L 6 EG 1331/97

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 8 Eg 1729/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 EG 1331/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. August 1997 aufgehoben. Unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1996 wird das beklagte Land verurteilt, der Klägerin für die Erziehung und Betreuung ihres Kindes F. in dessen ersten sechs Lebensmonaten ein monatliches Erziehungsgeld von 600,00 DM zu gewähren.

II. Das beklagte Land hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin in den ersten sechs Lebensmonaten ihres Kindes F. Erziehungsgeld zusteht.

Die Klägerin ist mit Herrn D. S. verheiratet. Aus dieser Ehe ist das 1996 geborene Kind F. hervorgegangen. F. wird von der Klägerin seit seiner Geburt erzogen und betreut. Der am 9. Dezember 1987 geborene Sohn P. der Eheleute S. lebt ebenfalls in deren gemeinsamen Haushalt. P. ist vom Versorgungsamt Gießen ein Grad der Behinderung von 80 zuerkannt. Im streitbefangenen Zeitraum war die Klägerin nicht berufstätig.

Der Ehemann der Klägerin ist seit 1991 bei Firma S. AG, Zweigniederlassung F. beschäftigt. Er ist am Vertriebserfolg bestimmter Produkte der Firma S. AG beteiligt. Die hierfür maßgeblichen Beteiligungsbedingungen erfuhren mit Wirkung zum 1. Oktober 1996 insbesondere hinsichtlich des Provisionsschlüssels eine Änderung. Der geänderte Provisionsschlüssel sah u.a. im Falle von Preisnachlässen, die Kunden eingeräumt wurden, eine geringere Provision vor als bei den zuvor maßgeblichen Regelungen.

1994 erzielte der Ehemann der Klägerin nach Maßgabe des die Eheleute S. betreffenden Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes Alsfeld vom 18. Juli 1995 an positiven Einkünften einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 154.114,– DM, bei angefallenen Werbungskosten in Höhe von 20.896,– DM. Der Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 17. Juli 1997 weist an positiven Einkünften einen Bruttoarbeitslohn von 157.579,– DM und Werbungskosten in Höhe von 16.174,– DM aus. Für 1996 (Einkommensteuerbescheid vom 4.5.1998) ist an positiven Einkünften ein Bruttoarbeitslohn von 182.059,– DM festgestellt; gleichzeitig sind Werbungskosten in Höhe von 14.600,– DM ausgewiesen.

Unter Vorlage des Einkommensteuerbescheides von 1994 sowie einer Verdienstbescheinigung der Fa. S. AG vom 17. Juni 1996 beantragte die Klägerin am 28. Juni 1996 die Gewährung von Erziehungsgeld. Die vorgelegte Verdienstbescheinigung der Fa. S. AG bezog sich auf das in der Zeit von Januar bis Mai 1996 erzielte Bruttoarbeitsentgelt sowie auf weitere Sonderzuwendungen. In der Verdienstbescheinigung wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, die Beteiligung sei umsatzabhängig und könne somit nicht hochgerechnet werden. In einem Begleitschreiben zum Antrag vom 28. Juni 1996 wies der Ehemann der Klägerin darauf hin, sein Grundgehalt betrage monatlich 5.655,50 DM. Der größte Teil seines Einkommens sei jedoch erfolgsabhängig, so daß eine Hochrechnung seines Einkommens nicht möglich sei.

Durch Bescheid vom 17. Juli 1996 lehnte das beklagte Land die Gewährung von Erziehungsgeld für die ersten sechs Lebensmonate von F. mit der Begründung ab, das anzurechnende Einkommen übersteige die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) von 100.000,– DM, so daß der Klägerin kein Erziehungsgeld zustehe. Das beklagte Land ging dabei von einem für 1996 hochgerechneten Bruttoarbeitsentgelt von 188.450,85 DM aus, berücksichtigte die Werbungskosten aus dem Einkommensteuerbescheid für 1994, den Behindertenpauschbetrag von 7.200,– DM sowie die pauschalen Absetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG und den Kinderfreibetrag nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BErzGG. Es errechnete daraus einen die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag von 10.915,04 DM.

Unter Vorlage einer neuen Verdienstbescheinigung der Fa. S. AG vom 24. Juli 1996, die nunmehr auch die Gehälter für Juni und Juli 1996 enthielt, verbunden mit dem erneuten Hinweis darauf, daß sich die umsatzabhängige Beteiligung nicht hochrechnen lasse, legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie trug vor, unter Einbeziehung des Bruttoeinkommens für den Monat Juni 1996 müßte nach Maßgabe der von dem beklagten Land angewandten Berechnungsgrundlage Erziehungsgeld gezahlt werden.

Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 3. September 1996 zurückgewiesen. Das beklagte Land vertrat dabei weiterhin die Auffassung, daß das anrechenbare Einkommen für 1996 die Einkommensgrenze von 100.000,– DM überschreiten werde. Hinsichtlich der Höhe des Einkommens ging das beklagte Land dabei von folgenden Werten aus:

Gehalt 1 – 5/96 28.337,50
Beteiligung 1 – 5/96 49.144,51
Url./Wohngeld Vorjahr 17.518,29
Sonderprämie 5/96 4.000,00
Gehalt 6/96 12.590,08
7 – 12/96 = 11.759,51 × 6 70.557,06
Zu berücks. Einkommen 182.147,44.

Unter Zugrundelegung dieses Einkommens errechnete das beklagte Land den Überschreitungsbetrag wie folgt:

Einkünfte aus nicht selbst. Arbeit 182.147,44
./. Werbungskosten 20.896,00
Gesamtbetrag positive Einkünfte 161.251,44
./. Pauschbetrag 27 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG) 43.537,89
Einkommen 117.713,55
./. Behindertenpauschbetrag 7.200,–
zu berücksichtigendes Einkommen 110.513,55
./. Kinderfreibetrag für 1 Kind 4.200,– 106.313,55.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Gießen durch Urteil vom 26. August 1997 abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe in den angefochtenen Bescheiden die Gewährung von Erziehungsgeld zu Recht abgelehnt. Seine Berechnung des voraussichtlichen Jahresbruttoeinkommens sei nicht zu beanstanden gewesen. Aufgrund der Angaben der Fa. S. AG über die Verdienste des Ehemannes der Klägerin bis einschließlich Mai 1996 bzw. bis Juli 1996 und aufgrund der Daten zu den Werbungskosten aus dem Steuerbescheid 1994 habe sich durchaus eine Einkommensprognose stellen lassen. Allein der Umstand, daß Gehaltsanteile provisionsabhängig seien, stehe einer solchen Einkommensprognose jedenfalls dann nicht entgegen, wenn sich für sieben Monate des in Betracht kommenden Jahres bereits feststehende Zahlen hierfür heranziehen ließen und darüber hinaus ein nicht unbeträchtlicher Anteil des Gesamtgehalts in Form eines Grundgehalts Umsatz- und provisionsunabhängig bezahlt werde. Unter Berücksichtigung dieses Grundgehaltes, der Weihnachts- und Urlaubsgeldzahlung des Vorjahres und der Sonderprämie für Mai 1996 habe sich insgesamt bereits ein Betrag in Höhe von nahezu 90.000,– DM als provisionsunabhängiger Einkommensbetrag für das Jahr 1996 sicher vorhersehen lassen. Aus den bekannten Beteiligungsanteilen sei im übrigen problemlos ein durchschnittlicher Beteiligungsanteil für dieses Jahr zu errechnen gewesen, zumal branchenspezifische jahreszeitliche Schwankungen nicht ersichtlich gewesen seien. Auch die neue Provisionsvereinbarung ab Oktober 1996 habe einer Einkommensprognose nicht entgegen gestanden. Nach Auskunft der Fa. S. AG sei nämlich nicht vorherzusehen gewesen, daß dadurch wesentliche Einkommensverluste seitens des Ehemannes der Klägerin eintreten würden. Tatsächlich hätten sich die nach dem Vortrag der Klägerin zu befürchtenden Einkommensverluste auch nicht bestätigt, wie sich der weiteren Einkommensentwicklung für das Jahr 1997 entnehmen lasse. Daß der Ehemann der Klägerin 1996 tatsächlich 10.000,– DM weniger verdient habe, als dies das beklagte Land in seiner Einkommensprognose im Widerspruchsbescheid zugrunde gelegt habe, rechtfertige es nicht, diese Prognose als fehlerhaft anzusehen. Die eingetretenen Abweichungen rechtfertigten nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 7 BErzGG eine Neuberechnung des Einkommens. Anhaltspunkte für die Annahme eines Härtefalles seien jedoch nicht ersichtlich.

Gegen das der Klägerin am 11. September 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Oktober 1997 eingegangene Berufung. Die Klägerin ist der Meinung, die Prognose des Jahreseinkommens sei in fehlerhafter Weise getroffen worden. Bei einem Einkommen, das aufgrund provisionsabhängiger Zahlungen zustande komme, sei es nicht ausreichend, einige Monate des Einkommens heranzuziehen und auf dieser Basis eine Hochrechnung auf das gesamte Jahr vorzunehmen. Bei dieser Sachlage wäre das beklagte Land verpflichtet gewesen, das Einkommen des Ehemannes der Klägerin für das Jahr 1995 nach Maßgabe des § 6 Abs. 4 BErzGG seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Dies gelte im übrigen auch im Hinblick auf die ab Oktober 1996 vorgenommene Änderung der bei Fa. S. AG maßgeblichen Provisionsregelung. Ziel dieser Regelung sei es auf der einen Seite gewesen, eine Vereinfachung der Berechnungen durchzuführen. Im übrigen habe sich jedoch der Faktor für diejenigen Geschäftsabschlüsse verändert, bei denen Kundennachlässe auf den Verkaufspreis vereinbart worden seien. Demzufolge wäre es durchaus denkbar gewesen, daß bei einzelnen Geschäften und einer entsprechenden Höhe des Nachlasses überhaupt keine Provision mehr hätte anfallen können.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. August 1997 aufzuheben und das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1996 zu verurteilen, ihr für die ersten sechs Lebensmonate ihres Kindes F. ein monatliches Erziehungsgeld in Höhe von 600,00 DM zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Das beklagte Land ist der Meinung, es sei berechtigt gewesen, anhand der vorgelegten Unterlagen eine Einkommensprognose für das Jahr 1996 zu treffen. Insbesondere hätten sich wesentliche Einkommensverluste aus der neuen Provisionsvereinbarung nicht voraussehen lassen. Das tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst im Jahre 1996 bestätige die Richtigkeit ihrer Prognose.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des beklagten Landes (XXXX) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht für die ersten sechs Lebensmonate ihres Kindes F. Erziehungsgeld zu. Das vorliegend allein zu berücksichtigende Einkommen des Ehemannes der Klägerin steht dem geltend gemachten Anspruch auf Erziehungsgeld nicht entgegen. Denn insoweit waren nicht die prognostizierten bzw. tatsächlich erzielten Einkünfte im Jahre 1996 maßgebend. Vielmehr war auf die Einkünfte des Jahres 1995 zurückzugreifen, die eine Bewilligung von Erziehungsgeld ermöglichen.

Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Erziehungsgeld für den ersten bis sechsten Lebensmonat des Kindes F. ist vorliegend § 6 Abs. 2 BErzGG i.V.m. § 5 Abs. 2 BErzGG, jeweils in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 31. Januar 1994 (BGBl I, S. 180). Danach entfällt in den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes das Erziehungsgeld, wenn das maßgebliche Einkommen nach § 6 BErzGG bei Verheirateten, die von ihrem Ehepartner nicht dauernd getrennt leben, 100.000,– DM übersteigt. Dabei ist für diesen ersten Lebensabschnitt des Kindes nach § 6 Abs. 2 BErzGG das voraussichtliche Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes maßgeblich. Als Einkommen gilt gem. § 6 Abs. 1 BErzGG die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes abzüglich weiterer in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BErzGG genannter Beträge.

Nach § 6 Abs. 4 BErzGG sind dann, wenn ein ausreichender Nachweis der voraussichtlichen Einkünfte in dem maßgebenden Kalenderjahr nicht möglich ist, der Ermittlung die Einkünfte in dem Kalenderjahr davor zugrunde zu legen. Dabei können die Einkünfte des vorletzten Jahres berücksichtigt werden (§ 6 Abs. 4 Satz 2 BErzGG).

Im Falle der Klägerin ergab sich bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 3. September 1996, auf den insoweit allein abzustellen ist (vgl. BSG Urteil vom 2.10.1997 – 14 REg 10/96 = SozR 3-7833 § 6 Nr. 15), kein ausreichender Nachweis über die voraussichtlichen Einkünfte des Ehemannes der Klägerin im Jahr 1996, der für die Einkommensanrechnung hätte herangezogen werden können. Eine verläßliche Prognose (vgl. dazu BSG a.a.O.) des maßgeblichen Jahreseinkommens des Ehemannes der Klägerin konnte nämlich zu diesem Zeitpunkt zur Überzeugung des Senats nicht erstellt werden. Die vom beklagten Land herangezogenen Verdienstbescheinigungen für die Zeit bis einschließlich Mai 1996 bzw. bis Juli 1996 sind keine hinreichende Tatsachengrundlage (BSG a.a.O.), aufgrund derer, die erforderliche Prognose des Gesamtjahreseinkommens des Ehemannes der Klägerin hätte erfolgen können. Daß dies so ist, ergibt sich bereits aus dem Inhalt der ausgestellten Verdienstbescheinigungen, in denen die Personalabteilung der Zweigniederlassung F. der Fa. S. AG die umsatzabhängige Beteiligung erwähnt und ausführt, diese Beteiligung könne nicht hochgerechnet werden. Dieser von Fa. S. AG gegebene Hinweis entspricht auch zur Überzeugung des Senats den tatsächlichen Gegebenheiten. Denn das Gehalt des Ehemannes der Klägerin in den Monaten Januar bis Juli 1996 weist Schwankungen von monatlich bis zu nahezu 13.000,– DM aus. So wurde z.B. vom Ehemann der Klägerin im Mai 1996 ein Bruttogehalt von 10.872,59 DM erzielt, im Januar dagegen betrug das Bruttoarbeitsentgelt 21.755,50 DM, also rund das Doppelte des im Mai 1996 bezogenen Gehalts. Eine solch hohe Schwankungsbreite läßt zuverlässige Rückschlüsse auf den weiteren im Jahr 1996 zu erwartenden umsatzabhängigen Gesamtjahresverdienst nicht mehr zu. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als sich der für den Ehemann der Klägerin maßgebliche Provisionsschlüssel im Verlauf des Jahres 1996 geändert hatte, und so die Voraussehbarkeit der Einkommensentwicklung ganz zwangsläufig weiter eingeschränkt war.

Daß die vom beklagten Land auf der Grundlage der ersten fünf Monate des Jahres 1996 aufgestellte Prognose, bei der die erwarteten Sonderprämien sowie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld einbezogen waren, im Ergebnis weitgehend zutraf, weil der Ehemann der Klägerin nach dem Inhalt des Bescheides des Finanzamtes Alsfeld für 1996 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 4. Mai 1998 tatsächlich Einkünfte erzielte, die nur wenig unter dem Ergebnis der angestellten Prognose lagen, was zu einem Überschreiten der Einkommensgrenze von 100.000,– DM führen würde, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Zwar ist es grundsätzlich zutreffend, daß der Umstand, wonach sich eine getroffene Prognose im Nachhinein bestätigt, im, allgemeinen nicht unberücksichtigt bleiben darf (BSG Urteil vom 21.6.1977 – 7/12/7 RAr 109/75 = SozR 4100 § 36 Nr. 16 und Urteil v. 23.6.1981 – 7 RAr 49/80 = SozR 4100 § 44 Nr. 33). Der tatsächliche Eintritt eines prognostizierten Ereignisses kann nämlich durchaus (auch) ein Anzeichen dafür sein, daß die angestellte Prognose zu dem Zeitpunkt, zu dem sie aufgestellt worden ist, richtig war. Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn der tatsächliche Eintritt des prognostizierten Ereignisses auf Umständen beruht, die ihrerseits gerade nicht prognostizierbar gewesen sind. Die gegenteilige Annahme würde nämlich dazu führen, daß ansonsten der erstmals begangene Fehler in der Prognose durch einen weiteren Fehler wieder aufgehoben werden könnte. Eine solchermaßen eintretende Zufälligkeit hinsichtlich des Eintritts des prognostizierten Ereignisses muß deshalb außer Betracht bleiben.

So ist dies aber auch hier. Auch eine Prognose des für die Zeit ab Juni 1996 bzw. für die Zeit ab September 1996, wenn man von den bis einschließlich August 1996 abgerechneten Monaten ausgeht, ist nach den vorangegangenen Ausführungen nach Auffassung des Senats ausgeschlossen gewesen. Das Inkrafttreten der neuen Provisionsregelung zum 1. Oktober 1996, das genau in diesen Zeitraum fällt, unterstreicht diese Annahme.

Auch eine Prognose des Gesamtjahreseinkommens auf der Grundlage des bis einschließlich August 1996 erzielten Gehalts, der erwarteten Sonderprämien bzw. des Urlaubs- und Weihnachtsgelds sowie des für die Monate September bis Dezember 1996 anfallenden Grundgehaltes, hält der Senat wegen der in § 6 Abs. 4 BErzGG getroffenen Regelung nicht für zulässig. Ohnehin würde auch bei dieser Berechnungsweise die Einkommensgrenze von 100.000,– DM nicht überschritten. Denn bei dieser Form der Berechnung würde sich für die Zeit bis einschließlich August 1996 aufgrund der vorgelegten Verdienstbescheinigungen ein Gesamtbruttobetrag von 101.831,60 DM ergeben, zu dem die voraussichtlichen Sonderprämien sowie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld in einer Gesamthöhe von 21.518,29 DM hinzuzurechnen wären. Mit den vier zusätzlichen Grundgehältern à 5.655,50 DM, ergäbe sich damit ein Gesamtbruttogehalt von 145.971,89 DM. Unter Berücksichtigung selbst der geringeren Werbungskosten aus dem Jahre 1996 (14.600,– DM) und der weiteren im Gesetz vorgesehenen Abzüge führte dies zu keinem Überschreiten der angesprochenen Einkommensgrenze.

Allerdings wäre eine solche Berechnungsweise nach Auffassung des Senats ohnehin nicht zulässig. Denn die in § 6 Abs. 4 BErzGG getroffene Regelung sieht dann, wenn ein ausreichender Nachweis der voraussichtlichen Einkünfte nicht möglich ist, ausdrücklich eine andere Rechtsfolge vor. In einem solchen Fall ist nämlich – letztlich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung – bei der Ermittlung der voraussichtlichen Einkünfte das Einkommen in dem vorhergehenden Kalenderjahr zugrunde zu legen.

Dies ist hier das Jahr 1995. Für dieses Jahr lag das anrechenbare Einkommen aber um 8.174,35 DM unterhalb der Grenze von 100.000,– DM, wie sich aus der nachfolgenden Berechnung ergibt:

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 157.579,–
./. Werbungskosten 16.174,–
Gesamtbetrag positive Einkünfte 141.405,–
./. Pauschbetrag 27 % 38.179,35
Einkommen 103.225,65
./. Behindertenpauschbetrag 7.200,–
zu berücksichtigendes Einkommen 96.025,65
./. Kinderfreibetrag für 1 Kind 4.200,– 91.825,65

Dies führt im Ergebnis dazu, daß der Klägerin für die ersten sechs Lebensmonate ihres Kindes F. Erziehungsgeld in Höhe von 600,– DM monatlich zusteht. Das sozialgerichtliche Urteil war demzufolge aufzuheben und das beklagte Land unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Gewährung dieses Erziehungsgeldes zu verurteilen.

Die getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da er dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Rechtskraft
Aus
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