L 2 RJ 463/97

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 8 J 1128/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 RJ 463/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 20. Februar 1997 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten.

Die Beklagte bewilligte dem 1961 geborenen Beigeladenen mit Bescheid vom 10. Juli 1991 eine stationäre Entwöhnungsbehandlung im Fachkrankenhaus , von bis zu neun Monaten. Die stationäre Entwöhnungsbehandlung fand in der Zeit vom 11. November 1991 bis 10. Juni 1992 statt. Der Beigeladene war nicht krankenversichert. Der mehrfach suchtabhängige Beigeladene erlitt am 3. Mai 1992 wegen seiner Alkoholabhängigkeit einen Rückfall, so daß er in der Zeit bis 6. Mai 1992 im Psychiatrischen Krankenhaus stationär behandelt werden mußte. Die Behandlungskosten übernahm der Kläger. Mit Schreiben vom 14. Juli 1992 machte der Kläger die Erstattung der Kosten für die Behandlung des Beigeladenen in der Zeit vom 3. bis 6. Mai 1992 im Psychiatrischen Krankenhaus geltend. Mit Schreiben vom 22. Juli 1992 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) ab. Weitere Ersuchen des Klägers um Kostenerstattung wurden von der Beklagten in der Folgezeit ebenfalls abgelehnt.

Am 4. September 1996 erhob der Kläger Klage gegen die Beklagte, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung von Kosten in Höhe von 578,58 DM für den Aufenthalt des Beigeladenen im Psychiatrischen Krankenhaus in der Zeit vom 3. bis 6. Mai 1992 begehrte. Er vertrat die Auffassung, daß der Rentenversicherungsträger in seiner Zuständigkeit die nötige Krankenbehandlung zu erbringen habe, wenn eine akute Behandlungsbedürftigkeit während medizinischer Leistungen zu Rehabilitation eintrete. Dies gelte jedenfalls dann, wenn für den Versicherten der Krankenversicherungsschutz fehle.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Februar 1997 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte, dem Kläger die für den Aufenthalt des Beigeladenen in dem Psychiatrischen Krankenhaus in der Zeit vom 3. bis 6. Mai 1992 entstandenen Kosten in Höhe von 578,58 DM zu erstatten. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht im wesentlichen aus, die Beklagte habe dem Kläger nach § 104 SGB X die Kosten für den stationären Aufenthalt des Beigeladenen zu erstatten. Der Kläger sei gegenüber der Beklagten nachrangig verpflichtet. Die Leistungspflicht der Beklagten ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Danach habe die Rentenversicherung medizinische Leistungen zur Rehabilitation jedenfalls dann zu erbringen, wenn es sich um eine sogenannte interkurrente Erkrankung handele, die während der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme auftrete. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Zwar sei eine Akutmaßnahme im Krankenhaus durchweg dem Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen, während die eigentliche Entwöhnungsbehandlung in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Rentenversicherung falle. Dies gelte indessen nicht für eine akute Behandlungsbedürftigkeit während der medizinischen Leistungen zur Rehabilitation. Vielmehr habe dann der Träger der Rentenversicherung die nötige Krankenbehandlung in seiner Zuständigkeit und fachlichen Verantwortung zu erbringen.

Gegen den ihr am 5. März 1997 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 25. März 1997 wegen Nichtzulassung der Berufung eingelegte Beschwerde der Beklagten mit der Begründung, die Berufung hätte wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen werden müssen. Es gehe um die Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI. Aus der Vorschrift folge zweifelsfrei, daß der Gesetzgeber zwar in Ausnahmefällen die Erbringung von Krankenbehandlung durch einen Rentenversicherungsträger zulassen wolle, daß aber die grundsätzliche Zuständigkeit der Krankenversicherung bestehen bleiben solle. Begründe eine interkurrente Erkrankung eine Krankenhauspflegebedürftigkeit, trage die Krankenkasse die Kosten der Krankenhausbehandlung in einem Krankenhaus. Gleiches gelte, wenn der Versicherte in eine andere Station der Rena-Einrichtung verlegt werde. Die Krankenkasse trage schließlich immer dann die Kosten, wenn eine ambulante Krankenhausbehandlung außerhalb der Rena-Einrichtung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung erfolge, selbst wenn dies während einer Rena-Leistung geschehe. Dies ergebe sich aus der Vereinbarung zur Leistungsabgrenzung nach § 13 Abs. 4 SGB VI zwischen den Spitzenverbänden der Rentenversicherung und der Krankenkassen vom 21. Januar 1993. Aus diesen Gründen sei die Krankenversicherung und bei fehlendem Krankenversicherungsschutz die Sozialhilfe für die Kosten einer Entgiftungsbehandlung von Abhängigkeitskranken zuständig. Die gesetzliche Rentenversicherung sei nicht Ausfallbürge der Krankenversicherung. Soweit für einen Versicherten kein Krankenversicherungsschutz bestehe, sei der Sozialhilfeträger für die entsprechenden Leistungen zuständig. Das Subsidiaritätsprinzip der Sozialhilfe könne dann nicht greifen, wenn der Rentenversicherungsträger zur Leistungserbringung grundsätzlich nicht zuständig sei, wie sich aus § 13 Abs. 2 SGB VI ergebe. Mit Beschluß vom 11. Dezember 1997 hat der Senat die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel zugelassen.

Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 20. Februar 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Wegen der Einzelheiten im übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung zulässige Berufung ist sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte dem Kläger die durch die Behandlung des Beigeladenen in der Zeit vom 3. bis 6. Mai 1992 im Psychiatrischen Krankenhaus entstandenen Kosten in Höhe von 578,58 DM zu erstatten hat.

Der Erstattungsanspruch des Klägers richtet sich nach § 104 SGB X. Danach muß ein Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erbrachte Sozialleistungen erstatten, sofern nicht die Voraussetzungen von § 101 Abs. 1 SGB X vorliegen oder der Leistungsträger bereits selbst ohne Kenntnis von der Leistung des anderen Leistungsträgers geleistet hat. Als Träger der Sozialhilfe ist der Kläger nach § 2 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) lediglich nachrangig verpflichtet, dem Beigeladenen Leistungen nach den §§ 39, 40 BSHG in Form einer stationären Krankenhausbehandlung zu gewähren. Ein Fall des Wegfalls der Leistungsverpflichtung oder der eigenen Leistung des zuständigen Leistungsträgers liegt nicht vor. Der Kläger hat die Erstattung der aufgewandten Kosten gegenüber der Beklagten auch innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlußfrist des § 111 SGB X geltend gemacht.

Nach § 104 Abs. 3 SGB X richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Hier bestimmt § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, daß der Träger der Rentenversicherung nicht medizinische Leistungen zur Rehabilitation in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit erbringt, es sei denn, die Behandlungsbedürftigkeit tritt während der medizinischen Leistungen zur Rehabilitation ein. Die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für medizinische Leistungen wegen sogenannter interkurrenter Erkrankungen und die Abgrenzung in diesen Fällen zu den Leistungen der Krankenversicherung sind Inhalt der Vereinbarung zwischen den Rentenversicherungsträgern und den Spitzenverbänden der Krankenkassen, denen nach § 13 Abs. 4 SGB VI aufgetragen worden ist, Näheres zur Durchführung von Absatz 1 Nrn. 1 und 2 festzulegen. Diese Vereinbarung zur Leistungsabgrenzung nach § 13 Abs. 4 SGB VI vom 21. Januar 1993, in Kraft ab März 1993, legt in § 2 die Zuständigkeit für Leistungen bei interkurrenten Erkrankungen fest. Dabei sind interkurrente Erkrankungen solche Erkrankungen, die während einer stationären medizinischen Leistung zur Rehabilitation auftreten und einer sofortigen ärztlichen Behandlung bedürfen. Nach § 2 Absatz 2 der Vereinbarung obliegen dem Träger der Rentenversicherung Kosten der Behandlung einer interkurrenten Erkrankung, die mit den Mitteln der Rehabilitationseinrichtung mitbehandelt werden kann, nur, soweit keine Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegt. Im vorliegenden Fall bedurfte es einer Behandlung des Beigeladenen außerhalb der Rehabilitationseinrichtung der Beklagten in einem Krankenhaus, so daß die Beklagte unter Zugrundelegung der Vereinbarung zur Leistungsabgrenzung nach § 13 Abs. 4 SGB VI nicht leistungsverpflichtet wäre. Jedoch ist die benannte Vereinbarung nicht geeignet, die nach dem Gesetzeswortlaut des § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI gegebene Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers entfallen zu lassen. Die Vereinbarung betrifft lediglich die Aufgabenverteilung zwischen Krankenversicherung und Rentenversicherung, gilt dagegen nicht in den Fällen, in denen ein Krankenversicherungsträger nicht beteiligt und der Sozialhilfeträger geleistet hat, da letzterer die Vereinbarung nicht mitbeschlossen hat. Hier muß es auf der Grundlage des Wortlauts von § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI dabei verbleiben, daß der Rentenversicherungsträger die Kosten der akuten Behandlungsbedürftigkeit während der Rehabilitationsmaßnahme zu tragen hat, unabhängig vom Krankheitsbild und von Art und Weise der durchzuführenden Behandlung. Daß die Beklagte sich gegenüber dem Kläger nicht auf die Vereinbarung zur Leistungsabgrenzung nach § 13 Abs. 4 SGB VI berufen und ihre Zuständigkeit ablehnen kann, folgt auch daraus, daß der Rentenversicherungsträger grundsätzlich jede medizinische Maßnahme zur Rehabilitation zu erbringen hat, die dem Ziel der Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit dient.

Nach alledem ist die Beklagte dem Kläger zur Erstattung der Kosten für die erbrachte Krankenhausbehandlung des Beigeladenen verpflichtet.

Die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision aus den Gründen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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