L 9 R 5129/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1009/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5129/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. August 2005 wird zurückgewiesen. Die Klagen gegen die Bescheide vom 27. Dezember 2005 und 18. Januar 2006 werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist im Berufungsverfahren noch, ob die Klägerin Anspruch auf höhere Erwerbsunfähigkeitrente bzw. Regelaltersrente hat unter Zuordnung von nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu berücksichtigenden Zeiten zu höheren Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI- und unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten West anstelle von Entgeltpunkten Ost.

Die 1940 geborene Klägerin zog am 22.04.1992 aus Kasachstan in die Bundesrepublik zu. Den Angaben in ihrer Erklärung vom 16.11.1999 zufolge bestand ihr Wunsch von Anfang darin, sich in Baden-Württemberg anzusiedeln. Sie wurde aber nach einem kurzen Aufenthalt im Übergangsgrenzlager E. nach H. in S. verbracht und hielt sich dort bis März 1993 auf. Sodann siedelte sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter nach N. um, wo sich ihre Söhne mit ihren Familien seit September 1992 aufhielten. Die Stadt H. stellte ihr unter dem 11.08.1993 den Vertriebenenausweis A aus.

Einer Bescheinigung der Kolchose Aktivist vom 26.07.1993 zufolge hat die Klägerin dort von April 1957 bis Februar 1962 als Melkerin gearbeitet. Nach den Eintragungen in dem am 24.09.1962 ausgestellten Arbeitsbuch hat die Klägerin die Mittelschule absolviert und war vom 22.03.1962 an als Verkäuferin in einem Dorfladen tätig. Dann folgten Tätigkeiten als Lagerverwalterin im Lebensmittellager ab 03.07.1964, als Kassiererin im Genossenschaftsladen ab 05.05.1965, als Buchhalterin ab 16.05.1966, als Ökonomin (Wirtschaftlerin) vom 25.01.1971 bis 15.12.1972, als Ökonomin ab 11.07.1975 und als Hauptbuchhalterin vom 16.08.1989 bis zur Entlassung auf eigenen Wunsch am 10.04.1992.

Im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens gab die Klägerin unter dem 23.03.1998 an, sie habe von September 1969 bis August 1972 und von Oktober 1975 bis 22.06.1979 das Institut für Buchhaltung in K. besucht und einen Fachschulabschluss erworben. Das am 22.06.1979 ausgestellte Diplom bestätigt der Klägerin, dass sie 1969 die kooperative Hochschule in der Stadt K. bezogen und 1979 ein Diplom in der Fachrichtung "Buchführung" absolviert habe. Ihr werde nach dem Beschluss der Staatlichen Prüfungskommission vom 22.06.1979 die Qualifikation "Ökonom (Wirtschaftler)" verliehen. Des weiteren legte die Klägerin eine Bescheinigung der Genossenschaftsschule A. der Kasachischen Konsumgenossenschaftsvereinigung vom 21.03.1966 vor, wonach sie in der Buchhaltungsabteilung der Genossenschaftsschule von 1962 bis 1966 in verschiedenen Fächern Kenntnisse erworben und Prüfungen in Politikökonomie, Buchhaltung im sowjetischen Genossenschaftshandel, Wirtschaftslehre und Planung des sowjetischen Handels abgelegt hat. Am 21.03.1966 wurde ihr durch Diplom Nr. 614549 die Qualifikation einer Buchhalterin im Handel zuerkannt.

Ein erster Feststellungsbescheid gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI erging unter dem 18.11.1998. Dieser Bescheid wurde durch Bescheid vom 28.07.1999 teilweise zurückgenommen und die in der Anlage 10 des Bescheides eingetragenen rentenrechtlichen Zeiten in dem dort angegebenen Umfang anerkannt. Hiergegen legte die Klägerin am 26.08.1999 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 15.10.1999 lehnte die Beklagte den am 25.09.1999 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbunfähigkeit ab. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Nachdem zunächst der Widerspruch gegen den Rentenablehnungsbescheid durch Widerspruchsbescheid vom 27.04.2000 zurückgewiesen worden war, wurde im nachfolgenden Klageverfahren S 3 RJ 1149/00 vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) zunächst ein Anerkenntnis durch die Beklagte abgegeben (Rentenbescheid vom 22.02.2001 EU-Rente ab 01.07.2000) und sodann ein Vergleich geschlossen, wonach der Klägerin bereits ab 01.04.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt wurde (Rentenbescheide vom 11.09.2001 und vom 19.11.2001).

Bei der Berechnung der Rente in den Rentenbescheiden hatte die Beklagte ebenso wie bereits im Vormerkungsbescheid vom 28.07.1999 u.a. die Zeit vom 16.04.1957 bis 15.05.1966 in der Qualifikationsgruppe 5, die Zeit vom 16.05.1966 bis zum 22.06.1979 in der Qualifikationsgruppe 4 und die Zeit vom 23.06.1979 bis zum 31.03.1992 in der Qualifikationsgruppe 2 eingestuft und für die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten die persönlichen Entgeltpunkte (Ost) und den aktuellen Rentenwert (Ost) zugrunde gelegt.

Mit Widerspruchbescheid vom 05.04.2002 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.07.1999 in der Form der Bescheide vom 22.02.2001, 11.09.2001 sowie 19.11.2001 zurück. Die Zeit vom 16.05.1966 bis zum 22.06.1979 könne nicht - wie von der Klägerin begehrt - der Qualifikationsgruppe 2 zugeordnet werden, da die Beklagte die Ausbildung an der Buchhaltungsabteilung der Genossenschaftsschule von 1962 bis 1966 als anerkannte Berufsausbildung (Lehre) betrachte, weshalb die Klägerin nach deren Abschluss zutreffend in die Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet worden sei. Bei der Ausbildung an der kooperativen Hochschule habe es sich um eine Ausbildung an einer Fachschule und nicht um eine Hochschulausbildung gehandelt, sodass für die Zeit vom 23.06.1979 bis 31.03.1992 nicht die Qualifikationsgruppe 1 anerkannt werden könne. Schließlich sei auch die Berücksichtigung der Entgeltpunkte (Ost) nicht zu beanstanden, da die Klägerin nach ihrem Zuzug ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet genommen habe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 26.04.2002 Klage zum SG Heilbronn (S 11 RJ 1009/02). Zur Begründung führte sie aus, nachdem ihr nach dem Fernstudium von 1962 bis 1966 nach einem Staatsexamen ein Diplom ausgehändigt worden sei, könne es sich bei dieser Ausbildung nicht um eine Lehre handeln. Auch in der Zeit von 1969 bis 1979 habe sie eine Hochschule mit abschließendem Diplom besucht. Schließlich habe sie unfreiwillig weniger als ein Jahr in Übergangswohnheimen in Sachsen gewohnt. In vergleichbaren Fällen habe die Beklagte "Normal"-Entgeltpunkte anerkannt.

Im Erörterungstermin vom 12.02.2003 gab die Klägerin an, sie habe ihren beruflichen Werdegang als Verkäuferin 1962 in einem Gemischtwarenladen begonnen. Nach zweieinhalb Jahren habe sie im Büro gearbeitet und sei für die Kasse zuständig gewesen. Parallel dazu habe sie das Fernstudium gemacht und dieses 1966 abgeschlossen. Dadurch habe sie den Berufsabschluss Buchhalterin erworben. Die Tätigkeit im Büro habe sie bis 1971 ausgeübt. Danach sei sie als Ökonomin beschäftigt gewesen in demselben Unternehmen. Als solche habe sie bis 1989 gearbeitet und dann ab November 1989 bis zum 1. April 1992 eine Vorgesetztenfunktion eingenommen.

Durch Urteil vom 25.08.2005 wies das SG die Klage hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitigen Punkte ab. Mit dem Diplom vom 21.03.1966 habe die Klägerin die Qualifikation einer Buchhalterin im Handel erlangt, was dem Ausbildungsniveau eines Facharbeiters der Qualifikationsgruppe 4 entspreche. Die Klägerin habe auch zu keinem Zeitpunkt ein der Qualifikationsgruppe 1 entsprechendes Ausbildungsniveau erreicht und auch keine entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Schließlich folge die Zugrundelegung der Entgeltpunkte (Ost) zwingend aus dem Umstand, dass die Klägerin nach ihrem Zuzug am 22.04.1992 und einem lediglich vorübergehenden Aufenthalt in einem Übergangsgrenzlager ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet genommen habe. Dabei sei es unbeachtlich, dass die Wahl des Aufenthaltsorts nicht aufgrund freier Willensentschließung der Klägerin, sondern nach Maßgabe eines gesetzlichen Verteilungsverfahrens erfolgt sei.

Gegen das am 24.11.2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.August 2005 und die Bescheide der Beklagen vom 28.07.1999, vom 22.02.2001, 11.09.2001 und vom 19.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2002 sowie die Bescheide vom 27.12.2005 und vom 18.01.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Regelaltersrente zu gewähren unter Einstufung der Zeit vom 16.05.1966 bis zum 22.06.1979 in der Qualifikationsgruppe 2 und der Zeit vom 23.06.1979 bis zum 31.03.1992 in der Qualifikationsgruppe 1 und unter Berücksichtigung der Entgeltpunkte (West) und des aktuellen Rentenwerts (West) auch für die nach dem Fremdrentengesetz anerkannten Zeiten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat ergänzend ausgeführt, das zum Ende des Fernstudiums erlangte "Diplom" sei ein Zeugnis/Zertifikat für den erreichten beruflichen Qualifikationsabschluss. Die Fachübersetzung "Diplom" heiße nichts anderes als Abschlusszertifikat und habe mit einem Diplom in Deutschland nicht gemeinsam. Aus einem in Auszügen vorgelegten Gutachten von Dr. K. vom 02.03.2004 gehe hervor, dass in der UdSSR alle kaufmännisch-verwaltenden Berufe zur mittleren Spezialbildung gehörten, die sowohl in der ehemaligen DDR als auch in der Bundesrepublik zur Niveaustufe Facharbeiter/Fachangestellte gehörten. Die an der kooperativen Hochschule mit Unterbrechung absolvierte Ausbildung in der Fachrichtung Buchführung zur Qualifikation "Ökonomin/ Wirtschafterin" habe keiner Hochschulausbildung entsprochen und könne daher nicht der Qualifikationsgruppe 1 zugeordnet werden, insbesondere auch unter Berücksichtigung der tatsächlich ausgeübten Arbeit. Da die Klägerin ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet begründet habe, seien der Rentenberechnung Entgeltpunkte (Ost) zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat den Rentenbescheid vom 27.12.2005 mit der Neufeststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente an 01.04.2000 und den Regelaltersrentenbescheid vom 18.01.2006 vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG Heilbronn und die Senatsakten.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig.

Entgegen der Auffassung des SG war der Herstellungsbescheid vom 28.07.1999 nicht mehr Gegenstand des Klageverfahrens, weil er im Widerspruchsverfahren durch die Übernahme seiner Feststellungen in die nachfolgenden Rentenbescheide nach § 86 Abs. 1 SGG ersetzt und damit auf andere Weise i.S.d. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt wurde (vgl. BSG Urteil vom 23.08.2005 - B 4 RA 21/04 R - JURIS.doc). Gegenstand des Berufungsverfahrens wurden entsprechend §§ 153 Abs. 1, 96 SGG auch der nach Einlegung der Berufung erteilte, abändernde Rentenbescheid vom 27.12.2005 und der ersetzende Altersrentenbescheid vom 18.01.2006. Über sie entscheidet der Senat kraft Klage.

Die Berufung und die Klagen sind jedoch sachlich nicht begründet. Die Einstufung der Zeit vom 16.05.1966 bis zum 22.06.1979 in die Qualifikationsgruppe 4 und die Einstufung der Zeit vom 23.06.1979 bis zum 31.03.1992 in die Qualifikationsgruppe 2 sind ebenso wenig zu beanstanden wie die der Rentenberechnung zugrunde liegende Berücksichtigung der Entgeltpunkte (Ost) und des aktuellen Rentenwerts (Ost). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Rente.

Die Anlage 13 zum SGB VI, auf die für die Ermittlung der Entgeltpunkte für die in der ehemaligen UdSSR zurückgelegten glaubhaft gemachten Beitragszeiten zurückzugreifen ist (§§ 22 Abs. 1 FRG i. V. m. 256b Abs. 1 SGB VI), bestimmt in Satz 1, dass Versicherte in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen einzustufen sind, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-2600 § 256b Nr.1) handelt es sich bei diesem Satz um den Grundtatbestand, welcher durch den im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Satz 2 ergänzt wird. Hingegen enthalten die nachfolgenden Qualifikationsgruppen zwar Tatbestandsmerkmale des Satzes 1 der Anlage 13, ordnen diesen aber keine Rechtsfolge zu.

Der Grundtatbestand des Satzes 1 knüpft an zwei Voraussetzungen an, nämlich (1.) an die Erfüllung der in den nachfolgenden Qualifikationsgruppen benannten (formellen) Qualifikationsmerkmale und (2.) an die tatsächliche Ausübung einer den Qualifikationsmerkmalen entsprechenden Tätigkeit.

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundlage sind die Einstufungen der Zeit vom 16.05.1966 bis zum 22.06.1979 in Qualifikationsgruppe 4 und der Zeit vom 23.06.1979 bis zum 31.03.1992 in Qualifikationsgruppe 2 nicht zu beanstanden.

Die Qualifikationsgruppen spiegeln die Berufswelt der ehemaligen DDR wieder. Daher kann für Versicherte aus der ehemaligen UdSSR nicht unmittelbar, sondern nur - soweit möglich - entsprechend auf die in der jeweiligen Qualifikationsgruppe erfassten formellen Gegebenheiten der ehemaligen DDR abgestellt werden (BSG aaO).

In die Qualifikationsgruppe 4 werden eingestuft Facharbeiter oder Personen, die über eine Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind.

In die Qualifikationsgruppe 2 werden - soweit hier einschlägig - eingestuft als Fachschulabsolventen 1. Personen, die an einer Ingenieur- oder Fachschule in einer beliebigen Studienform oder extern den Fachschulabschuss entsprechend den geltenden Rechtvorschriften erworben haben und denen eine Berufsbezeichnung der Fachschulausbildung erteilt worden ist und 3. Personen, die an staatlich anerkannten mittleren und höheren Fachschulen außerhalb des Beitrittgebiets eine Ausbildung abgeschlossen haben, die der Anforderung eines Fachschulabschlusses im Beitrittsgebiet entsprach und ein entsprechendes Zeugnis besitzen.

In die Qualifikationsgruppe 1 werden als Hochschulabsolventen - soweit hier einschlägig - eingestuft 1. Personen, die in Form eines Direkt-, Fern-, Abend- oder externen Studiums an einer Universität, Hochschule, Ingenieurhochschule, Akademie oder an einem Institut mit Hochschulcharakter ein Diplom erworben oder ein Staatsexamen abgelegt haben.

Hinsichtlich der Einstufung der Zeit vom 16.05.1966 bis zum 22.06.1979 steht fest, dass die Klägerin zu Beginn ihrer Tätigkeit im kaufmännischen Bereich als Verkäuferin im Jahr 1962 und als Kassiererin im Jahr 1964/65 außer dem Abschluss einer allgemeinbildenden Mittelschule keine Berufsausbildung absolviert hatte. Sie hat nach einem ihre Erwerbstätigkeit begleitenden externen Studium an der Buchhaltungsabteilung der Genossenschaftsschule A. der Kasachischen Konsumgenossenschaftsvereinigung nach den vorgelegten Prüfungsunterlagen in verschiedenen allgemeinbildenden Fächern Kenntnisse erworben und Prüfungen in den Fächern Politökonomie, Buchhaltung im sowjetischen Genossenschaftshandel, Wirtschaftslehre und Planung des sowjetischen Handels abgelegt, woraufhin ihr durch Diplom Nr. 614549 die Qualifikation einer Buchhalterin im Handel zuerkannt wurde.

Damit erreichte die Klägerin einen Ausbildungsabschluss im Bereich eines kaufmännisch-verwaltenden Berufs, der nach den auch der Klägerin bekanntgegebenen gutachterlichen Ausführungen von Dr. K. sowohl in der ehemaligen DDR als auch in der Bundesrepublik zum Niveau der ausgebildeten Fachkräfte im Sinne der Qualifikationsstufe 4 gehört. Für die Richtigkeit dieser Einstufung spricht auch die von der Klägerin tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, die gleichgewichtig zu berücksichtigen ist. Nach ihren eigenen Angaben war sie auch nach Abschluss der Ausbildung im Jahr 1966 weiterhin bis 1971 als Büroangestellte mit der Zuständigkeit für die Kasse tätig. Auch anschließend, als ihre Tätigkeit als die einer Ökonomin bezeichnet wurde, war sie in demselben Unternehmen im Büro tätig und war mit unterschiedlichen Aufgaben, wie Kassenführung, Führung der Eingangs- und Ausgangsbücher und Ähnlichem betraut. Die Tatsache allein, dass das Abschlusszeugnis der Genossenschaftsschule die Bezeichnung Diplom trägt, führt zu keiner anderen Beurteilung, da dieser Bezeichnung über die Bedeutung eines Abschlusszertifikats hinaus keine spezifische Bedeutung beizumessen ist, wie Dr. Kunzmann überzeugend ausführt.

Auch die nach erfolgreichem berufsbegleitendem Studium an der kooperativen Hochschule in K. von 1969 bis 1972 und von 1975 bis 1979 und erlangter Qualifikation als Ökonomin/ Wirtschafterin ausübte Tätigkeit ist zutreffend in die Qualifikationsstufe 2 eingestuft worden. Der Senat teilt die Beurteilung des SG, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt eine dem Niveau der Qualifikationsgruppe 1 entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Vielmehr verrichtete sie nach eigenen Angaben bis 1989 im Büro desselben Unternehmens im Wesentlichen dieselben Aufgaben, mit denen sie bereits als Buchhalterin betraut worden war, nämlich das Führen von Büchern, der Kasse und Ähnliches. Während der letzten drei Jahre ihrer Erwerbstätigkeit war sie sodann in diesem Büro aufsichtsführend tätig. Daher kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Ausbildungsstätte in K. tatsächlich um eine Hochschule im Sinne der Qualifikationsgruppe 1 gehandelt hat.

Schließlich hat die Beklagte auch frei von Rechtsfehlern entschieden, dass der Rentenberechnung für die nach dem FRG anerkannten Zeiten Entgeltpunkte (Ost) sowie der aktuelle Rentenwert (Ost) zugrunde zulegen sind.

Gemäß § 254b Abs. 1 SGB VI werden bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland persönliche Entgeltpunkte (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente aus Zeiten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet gebildet, die an die Stelle der persönlichen Entgeltpunkte und des aktuellen Rentenwerts treten. Diese Sonderregelungen sind im Hinblick auf die besondere Ausnahmesituation nach der Wiedervereinigung nicht verfassungswidrig (vgl Urteil des BSG vom 14.03.2006 - B 4 RA 41/04 R - JURIS.doc).

Bei Berechtigten nach dem FRG, die nach dem 31. Dezember 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verlegen und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem FRG erwerben, werden für nach dem FRG anrechenbare Zeiten Entgeltpunkte (Ost) ermittelt (Art. 6 § 4 Abs. 6b Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz).

Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -).

Unter Zugrundelegung dieser Regelungen hat die Klägerin in H./S. und damit im Beitrittsgebiet im Mai 1992 einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, da dort bis März 1993 der Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse bestanden hat. Dies hat der Senat bereits in einem vergleichbaren Fall so entschieden (Urteil vom 17.12.2002 - L 9 RJ 2831/01) und er ist insoweit der Rechtsprechung des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 19. Januar 1999 - L 13 RA 2262/98 -) gefolgt. Dieser hat ausgeführt, dass es der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in S. nicht entgegensteht, dass die Zuweisung dorthin durch "administrativen" Zwang auf der Grundlage des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnorts für Aussiedler und Übersiedler vom 06.07.1989 (BGBl I S. 1378) erfolgt ist. Denn auch wenn sich die Klägerin mangels entsprechender Alternativen von Mai 1992 bis März 1993 in S. in einem Übergangswohnheim hat aufhalten müssen, ändert dies nichts daran, dass es sich für sie um den in der Bundesrepublik Deutschland zunächst einzig zugänglichen Wohnraum und damit den örtlichen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse gehandelt hat. Gleichlautend hat auch das BSG entschieden (Urteil vom 3. April 2001 - B 4 RA 90/00 R -BSG SozR 3-1200 § 30 Nr. 21), dass selbst der zwangsweise Aufenthalt in einem Lager für "displaced persons" (DP) der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I und damit der Anerkennung einer Kindererziehungszeit nicht entgegensteht. Auch insofern ist es auf Prognosen über spätere Entwicklungen, einen bestimmten Domizilwillen und eine konkrete Auswanderungsabsicht nach Palästina nicht angekommen, vielmehr war dort - wie auch vorliegend - entscheidend, dass die Antragstellerin ihren Lebensschwerpunkt im DP-Lager hatte und sich zukunftsoffen im heutigen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hätte unbegrenzt aufhalten können. Nichts anderes gilt für die Klägerin, die sich jederzeit auch im Beitrittsgebiet auf Dauer hätte niederlassen können.

Daher kommt es auch rechtserheblich weder darauf an, dass die Klägerin von vornherein den Wunsch hatte, sich in Baden-Württemberg niederzulassen und dementsprechend die Absicht hegte, das Bundesland Sachsen so bald als möglich zu verlassen, noch dass sie sich im Ergebnis weniger als ein Jahr dort aufhalten musste (so auch Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Beschluss vom 25.09.2003 - L 6 RJ 3132/03- JURIS.doc unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG).

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 27.12.2005 und vom 18.01.2006 waren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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