiner Frau und seinen Kindern betrieben. Geöffnet werde sie von seinen Kindern. Er selbst habe Asthma und könne deshalb nicht so viel arbeiten. Er sei nur abends regelmäßig in der Gaststätte und arbeite dann etwa 2 Stunden. In dieser Zeit zapfe er Bier. Daneben mache er zusammen mit seiner Frau die Einkäufe.
Der Kammervorsitzende des Sozialgerichts hat die Gaststätte am 31. Mai 1996 in Augenschein genommen. Ferner wurde die Ehefrau des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Januar 1997 als Zeugin vernommen.
Mit Urteil vom 16. Januar 1997 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen im wesentlichen mit der Begründung, der Kläger betreibe die Gaststätte als Konzessionsträger selbständig und überschreite die Kurzzeitigkeitsgrenze, so daß er nicht arbeitslos sei. Dabei sei ohne Bedeutung, daß der Kläger sich nach eigenen Angaben und Angaben seiner Ehefrau während der Öffnungszeiten (mindestens 17 bis 22 Uhr) nicht ständig in der Gaststätte aufhalte, sondern maximal 3 bis 4 Stunden und insgesamt nicht mehr als durchschnittlich 2 Stunden täglich, wobei letzteres kritisch zu hinterfragen sei. Denn auch in Zeiten, in denen sich der Kläger während der Öffnungszeit in seiner im selben Gebäude befindlichen Wohnung aufhalte und bereitstehe, wenn seine Ehefrau Unterstützung benötige, stehe er für die Gaststätte zur Verfügung, mithin während der gesamten Öffnungszeit.
Es sei auch von den nicht zu widerlegenden Angaben des Klägers auszugehen, daß er erst ab dem 15. August 1995 (gemeint wohl 1993) nach vorangegangenen Renovierungsarbeiten und einem Urlaub in Griechenland vom 22. Juli bis 8. August 1993 den Betrieb der Gaststätte wieder aufgenommen habe. Die Tatsache der selbständigen Tätigkeit habe der Kläger entgegen seiner Verpflichtung, auf die er durch das Merkblatt hingewiesen worden sei, der Beklagten nicht mitgeteilt. Dies rechtfertige zumindest den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Damit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 15. August 1993 rückwirkend aufzuheben ohne Ermessen auszuüben (§ 152 Abs. 3 AFG). Aus § 50 Abs. 1 SGB X folge die Pflicht des Klägers, die bereits erhaltene Leistung in Höhe von DM 7.443,– zu erstatten. Die Pflicht zur Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge folge aus § 157 Abs. 3 a Satz 1 AFG.
Gegen das ihm am 3. Februar 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Februar 1997 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, seine Mitarbeit sei wegen seiner Asthmaerkrankung völlig unerheblich. Er halte sich in der Gaststätte täglich nur ein bis zwei Stunden auf, weil er den Zigarettenrauch nicht vertrage. Die Tatsache, daß er Konzessionär sei, ändere daran nichts. Über die Augenscheinseinnahme und die Vernehmung der Ehefrau des Klägers enthalte das Urteil nichts. Das Ergebnis der Beweisaufnahme sei unterdrückt worden, weil es die selbstherrliche Tatsachenbetrachtung des Gerichts nicht mehr zugelassen habe. Ein Gastwirt, der seine Gastwirtschaft nicht ständig selbst, d.h. nur gelegentlich betreiben könne, bleibe arbeitslos und verfügbar.
Der Kläger hat auf Anfrage die Gewinnermittlungen ab 1987 vorgelegt und hierzu erläutert, eine kleine Schankwirtschaft in einem kleinen Bergdörfchen lasse andere Ergebnisse nicht zu. Die Ergebnisse 1993 und 1994 seien durch hohen Zinsaufwand geprägt, der erst 1995 besser habe verkraftet werden können. Die Gaststätte sei Nebenerwerbsquelle. Er und seine Frau hätten zusätzlich ein Arbeitsverhältnis zum Broterwerb ausgeübt; die Ehefrau heute noch, er bis in das Jahr 1993 hinein. Das Urteil erscheine völlig willkürlich und durch die während des Verfahrens geübten Verhaltensweisen des Vorsitzenden vorgeprägt. Es schaffe kein Vertrauen, daß mit diesem Urteil Recht gesprochen worden sei, sondern nur, daß hier Macht ausgeübt worden sei.
Der Kläger hat die Schankerlaubnis, die Einkommensteuerbescheide 1993 und 1994, eine Bescheinigung der M. H. GmbH & Co. KG vom 9.6.1997, sowie eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin L. vom 5. Juni 1997 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 16. Januar 1997 sowie die Bescheide der Beklagten vom 13. Dezember 1994 und die Widerspruchsbescheide vom 23. Juni 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die aus den Gewinnermittlungen ersichtlichen Umsätze erforderten einen zeitlichen Aufwand, der über die Grenzen des § 102 AFG hinausgehe. Es sei unglaubwürdig, wenn die Ehefrau des Klägers den Arbeitsanfall in der Gaststätte hauptsächlich selbst bewältigt haben wolle.
Weitere Nachweise über die Beitragsabführung für den Kläger an die Krankenkasse seien im Hinblick auf den Zeitablauf nicht mehr zu führen. Es sei jedoch davon auszugehen, daß die Beiträge zur Krankenversicherung und Rentenversicherung ordnungsgemäß und nach dem üblichen Verfahren abgeführt worden seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Der Senat hat eine Auskunft der BKK , O., vom 27. April 1998 eingeholt. Darin wird eine Mitgliedschaft des Klägers in der Zeit vom 15. August 1993 bis zum 30. Mai 1994 durch die Beklagte bei der BKK T. D. bestätigt. Die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge sei nicht feststellbar, da die Beklagte für diesen Zeitraum noch keine Liste mit Beitragszahlungen übersandt habe.
Der Senat hat einen Schriftsatz der Beklagten aus dem Rechtsstreit L 6 AL 1496/96 vom 20. März 1998 in das Verfahren eingeführt. Darin teilt die Beklagte mit, daß bei ihr kein personenbezogener Beleg darüber existiere, daß im dortigen Fall die Krankenversicherungsbeiträge in bestimmter Höhe abgeführt worden seien. Die Beiträge würden von der Beklagten unter Angabe der jeweiligen Krankenkassen-Nr. monatlich für alle Leistungsempfänger an die zuständige KK en bloc abgeführt. Die Krankenkasse kontrolliere eine ordnungsgemäße Überweisung. Die Beklagte gehe daher davon aus, daß die Krankenversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abgeführt worden seien.
Der Senat hat im Termin am 2. September 1998 den Kläger gehört, sowie als Zeugen die Ehefrau des Klägers vernommen, ferner die Stammgäste S. H., A. O. und I. Sch. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 16. Januar 1997 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13. Dezember 1994 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juni 1995 sind rechtswidrig. Es konnte nicht festgestellt werden, daß bei dem Kläger in der streitbefangenen Zeit vom 15. August 1993 bis 30. Mai 1994 wegen mehr als kurzzeitiger Beschäftigung (mindestens 18 Stunden wöchentlich, § 102 AFG) keine Arbeitslosigkeit vorgelegen hat. Insoweit konnten nach Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts die Grundlagen der angefochtenen Bescheide im Sinne des § 48 SGB 10 (Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse = Wegfall der Arbeitslosigkeit) nicht bestätigt werden; die darauf beruhenden Bescheide vom 13. Dezember 1994 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juni 1995 waren damit aufzuheben.
Aus der vom Kläger am 14. November 1994 bei der Beklagten unterschriebenen Veränderungsanzeige (in Arbeit ab 15.8.93, Selbständig, Gasthaus) läßt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit eine Erklärung des Klägers ablesen, daß er ab diesem Zeitpunkt mindestens 18 Stunden wöchentlich in oder für seine Gastwirtschaft arbeite. Eine solche Erklärung hat der Kläger aber auch nicht in der Folgezeit abgegeben. Zwar sind die Erklärungen des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten hinsichtlich des täglichen Einsatzes nicht einheitlich, sondern bewegen sich mit abnehmender Tendenz von 3 bis 4 Stunden maximal täglich über etwa 2 Stunden täglich nunmehr zu 1 bis 2 Stunden täglich (Termin am 2. September 1998), jedoch lassen sich auch insoweit zu keiner Zeit eindeutige Erklärungen des Klägers herauslesen, daß er in der streitbefangenen Zeit mindestens 18 Stunden wöchentlich für seine Gastwirtschaft gearbeitet habe. Auch die vorgelegten Einkommensteuerbescheide, sowie Gewinn- und Verlustrechnungen lassen keinen ausreichenden Rückschluss auf den Umfang des Einsatzes des Klägers mit mindestens 18 Stunden wöchentlich zu. Jährliche Umsatzerlöse in Höhe von DM 65.000,– (1993) bzw. 73.000,– (1994), entsprechend einem durchschnittlichen Tagesumsatz in Höhe von zwischen DM 225,– und DM 255,– (bei 288 Öffnungstagen – 48 Wochen à 6 Tage), liegen in einem so niedrigen Bereich, daß sich daraus eine notwendige mindestens 18-stündige Mitarbeit des Klägers wöchentlich nicht ableiten läßt, wenn die Mitarbeit der Ehefrau berücksichtigt wird. Hinsichtlich der erforderlichen schriftlichen Arbeiten haben der Kläger und seine Ehefrau übereinstimmend erklärt, daß diese von der Ehefrau erledigt werden, die auch eine entsprechende Qualifizierung für die Buchführung hat.
Der erkennende Senat sah auch keine Möglichkeit, die Rechtsauffassung des Sozialgerichts hinsichtlich der zusätzlichen Berücksichtigung von Bereitschaftszeit im vorliegenden Fall zu bestätigen. Bei der dominierenden Rolle, die die Ehefrau des Klägers auch nach den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen in der Gaststätte spielte, kann das Verbleiben des Klägers im angrenzenden Wohnzimmer mit dem nur dort möglichen Betrachten des griechischen Programms nicht als Bereitschaft angesehen werden. Wenn es eine Bereitschaft gab, dann war dies im wesentlichen eine der Ehefrau. Eine evtl. darüber hinaus von Fall zu Fall doch noch vorliegende Bereitschaft des Klägers läßt sich nicht mit ausreichender Sicherheit quantifizieren. Die Befragung des Klägers im Termin am 2. September 1998 sowie die Vernehmung der Ehefrau und dreier Stammgäste konnten die angefochtenen Bescheide ebenfalls nicht stützen. Danach ergab sich für den erkennenden Senat das Bild der wesentlich aktiveren Ehefrau (z.B. "die die Hosen anhatte”), die auch bis zum Abschließen der Wirtschaft im Einsatz blieb, während der Kläger sich nur wenig in der Wirtschaft aufhielt, Probleme mit dem Tabakrauch wegen seines Asthmas hatte, im angrenzenden Wohnzimmer griechisches Fernsehen anschaute und zuweilen auch schon schlief, wenn die Gaststätte von seiner Ehefrau (regelmäßig) geschlossen wurde. Die Ehefrau machte im wesentlichen die Einkäufe – sie hatte auch einen Führerschein –, führte die schriftlichen Arbeiten durch und war für die Küche allein zuständig. Bei größerem Andrang halfen auch schon einmal die Stammgäste aus, selbst wenn der Kläger in der Nähe war. Auch ließ sich für die streitbefangene Zeit kein zeitlich begrenzter erhöhter Einsatz des Klägers etwa wegen Erkrankung seiner Ehefrau feststellen.
Soweit die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden auch die Verfügbarkeit des Klägers verneinte, läßt sich dies unter Berücksichtigung der Öffnungszeiten der Gaststätte (im Sommer schon mal ab 17 Uhr, sonst ab 18 Uhr) nicht nachvollziehen. Eine Überschneidung mit den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen und Arbeitszeiten (§ 102 Abs. 1 AFG) findet dabei nicht statt.
Da die Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes nicht als rechtmäßig erkannt worden ist, konnte die davon abhängige Rückforderung des gezahlten Arbeitslosengeldes ebenso wenig bestätigt werden (§ 50 Abs. 1 SGB 10), wie die Erstattungsforderung hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge nach § 157 Abs. 3 a AFG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die. Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 nicht vorliegen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 15. August 1993 bis zum 30. Mai 1994 und Rückforderung eines Betrages in Höhe von DM 7.443,– sowie um die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen für dieselbe Zeit in Höhe von DM 1.977,81.
Der 1953 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und hat 3 Kinder (geboren 1981, 1983 und 1985).
Seit 1987 ist er im Besitz einer Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft (Gaststätte B.) in dem Gebäude, in dem er und seine Familie auch wohnen.
Der Kläger arbeitete von 1987 bis Juli 1990 bei H. in B. als Arbeiter, sowie von August 1990 bis 31. Mai 1993 als Hilfsschlosser und Heizer 20 Stunden wöchentlich bei B. & D. GmbH (Bruttoarbeitsentgelt der letzten 3 Monate ca. DM 4.700,–). Er gehörte, auch während des streitbefangenen Zeitraumes, der BKK T. D. AG, H., an.
Am 6. Mai 1993 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Im Antragsformular beantwortete der Kläger die Fragen nach der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bzw. nach der Mithilfe bei der selbständigen Tätigkeit eines Familienangehörigen jeweils mit "nein”. Gesundheitliche Einschränkungen gab er nicht an. Mit Bescheid vom 7. Juli 1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 1. Juni 1993 in Höhe von DM 183,60 wöchentlich für 312 Tage (Bemessungsentgelt DM 370,–, Leistungsgruppe F, erhöhter Leistungssatz), ab 1. Januar 1994 DM 178,20 wöchentlich. Der Kläger bezog Arbeitslosengeld bis einschließlich 30. Mai 1994 (Erschöpfung des Anspruchs).
Vom 22. Juli bis 8. August 1993 verbrachte der Kläger einen von der Beklagten genehmigten Urlaub in Griechenland und meldete sich am 9. August 1993 persönlich zurück.
Am 31. Mai 1994 beantragte der Kläger die Bewilligung von Anschluß-Arbeitslosenhilfe. Das erste Antragsformular ist verschollen. Im, dem Kläger am 5. September 1994 ausgehändigten, Ersatzformular (unterschrieben vom Kläger 23. September 1994, angenommen von der Beklagten 30. September 1994) ist die Frage nach einer selbständigen Tätigkeit sowohl bei "ja” als auch bei "nein” angekreuzt, die Frage nach der Mithilfe bei der selbständigen Tätigkeit eines Familienangehörigen verneint. Gleichzeitig ist angegeben, daß das Gaststättengebäude mit selbstbewohnter Wohnung (77 qm) dem Kläger gehört (Verkehrswert DM 250.000,– lt. Kaufvertrag, Belastungen DM 280.000,–). Letztere Angaben waren von den Bevollmächtigten des Klägers bestätigt. Ferner wurden eine Verdienstbescheinigung der 1947 geborenen Ehefrau des Klägers (M. H. GmbH & Co. KG, Mai bis Juli monatliches Netto zwischen DM 1.043 und 1.126) sowie vorläufige Verlustermittlungen der Gaststätte für 1993 (Verlust DM 4.682,48) und für Januar bis Juni 1994 (Verlust DM 3.971,93) vorgelegt. Mit Bescheid vom 4. November 1994 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, daß es für die Zeit vom 31. Mai bis 29. September 1994 an der Bedürftigkeit und für die Folgezeit wegen der selbständigen Tätigkeit an der Verfügbarkeit fehle. Nach Aktenlage wurde der Bescheid bestandskräftig. Am 14. November 1994 unterschrieb der Kläger eine persönliche Veränderungsanzeige: "LE ist ab 15.8.93 in Arbeit, selbständig, Gasthaus”.
Die Beklagte hörte den Kläger nunmehr zu der beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 15. August 1993 an und wies darauf hin, daß die Bewilligung rechtswidrig sei, "weil Sie ab 15.8.93 (eigene Abmeldung) selbständig sind.” Die Bevollmächtigten des Klägers teilten mit, daß der Kläger in B. eine Gaststätte betreibe und die Einkünfte im Jahr 1993 insgesamt negativ seien. Der Verlust erhöhe sich noch, wenn man die Abschreibungen auf die Einrichtungen dazu rechne.
Mit (erstem) Bescheid vom 13. Dezember 1994 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld auf unter Hinweis auf § 48 SGB X für die Zeit vom 15. August 1993 bis zum 30. Mai 1994, da der Kläger ab 15. August 1993 selbständig sei und dies grob fahrlässig nicht mitgeteilt und auch gewußt habe bzw. infolge besonders schwer verletzter Sorgfaltspflicht nicht gewußt habe, daß der Anspruch auf die Leistung weggefallen sei. Gleichzeitig forderte die Beklagte die ohne Rechtsgrund erhaltene Leistung in Höhe von DM 7.443,– zurück.
Mit (zweitem) Bescheid vom 13. Dezember 1994 forderte die Beklagte Krankenversicherungsbeiträge für denselben Zeitraum in Höhe von DM 1.977,81 unter Hinweis auf § 157 Abs. 3 a AFG.
Gegen beide Bescheide hat der Kläger am 19. Dezember 1994 Widerspruch eingelegt und u.a. erklärt, er halte die Gastwirtschaft von 18 bis 23 Uhr geöffnet, es sei denn mangels Gästen werde bereits früher geschlossen. Dienstag sei Ruhetag. Während des Sommers sei 4 Wochen wegen Betriebsferien geschlossen. Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 23. Juni 1995 hat die Beklagte die Widersprüche zurückgewiesen und im wesentlichen damit begründet, durch den Betrieb der Gaststätte übe der Kläger eine mehr als kurzzeitige Tätigkeit aus (mindestens 18 Stunden) und sei damit nicht arbeitslos. Er halte die Gastwirtschaft nach eigenen Angaben an 6 Tagen zwischen 18 und 23 Uhr geöffnet. Selbst wenn man einräume, daß die Gaststätte gelegentlich früher geschlossen werde, müsse unter Berücksichtigung der Vor- und Nacharbeit davon ausgegangen werden, daß der Kläger wöchentlich 18 und mehr Stunden tätig sei. Damit sei er seit der Eröffnung der Gastwirtschaft am 15. August 1993 nicht mehr arbeitslos gewesen. Der Kläger sei durch das Merkblatt für Arbeitslose darüber informiert gewesen, daß er eine selbständige Tätigkeit anzeigen müsse. Wenn er diese Hinweise nicht beachte, handele er grob fahrlässig im Sinne des § 48 SGB X. Die Entscheidung über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes sei daher rückwirkend ab 15. August 1993 aufzuheben gewesen (§ 48 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 3 AFG).
Wer Arbeitslosengeld beziehe, sei für den Fall der Krankheit versichert (§ 155 Abs. 1 AFG). Die Beiträge für die nach § 155 Versicherten trage die Beklagte (§ 157 Abs. 1 AFG). Der Versicherte habe bei rückwirkender Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung der Leistung der Beklagten die Beiträge zu erstatten (§ 157 Abs. 3 a Satz 1 AFG). Da kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bei einer gesetzlichen Krankenversicherung bestanden habe, müsse der Kläger die für ihn abgeführten Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von DM 1.977,81 erstatten.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Juli 1995 Klage erhoben und vorgetragen, es treffe zu, daß er in der streitbefangenen Zeit Arbeitslosengeld in Höhe von DM 7.443,– erhalten habe. Es treffe weiter zu, daß er gemeinsam mit seiner Ehefrau seit 15. August 1993 eine Gastwirtschaft betreibe. Diese habe 1993 einen Verlust von DM 21.282,– erbracht und auch bis 30. Mai 1994 sei mit Verlust gearbeitet worden. Er habe wenig Arbeitseinsatz beigesteuert und maximal am Öffnungstag 3–4 Stunden seine Ehefrau unterstützt, die die Hauptarbeit in der Gastwirtschaft leiste. Im Termin am 8. Februar 1996 hat der Kläger erklärt, die Gastwirtschaft werde von ihm, seiner Frau und seinen Kindern betrieben. Geöffnet werde sie von seinen Kindern. Er selbst habe Asthma und könne deshalb nicht so viel arbeiten. Er sei nur abends regelmäßig in der Gaststätte und arbeite dann etwa 2 Stunden. In dieser Zeit zapfe er Bier. Daneben mache er zusammen mit seiner Frau die Einkäufe.
Der Kammervorsitzende des Sozialgerichts hat die Gaststätte am 31. Mai 1996 in Augenschein genommen. Ferner wurde die Ehefrau des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Januar 1997 als Zeugin vernommen.
Mit Urteil vom 16. Januar 1997 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen im wesentlichen mit der Begründung, der Kläger betreibe die Gaststätte als Konzessionsträger selbständig und überschreite die Kurzzeitigkeitsgrenze, so daß er nicht arbeitslos sei. Dabei sei ohne Bedeutung, daß der Kläger sich nach eigenen Angaben und Angaben seiner Ehefrau während der Öffnungszeiten (mindestens 17 bis 22 Uhr) nicht ständig in der Gaststätte aufhalte, sondern maximal 3 bis 4 Stunden und insgesamt nicht mehr als durchschnittlich 2 Stunden täglich, wobei letzteres kritisch zu hinterfragen sei. Denn auch in Zeiten, in denen sich der Kläger während der Öffnungszeit in seiner im selben Gebäude befindlichen Wohnung aufhalte und bereitstehe, wenn seine Ehefrau Unterstützung benötige, stehe er für die Gaststätte zur Verfügung, mithin während der gesamten Öffnungszeit.
Es sei auch von den nicht zu widerlegenden Angaben des Klägers auszugehen, daß er erst ab dem 15. August 1995 (gemeint wohl 1993) nach vorangegangenen Renovierungsarbeiten und einem Urlaub in Griechenland vom 22. Juli bis 8. August 1993 den Betrieb der Gaststätte wieder aufgenommen habe. Die Tatsache der selbständigen Tätigkeit habe der Kläger entgegen seiner Verpflichtung, auf die er durch das Merkblatt hingewiesen worden sei, der Beklagten nicht mitgeteilt. Dies rechtfertige zumindest den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Damit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 15. August 1993 rückwirkend aufzuheben ohne Ermessen auszuüben (§ 152 Abs. 3 AFG). Aus § 50 Abs. 1 SGB X folge die Pflicht des Klägers, die bereits erhaltene Leistung in Höhe von DM 7.443,– zu erstatten. Die Pflicht zur Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge folge aus § 157 Abs. 3 a Satz 1 AFG.
Gegen das ihm am 3. Februar 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Februar 1997 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, seine Mitarbeit sei wegen seiner Asthmaerkrankung völlig unerheblich. Er halte sich in der Gaststätte täglich nur ein bis zwei Stunden auf, weil er den Zigarettenrauch nicht vertrage. Die Tatsache, daß er Konzessionär sei, ändere daran nichts. Über die Augenscheinseinnahme und die Vernehmung der Ehefrau des Klägers enthalte das Urteil nichts. Das Ergebnis der Beweisaufnahme sei unterdrückt worden, weil es die selbstherrliche Tatsachenbetrachtung des Gerichts nicht mehr zugelassen habe. Ein Gastwirt, der seine Gastwirtschaft nicht ständig selbst, d.h. nur gelegentlich betreiben könne, bleibe arbeitslos und verfügbar.
Der Kläger hat auf Anfrage die Gewinnermittlungen ab 1987 vorgelegt und hierzu erläutert, eine kleine Schankwirtschaft in einem kleinen Bergdörfchen lasse andere Ergebnisse nicht zu. Die Ergebnisse 1993 und 1994 seien durch hohen Zinsaufwand geprägt, der erst 1995 besser habe verkraftet werden können. Die Gaststätte sei Nebenerwerbsquelle. Er und seine Frau hätten zusätzlich ein Arbeitsverhältnis zum Broterwerb ausgeübt; die Ehefrau heute noch, er bis in das Jahr 1993 hinein. Das Urteil erscheine völlig willkürlich und durch die während des Verfahrens geübten Verhaltensweisen des Vorsitzenden vorgeprägt. Es schaffe kein Vertrauen, daß mit diesem Urteil Recht gesprochen worden sei, sondern nur, daß hier Macht ausgeübt worden sei.
Der Kläger hat die Schankerlaubnis, die Einkommensteuerbescheide 1993 und 1994, eine Bescheinigung der M. H. GmbH & Co. KG vom 9.6.1997, sowie eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin L. vom 5. Juni 1997 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 16. Januar 1997 sowie die Bescheide der Beklagten vom 13. Dezember 1994 und die Widerspruchsbescheide vom 23. Juni 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die aus den Gewinnermittlungen ersichtlichen Umsätze erforderten einen zeitlichen Aufwand, der über die Grenzen des § 102 AFG hinausgehe. Es sei unglaubwürdig, wenn die Ehefrau des Klägers den Arbeitsanfall in der Gaststätte hauptsächlich selbst bewältigt haben wolle.
Weitere Nachweise über die Beitragsabführung für den Kläger an die Krankenkasse seien im Hinblick auf den Zeitablauf nicht mehr zu führen. Es sei jedoch davon auszugehen, daß die Beiträge zur Krankenversicherung und Rentenversicherung ordnungsgemäß und nach dem üblichen Verfahren abgeführt worden seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Der Senat hat eine Auskunft der BKK , O., vom 27. April 1998 eingeholt. Darin wird eine Mitgliedschaft des Klägers in der Zeit vom 15. August 1993 bis zum 30. Mai 1994 durch die Beklagte bei der BKK T. D. bestätigt. Die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge sei nicht feststellbar, da die Beklagte für diesen Zeitraum noch keine Liste mit Beitragszahlungen übersandt habe.
Der Senat hat einen Schriftsatz der Beklagten aus dem Rechtsstreit L 6 AL 1496/96 vom 20. März 1998 in das Verfahren eingeführt. Darin teilt die Beklagte mit, daß bei ihr kein personenbezogener Beleg darüber existiere, daß im dortigen Fall die Krankenversicherungsbeiträge in bestimmter Höhe abgeführt worden seien. Die Beiträge würden von der Beklagten unter Angabe der jeweiligen Krankenkassen-Nr. monatlich für alle Leistungsempfänger an die zuständige KK en bloc abgeführt. Die Krankenkasse kontrolliere eine ordnungsgemäße Überweisung. Die Beklagte gehe daher davon aus, daß die Krankenversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abgeführt worden seien.
Der Senat hat im Termin am 2. September 1998 den Kläger gehört, sowie als Zeugen die Ehefrau des Klägers vernommen, ferner die Stammgäste S. H., A. O. und I. Sch. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 16. Januar 1997 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13. Dezember 1994 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juni 1995 sind rechtswidrig. Es konnte nicht festgestellt werden, daß bei dem Kläger in der streitbefangenen Zeit vom 15. August 1993 bis 30. Mai 1994 wegen mehr als kurzzeitiger Beschäftigung (mindestens 18 Stunden wöchentlich, § 102 AFG) keine Arbeitslosigkeit vorgelegen hat. Insoweit konnten nach Ausschöpfung der Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts die Grundlagen der angefochtenen Bescheide im Sinne des § 48 SGB 10 (Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse = Wegfall der Arbeitslosigkeit) nicht bestätigt werden; die darauf beruhenden Bescheide vom 13. Dezember 1994 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juni 1995 waren damit aufzuheben.
Aus der vom Kläger am 14. November 1994 bei der Beklagten unterschriebenen Veränderungsanzeige (in Arbeit ab 15.8.93, Selbständig, Gasthaus) läßt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit eine Erklärung des Klägers ablesen, daß er ab diesem Zeitpunkt mindestens 18 Stunden wöchentlich in oder für seine Gastwirtschaft arbeite. Eine solche Erklärung hat der Kläger aber auch nicht in der Folgezeit abgegeben. Zwar sind die Erklärungen des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten hinsichtlich des täglichen Einsatzes nicht einheitlich, sondern bewegen sich mit abnehmender Tendenz von 3 bis 4 Stunden maximal täglich über etwa 2 Stunden täglich nunmehr zu 1 bis 2 Stunden täglich (Termin am 2. September 1998), jedoch lassen sich auch insoweit zu keiner Zeit eindeutige Erklärungen des Klägers herauslesen, daß er in der streitbefangenen Zeit mindestens 18 Stunden wöchentlich für seine Gastwirtschaft gearbeitet habe. Auch die vorgelegten Einkommensteuerbescheide, sowie Gewinn- und Verlustrechnungen lassen keinen ausreichenden Rückschluss auf den Umfang des Einsatzes des Klägers mit mindestens 18 Stunden wöchentlich zu. Jährliche Umsatzerlöse in Höhe von DM 65.000,– (1993) bzw. 73.000,– (1994), entsprechend einem durchschnittlichen Tagesumsatz in Höhe von zwischen DM 225,– und DM 255,– (bei 288 Öffnungstagen – 48 Wochen à 6 Tage), liegen in einem so niedrigen Bereich, daß sich daraus eine notwendige mindestens 18-stündige Mitarbeit des Klägers wöchentlich nicht ableiten läßt, wenn die Mitarbeit der Ehefrau berücksichtigt wird. Hinsichtlich der erforderlichen schriftlichen Arbeiten haben der Kläger und seine Ehefrau übereinstimmend erklärt, daß diese von der Ehefrau erledigt werden, die auch eine entsprechende Qualifizierung für die Buchführung hat.
Der erkennende Senat sah auch keine Möglichkeit, die Rechtsauffassung des Sozialgerichts hinsichtlich der zusätzlichen Berücksichtigung von Bereitschaftszeit im vorliegenden Fall zu bestätigen. Bei der dominierenden Rolle, die die Ehefrau des Klägers auch nach den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen in der Gaststätte spielte, kann das Verbleiben des Klägers im angrenzenden Wohnzimmer mit dem nur dort möglichen Betrachten des griechischen Programms nicht als Bereitschaft angesehen werden. Wenn es eine Bereitschaft gab, dann war dies im wesentlichen eine der Ehefrau. Eine evtl. darüber hinaus von Fall zu Fall doch noch vorliegende Bereitschaft des Klägers läßt sich nicht mit ausreichender Sicherheit quantifizieren. Die Befragung des Klägers im Termin am 2. September 1998 sowie die Vernehmung der Ehefrau und dreier Stammgäste konnten die angefochtenen Bescheide ebenfalls nicht stützen. Danach ergab sich für den erkennenden Senat das Bild der wesentlich aktiveren Ehefrau (z.B. "die die Hosen anhatte”), die auch bis zum Abschließen der Wirtschaft im Einsatz blieb, während der Kläger sich nur wenig in der Wirtschaft aufhielt, Probleme mit dem Tabakrauch wegen seines Asthmas hatte, im angrenzenden Wohnzimmer griechisches Fernsehen anschaute und zuweilen auch schon schlief, wenn die Gaststätte von seiner Ehefrau (regelmäßig) geschlossen wurde. Die Ehefrau machte im wesentlichen die Einkäufe – sie hatte auch einen Führerschein –, führte die schriftlichen Arbeiten durch und war für die Küche allein zuständig. Bei größerem Andrang halfen auch schon einmal die Stammgäste aus, selbst wenn der Kläger in der Nähe war. Auch ließ sich für die streitbefangene Zeit kein zeitlich begrenzter erhöhter Einsatz des Klägers etwa wegen Erkrankung seiner Ehefrau feststellen.
Soweit die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden auch die Verfügbarkeit des Klägers verneinte, läßt sich dies unter Berücksichtigung der Öffnungszeiten der Gaststätte (im Sommer schon mal ab 17 Uhr, sonst ab 18 Uhr) nicht nachvollziehen. Eine Überschneidung mit den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen und Arbeitszeiten (§ 102 Abs. 1 AFG) findet dabei nicht statt.
Da die Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes nicht als rechtmäßig erkannt worden ist, konnte die davon abhängige Rückforderung des gezahlten Arbeitslosengeldes ebenso wenig bestätigt werden (§ 50 Abs. 1 SGB 10), wie die Erstattungsforderung hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge nach § 157 Abs. 3 a AFG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die. Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 nicht vorliegen.
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