L 9 R 4910/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2616/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4910/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin, die ihr in der Zeit vom 1.10.2002 bis 30.4.2004 gezahlte Rente wegen Berufsunfähigkeit zu erstatten hat.

Die 1942 geborene aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Klägerin erhielt auf Grund eines Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit vom 5.10.1983 von der Beklagten ab 5.4.1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, zunächst auf Zeit, dann auf Dauer (Bescheide vom 29.5.1984, 13.12.1985, 7.5.1987 und 7.11.1988).

Nachdem die Beklagte am 20.4.1989 von der Stadt F. erfahren hatte, dass die Klägerin als Putzfrau einen monatlichen Nettoverdienst von 622,25 DM (Verdienstgrenze 450,- DM) erzielte, veranlasste sie eine Nachuntersuchung der Klägerin und gewährte der Klägerin an Stelle der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eine Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1.4.1990 (Bescheid vom 24.2.1990).

Mit Schreiben vom 12.10.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ab 1.1.2001 für alle Bezieher von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Hinzuverdienstgrenzen gelten. Die Klägerin wurde aufgefordert, den beiliegenden Fragebogen ausgefüllt und unterschrieben zurückzusenden. Hierzu war die Klägerin jedoch nicht bereit (Telefonvermerk vom 23.11.2000).

Nachdem die Beklagte den Hinzuverdienst der Klägerin auf der Grundlage der Entgeltübermittlung der AOK für das Jahr 1999 ermittelt hatte, gewährte sie der Klägerin mit Bescheid vom 30.11.2000 die Rente wegen Berufsunfähigkeit wegen des Hinzuverdienstes ab 1.1.2001 in Höhe von einem Drittel.

Nach Eingang der Verdienstbescheinigung der Firma M. GmbH & CoKG vom 13.12.2000 betreffend die Zeit ab 1.1.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 15.1.2001 mit, laut Entgeltbescheinigung erhalte sie ein monatliches Bruttoentgelt von 1821,- DM. Sie habe damit Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von einem Drittel. Es verbleibe bei dem Bescheid vom 30.11.2000. Den Widerspruch vom 22.1.2001 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6.3.2001 als unzulässig zurück.

Nachdem die Beklagte die Entgeltbescheinigung der Firma M. GmbH & CoKG vom 29.3.2004 die Zeit ab 1.1.2002 betreffend erhalten hatte, teilte sie der Klägerin mit Bescheid vom 5.4.2004 mit, dass die Rente wegen des Hinzuverdienstes für die Zeit ab 1.10.2002 nicht zu zahlen sei und die Klägerin für die Zeit vom 1.10.2002 bis 30.4.2004 einen Betrag von 1.484,09 EUR zu erstatten habe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.7.2004 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 26.7.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.10.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe sowohl den maßgeblichen Hinzuverdienst als auch die Höhe der Hinzuverdienstgrenzen korrekt berechnet. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Rentenbewilligungsbescheides lägen vor; gem. § 50 Sozialgesetzbuch (SGB) X sei der überzahlte Betrag in Höhe von 1.484,09 EUR von der Klägerin zu erstatten.

Gegen den am 13.10.2005 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10.11.2005 beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, ohne diese zu begründen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat den Bescheid vom 17.11.2005 vorgelegt, mit dem sie der Klägerin ab 1.4.2005 wegen eines reduzierten Erwerbseinkommens wieder Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von einem Drittel gewährt. Den sich aus dem Bescheid ergebenden Nachzahlungsbetrag von 696,70 EUR hat sie einbehalten; außerdem behält sie ab Januar 2006 20 EUR von der laufenden Rente ein.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Beklagte für die Zeit ab 1.10.2002 die Rente zu Recht neu berechnet und einen Zahlbetrag - bis auf weiteres - verneint hat. Die Beklagte hat von der Klägerin auch zu Recht die Erstattung der für die Zeit vom 1.10.2002 bis 30.4.2004 ausgezahlten Rente verlangt.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der laufend gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU-Rente) ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Satz 2 Nr. 3) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Satz 2 Nr. 4).

Ab 1.1.2001 ist auch für laufende Erwerbsminderungsrenten eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Seitdem ist ein Hinzuverdienst zu berücksichtigen, der gegebenenfalls zu einer Minderung des jeweiligen monatlichen Auszahlungsbetrages der BU-Rente mit der vorgesehenen Abstufung (volle Rente, 2/3- Rente, 1/3-Rente und keine Rente) führt. Hierauf hat die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 12.10.2000 zutreffend hingewiesen.

Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte auch zu Recht ausgeführt, dass der Klägerin ab 1.10.2002 kein Auszahlungsbetrag zusteht. Bestand am 31.12.2000 - wie im Fall der Klägerin - ein Stammrecht auf BU-Rente, ordnet § 313 Abs. 1 SGB VI i. d. F. des Gesetzes vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) die entsprechende Anwendung des ebenfalls neu gefassten § 96a SGB VI mit der Maßgabe an, dass die Regelungen zur Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die BU-Rente entsprechend gelten. Bei Überschreiten der höchsten Hinzuverdienstgrenze wird keine Rente gewährt. Die Hinzuverdienstgrenzen für die BU-Rente sind gem. § 113 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI wie folgt definiert: Sie betragen für die Rente in voller Höhe das 52,5-fache für die Rente in Höhe von zwei Drittel das 70-fache für die Rente von einem Drittel das 87,5-fache des aktuellen Rentenwertes (§ 68 SGB VI) vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, mindestens jedoch 0,5 Entgeltpunkten.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob als letztes Jahr vor Eintritt der Berufsunfähigkeit das Jahr 1989 (Bezug von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) oder das Jahr 1982 (letztes Jahr vor Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente) zugrunde zu legen ist, da in beiden Jahren 0,5 Entgeltpunkten, die mindestens zugrunde zu legen sind, nicht erreicht werden. Multipliziert mit 87,5 und dem aktuellen Rentenwert (vom 1.10.2002 bis 30.3.2003: 25,86 EUR; ab 1.7.2003: 26,13 EUR) beträgt die Hinzuverdienstgrenze, die nicht überschritten werden darf, wenn man den Anspruch auf Auszahlung der BU-Rente behalten will, für die Zeit vom 1.10.2002 bis 30.6.2003 1131,38 EUR für die Zeit ab 1.7.2003 1143,19 EUR. Diese Grenzen hat die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2002 bis 30.6.2003 permanent überschritten, da sie zwischen mindestens 1140,02 und 2212,84 EUR verdient hat und in der Zeit vom 1.7.2003 bis 31.3.2004 1192,02 EUR (im Monat November 2003 1900,15 EUR).

Vorliegend hat die Klägerin nach Erlass des Verwaltungsaktes vom 30.11.2000 Einkommen erzielt, das unter Berücksichtigung der ab 1.1.2001 eingetretenen Rechtsänderung ab 1.10.2002 zum Wegfall des Auszahlungsbetrages der BU-Rente führte. Darüber hinaus wusste die Klägerin oder wusste nicht, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ganz weggefallen ist, weil die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12.10.2000 mitgeteilt hat, dass ein Anspruch auf BU-Rente in Höhe von einem Drittel nur besteht, wenn die Klägerin die Hinzuverdienstgrenze von 1086,69 EUR (ggf. geändert um den Prozentsatz, um den sich der aktuelle Rentenwert ändert) nicht überschreitet. Die Klägerin hat jeweils Verdienste erzielt, die über den im Schreiben vom 12.10.2000 genannten Betrag lagen.

Da vorliegend ein atypischer Fall nicht gegeben ist, ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte keine Ermessenserwägungen angestellt hat.

Die Beklagte hat die Klägerin zwar vor Erlass des Bescheides vom 5.4.2004 nicht gem. § 24 SGB X angehört. Dieser Verfahrensfehler ist durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt, da die Beklagte im Bescheid vom 5.4.2004 alle wesentlichen Tatsachen dargelegt hat.

Da die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht den früheren rentengewährenden Bescheid abgeändert hat, hat die Klägerin die zu Unrecht erbrachten Leistungen (BU-Rente für die Zeit vom 1.10.2002 bis 30.4.2004) zu erstatten.

Nach alledem ist der angefochtene Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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