Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 215/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Facharzt für innere Krankheiten kann bei der Überprüfung seiner Verordnungsweise nur mit der Fachgruppe der Internisten (Fallkostendurchschnitt) vergleichen Werden. Es ist nicht zulässig, ihm mit der Gruppe der praktischen Ärzte zu vergleichen.
2. Überschreitungen zwischen 36 und 66 vom Hundert in einzelnen Quartalen rechtfertigen einen Pauschalregress, wenn Praxisbesonderheiten nicht vorliegen.
2. Überschreitungen zwischen 36 und 66 vom Hundert in einzelnen Quartalen rechtfertigen einen Pauschalregress, wenn Praxisbesonderheiten nicht vorliegen.
Bemerkung
und L 7 Ka 312/71
Die Berufung des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 27. Februar 1971 und 17. Februar 1971 wird zurückgewiesen.
Die beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
I.
L 7/Ka-215/71
Der Kläger ist als Internist in M. zur Kassenpraxis zugelassen. Auf Antrag des Landesverbandes der Ortskrankenkassen vom 18. Januar 1961 führte der Prüfungsausschuss der Beklagten – Bez. Stelle M. – eine Überprüfung der Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers für das II. Quartal 1965 durch. Die Verprüfung wurde durch Dr. R., Z., vorgenommen, der zahlreiche Fälle überprüfte.
Mit Bescheid vom 21. Juni 1967 stellte der Prüfungsausschuss der Beklagten fest, daß die Praxis des Klägers wie die eines Allgemeinpraktikers geführt werde. Der Arzneikostendurchschnitt liege um 50,53 v.H. höher als der Durchschnitt der praktischen Ärzte. Davon abgesehen sei auf Grund individueller Prüfung, wie sie insbesondere der Prüfarzt Dr. R. vorgenommen habe, festgestellt werden, daß die Behandlungs- und Verordnungsweise unwirtschaftlich sei. Demzufolge sei ein Regreß von 1.000,– DM für das II. Quartal 1965 festgesetzt worden.
Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Widerspruch erheben, dem der Prüfungsausschuss nach nochmaliger Überprüfung nicht abhalf.
Mit Bescheid vom 2. März 1968 hat der Beschwerdeausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung wurde angeführt, daß die Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts offensichtlich sei. In zahlreichen Fällen lägen Doppelverordnungen vor. Auch hinsichtlich der menge der verordneten Arzneimittel hätten sich Beanstandungen ergeben. Praxisbesonderheiten seien nicht festgestellt worden. Die Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise folge eindeutig aus 26 Einzelfällen, die dem Bescheid in der Anlage beigefügt seien.
Gegen den am 17. Juli 1968 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 19. Juli 1968 Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt/Main erheben.
Er führte zahlreiche Fälle an, aus denen sich ergebe, dass die Behandlungsweise wegen der Besonderheit der Krankheiten nicht unwirtschaftlich sei. Seine Kollegen in M. überwiesen ihm keine Patienten. Er behandle aber sehr viele Schwerkranke, was noch niemals berücksichtigt worden sei. Die Anzahl der Schwerkranken ergebe sich aus einer Zusammenstellung, die er dem Gericht verlege. Mit Urteil vom 27. Januar 1971 wies das Sozialgericht die Klage auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide ab. Es folgte in den Entscheidungsgründen der Auffassung der Beklagten. Der Kläger habe den Durchschnitt der Arzneikosten erheblich überschritten. Die Überschreitung sei nicht durch die Behandlung von Schwerkranken bedingt. Jedenfalls habe insoweit kein Beweis geführt werden können. Aus den aufgeführten Diagnosen hätten sich ebenfalls keine Hinweise für besonders schwere Erkrankungen ergeben, die die Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts rechtfertigen könnten Praxisbesonderheiten seien nicht festgestellt werden.
Gegen das am 9. Februar 1971 zur Zustellung gegebene Urteil hat der Kläger fristgerecht am 26. Februar 1971 Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt.
Er trägt vor, dass er sehr viele Schwerkranke behandele, was unbedingt berücksichtigt werden müsse.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
Aufhebung des angefochtenen Urteils und der angefochtenen Bescheide.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Gemäß Beschluss vom 16. April 1971. ist der Landesverband der Ortskrankenkassen zum Verfahren beigeladen worden. Er beantragt gleichfalls, die Berufung zurückzuweisen.
II.
L 7/Ka-312/71
Auf Antrag des Beigeladenen sowie nach Durchführung einer Verprüfung setzte der Prüfungsausschuss der Beklagten (Bezirksstelle M.) mit Bescheid vom 17. November 1967 für das Quartal III/65 gegen den Kläger einen Arzneiregress in Höhe von 630,50 DM fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger, welcher mehr wie ein praktischer Arzt als wie ein Internist tätig sei, habe der Arzneikostendurchschnitt der praktischen Ärzte um 34,8 % überschritten. Auch nach dem Ergebnis der Einzelprüfung sei seine Verordnungsweise unwirtschaftlich gewesen. Mit der Belassung eines erheblichen Überschreitungsbetrages von 1.044,– DM seien bei ihm etwaige Praxisbesonderheiten berücksichtigt worden. Dieser Bescheid wurde am 27. November 1967 mit Einschreiben an den Kläger abgesandt, der Kläger behauptete, gegen ihn auf einem vom 1. Dezember 1967 datierten Rezeptblatt Widerspruch eingelegt zu haben. Bei den Akten der Beklagten ist jedoch kein derartiges, mit einem Eingangsstempel versehenes Rezeptblatt vorhanden. Dennoch hat der Prüfungsausschuss eine Wahrung der Widerspruchsfrist durch den Kläger angenommen (vgl. Bl. 29 VA), weil es gleicherweise möglich sei, dass das fragliche Rezeptblatt auf seiner Geschäftsstelle übersehen oder verloren worden sei, wie auch, dass das Rezeptblatt gar nicht an den Ausschuss abgeschickt worden sei. In der Sache half der Prüfungsausschuss dem Widerspruch nicht ab.
Auf Antrag des Beigeladenen sowie nach Durchführung einer Verprüfung setzte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 16. Januar 1968 gegen den Kläger für das Quartal IV/65 einen Arzneiregress von 1.200,– DM fest, weil der Kläger den Arzneikostendurchschnitt der Internisten um 25,65 % sowie den der praktischen Ärzte um 34,2 % überschritten habe. Die Verordnungsweise des Klägers sei auch nach der durchgeführten Einzelfallprüfung unwirtschaftlich. Die Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts durch teilweise Einsparungen auf anderen Leistungsgebieten verursacht worden. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt, welchem der Prüfungsausschuss nicht abgeholfen hat.
Der Beschwerdeausschuss der Beklagten wies mit Bescheid vom 14. August 1968 den Widerspruch des Klägers gegen alle obengenannten Bescheide zurück. Der Kläger habe den Arzneikostendurchschnitt der Internisten in III/65 um 66,4 % und in IV/65 um 52,4 % überschritten. Seine Arzneiverordnungen seien teilweise nicht durch entsprechende Diagnosen begründet gewesen; auch handele es sich oft um teuere sowie um Doppelverordnungen. Die Praxis des Klägers habe keine Besonderheiten aufzuweisen. Die Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts durch den Kläger sei auch nicht für Einsparungen auf anderen Gebieten ursächlich gewesen.
Die hierauf erhobene Klage, mit welcher der Kläger die Überschreitung der Durchschnittswerte hauptsächlich auf die Betreuung vieler Schwerkranker (35 % der Kassenpatienten) und vieler chronisch Kranker zurückführte, wies das Sozialgericht Frankfurt/Main mit Urteil vom 17. Februar 1971 als unbegründet ab. Die Verordnungsweise sei nach § 368 e der Reichsversicherungsordnung (RVO) unwirtschaftlich, was sich sowohl aus der hohen Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts um 66 % bzw. 52 % als auch aus den zusätzlichen Beanstandungen bei den außerdem im Verwaltungsverfahren durchgeführten teilweisen Einzelfallprüfungen ergebe. Auch Praxisbesonderheiten habe der Kläger nicht aufzuweisen, zumal er nicht überdurchschnittlich mehr Schwerkranke als andere Internisten zu behandeln gehabt habe. Schließlich sei auch sein Mehraufwand an Arzneien nicht für Einsparungen bei seiner Honorarforderung ursächlich gewesen. Gegen dieses am 10. März 1971 mit Einschreiben abgesandte Urteil hat der Kläger am 24. März 1971 Berufung eingelegt. Mit ihr macht er vor allem geltend, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass er 25–30 % Schwerkranke zu behandeln habe. Im Übrigen sei ein für ein Quartal aus 1964 gegen ihn festgesetzter Regress in Höhe von 1.200,– DM wegen überwiegender Behandlung von Schwerkranken auf 200,– DM reduziert werden. Der Kläger hat Schreiben der Medizinischen Universitätsklinik M. vom 4. September 1968 und der AOK M. vom 27. August 1968 sowie einen Bescheid des Prüfungsausschusses der Beklagten (Bezirksstelle M.), betreffend das Quartal II/64 vom 5. Dezember 1969 samt einer prüfungsärztlichen Beurteilung sowie schließlich 35 fotokopierte Seiten kaum lesbarer handschriftlicher Notizen über seine Krankenbehandlung übersandt; auf den Inhalt der vorgenannten Schriftstücke wird im einzelnen Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main sowie alle angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich im wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Der mit Beschluss vom 4. Juni 1971 beigeladene Landesverband der Ortskrankenkassen beantragt gleichfalls, die Berufung zurückzuweisen.
Im Verhandlungstermin vom 30. Juni 1971 hat der Prüfarzt Dr. P. die Berechnung der Durchschnittsüberschreitung um 66 % bzw. 52 % näher erläutert; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten wird in einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Klägers, die gemäß § 113 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden sind, sind zulässig, denn sie sind form- und fristgerecht eingelegt und auch nach § 143 SGG statthaft. Sie sind insbesondere deshalb nicht nach § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen, weil vorliegend Regressforderungen streitig sind und es sich hierbei nicht um die in der genannten Vorschrift grundsätzlich gemeinten Ansprüche des Einzelnen gegen einen Sozialleistungsträger handelt. Die Nichterweislichkeit der Versäumnis der den Bescheid vom 17. November 1967 betreffenden Widerspruchsfrist durch den Kläger muß nach dem Grundsatz der objektiven Beweislosigkeit die Beklagte gegen sich gelten lassen.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Den Entscheidungen des Sozialgerichts ist im wesentlichen beizupflichten. Die mit dem angefochtenen Bescheiden festgestellten Arzneiregresse der Beklagten gegen den Kläger für die drei streitigen Quartale bestehen zu Recht. Der Kläger darf als Kassenarzt nach § 368 e RVO Leistungen (Arzneien), die für die Erzielung des Heilerfolgs nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, nicht verordnen.
Die Beklagte hat nach § 368 n Abs. 4 RVO die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung durch besondere Ausschüsse im Wege der Selbstverwaltung zu überwachsen. Wie hierzu das BSG (vgl. Bd. 17 S. 79 sowie ÄM 1963, S. 2222 ff.) ausgesprochen hat, braucht die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- wie der Verordnungsweise nicht anhand einzelner Fälle geprüft zu werden, wenn der Kassenarzt hierbei in offensichtlichen Missverhältnis zu den Durchschnittswerten vergleichbarer Ärztegruppen steht und auch die Besonderheiten seiner Praxis, auf die er hinzuweisen hat, einen Mehraufwand nicht rechtfertigen.
Ein solches "offensichtliches Missverhältnis” liegt hier eindeutig vor, so dass eine Einzelfallprüfung nicht notwendig ist. Der Kläger hat dass eine Einzelfallprüfung nicht notwendig ist. Der Kläger hat nämlich den Arzneikostendurchschnitt der Internisten in den drei streitigen Quartalen um 36 % bis 66 % überschritten; eine derart hohe Durchschnittsüberschreitung rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats die Festsetzung eines Pauschalregresses. Hierbei wurde zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass er entgegen der Auffassung des Prüfungsausschusses nicht mit der Gruppe der praktischen Ärzte verglichen werden kann, weil er als Internist zur Kassenpraxis zugelassen ist. Bei der Zugrundelegung der Durchschnittsüberschreitung um 66 % bzw. 52 % für die Quartale III und IV/65 ist der Senat der einleuchtenden mündlichen Erläuterung des Prüfarztes Dr. P. gefolgt.
Obgleich hiernach ein Pauschalregress eindeutig gerechtfertigt war, ist aber im Verwaltungsverfahren auch noch eine repräsentative Einzelfallprüfung durchgeführt werden. Hierbei ergaben sie konkrete Beanstandungen von Verstößen gegen die Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen vom 12. Dezember 1960 (DOK 1961 S. 32). So lagen a) Doppelverordnungen vor, b) Verordnung von Drogerieartikeln wie Ovis-Fusspuder, c) Überschreitung der Mengenzahl, d) Verordnung von sehr teueren Medikamenten, die durch preiswertere hätten ersetzt werden können. Hiernach waren die Regresse auch im Hinblick auf die Einzelfallprüfung berechtigt.
Praxisbesonderheiten, die die obigen hohen Überschreitungen des Durchschnitts rechtfertigen, hat der Kläger nicht ausreichend dargetan. Insbesondere hat er keine ausreichende Begründung für seine Behauptung geliefert, dass und vor allem inwieweit er mehr Schwerkranke zu behandeln gehabt hätte als der Durchschnitt der Internisten im Kreise M ... Seine in der Vorinstanz überreichten fotokopierten und im übrigen kaum lesbaren Notizen reichen hierfür keineswegs aus, zumal sie offenbar die hier nicht streitigen Jahre 1970 und 1971 betreffen. Vielmehr ergab sich aus den im Verwaltungsverfahren überprüften Einzelfällen und den dort angegebenen Diagnosen, dass es sich um eine normale Praxis handelt, in der Schwerkranke sicher nicht überwiegen. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass gerade in der Fachgruppe der Internisten auch sonst Schwerpunkte keine Seltenheit bilden und dieser Umstand daher auch in der Höhe des Fachgruppendurchschnitts einen nicht unbeachtlichen Ausdruck gefunden hat. Schließlich hat der Kläger nicht ausreichend substantiiert vorgebracht, wiese er durch die von ihm verursachten hohen Arzneikosten Honorare eingespart haben will. Ein entsprechender Zusammenhang ist weder ersichtlich noch zu vermuten.
Auch die Höhe der Regresse ist angesichts der erheblichen, dem Kläger bei der Regressfestsetzung noch belassenen Überschreitungsbeträge nicht zu beanstanden.
Demnach war die unbegründete Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
I.
L 7/Ka-215/71
Der Kläger ist als Internist in M. zur Kassenpraxis zugelassen. Auf Antrag des Landesverbandes der Ortskrankenkassen vom 18. Januar 1961 führte der Prüfungsausschuss der Beklagten – Bez. Stelle M. – eine Überprüfung der Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers für das II. Quartal 1965 durch. Die Verprüfung wurde durch Dr. R., Z., vorgenommen, der zahlreiche Fälle überprüfte.
Mit Bescheid vom 21. Juni 1967 stellte der Prüfungsausschuss der Beklagten fest, daß die Praxis des Klägers wie die eines Allgemeinpraktikers geführt werde. Der Arzneikostendurchschnitt liege um 50,53 v.H. höher als der Durchschnitt der praktischen Ärzte. Davon abgesehen sei auf Grund individueller Prüfung, wie sie insbesondere der Prüfarzt Dr. R. vorgenommen habe, festgestellt werden, daß die Behandlungs- und Verordnungsweise unwirtschaftlich sei. Demzufolge sei ein Regreß von 1.000,– DM für das II. Quartal 1965 festgesetzt worden.
Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Widerspruch erheben, dem der Prüfungsausschuss nach nochmaliger Überprüfung nicht abhalf.
Mit Bescheid vom 2. März 1968 hat der Beschwerdeausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung wurde angeführt, daß die Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts offensichtlich sei. In zahlreichen Fällen lägen Doppelverordnungen vor. Auch hinsichtlich der menge der verordneten Arzneimittel hätten sich Beanstandungen ergeben. Praxisbesonderheiten seien nicht festgestellt worden. Die Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise folge eindeutig aus 26 Einzelfällen, die dem Bescheid in der Anlage beigefügt seien.
Gegen den am 17. Juli 1968 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 19. Juli 1968 Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt/Main erheben.
Er führte zahlreiche Fälle an, aus denen sich ergebe, dass die Behandlungsweise wegen der Besonderheit der Krankheiten nicht unwirtschaftlich sei. Seine Kollegen in M. überwiesen ihm keine Patienten. Er behandle aber sehr viele Schwerkranke, was noch niemals berücksichtigt worden sei. Die Anzahl der Schwerkranken ergebe sich aus einer Zusammenstellung, die er dem Gericht verlege. Mit Urteil vom 27. Januar 1971 wies das Sozialgericht die Klage auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide ab. Es folgte in den Entscheidungsgründen der Auffassung der Beklagten. Der Kläger habe den Durchschnitt der Arzneikosten erheblich überschritten. Die Überschreitung sei nicht durch die Behandlung von Schwerkranken bedingt. Jedenfalls habe insoweit kein Beweis geführt werden können. Aus den aufgeführten Diagnosen hätten sich ebenfalls keine Hinweise für besonders schwere Erkrankungen ergeben, die die Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts rechtfertigen könnten Praxisbesonderheiten seien nicht festgestellt werden.
Gegen das am 9. Februar 1971 zur Zustellung gegebene Urteil hat der Kläger fristgerecht am 26. Februar 1971 Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt.
Er trägt vor, dass er sehr viele Schwerkranke behandele, was unbedingt berücksichtigt werden müsse.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
Aufhebung des angefochtenen Urteils und der angefochtenen Bescheide.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Gemäß Beschluss vom 16. April 1971. ist der Landesverband der Ortskrankenkassen zum Verfahren beigeladen worden. Er beantragt gleichfalls, die Berufung zurückzuweisen.
II.
L 7/Ka-312/71
Auf Antrag des Beigeladenen sowie nach Durchführung einer Verprüfung setzte der Prüfungsausschuss der Beklagten (Bezirksstelle M.) mit Bescheid vom 17. November 1967 für das Quartal III/65 gegen den Kläger einen Arzneiregress in Höhe von 630,50 DM fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger, welcher mehr wie ein praktischer Arzt als wie ein Internist tätig sei, habe der Arzneikostendurchschnitt der praktischen Ärzte um 34,8 % überschritten. Auch nach dem Ergebnis der Einzelprüfung sei seine Verordnungsweise unwirtschaftlich gewesen. Mit der Belassung eines erheblichen Überschreitungsbetrages von 1.044,– DM seien bei ihm etwaige Praxisbesonderheiten berücksichtigt worden. Dieser Bescheid wurde am 27. November 1967 mit Einschreiben an den Kläger abgesandt, der Kläger behauptete, gegen ihn auf einem vom 1. Dezember 1967 datierten Rezeptblatt Widerspruch eingelegt zu haben. Bei den Akten der Beklagten ist jedoch kein derartiges, mit einem Eingangsstempel versehenes Rezeptblatt vorhanden. Dennoch hat der Prüfungsausschuss eine Wahrung der Widerspruchsfrist durch den Kläger angenommen (vgl. Bl. 29 VA), weil es gleicherweise möglich sei, dass das fragliche Rezeptblatt auf seiner Geschäftsstelle übersehen oder verloren worden sei, wie auch, dass das Rezeptblatt gar nicht an den Ausschuss abgeschickt worden sei. In der Sache half der Prüfungsausschuss dem Widerspruch nicht ab.
Auf Antrag des Beigeladenen sowie nach Durchführung einer Verprüfung setzte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 16. Januar 1968 gegen den Kläger für das Quartal IV/65 einen Arzneiregress von 1.200,– DM fest, weil der Kläger den Arzneikostendurchschnitt der Internisten um 25,65 % sowie den der praktischen Ärzte um 34,2 % überschritten habe. Die Verordnungsweise des Klägers sei auch nach der durchgeführten Einzelfallprüfung unwirtschaftlich. Die Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts durch teilweise Einsparungen auf anderen Leistungsgebieten verursacht worden. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt, welchem der Prüfungsausschuss nicht abgeholfen hat.
Der Beschwerdeausschuss der Beklagten wies mit Bescheid vom 14. August 1968 den Widerspruch des Klägers gegen alle obengenannten Bescheide zurück. Der Kläger habe den Arzneikostendurchschnitt der Internisten in III/65 um 66,4 % und in IV/65 um 52,4 % überschritten. Seine Arzneiverordnungen seien teilweise nicht durch entsprechende Diagnosen begründet gewesen; auch handele es sich oft um teuere sowie um Doppelverordnungen. Die Praxis des Klägers habe keine Besonderheiten aufzuweisen. Die Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts durch den Kläger sei auch nicht für Einsparungen auf anderen Gebieten ursächlich gewesen.
Die hierauf erhobene Klage, mit welcher der Kläger die Überschreitung der Durchschnittswerte hauptsächlich auf die Betreuung vieler Schwerkranker (35 % der Kassenpatienten) und vieler chronisch Kranker zurückführte, wies das Sozialgericht Frankfurt/Main mit Urteil vom 17. Februar 1971 als unbegründet ab. Die Verordnungsweise sei nach § 368 e der Reichsversicherungsordnung (RVO) unwirtschaftlich, was sich sowohl aus der hohen Überschreitung des Arzneikostendurchschnitts um 66 % bzw. 52 % als auch aus den zusätzlichen Beanstandungen bei den außerdem im Verwaltungsverfahren durchgeführten teilweisen Einzelfallprüfungen ergebe. Auch Praxisbesonderheiten habe der Kläger nicht aufzuweisen, zumal er nicht überdurchschnittlich mehr Schwerkranke als andere Internisten zu behandeln gehabt habe. Schließlich sei auch sein Mehraufwand an Arzneien nicht für Einsparungen bei seiner Honorarforderung ursächlich gewesen. Gegen dieses am 10. März 1971 mit Einschreiben abgesandte Urteil hat der Kläger am 24. März 1971 Berufung eingelegt. Mit ihr macht er vor allem geltend, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass er 25–30 % Schwerkranke zu behandeln habe. Im Übrigen sei ein für ein Quartal aus 1964 gegen ihn festgesetzter Regress in Höhe von 1.200,– DM wegen überwiegender Behandlung von Schwerkranken auf 200,– DM reduziert werden. Der Kläger hat Schreiben der Medizinischen Universitätsklinik M. vom 4. September 1968 und der AOK M. vom 27. August 1968 sowie einen Bescheid des Prüfungsausschusses der Beklagten (Bezirksstelle M.), betreffend das Quartal II/64 vom 5. Dezember 1969 samt einer prüfungsärztlichen Beurteilung sowie schließlich 35 fotokopierte Seiten kaum lesbarer handschriftlicher Notizen über seine Krankenbehandlung übersandt; auf den Inhalt der vorgenannten Schriftstücke wird im einzelnen Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main sowie alle angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich im wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Der mit Beschluss vom 4. Juni 1971 beigeladene Landesverband der Ortskrankenkassen beantragt gleichfalls, die Berufung zurückzuweisen.
Im Verhandlungstermin vom 30. Juni 1971 hat der Prüfarzt Dr. P. die Berechnung der Durchschnittsüberschreitung um 66 % bzw. 52 % näher erläutert; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten wird in einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Klägers, die gemäß § 113 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden sind, sind zulässig, denn sie sind form- und fristgerecht eingelegt und auch nach § 143 SGG statthaft. Sie sind insbesondere deshalb nicht nach § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen, weil vorliegend Regressforderungen streitig sind und es sich hierbei nicht um die in der genannten Vorschrift grundsätzlich gemeinten Ansprüche des Einzelnen gegen einen Sozialleistungsträger handelt. Die Nichterweislichkeit der Versäumnis der den Bescheid vom 17. November 1967 betreffenden Widerspruchsfrist durch den Kläger muß nach dem Grundsatz der objektiven Beweislosigkeit die Beklagte gegen sich gelten lassen.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Den Entscheidungen des Sozialgerichts ist im wesentlichen beizupflichten. Die mit dem angefochtenen Bescheiden festgestellten Arzneiregresse der Beklagten gegen den Kläger für die drei streitigen Quartale bestehen zu Recht. Der Kläger darf als Kassenarzt nach § 368 e RVO Leistungen (Arzneien), die für die Erzielung des Heilerfolgs nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, nicht verordnen.
Die Beklagte hat nach § 368 n Abs. 4 RVO die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung durch besondere Ausschüsse im Wege der Selbstverwaltung zu überwachsen. Wie hierzu das BSG (vgl. Bd. 17 S. 79 sowie ÄM 1963, S. 2222 ff.) ausgesprochen hat, braucht die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- wie der Verordnungsweise nicht anhand einzelner Fälle geprüft zu werden, wenn der Kassenarzt hierbei in offensichtlichen Missverhältnis zu den Durchschnittswerten vergleichbarer Ärztegruppen steht und auch die Besonderheiten seiner Praxis, auf die er hinzuweisen hat, einen Mehraufwand nicht rechtfertigen.
Ein solches "offensichtliches Missverhältnis” liegt hier eindeutig vor, so dass eine Einzelfallprüfung nicht notwendig ist. Der Kläger hat dass eine Einzelfallprüfung nicht notwendig ist. Der Kläger hat nämlich den Arzneikostendurchschnitt der Internisten in den drei streitigen Quartalen um 36 % bis 66 % überschritten; eine derart hohe Durchschnittsüberschreitung rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats die Festsetzung eines Pauschalregresses. Hierbei wurde zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass er entgegen der Auffassung des Prüfungsausschusses nicht mit der Gruppe der praktischen Ärzte verglichen werden kann, weil er als Internist zur Kassenpraxis zugelassen ist. Bei der Zugrundelegung der Durchschnittsüberschreitung um 66 % bzw. 52 % für die Quartale III und IV/65 ist der Senat der einleuchtenden mündlichen Erläuterung des Prüfarztes Dr. P. gefolgt.
Obgleich hiernach ein Pauschalregress eindeutig gerechtfertigt war, ist aber im Verwaltungsverfahren auch noch eine repräsentative Einzelfallprüfung durchgeführt werden. Hierbei ergaben sie konkrete Beanstandungen von Verstößen gegen die Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen vom 12. Dezember 1960 (DOK 1961 S. 32). So lagen a) Doppelverordnungen vor, b) Verordnung von Drogerieartikeln wie Ovis-Fusspuder, c) Überschreitung der Mengenzahl, d) Verordnung von sehr teueren Medikamenten, die durch preiswertere hätten ersetzt werden können. Hiernach waren die Regresse auch im Hinblick auf die Einzelfallprüfung berechtigt.
Praxisbesonderheiten, die die obigen hohen Überschreitungen des Durchschnitts rechtfertigen, hat der Kläger nicht ausreichend dargetan. Insbesondere hat er keine ausreichende Begründung für seine Behauptung geliefert, dass und vor allem inwieweit er mehr Schwerkranke zu behandeln gehabt hätte als der Durchschnitt der Internisten im Kreise M ... Seine in der Vorinstanz überreichten fotokopierten und im übrigen kaum lesbaren Notizen reichen hierfür keineswegs aus, zumal sie offenbar die hier nicht streitigen Jahre 1970 und 1971 betreffen. Vielmehr ergab sich aus den im Verwaltungsverfahren überprüften Einzelfällen und den dort angegebenen Diagnosen, dass es sich um eine normale Praxis handelt, in der Schwerkranke sicher nicht überwiegen. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass gerade in der Fachgruppe der Internisten auch sonst Schwerpunkte keine Seltenheit bilden und dieser Umstand daher auch in der Höhe des Fachgruppendurchschnitts einen nicht unbeachtlichen Ausdruck gefunden hat. Schließlich hat der Kläger nicht ausreichend substantiiert vorgebracht, wiese er durch die von ihm verursachten hohen Arzneikosten Honorare eingespart haben will. Ein entsprechender Zusammenhang ist weder ersichtlich noch zu vermuten.
Auch die Höhe der Regresse ist angesichts der erheblichen, dem Kläger bei der Regressfestsetzung noch belassenen Überschreitungsbeträge nicht zu beanstanden.
Demnach war die unbegründete Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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