L 9 R 5321/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 4928/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5321/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich in der Sache gegen die Rückforderung überzahlter Rente.

Die 1938 geborene Klägerin - eine griechische Staatsangehörige - ist die Witwe des am 5. Februar 1999 verstorbenen Versicherten. Der Versicherte bezog von der LVA R. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Rentenzahlungen der LVA R. für den Versicherten für die Monate März und April 1999 wurden noch dessen Konto bei der C.bank E. gutgeschrieben und für Beerdigungskosten und Überführung verwendet (Auskunft der C.bank vom 30. April 1999). Die Klägerin zeigte den Tod des Versicherten der Beklagten mit am 22. April 1999 eingegangenem Schreiben vom 19. April 1999 an und beantragte gleichzeitig, ihr Witwenrente zu gewähren.

Mit Bescheid vom 5. Oktober 1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. März 1999 bis zum 31. Mai 1999 ungekürzte Witwenrente (sog. Sterbevierteljahr) und für die Zeit danach große Witwenrente. Dabei verrechnete sie die für die Monate März und April 1999 zu leistende Witwenrente mit der von der LVA R. in den Monaten März und April 1999 überzahlten Versichertenrente für ihren verstorbenen Ehemann in Höhe von 2.698,66 DM und errechnete ab dem 1. Mai 1999 noch einen Nachzahlungsbetrag von 5.440,81 DM. Im dagegen nach ordnungsgemäß durchgeführtem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 30. November 2000) angestrengten Klageverfahren hob das Sozialgericht Stuttgart - SG - mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 17. März 2003 (S 15 RJ 380/01) die angefochtenen Bescheide auf, soweit darin der Rückzahlungsanspruch der LVA Rheinprovinz in Höhe von 2.698,66 DM mit dem Nachzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte verrechnet worden war. Zur Begründung hieß es: Die für den Versicherten erbrachten Leistungen für die Monate März und April 1999 seien zwar zu Unrecht erfolgt. Eine Verrechnung sei aber auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsvorschrift des § 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - nur bis zu Hälfte der laufenden Leistung möglich. Vorliegend sei aber in den Monaten März und April 1999 in voller Höhe verrechnet worden. Außerdem sei die Verrechnung rechtswidrig, weil die Beklagte es versäumt habe, von dem ihr gesetzlich eröffneten Ermessen Gebrauch zu machen und für eine Ermessensreduktion auf Null nichts ersichtlich sei.

Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15. August 2003 unter Beifügung des Entwurfs eines undatierten Rückforderungsbescheids zur beabsichtigten Rückforderung überzahlter Rentenbeträge in Höhe von 2.698,66 DM (1.379,80 Euro) an und gab ihr Gelegenheit sich binnen einen Monats schriftlich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Am Ende des Anhörungsschreibens hieß es wörtlich:

Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass Ihre Stellungnahme zu diesem Schreiben nicht als Widerspruch bzw. Klage angesehen werden kann. Ein Rechtsbehelf gegen unsere Entscheidung kann erst nach Erteilung des Bescheides wirksam eingelegt werden.

Trotz dieses Hinweises wandte sich die Klägerin mit unter dem 13. September 2003 verfassten Schreiben am 17. September 2003 an das Sozialgericht Stuttgart - SG - (S 8 RJ 4928/03) und erhob gegen den "neuen Bescheid" und gegen die Beklagte "KLAGE". Mit Hinweisschreiben vom 23. Oktober 2003 wies das SG die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Klageerhebung mangels ergangenem Bescheid hin und schlug ihr vor, die Klage zurückzunehmen, den Erlass des von der Beklagten angekündigten Bescheids abzuwarten und gegen diesen Bescheid, so er denn ergangen ist, Widerspruch und anschließend Klage zu erheben. Nachdem die Klägerin darauf nicht reagiert hatte, hörte das SG die Klägerin zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Mit Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 2004 wies das SG die Klage dann mit folgender Begründung als unzulässig ab: Ein rechtsmittelfähiger Bescheid über die Rückforderung der an den verstorbenen Ehemann der Klägerin als Versicherten überzahlten Rente liege bislang noch nicht vor. Daher fehle es an den Sachurteilsvoraussetzungen für eine Klageerhebung. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 15. November 2004 zugestellt.

Am 24. November 2004 hat die Klägerin Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, das Vorgehen der Beklagten sei rechtswidrig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Unter dem 1. Dezember 2004 hat die Beklagte einen Bescheid erlassen, mit dem sie die nach dem Tode des bei der LVA Rheinprovinz versicherten Ehemanns der Klägerin für die Monate März und April 1999 überzahlten Rentenbeträge in Höhe von 2.698,66 DM (1.379,80 Euro) gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - unter Aufrechnung mit dem für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Oktober 1999 entstandenen Rentennachzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 8139,47 DM von der Klägerin zurückgefordert hat. Dieser Bescheid, dem eine zweisprachige Rechtsbehelfsbelehrung in deutscher und griechischer Sprache beigefügt gewesen ist, ist bestandskräftig geworden.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Stuttgart in den erstinstanzlichen Verfahren (S 15 RJ 380/01 und S 8 RJ 4928/03) sowie auf diejenigen des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und nach Maßgabe der §§ 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auch fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 2004 ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die Klage zutreffend mangels Vorliegen eines anfechtbaren Verwaltungsakts als unzulässig abgewiesen. Dem von der Klägerin angegriffenen Anhörungsschreiben vom 15. August 2003 kommt nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes im Sinn von § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - zu. Die Unzulässigkeit der Klage ist ein Verfahrensmangel, der in der Berufungs- und Revisionsinstanz fortwirkt, weil die verfahrensrechtliche Grundlage für die Entscheidung in der Sache und damit eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung nicht vorhanden ist (BSG SozR 3-4100 § 84 Nr. 2; BSG SozR 1500 § 87 Nr. 6; BSG, Urteil vom 24. November 2004, B 3 KR 16/03 R, ständige Rechtsprechung; vgl. auch Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., 2005, vor § 51 Rn. 13). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug. Deshalb und weil die Klägerin - obgleich vom Sozialgericht ausführlich belehrt - Gründe für das Aufrechterhalten der unzulässig rechtshängigen gemachten Streitsache nicht mitgeteilt und auch die Berufung nicht begründet hat, sieht der Senat von einer weiteren Begründung im Wesentlichen ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Den erst nach Einlegung der Berufung ergangenen Rückforderungsbescheid vom 1. Dezember 2004 hat die Klägerin nicht angefochten; er ist bestandskräftig geworden. Dieser Bescheid ist auch nicht nach §§ 96 Abs. 1, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Nach den §§ 96 Abs. 1, 153 Abs. 1 SGG wird nur der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Berufungsverfahrens, der einen zuvor erlassenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt (zur Anwendbarkeit von § 96 SGG im Berufungsverfahren vgl. ausführlich Pawlak, in Hennig, SGG, Kommentar, § 96 Rn. 50-64 m.w.N. der Rechtsprechung). Das Gesetz setzt damit die Existenz eines ursprünglichen Verwaltungsakts voraus, der durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt wird. Ist kein Verwaltungsakt angefochten, kann auch kein Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt werden (Pawlak, a.a.O., § 96 Rn. 26). Am Vorliegen eines abänder- oder ersetzbaren Verwaltungsakts aber fehlt es vorliegend. Der Rückforderungsbescheid vom 1. Dezember 2004 ändert weder einen vorausgegangenen Bescheid ab noch ersetzt er einen solchen. Bei diesem Bescheid handelt es sich vielmehr um einen auf die gesetzlich nach § 24 Abs. 1 SGB X vorgeschriebene Anhörung (Schreiben der Beklagten vom 15. August 2003) hin ergangenen Erstbescheid. Schließlich handelt es sich auch bei dem Anhörungsschreiben vom 15. August 2003 auch um keine behördliche Handlung, die den Schein eines Verwaltungsakts (zur Ersetzung eines Scheinverwaltungsakts durch einen echten Verwaltungsakt siehe Pawlak, a.a.O. § 96, Rn. 27) erweckt hat. Denn das Anhörungsschreiben vom 15. August 2003 schließt ausdrücklich unter Hinweis darauf, dass ein Rechtsbehelf erst nach Erteilung eines zum Zeitpunkt dieses Schreibens noch ausstehenden Bescheides wirksam eingelegt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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