Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1057/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5075/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. November 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Neufeststellung ihrer fremdrentenrechtlich begründeten Witwenrente.
Die 1929 geborene Klägerin ist die Witwe des am 25. Juni 1927 geborenen und am 22. September 1994 verstorbenen Versicherten. Kurz zuvor, am 6. Januar 1994, war die mit dem verstorbenen Versicherten verheiratete Klägerin mit ihrem Ehemann v. P. (Nordkasachstan) ins Bundesgebiet übergesiedelt. Unter dem 18. August 1994 wurden sie als Spätaussiedlerin nach § 4 Bundesvertriebenengesetz anerkannt.
Der verstorbene Versicherte, der als Person deutscher Nationalität von 1946 bis zum 27. September 1954 laut Archivbescheinigung der Leitung für Innere Angelegenheiten des Exekutivkomitees der Volksdeputierten des Gebietes Nordkasachstan vom 15. Oktober 1990 in einem Spezialregister registriert war, arbeitete nach den Angaben der Archivbescheinigung des Ministeriums der Landwirtschaft der Kasachischen SSR vom 16. November 1993 von Januar 1943 bis Dezember 1959 als Kraftfahrer der Kolchose "22. Parteitag", B. Kreis, P., Nordkasachstan. Diese Bescheinigung beruhte auf dem Protokoll Nr 20 vom 30.10.1989, wonach die Zeugen E. D. und A. M. angegeben hatten, der Versicherte habe von Januar 1943 bis Dezember 1959 in der Kolchose verschiedene Arbeiten verrichtet, woraufhin der Sozialversorgungsrat der Kolchose 22. Parteitag beschloss, es gelte als festgestellt, dass der Versicherte von Januar 1943 bis Dezember 1959 17 Jahre in der Kolchose gearbeitet habe. Die Eintragungen in dem am 8. Januar 1965 ausgestellten Arbeitsbuch weisen aus, dass der Versicherte zwischen 1960 und 1989 Mitglied der Kolchose "22. Parteitag", B. Kreis, P., Nordkasachstan und als Kraftfahrer beschäftigt war. Im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens hatte der Versicherte schriftlich erklärt, er sei in der Kolchose, der keine Industriebetriebe angegliedert gewesen seien, LKW gefahren. Des Weiteren gab die Klägerin im Kontenklärungsverfahren an, ihr Ehemann sei am 25. Juli 1987 in Rente gegangen.
Auf ihren Antrag vom 11. Oktober 1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage der vom Versicherten im Zeitraum vom 23. Juni 1943 bis zum 31. Dezember 1989 zurückgelegten und nach dem Fremdrentengesetz anerkannten Beitrags- und Beschäftigungszeiten mit Rentenbescheid vom 18. April 1995 große Witwenrente ab dem 1. Oktober 1994. In diesem Rentenbescheid waren die Zeiten der Beschäftigung des verstorbenen Versicherten als Kraftfahrer in seiner Kolchose durchgehend der Qualifikationsgruppe 5, Bereich 22 der Anlage 14 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - zugeordnet. Diese Zeiten hatte die Beklagte zuvor erstmals mit dem zugunsten der Klägerin am 8. Februar 1995 für die Zeit vom Zuzug ins Bundesgebiet bis zum Todeszeitpunkt des Versicherten erlassenen Regelaltersrentenbescheid anerkannt. Die Bescheide vom 8. Februar und 18. April 1995 wurden bestandskräftig.
Durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27. Dezember 2003, bei der Beklagten am 30. Dezember 2003 eingegangen, beantragte die Klägerin die Überprüfung und Neufeststellung ihrer Witwenrente unter ungekürzter Berücksichtigung der Arbeitsjahre mit mehr als 300 Arbeitstagen und Zuordnung der Versicherungszeiten des verstorbenen Versicherten zur Qualifikationsgruppe 4 (Kraftfahrer und Kfz-Mechaniker mit langjähriger Berufserfahrung). Die Beklagte stellte daraufhin die bisherige große Witwenrente mit dem Bevollmächtigten der Klägerin am 4. März 2004 zugestelltem Bescheid vom 27. Februar 2004 unter Berücksichtigung der seit 1997 ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Kolchosemitgliedszeiten neu fest, beließ es indes weiter bei der Zuordnung der Versicherungszeiten zur Qualifikationsgruppe 5.
Zur Begründung des dagegen von der Klägerin unter dem 1. April 2004 verfassten und am 7. April 2004 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, die von ihr inzwischen aufgefundene Karteikarte für sowjetische Kraftfahrer weise aus, dass der Versicherte am 16. April 1955 den Führerschein der Klasse III (Anfangsführerschein) für sowjetische Kraftfahrer erworben habe. Ab 1961 sei aufgrund langjähriger Kraftfahrertätigkeit in Verbindung mit der Tatsache, dass der verstorbene Versicherte darüber hinaus als Kfz-Mechaniker gearbeitet habe, die Qualifikationsgruppe 4 zuzuerkennen, zumal unter dem 15. Dezember 1977 (Umtausch BC) und dem 19. März 1983 (BCDE) Erweiterungen des Führerscheins auf seiner Führerscheinkarte vermerkt seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Hinweis darauf, dass ein Anspruch auf Zuordnung zu einer höheren Qualifikationsgruppe nicht bestehe, als unbegründet zurück. Der verstorbene Versicherte habe keine Lehre oder sonstige Ausbildung durchlaufen. Die Qualifikation als Kraftfahrer der Klasse III sei nicht als Facharbeitertätigkeit einzuordnen und auch im Herkunftsgebiet nicht so bewertet worden. Des Weiteren komme ebenso wenig eine Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe aufgrund langjähriger Berufserfahrung in Betracht. Dies setze die Ausübung eines höherwertigen Berufs während eines Zeitraums voraus, der ausreiche, um die mangels formeller Ausbildung erforderlichen theoretischen und praktischen Befähigungen für eine vollwertige Berufsausübung zu vermitteln. Auch daran fehle es vorliegend, weil etwa Hinweise darauf, dass der verstorbene Versicherte als Kraftfahrer Prüfungen nach Klassen II und I abgelegt habe, nicht ersichtlich seien. Entsprechende Zeugnisse lägen nicht vor. Damit sei nicht dargetan, dass der verstorbene Versicherte jemals eine höherwertige Tätigkeit verrichtet habe.
Die dagegen am 6. April 2005 erhobene Klage begründete die Klägerin unter Vorlage des letzten sowjetischen Führerscheins des verstorbenen Versicherten vom 19. August 1983 im Original mit Hinweis auf seine zusätzliche und höher zu bewertende Mechanikertätigkeit und dem Antrag, eine Rechtsauskunft des Instituts für Ostrecht in M. zur Einordnung der sowjetischen Führerscheinklassen III, II und I einzuholen. Diese Klage wies das Sozialgericht Heilbronn - S 4 R 1057/05 - nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 16. November 2005 als unbegründet ab. Zur Begründung verwies das Sozialgericht auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und führte ergänzend aus, Spekulationen dahin, dass der verstorbene Versicherte über den Führerschein der Klasse III möglicherweise hinausgehende Kurse für den Erwerb der Führerscheine der Klassen II und I erfolgreich absolviert habe, seien nicht entscheidungserheblich. Der entsprechende Nachweis sei nicht erbracht. Mangels dieses Nachweises seien auch weitere Ermittlungen beim Institut für Ostrecht zu Ausbildungsdauer und sonstiger Besonderheiten der Führerscheine der Klassen II und I nicht angezeigt. Der Gerichtsbescheid ging dem Bevollmächtigten der Klägerin am 19. November 2005 zu.
Am 28. November 2005 hat die Klägerin Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt.
Die Klägerin ist nunmehr der Auffassung, dem verstorbenen Versicherten sei zumindest für die Zeit ab dem 1. Mai 1965 (= zehn Jahre nach Erwerb des Führerscheins der Klasse III am 16. April 1955) die Qualifikationsgruppe 4 zuzuerkennen. Dass sowjetische Dokumente über Kurse der Klassen II und I nicht vorhanden seien, sei unschädlich, weil der verstorbene Versicherte jedenfalls ab dem 19. August 1983 einen Führerschein für alle Klassen gehabt habe. Zur Aufklärung sei eine Rechtsauskunft des Instituts für Ostrecht in München einzuholen. Nur das Institut für Ostrecht werde erklären können, wie jemand ab 1955 letztlich alle sowjetischen Führerschein-Stufen - außer Motorrad - habe erwerben können. Außerdem sei der verstorbene Versicherte auch Kfz-Mechaniker gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. November 2005 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 18. April 1995 die Beschäftigung des verstorbenen Versicherten in der ehemaligen Sowjetunion ab dem 1. Mai 1965 der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen und ihre Witwenrente für die Zeit ab dem 1. Januar 1999 neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Heilbronn (S 4 R 1057/05) sowie auf die Senatsakten (L 9 R 5075/05) ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - nach dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. November 2005 ist nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat deshalb zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid und Gerichtsbescheid Bezug und sieht von einer eigenen Begründung im Wesentlichen ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zum Berufungsvortrag der Klägerin ist ergänzend anzumerken, dass sich auch der Senat nicht davon überzeugen konnte, dass die Beklagte bei der Einstufung der Kraftfahrertätigkeit des Versicherten in die Qualifikationsgruppe 5 im Witwenrentenbescheid vom 18. April 1995 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder das Recht unrichtig angewendet hat, wie dies in § 44 Abs. 1 SGB X vorausgesetzt wird. Weitere Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung hielt der Senat auch im Hinblick auf die Karteikarte für sowjetische Kraftfahrer und auf den von der Klägerin im Original vorgelegten Führerschein des verstorbenen Versicherten vom 19. August 1983 nicht für angezeigt.
Der im erstinstanzlichen Verfahren vollständig übersetzten persönlichen Karte des Kraftfahrers kann entnommen werden, dass dem Versicherten diese Karte am 16. April 1955 nach bestandener Prüfung zum Berufskraftfahrer der Klasse 3 ausgestellt wurde und dass seit dem 16. Juli 1955 Berufspraxis als Kraftfahrer erworben wurde. In der Karte wird ausdrücklich verneint, dass der Versicherte in der bisher zurückgelegten allgemeinen Arbeitszeit von 15 Jahren als Kraftfahrer tätig war. Das steht in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen im Protokoll Nr. 20 vom 30. Oktober 1989, wonach der Versicherte von Januar 1943 bis Dezember 1959 in der Kolchose verschiedene Arbeiten verrichtete. Damit ist die angeblich auf diesem Protokoll beruhende Archivbescheinigung vom 16. November 1993 unzutreffend, die bescheinigt, dass der Versicherte von Januar 1943 bis Dezember 1959 als Kraftfahrer auf der Kolchose tätig war. Das am 8. Januar 1965 ausgestellte Arbeitsbuch bezeichnet die von 1960 bis 1989 erfasste Tätigkeit des Versicherten durchgehend schlicht mit dem Wort "Kraftfahrer". Auch der Versicherte selbst hat im Kontenklärungsverfahren angegeben, auf der Kolchose LKW gefahren zu sein.
Der im Original vorgelegte Führerschein mit der Fahrerlaubnis für die Kraftfahrzeuge BCDE ist am 19. August 1983 ausgestellt worden ist. Obwohl die persönliche Karte des Kraftfahrers Eintragungen bis 1983 und insbesondere einen Hinweis auf die Erweiterung der Fahrerlaubnis auf die Fahrzeuge BCDE enthält, wird auf der Umseite weiterhin die Führerscheinklasse III geführt. Auch ist nicht nachgewiesen, dass der Versicherte einschlägige Ausbildungen absolviert und Prüfungen abgelegt hat, die es erlauben würden, die Fahrerlaubnis für die Kraftfahrzeuge BCDE mit dem Führerschein der Klasse I gleichzustellen. Auch wenn man unterstellt, dass der Versicherte mit Hilfe der Fahrerlaubnis für die Fahrzeuge BCDE eine höherwertige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat, so würde auch dies die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) nicht rechtfertigen. Denn in diesem Fall hätte der verstorbene Versicherte eine höherwertige, der Qualifikationsgruppe 4 entsprechende Facharbeitertätigkeit nicht mehr - wie gemäß Satz 2 der Definition der Qualifikationsgruppen in der Anlage 13 zum SGB VI erforderlich - langjährig ausgeübt, hat er seine Berufstätigkeit im Herkunftsgebiet doch spätestens zum 31. Dezember 1989 beendet, zumal die Klägerin mitgeteilt hat, er sei schon am 25. Juli 1987 in Rente gegangen. Zusätzlich ist zu beachten, dass die tatsächliche Verrichtung einer höherwertigen Tätigkeit durch den verstorbenen Versicherten auch seit 1983 durch keine objektiven Anhaltspunkte belegt ist. Vielmehr sind die im Arbeitsbuch ausgewiesenen Verdienste in den Jahren 1977 bis 1986 im Wesentlichen gleich geblieben. Schließlich fehlt es auch an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass der Versicherte zusätzlich als Kfz-Mechaniker beschäftigt war. Im bis zum 20. April 1990 geführten und unter dem 8. Januar 1965 ausgestellten Arbeitsbuch wird die Art seiner Tätigkeit durchgehend allein mit "Kraftfahrer" angegeben. Auch der Versicherte selbst hat im Kontenklärungsverfahren ausschließlich angegeben, als LKW-Fahrer auf der Kolchose gearbeitet zu haben.
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Neufeststellung ihrer fremdrentenrechtlich begründeten Witwenrente.
Die 1929 geborene Klägerin ist die Witwe des am 25. Juni 1927 geborenen und am 22. September 1994 verstorbenen Versicherten. Kurz zuvor, am 6. Januar 1994, war die mit dem verstorbenen Versicherten verheiratete Klägerin mit ihrem Ehemann v. P. (Nordkasachstan) ins Bundesgebiet übergesiedelt. Unter dem 18. August 1994 wurden sie als Spätaussiedlerin nach § 4 Bundesvertriebenengesetz anerkannt.
Der verstorbene Versicherte, der als Person deutscher Nationalität von 1946 bis zum 27. September 1954 laut Archivbescheinigung der Leitung für Innere Angelegenheiten des Exekutivkomitees der Volksdeputierten des Gebietes Nordkasachstan vom 15. Oktober 1990 in einem Spezialregister registriert war, arbeitete nach den Angaben der Archivbescheinigung des Ministeriums der Landwirtschaft der Kasachischen SSR vom 16. November 1993 von Januar 1943 bis Dezember 1959 als Kraftfahrer der Kolchose "22. Parteitag", B. Kreis, P., Nordkasachstan. Diese Bescheinigung beruhte auf dem Protokoll Nr 20 vom 30.10.1989, wonach die Zeugen E. D. und A. M. angegeben hatten, der Versicherte habe von Januar 1943 bis Dezember 1959 in der Kolchose verschiedene Arbeiten verrichtet, woraufhin der Sozialversorgungsrat der Kolchose 22. Parteitag beschloss, es gelte als festgestellt, dass der Versicherte von Januar 1943 bis Dezember 1959 17 Jahre in der Kolchose gearbeitet habe. Die Eintragungen in dem am 8. Januar 1965 ausgestellten Arbeitsbuch weisen aus, dass der Versicherte zwischen 1960 und 1989 Mitglied der Kolchose "22. Parteitag", B. Kreis, P., Nordkasachstan und als Kraftfahrer beschäftigt war. Im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens hatte der Versicherte schriftlich erklärt, er sei in der Kolchose, der keine Industriebetriebe angegliedert gewesen seien, LKW gefahren. Des Weiteren gab die Klägerin im Kontenklärungsverfahren an, ihr Ehemann sei am 25. Juli 1987 in Rente gegangen.
Auf ihren Antrag vom 11. Oktober 1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage der vom Versicherten im Zeitraum vom 23. Juni 1943 bis zum 31. Dezember 1989 zurückgelegten und nach dem Fremdrentengesetz anerkannten Beitrags- und Beschäftigungszeiten mit Rentenbescheid vom 18. April 1995 große Witwenrente ab dem 1. Oktober 1994. In diesem Rentenbescheid waren die Zeiten der Beschäftigung des verstorbenen Versicherten als Kraftfahrer in seiner Kolchose durchgehend der Qualifikationsgruppe 5, Bereich 22 der Anlage 14 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - zugeordnet. Diese Zeiten hatte die Beklagte zuvor erstmals mit dem zugunsten der Klägerin am 8. Februar 1995 für die Zeit vom Zuzug ins Bundesgebiet bis zum Todeszeitpunkt des Versicherten erlassenen Regelaltersrentenbescheid anerkannt. Die Bescheide vom 8. Februar und 18. April 1995 wurden bestandskräftig.
Durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27. Dezember 2003, bei der Beklagten am 30. Dezember 2003 eingegangen, beantragte die Klägerin die Überprüfung und Neufeststellung ihrer Witwenrente unter ungekürzter Berücksichtigung der Arbeitsjahre mit mehr als 300 Arbeitstagen und Zuordnung der Versicherungszeiten des verstorbenen Versicherten zur Qualifikationsgruppe 4 (Kraftfahrer und Kfz-Mechaniker mit langjähriger Berufserfahrung). Die Beklagte stellte daraufhin die bisherige große Witwenrente mit dem Bevollmächtigten der Klägerin am 4. März 2004 zugestelltem Bescheid vom 27. Februar 2004 unter Berücksichtigung der seit 1997 ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Kolchosemitgliedszeiten neu fest, beließ es indes weiter bei der Zuordnung der Versicherungszeiten zur Qualifikationsgruppe 5.
Zur Begründung des dagegen von der Klägerin unter dem 1. April 2004 verfassten und am 7. April 2004 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, die von ihr inzwischen aufgefundene Karteikarte für sowjetische Kraftfahrer weise aus, dass der Versicherte am 16. April 1955 den Führerschein der Klasse III (Anfangsführerschein) für sowjetische Kraftfahrer erworben habe. Ab 1961 sei aufgrund langjähriger Kraftfahrertätigkeit in Verbindung mit der Tatsache, dass der verstorbene Versicherte darüber hinaus als Kfz-Mechaniker gearbeitet habe, die Qualifikationsgruppe 4 zuzuerkennen, zumal unter dem 15. Dezember 1977 (Umtausch BC) und dem 19. März 1983 (BCDE) Erweiterungen des Führerscheins auf seiner Führerscheinkarte vermerkt seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Hinweis darauf, dass ein Anspruch auf Zuordnung zu einer höheren Qualifikationsgruppe nicht bestehe, als unbegründet zurück. Der verstorbene Versicherte habe keine Lehre oder sonstige Ausbildung durchlaufen. Die Qualifikation als Kraftfahrer der Klasse III sei nicht als Facharbeitertätigkeit einzuordnen und auch im Herkunftsgebiet nicht so bewertet worden. Des Weiteren komme ebenso wenig eine Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe aufgrund langjähriger Berufserfahrung in Betracht. Dies setze die Ausübung eines höherwertigen Berufs während eines Zeitraums voraus, der ausreiche, um die mangels formeller Ausbildung erforderlichen theoretischen und praktischen Befähigungen für eine vollwertige Berufsausübung zu vermitteln. Auch daran fehle es vorliegend, weil etwa Hinweise darauf, dass der verstorbene Versicherte als Kraftfahrer Prüfungen nach Klassen II und I abgelegt habe, nicht ersichtlich seien. Entsprechende Zeugnisse lägen nicht vor. Damit sei nicht dargetan, dass der verstorbene Versicherte jemals eine höherwertige Tätigkeit verrichtet habe.
Die dagegen am 6. April 2005 erhobene Klage begründete die Klägerin unter Vorlage des letzten sowjetischen Führerscheins des verstorbenen Versicherten vom 19. August 1983 im Original mit Hinweis auf seine zusätzliche und höher zu bewertende Mechanikertätigkeit und dem Antrag, eine Rechtsauskunft des Instituts für Ostrecht in M. zur Einordnung der sowjetischen Führerscheinklassen III, II und I einzuholen. Diese Klage wies das Sozialgericht Heilbronn - S 4 R 1057/05 - nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 16. November 2005 als unbegründet ab. Zur Begründung verwies das Sozialgericht auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und führte ergänzend aus, Spekulationen dahin, dass der verstorbene Versicherte über den Führerschein der Klasse III möglicherweise hinausgehende Kurse für den Erwerb der Führerscheine der Klassen II und I erfolgreich absolviert habe, seien nicht entscheidungserheblich. Der entsprechende Nachweis sei nicht erbracht. Mangels dieses Nachweises seien auch weitere Ermittlungen beim Institut für Ostrecht zu Ausbildungsdauer und sonstiger Besonderheiten der Führerscheine der Klassen II und I nicht angezeigt. Der Gerichtsbescheid ging dem Bevollmächtigten der Klägerin am 19. November 2005 zu.
Am 28. November 2005 hat die Klägerin Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt.
Die Klägerin ist nunmehr der Auffassung, dem verstorbenen Versicherten sei zumindest für die Zeit ab dem 1. Mai 1965 (= zehn Jahre nach Erwerb des Führerscheins der Klasse III am 16. April 1955) die Qualifikationsgruppe 4 zuzuerkennen. Dass sowjetische Dokumente über Kurse der Klassen II und I nicht vorhanden seien, sei unschädlich, weil der verstorbene Versicherte jedenfalls ab dem 19. August 1983 einen Führerschein für alle Klassen gehabt habe. Zur Aufklärung sei eine Rechtsauskunft des Instituts für Ostrecht in München einzuholen. Nur das Institut für Ostrecht werde erklären können, wie jemand ab 1955 letztlich alle sowjetischen Führerschein-Stufen - außer Motorrad - habe erwerben können. Außerdem sei der verstorbene Versicherte auch Kfz-Mechaniker gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. November 2005 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 18. April 1995 die Beschäftigung des verstorbenen Versicherten in der ehemaligen Sowjetunion ab dem 1. Mai 1965 der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen und ihre Witwenrente für die Zeit ab dem 1. Januar 1999 neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Heilbronn (S 4 R 1057/05) sowie auf die Senatsakten (L 9 R 5075/05) ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - nach dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16. November 2005 ist nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat deshalb zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid und Gerichtsbescheid Bezug und sieht von einer eigenen Begründung im Wesentlichen ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zum Berufungsvortrag der Klägerin ist ergänzend anzumerken, dass sich auch der Senat nicht davon überzeugen konnte, dass die Beklagte bei der Einstufung der Kraftfahrertätigkeit des Versicherten in die Qualifikationsgruppe 5 im Witwenrentenbescheid vom 18. April 1995 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder das Recht unrichtig angewendet hat, wie dies in § 44 Abs. 1 SGB X vorausgesetzt wird. Weitere Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung hielt der Senat auch im Hinblick auf die Karteikarte für sowjetische Kraftfahrer und auf den von der Klägerin im Original vorgelegten Führerschein des verstorbenen Versicherten vom 19. August 1983 nicht für angezeigt.
Der im erstinstanzlichen Verfahren vollständig übersetzten persönlichen Karte des Kraftfahrers kann entnommen werden, dass dem Versicherten diese Karte am 16. April 1955 nach bestandener Prüfung zum Berufskraftfahrer der Klasse 3 ausgestellt wurde und dass seit dem 16. Juli 1955 Berufspraxis als Kraftfahrer erworben wurde. In der Karte wird ausdrücklich verneint, dass der Versicherte in der bisher zurückgelegten allgemeinen Arbeitszeit von 15 Jahren als Kraftfahrer tätig war. Das steht in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen im Protokoll Nr. 20 vom 30. Oktober 1989, wonach der Versicherte von Januar 1943 bis Dezember 1959 in der Kolchose verschiedene Arbeiten verrichtete. Damit ist die angeblich auf diesem Protokoll beruhende Archivbescheinigung vom 16. November 1993 unzutreffend, die bescheinigt, dass der Versicherte von Januar 1943 bis Dezember 1959 als Kraftfahrer auf der Kolchose tätig war. Das am 8. Januar 1965 ausgestellte Arbeitsbuch bezeichnet die von 1960 bis 1989 erfasste Tätigkeit des Versicherten durchgehend schlicht mit dem Wort "Kraftfahrer". Auch der Versicherte selbst hat im Kontenklärungsverfahren angegeben, auf der Kolchose LKW gefahren zu sein.
Der im Original vorgelegte Führerschein mit der Fahrerlaubnis für die Kraftfahrzeuge BCDE ist am 19. August 1983 ausgestellt worden ist. Obwohl die persönliche Karte des Kraftfahrers Eintragungen bis 1983 und insbesondere einen Hinweis auf die Erweiterung der Fahrerlaubnis auf die Fahrzeuge BCDE enthält, wird auf der Umseite weiterhin die Führerscheinklasse III geführt. Auch ist nicht nachgewiesen, dass der Versicherte einschlägige Ausbildungen absolviert und Prüfungen abgelegt hat, die es erlauben würden, die Fahrerlaubnis für die Kraftfahrzeuge BCDE mit dem Führerschein der Klasse I gleichzustellen. Auch wenn man unterstellt, dass der Versicherte mit Hilfe der Fahrerlaubnis für die Fahrzeuge BCDE eine höherwertige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat, so würde auch dies die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) nicht rechtfertigen. Denn in diesem Fall hätte der verstorbene Versicherte eine höherwertige, der Qualifikationsgruppe 4 entsprechende Facharbeitertätigkeit nicht mehr - wie gemäß Satz 2 der Definition der Qualifikationsgruppen in der Anlage 13 zum SGB VI erforderlich - langjährig ausgeübt, hat er seine Berufstätigkeit im Herkunftsgebiet doch spätestens zum 31. Dezember 1989 beendet, zumal die Klägerin mitgeteilt hat, er sei schon am 25. Juli 1987 in Rente gegangen. Zusätzlich ist zu beachten, dass die tatsächliche Verrichtung einer höherwertigen Tätigkeit durch den verstorbenen Versicherten auch seit 1983 durch keine objektiven Anhaltspunkte belegt ist. Vielmehr sind die im Arbeitsbuch ausgewiesenen Verdienste in den Jahren 1977 bis 1986 im Wesentlichen gleich geblieben. Schließlich fehlt es auch an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass der Versicherte zusätzlich als Kfz-Mechaniker beschäftigt war. Im bis zum 20. April 1990 geführten und unter dem 8. Januar 1965 ausgestellten Arbeitsbuch wird die Art seiner Tätigkeit durchgehend allein mit "Kraftfahrer" angegeben. Auch der Versicherte selbst hat im Kontenklärungsverfahren ausschließlich angegeben, als LKW-Fahrer auf der Kolchose gearbeitet zu haben.
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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