Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 863/66
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Frage, ob eine Verordnungsweise den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht, ist zu trennen von der Frage ihrer Wirtschaftlichkeit im Bereich des Ersatzkassenvertrages.
2. Für die Richtigkeit der liquidierten Leistungen trägt der Arzt die volle Verantwortung. Demzufolge ist es unzulässig, andere Diagnosen im Verlauf eines Streitverfahrens nachzuschieben.
3. Fehlen repräsentative Statistiken über besondere Heilerfolge eines Arztes, kann die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnungsweise nur an Hand des Gruppendurchschnittes seiner Fachgruppe nachgeprüft werden.
2. Für die Richtigkeit der liquidierten Leistungen trägt der Arzt die volle Verantwortung. Demzufolge ist es unzulässig, andere Diagnosen im Verlauf eines Streitverfahrens nachzuschieben.
3. Fehlen repräsentative Statistiken über besondere Heilerfolge eines Arztes, kann die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnungsweise nur an Hand des Gruppendurchschnittes seiner Fachgruppe nachgeprüft werden.
Bemerkung
und L 7/Ka-969/69, 970/69, 971/69
Die Berufung des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 13. Juli 1966 und 13. August 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
I.
L 7 Ka-863/66
Der Kläger ist Facharzt für Hautkrankheiten in W ... Er ist sowohl zur RVO – Kassenpraxis zugelassen als auch an der Ersatzkassenpraxis seit dem III. Quartal 1961 beteiligt.
Der Ortsausschuss W. des beigeladenen Verbandes der Angestellten – Krankenkassen beantragte am 12. Juni 1962 eine Überprüfung der Verordnungsweise des Klägers für das IV. Quartal 1961. Der Prüfungsausschuss der Beklagten setzte mit Bescheid vom 6. November 1962 wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise einen Schadensersatz in Höhe von 1.207,87 DM gegen den Kläger fest. Zur Begründung führte er aus, dass die Verordnungen des Klägers sich pro Fall auf 53,25 DM beliefen, während der Gruppendurchschnitt der W. Hautärzte nur bei 7,21 DM liege. In dem Bescheid wurde ein grobfahrlässiges Verhalten des Klägers angenommen, das nach dem damals gültigen Ersatzkassenvertrag (EKV) eine Schadensersatzpflicht nach sich ziehe. In gleicher Weise habe der Kläger schon im Jahre 1953 als Hautarzt in B. gegen den Ersatzkassenvertrag verstoßen, so dass seinerzeit ein Schadensersatz von 2.091,18 DM gegen ihn habe festgesetzt werden müssen.
Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 22. Februar 1963 wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen.
Mit Urteil vom 27. November 1963 hob das Sozialgericht Frankfurt/M. (S – 5/Ka 18/63) den Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 22. Februar 1963 auf, weil de Rechtsmittelbelehrung im Widerspruch zu § 84 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestanden habe.
Mit erneutem Beschluss vom 9. Mai 1964 wies der Beschwerdeausschuss der Beklagten die Beschwerde wiederum zurück. Zur Begründung führte er aus, dass im IV. Quartal 1961 die Arzneikosten des Klägers mit 600 v.H. über dem Gruppendurchschnitt der W. Hautärzte gelegen hätten.
Gegen den am 29. Juni 1964 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht Klage am 18. Juli 1964 vor dem Sozialgericht in Frankfurt/M. erhoben (Az.: S – 5/Ka – 20/64). Mit Bescheid des Prüfungsausschusses der Beklagten bei der Bezirksstelle in W. vom 15. Januar und 4. Februar 1963 sind auf Antrag des Ortsausschusses W. des Beigeladenen weitere Schadensersatzforderungen für das I. und II. Quartal 1962 festgestellt worden. Aus den Gründen der Bescheide ergibt sich, dass die Verordnungskosten für Arzneien, EKG, Labor und Röntgen im I. Quartal 1962 bei dem Kläger je Fall 41,90 DM gegenüber 10,79 DM des Gruppendurchschnitts betrugen. Demzufolge wurde eine grobfahrlässige Verordnungsweise angenommen und ein Regress von 2.147,20 DM festgesetzt. Der Bescheid vom 4. Februar 1963 stellte einen Schadensersatzanspruch für das II. Quartal 1962 von 1.919,– DM fest, wobei er sich darauf stützte, dass die Verordnungskosten des Klägers bei 39,68 DM je Fall gegenüber 10,79 DM des Gruppendurchschnitts gelegen hätten. Im übrigen nahm der Bescheid auf den früheren vom 15. Januar 1963 Bezug.
Mit Beschluss vom 7. Mai 1963 bestätigte der Beschwerdeausschuss der Beklagten die ergangenen Verwaltungsakte und hob lediglich die Schadensersatzpflicht von 1,– DM je Fall für EKG- und Laborleistungen in I/62 und von 2,50 DM je Fall für EKG- und Laborleistungen in II/62 auf.
Gegen den am 20. Juni 1963 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht am 18. Juli 1963 Klage vor dem Sozialgericht in Wiesbaden erhoben, die zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Frankfurt/M. verwiesen wurde (Az.: S – 5/Ka – 29/63).
Für das III. Quartal 1962 beantragte der Ortsausschuss W. des Beigeladenen am 5. März 1963 eine Überprüfung der Verordnungsweise. Mit Bescheid vom 29. April 1963 wurde der Schadensersatz auf 1.083,– DM festgesetzt. Auch hier wurde der Regress damit begründet, dass die Verordnungskosten des Klägers bei 29,51 DM je Fall gegenüber 10,44 DM im Gruppendurchschnitt lägen. Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde durch Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 29. Juli 1963 zurückgewiesen. Gegen den am 5. September 1963 zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger fristgerecht am 27. September 1963 Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt/M. erhoben (Az.: S – 5/Ka – 40/63).
Einen weiteren Regress setzte der Prüfungsausschuss der Beklagten mit Bescheid vom 14. Oktober 1963 in Höhe von 470,– DM für das I. Quartal 1963 fest, weil die Gruppendurchschnittswerte in diesem Quartal mit rund 100 v.H. überschritten worden seien. Die Verordnungen des Klägers beliefen sich pro Fall auf 20,79 DM gegenüber 10,08 DM in Gruppendurchschnitt. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 9. Mai 1964 zurück. Gegen den am 29. Juni 1964 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. erhoben (Az.: S – 5/Ka – 20/64).
Das Sozialgericht lud den Verband der Angestellten – Krankenkassen zum Verfahren bei und verband im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Juli 1966 die Klagen S – 5/Ka – 29/63, S – 5/Ka 40/63 und S – 5/Ka 20/64 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Im Termin beantragte der Kläger die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses vom 7. Mai 1963, 29. Juni 1963 und 9. Mai 1964 aufzuheben, hilfsweise weiteren Beweise zu erheben. Demgegenüber hielten die Beklagte und der Beigeladene die ergangenen Verwaltungsakte für rechtens.
Mit Urteil vom 13. Juli 1966 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, zu Recht habe die Beklagte den Gesamtregress auf 6.786,87 DM festgesetzt. Der Begriff der Wirtschaftlichkeit sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliege. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG– bedürfte es keiner Nachprüfung im Einzelfall, wenn die Verordnungsweise in auffälligem Missverhältnis zu den Durchschnittswerten vergleichbarer Ärztegruppen stehe. Nach § 16 Ziffer 5 des Ersatzkassenvertrages vom 12. Mai 1950 könne bei einem erstmaligen Verstoß ein Schadensersatz festgestellt werden, wenn ein grobfahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden könne. Der Kläger sei mit Schreiben vom 13. März 1962 auf seine unwirtschaftliche Verordnungsweise im III. Quartal 1961 hingewiesen worden. Auch durch ein vorangegangenes Verfahren im Jahre 1953, das mit einem Regreß geendet habe, sei er über die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Bilde gewesen. Die Bestimmung des § 16 EKV sei weder sitten- noch grundgesetzwidrig. Eine Einzelfallprüfung sei nicht notwendig gewesen, weil eine erhebliche Überschreitung der Durchschnittswerte vorgelegen habe. Mit seinen Arzneikosten für EKG, Labor, Röntgen und Heilmittel liege er weit über dem Durchschnitt anderer Dermatologen. Seine Behandlungsweise unterscheide sich erheblich von dem anderer Fachkollegen. Die Überprüfung habe ergeben, daß der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nicht eingehalten worden sei, ohne daß es hierzu einer weiteren Beweiserhebung bedürfte. Die Prüfungsausschüsse hätten nicht den vollen Betrag als Regreß verlangt, sondern noch Beträge zugestanden, die erheblich über dem Gruppenfallwert der Fachgruppe lägen, so daß etwaige Verschiedenheiten der Praxis ausreichend ausgeglichen worden seien. Die Verordnung des Klägers müsse auch als grob- fahrlässig angesehen werden. Demzufolge seien die angefochtenen Verwaltungsakte nicht zu bestanden.
Gegen das dem Kläger am 2. August 1966 zugestellte Urteil hat er fristgerecht am 27. August 1966 Berufung vor dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er beantragt, die angefochtenen Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 13. Juli 1966 aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 6.486,57 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.677,87 DM seit dem 29. Juli 1964, aus 1.083,– DM seit dem 29. Juli 1963 und aus 3.725,70 DM seit dem 7. Mai 1963 zu verurteilen.
Der Kläger bestreitet eine Unwirtschaftlichkeit seiner Verordnungsweise. Insoweit sei ihm nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Er habe für die Richtigkeit seiner Behandlungs- und Verordnungsweise auch Beweis angetreten, den das Gericht nicht erhoben habe. Es habe damit seine Aufklärungspflicht verletzt. Durch seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen sei er als Hautarzt weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus bekannt. Seine Verordnungen hielten sich auch im Rahmen der wissenschaftlichen Lehre. Zahlreiche Patienten seien von ihm in kürzester Zeit geheilt worden. Funktionsstörungen im Bereich des Schädels seien häufig die Ursachen von Hauterkrankungen. Deshalb seien auch die verordneten Röntgenuntersuchungen notwendig und wirtschaftlich gewesen. Mit Schriftsatz vom 8. April 1964 habe er anhand von zehn Fällen dargelegt, daß seine Verordnungsweise schnell zum Erfolg führe. Die schnellere Heilung rechtfertige die höheren Kosten der Verordnungen. Ein grob – fahrlässiges Verhalten könne ihm deshalb nicht zur Last gelegt werden.
Die Beklagte und der Beigeladene haben beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie führen aus, daß der Kläger schon mit Schreiben vom 13. März 1962 gewarnt worden sei, er habe seine Verordnungsweise den Grundsätzen der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit anzupassen. Die hohe Überschreitung der Gruppendurchschnittszahlen rechtfertige die Annahme einer grob–fahrlässigen Verordnungsweise. Die von dem Kläger erwähnten zehn Fälle seien zum Teil nicht verwertbar, weil eine Behandlung in den hier streitigen Quartalen gar nicht stattgefunden habe. Es blieben somit nur acht Fälle übrig, die keine verbindliche Aussage zuließen.
II.
L 7/Ka-969/69, 970/69, 971/69
Auf Antrag des Verbandes der Angestellten – Krankenkassen-Ortsausschuß W. – unterzog der Prüfungsausschuß der Beklagten die Abrechnung des Klägers für II/63 einer Prüfung. Pro Fall ergab sich ein Verordnungsdurchschnitt für den Kläger von 23,80 DM gegenüber einem Gruppendurchschnitt von 9,54 DM. Im Hinblick hierauf wurde eine Schadensersatzpflicht von 1.112,– DM mit Bescheid vom 27. Januar 1964 festgestellt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, daß die Überschreitung des Gruppendurchschnittes bei 150 v.H. liege. Der Kläger sei seiner Verpflichtung, die Abrechnung nach den Bestimmungen des Ersatzkassenvertrages vorzunehmen, nicht nachgekommen.
Für das Quartal III/63 ergab die Prüfung bei dem Kläger einen Verordnungsdurchschnitt von 28,70 DM gegenüber einem Gruppendurchschnitt von 10,08 DM. Der Prüfungsausschuß setzte deshalb mit Bescheid vom 7. April 1964 einen Schadensersatz von 1.312,– DM fest. Zur Begründung führte er aus, daß die Überschreitung des Arzneikostendurchschnittes bei 138 v.H. liege. Verschiedene Mittel würden zumeist in Form von Injektionen gegeben, dazu würden in zahlreichen Fällen Fortecillin oder ein anderes Antibiotikum und in fast allen Fällen Redoxon gegeben. Von einer wirtschaftlichen Verordnungsweise könne hierbei keine Rede sein.
Für IV/63 setzte der Prüfungsausschuß mit Bescheid vom 29. Juni 1964 einen Schadensersatz von 1.720,– DM fest. Er führte aus, daß in diesem Quartal die Verordnung des Klägers bei 26,83 DM pro Fall gegen 10,08 DM in Gruppendurchschnitt gelegen habe. Die Behandlungs- und Verordnungsweise halte sich nicht im Rahmen des § 368 e der Reichsversicherungsordnung (RVO), wie schon mehrfach festgestellt worden sei.
Gegen die ergangenen Verwaltungsakte hat der Kläger fristgerecht Beschwerde beim Beschwerdeausschuß der Beklagten erhoben. Im Termin vom 30. Oktober 1964 hatte er Gelegenheit, seinen Standpunkt eingehend darzulegen. Darüber hinaus hörte der Beschwerdeausschuß als Sachverständigen Prof. Dr. G., Chefarzt der Hauptklinik der Krankenanstalt W ... Der Sachverständige nahm zu einzelnen Fällen Stellung und bemerkte abschließend, daß bei Hautkrankheiten, deren Genese unklar sei, eine Kausaltherapie unverständlich erscheine.
Weiterhin hat die Beklagte die Honorarforderung des Klägers durch Bescheid des Prüfungsausschusses vom 26. Mai 1964 für IV/63 um 430,– DM und durch Bescheid vom 29. Dezember 1964 für II/64 um 560,– DM gekürzt, weil die Behandlungsweise des Klägers Anlaß zu Beanstandungen gebe.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 1964 setzte der Prüfungsausschluß für I/64 einen Regreß von 1.660,– DM fest. Er führte aus, daß die Arzneikosten des Klägers mit 19,25 DM je Fall ganz erheblich über dem Fachgruppendurchschnitt von 9,91 DM gelegen hätten. Im übrigen sei dem Kläger, entgegen seiner Behauptung, in jeder Sitzung das rechtliche Gehör gewährt worden.
Für II/64 setzte der Prüfungsausschluß mit Bescheid vom 21. Januar 1965 einen Schadensersatz von 1.830,– DM fest. Die Arzneikosten des Klägers hätten mit 21,15 DM bei weitem über dem Fachgruppendurchschnitt von 9,91 DM je Fall gelegen. Im übrigen ergebe sich die Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers aber auch aus der Prüfung der Vielzahl von Einzelfällen.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche wies der Beschwerdeausschuß der Beklagten mit Verwaltungsakt vom 13. Dezember 1965 zurück. Er führte in der Begründung aus, daß die Überschreitung der Durchschnittswerte einen Verstoß gegen eine wirtschaftliche Verordnungsweise darstelle. Es könne den Ersatzkassen nicht zugemutet werden, erhöhte Kosten für Außenseitermethoden aufzubringen. Auch die Honorarkürzungen seien berechtigt, weil der Kläger den Gruppendurchschnitt im Quartal IV/63 mit 116 v.H. und im Quartal II/64 mit 90 v.H. überschritten habe.
Gegen den am 15. Dezember 1965 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht bereits am 9. Dezember 1965 Klage vor dem Sozialgericht in Wiesbaden erhoben, die zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Frankfurt/M. verwiesen worden ist. Sie war dort unter dem Az.: S 5/Ka – 2/66 anhängig.
Für die Quartale III/64 bis I/65 erließ der Prüfungsausschuß der Beklagten folgende Bescheide:
1) am 12.4.1965
– Arznei- und Nebenkostenregreß III/64 in Höhe von DM 1.539,–
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
128,25 % bei den Arzneikosten und 537,31 % bei den Nebenkosten.
2) am 16.7.1965
– Arznei- und Nebenkostenregreß IV/64 in Höhe von DM 1.720,–
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
156,71 % bei den Arzneikosten und 830,49 % bei den Nebenkosten.
3) am 19.10.1965 – Arznei- und Nebenkostenregreß I/65 in Höhe von DM 1.521,50
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
101,36 % bei den Arzneikosten und 421,23 % bei den Nebenkosten.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche wurden im Widerspruchsverfahren durch den Facharzt für Hautkrankheiten Dr. D. überprüft. Er äußerte sich abschließend dahingehend, daß sowohl die Behandlungsweise als auch die Verordnungsweise nicht den üblichen ärztlichen Regeln entspräche. Im übrigen stehe ein Teil der Patienten, die geheilt sein sollten, noch weiter in Behandlung. Der Kläger hatte Gelegenheit, bei der Verhandlung des Beschwerdeausschusses am 14. Dezember 1966 seinen Standpunkt vorzutragen. Er wurde dabei durch seinen Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt W. unterstützt.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 1966 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Verordnungsweise des Klägers pro Fall erheblich über dem Durchschnitt der W. Hautärzte liege. Einige der als geheilt bezeichneten Patienten stünden außerdem noch in Behandlung, wie die dem Bescheid beigefügte Aufstellung beweise. Die Verordnungen über Röntgenuntersuchungen des Klägers lägen erheblich über dem Durchschnitt und könnten auch nicht als wirtschaftlich angesehen werden. Das gleiche gelte für Laboruntersuchungen. Im übrigen sei der Beschwerdeausschuß der Auffassung, daß sich die Praxis des Klägers nicht wesentlich von anderen Praxen unterscheide. Die Hormon- und Vitamintherapie des Klägers sei ebenfalls nicht in dem Maße, wie sie verordnet werde, berechtigt. Unwirtschaftlich sei außerdem der Ansatz von Implacen sowie anderer Arzneimittel. Zum Schluß des Beschwerdebescheides wurde der Kläger angehalten, seine Verordnungsweise den Grundsätzen der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit anzupassen, anderenfalls seien disziplinäre Maßnahmen gegen ihn erforderlich.
Gegen den am 18. Februar 1967 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 27. Februar 1967 Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt/M. erhoben, die unter dem Az.: S 5/Ka – 13/67 anhängig war.
Für die Quartale II/65 bis IV/65 setzte der Prüfungsausschuß der Beklagten folgende Schadensersatzforderungen fest:
1) am 31.1.1966
– Arznei- und Nebenkostenregreß II/65 in Höhe von DM 1.946,–
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
118,08 % bei den Arzneikosten und 320,35 % bei den Nebenkosten.
2) am 12.7.1966
– Arznei- und Nebenkostenregreß III/65 in Höhe von DM 2.248,50
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
142,44 % bei den Arzneikosten und 333,35 % bei den Nebenkosten.
3) am 12.7.1966
– Arznei- und Nebenkostenregreß IV/65 in Höhe von DM 1.781,50 wegen Überschreitung des Durchschnitts von
123,12 % bei den Arzneikosten und 261,53 % bei den Nebenkosten.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche wurden mit Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 19. April 1967 zurückgewiesen. Die Regreßpflicht wurde damit begründet, daß ein offensichtliches Mißverhältnis der Verordnungen des Klägers zu dem Durchschnitt seiner Berufskollegen vorliege. Dies rechtfertige die festgesetzten Regreßforderungen. Der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 14. November 1966 betreffend eine Regreßforderung für das I. Quartal 1966 sei allerdings aufzuheben gewesen, weil die Antragsfrist des § 16 Ziffer 3 nicht gewahrt sei. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme insoweit nicht in Betracht.
Gegen den am 28. August 1967 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht am 26. September 1967 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. erhoben, die unter dem Az.: S 5/Ka – 32/67 anhängig wurde.
Das Sozialgericht hat den Verband der Angestellten – Krankenkassen zur Verfahren beigeladen und die Verfahren S 5/Ka – 2/66, S 5/Ka – 32/67 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger Aufhebung der ergangenen Verwaltungsakte beantragt, außerdem Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 990,– DM und Auferlegung der Kosten des Verfahren.
Mit Urteil vom 13. August 1969 hat das Sozialgericht Frankfurt/M. die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen führte es aus, daß die Überschreitung der Durchschnittssätze die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers ergebe. Durch Besonderheiten der Praxis sei der Mehraufwand des Klägers nicht zu rechtfertigen. Die Praxis des Klägers zeichne sich nur durch eine Besonderheit in der Behandlungs- und Verordnungsweise aus. Der Kläger wähle bewußt kostspielige und aufwendige Heilmittel aus. Seine Praxisführung sei deshalb mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit nicht in Einklang zu bringen. Der Kläger könne auch der Schulmedizin keinen unbefriedigenden Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bescheinigen. Die Beiziehung eines Sachverständigengutachtens sei unter Würdigung der gesamten Verhältnisse nicht erforderlich. Demzufolge seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
Gegen das am 23. August 1969 zugestellte Urteil hat der Kläger fristgerecht am 15. September 1969 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung der Berufung trägt er vor, daß er zahlreiche Patienten behandelt habe, die anderweitig keinen Heilungserfolg zu verzeichnen gehabt hätten. Dies gelte vor allem für die Heilung von chronischen Ekzemkrankheiten. In diesem Zusammenhang nimmt der Kläger Bezug auf neun schwierige Fälle, in denen er eine Heilung in verhältnismäßig kurzer Zeit erzielt habe. Durch die schnelle Heilung habe er den Ersatzkassen Kosten erspart. Es sei unverständlich, daß das Gericht erster Instanz ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen entschieden habe. Er beantrage deshalb, Prof. Dr. K. gutachtlich zur Frage seiner Kausaltherapie zu hören.
Der Kläger beantragt,
Aufhebung des angefochtenen Urteils und der ergangenen Verwaltungsakte und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 990,– DM sowie zur Tragung sämtlicher Kosten des Gerichts- und Verwaltungsverfahrens.
Demgegenüber sind Beklagte und Beigeladener der Auffassung, daß das angefochtene Urteil zutreffend sei. Was die behaupteten besonderen Heilerfolge des Klägers betreffe, so sei im Verwaltungsverfahren schon festgestellt worden, daß fast 50 v.H. der vom Kläger genannten Patienten weiter in Behandlung stünden.
Auf die angefochtenen Urteile, die Schriftsätze der Beteiligten und den Akteninhalt im übrigen wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Klägers, die gemäß § 113 SGG zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden worden sind, sind form- und fristgerecht eingelegt worden. Soweit Regreßstreitigkeiten für insgesamt 16 Quartale in Frage stehen, folgt die Zulässigkeit der Berufung aus § 143 SGG. Die Ausnahmevorschrift des § 144 SGG greift nicht ein, weil Regreßforderungen nicht dem Begriff der Leistungen im Sinne dieser Vorschrift untergeordnet werden können. Regresse sind Schadensersatzverpflichtungen. Sie stehen somit im Gegensatz zu den Rechtsansprüchen, die unter den Begriff der Leistungen im Sinne des § 144 SGG fallen.
Soweit die Honorarforderungen für das IV. Quartal 1963 und II. Quartal 1964 in Streit stehen, handelt es sich zwar um wiederkehrende Leistungen im Sinne der Vorschrift des § 144 SGG. Da aber Forderungen für zwei Quartale erhoben wurden, erschöpfen diese sich nicht in einem Zeitraum bis zu 13 Wochen. Damit ist nach der Verbindung der Berufungen das Rechtsmittel nach § 143 SGG insgesamt zulässig.
In der Sache konnte jedoch die Berufung keinen Erfolg haben. Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage gegen die Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 7. Mai 1963, 29. Juli 1963 und 9. Mai 1964 sowie 13. Dezember 1965, 16. Februar 1967 und 25. August 1967 abgewiesen. Mit Recht ist es davon ausgegangen, daß Rechtsgrundlage für die festgestellten Regresse und Honorarkürzungen die §§ 368 e, 368 g, 368 n Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 RVO sowie die Bestimmungen des Ersatzkassenvertrages vom 1. Januar 1950, insbesondere die §§ 15 und 16 Abs. 5, sowie § 16 des Ersatzkassenvertrages vom 1. Oktober 1963 bilden. Der Ersatzkassenvertrag ist ein öffentlich – rechtlicher Vertrag (vgl. Hess-Venter § 368 n Anm. II/3), der Ausfluss der in § 368 n niedergelegten Ermächtigung ist, wonach die Kassenärztlichen Vereinigung mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde weitere Aufgaben der ärztlichen Versorgung, insbesondere für Ersatzkassen, übernehmen können. Die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben, hier die medizinische Betreuung der Mitglieder der Ersatzkassen durch die beteiligten Ärzte, auf der einen Seite zwingt auf der anderen Seite im Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Ersatzkassen zu einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise, wie sie § 368 e RVO zwingend vorschreibt. Daraus folgt wiederum, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen nach näherer Bestimmung ihrer Satzung Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zu errichten haben (vgl. § 368 n Abs. 4 RVO). Diese Prüfungsinstanzen haben die Einhaltung einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise, wie sie im Gesetz und näher im Ersatzkassenvertrag niedergelegt worden ist, zu überwachen.
Hinsichtlich der Rechtswirksamkeit des Ersatzkassenvertrages hat das Sozialgericht mit Recht verneint, daß das Vertragswerk vom 1.1.1950 und das spätere vom 1. Oktober 1963 sitten- oder grundgesetzwidrig seien. Insoweit konnte der Senat den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nur beitreten. Die Richtigkeit seiner Rechtsansicht wird im übrigen dadurch unterstrichen, daß das Bundessozialgericht in zahlreichen Fällen (vgl. BSG 17 S. 89 bis S. 97 und BSG 23 S. 106 ff.) Gelegenheit hatte, sich mit dem Ersatzkassenvertrag zu befassen. Es hatte keine Veranlassung, diesen Vertrag als gegen die guten Sitten oder gegen das Grundgesetz verstoßend anzusehen. Demzufolge bestehen auch keine Bedenken, wenn der Ersatzkassenvertrag Bestimmungen über Regresse enthält. Solche waren von jeder rechtens und sind es geblieben, weil anders eine ordnungsgemäße Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise nicht möglich wäre. Der abweichenden Ansicht von Schieckel (Sozialgerichtsbarkeit 1965 S. 2 ff.) vermochte der Senat nicht zu folgen, weil sie verkennt, daß eine ausreichende Rechtsgrundlage für Regresse im Ersatzkassenvertrag enthalten ist, nämlich die Bestimmungen der §§ 14/15 des Vertrages vom 1. Januar 1950 und des § 16 des Vertrages vom 1. Oktober 1963.
Der Einwand, daß dem Kläger das rechtliche Gehör verweigert worden sei, greift nicht durch, weil er sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren stets Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt vorzutragen, was auch durch Einreichung einer ausführlichen Klagebegründung und entsprechender Erwiderung geschehen ist. Soweit die Berufung mir diesem Einwand meinen sollte, daß das Sozialgericht seine Aufklärungspflicht verletzt habe, konnte der Senat dieser Einlassung ebenfalls nicht beitreten.
Insoweit ist die Auffassung des Klägers, daß seine Behandlungs- und Verordnungsweise den Regeln der ärztlichen Kunst entspreche, für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht relevant. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies der Fall ist, weshalb eine Anhörung des vom Kläger als Sachverständigen benannten Röntgenologen Dr. C. und des Facharztes für Laboratoriumsdiagnostik Dr. G., die im übrigen in dem Verwaltungsverfahren B. und (Bl. 131, 132) ausführlich Stellung genommen haben sowie eine Anhörung der Professoren Dr. S., Dr. H. und Dr. K. und des Röntgenologen Dr. E. weder in der ersten noch in der zweiten Instanz erforderlich war. Selbst wenn man unterstellt, daß die in den streitigen Quartalen betriebene Therapie des Klägers vom ärztlichen Standpunkt aus gerechtfertigt ist, wenngleich sie auch von ihm selbst im Schriftsatz vom 17. Juli 1963 als ungewöhnlich bezeichnet worden ist und obwohl die im Verwaltungsverfahren gehörten Prüfärzte hiergegen begründete Bedenken erhoben haben, ist damit nicht gesagt, daß eine solche ausgesprochen aufwendige Behandlungs- und Verordnungsweise als wirtschaftlich im Bereich des Ersatzkassenvertrages angesehen werden kann.
Daran kommt es aber bei Regreßforderungen und Honorarkürzungen von Ersatzkassenärzten allein entscheidend an.
Einen Verstoß insoweit hat das Sozialgericht zutreffend in der außerordentlich hohen Überschreitung des Arzneimittelkostendurchschnittes und des Honorarkostendurchschnittes erblickt, wobei es zutreffend nur von der Fachgruppe der Dermatologen ausgegangen ist. Seine Feststellung gründet sich in der Streitsache 863/66 auf 5 und in den weiteren Streitsachen auf insgesamt 11 Quartale, zu denen noch zusätzlich 2 Quartale bezüglich der Honorarkürzung treten. Ein Zeitraum von 4 Jahren gestattet einen umfassenden Überblick über die Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers. Da die Fallkosten in jedem Quartal in augenfälligem Mißverhältnis zum Fallkostendurchschnitt seiner Fachgruppe standen, hätte es bei der großen Zahl der vom Kläger behandelten Patienten einer Einzelfallprüfung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 17/80 und 96) nicht bedurft. Wenn die Prüfungsinstanzen trotzdem in zahlreichen Fällen eine Einzelprüfung vorgenommen haben, so konnten sie sich hierdurch ein sicheres Bild von der Unwirtschaftlichkeit der Behandlung- und Verordnungsweise des Klägers machen, zumal sie jeweils besondere Prüfärzte eingeschaltet hatten, wie z.B. den Facharzt für Hautkrankheiten Dr. B., Dr. Ho., den Chefarzt der Hautklinik der Städtischen Krankenanstalten W., Prof. Dr. G. und den Facharzt für Hautkrankheiten Dr. D. Prof. Dr. G. hat als völlig neutraler Gutachter 25 Einzelfälle des Klägers überprüft und hierbei zahlreiche Beanstandungen erhoben. Er kam zu dem Schluß, daß sich ein unvoreingenommener Gutachter an der Tatsache stoßen müssen, das der Kläger eine Kausaltherapie bei Krankheiten betriebe, deren Ursache völlig im Dunkeln liege. Der ebenfalls neutrale Prüfarzt Dr. D. gelangte zu ähnlichen Feststellungen. Ihm fiel vor allem die Verordnung sehr teurer Medikamente auf, die nicht in jedem Fall notwendig war und durch billigere Heilmittel hätte ersetzt werden können.
Die im Beschwerdeausschuß mitwirkenden sachverständigen Hautärzte Dr. L. und Dr. J. haben sich in vollem Umfang der Ansicht des Dr. D. und des Prof. Dr. G. angeschlossen. Die Beanstandungen wurden im einzelnen ausführlich in den angefochtenen Verwaltungsakten besprochen Bedenken gegen die dort niedergelegten Feststellungen sind vom Sozialgericht nicht erhoben worden. Nach Lage der Dinge können sie es auch nicht, zumal sowohl im Sozialgerichtsverfahren als auch im Berufungsverfahren ärztliche Beisitzer, vor allem Fachärzte für Hautkrankheiten mitgewirkt haben.
Bei diesem Sachverhalt, der durch zahlreiche Einzelfallprüfung erhärtet worden ist, steht angesichts des augenfälligen Mitverhältnisses zum Fallkostendurchschnitt zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger gegen die Bestimmungen des Ersatzkassenvertrages, insbesondere auch gegen die Anlage 3 a, betreffend die wirtschaftliche Arzneiverordnung in der Krankenversicherung, durch seine Behandlungs- und Verordnungsweise verstoßen hat.
Wie das Sozialgericht hält der Senat die Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers auch für schuldhaft im Sinne von grober Fahrlässigkeit. In einem solchen Fall kann nach § 16 Abs. 5 des Ersatzkassenvertrages vom 1. Januar 1950 auch bei erstmaligem Verstoß eine Schadensersatzverpflichtung festgestellt werden, ohne daß Verwarnungen oder frühere Verstöße vorgelegen haben müssen. Eine andere Auslegung läßt die an sich klare Bestimmung des § 16 Abs. 5 Ersatzkassenvertrag nicht zu. Die grobe Fahrlässigkeit ergibt sich hier aus der überaus hohen Überschreitung des Fallkostendurchschnittes von 600 % im IV. Quartal 1961, von 228 % im I. Quartal 1962, von 190 % im II. Quartal 1962, von 130 % im III. Quartal 1962 und von 100 % im I. Quartal 1963. Bei den Röntgenleistungen und den Leistungen für EKG und Labor liegen die Überschreitungen noch wesentlich höher, wie Prüfungsinstanzen und das Sozialgericht zutreffend festgestellt haben. Es kommt hinzu, daß dem Kläger die Bestimmungen des Ersatzkassenvertrages auf Grund einer früheren Regreßforderung aus dem Jahre 1953 geläufig waren und er sich auch in W. erneut gemäß § 2 des Ersatzkassenvertrages schriftlich zur Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Vorschriften zur Einhaltung einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise verpflichtet hatte. Hierzu gehört auch die Einhaltung der Anlage 3 a des Ersatzkassenvertrages, die nähere Anweisungen für eine wirtschaftliche Arzneimittelverordnung in der Krankenversicherung enthält und die der Kläger nicht in der Weise, wie er es tun zu können glaubt, für sich auslegen kann. Im übrigen war ihm schon eine Beanstandung der Verordnungsweise für das III. Quartal 1961 im März 1962 zugegangen. Bei diesem Sachverhalt ist die Annahme eines grobfahrlässigen Verhaltens weder ermessenswidrig noch rechtswidrig, sondern durch die geschilderten Umstände vollauf berechtigt.
Für die Zeit nach dem IV. Quartal 1962 ist das Verschulden des Klägers noch eindeutiger, weil nunmehr die Beklagte sich darauf berufen kann, daß wiederholte Verstöße vorliegen und es damit des Nachweises seiner grobfahrlässigen Verhaltensweise nicht mehr bedarf.
Eine unwirtschaftliche Verordnungsweise des Klägers kann nicht damit entschuldigt werden, daß er außergewöhnliche Heilerfolge aufzuweisen habe. Den Beweis, dadurch Ersparnisse für die beigeladenen Ersatzkassen erzielt zu haben, konnte er nicht führen, wie sich aus dem Schriftsatz vom 8. April 1964 ergibt. Auch der Senat vermag solche Ersparnisse auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht zu erkennen. Da im übrigen auch andere Hautärzte in schwierigen Fällen mit anderen Methoden Heilerfolge haben, ist nach Auffassung des Senates ein solcher Nachweis überhaupt nicht zu führen, zumal es an einer repräsentativen Statistik über besondere Heilerfolge der einzelnen Hautärzte fehlt.
Die vom Kläger in dem erwähnten Schriftsatz genannten 10 Fällen vermögen angesichts der in den streitigen Quartalen behandelten Fällen schon der Zahl nach nicht auszureichen, um eine verbindliche Aussage insoweit zu machen. Davon abgesehen wurden einzelne Patienten in diesen Quartalen gar nicht behandelt, worauf die Beklagte mit Recht hingewiesen hat. Schließlich ist die in dem Schriftsatz genannte Patienten V. H. geb. S. als außerordentlicher Heilerfolg bezeichnet worden, der aber in Frage steht, weil nachgewiesenermaßen dieselbe Patientin vom 30. April 1965 bis 25. Februar 1966 zwanzig mal wegen der früheren Krankheit Psoriasis erneut behandelt worden ist (vgl. B. und B. B. 117). Abgesehen hiervon hat die Beklagte einwandfrei in dem erwähnten Verwaltungsverfahren nachgewiesen, daß mindestens 13 der als geheilt angegebenen Patienten noch in Behandlung gestanden haben. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, daß die Patienten später wegen anderer Hautkrankheiten behandelt worden seien. Maßgebend für die Tätigkeit der Prüfungsinstanzen sind allein die Kranken- und Abrechnungsscheine und die in diesen Urkunden eingetragenen Diagnosen. Es bedarf keiner Frage, daß diese Urkunden sorgfältig und richtig ausgestellt sein müssen, wie das auch der Ersatzkassenvertrag in § 10 zwingend vorschreibt. Danach trägt der Arzt für die Richtigkeit der liquidierten Leistungen die volle Verantwortung. Daraus folgt, daß nur die in den Abrechnungsunterlagen angegebenen Diagnosen der Prüfung zugrunde gelegt werden können und daß es unzulässig ist, im Verlauf des Verfahrens anderweitige Diagnosen nachzuschieben.
Die vom Kläger schließlich im Schriftsatz vom 13. Oktober 1969 genannten 9 Fällen für besondere Heilerfolge sind ebenfalls nicht zu verwerten, weil 5 davon gar nicht in den hier streitigen Quartalen behandelt worden sind, wie sich aus den mitgeteilten Behandlungsdaten ergibt. Teilweise sind aber Behandlungsdaten überhaupt nicht genannt worden, so daß hieraus auch keine Schlüsse auf besondere Heilerfolge gezogen werden können. Davon abgesehen, würden auch 9 Fälle angesichts des gesamten behandelten Krankengutes nicht ausreichen, um einen besonderen Heilerfolg nachzuweisen, zumal andere Hautärzte in Sonderfällen ebenfalls Heilerfolge haben, ohne daß ihre Arzneimittelkosten den Falldurchschnitt überschreiten. Damit sind die von dem Kläger angebotenen beweise für eine Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs- und Verordnungsweise nicht als erbracht anzusehen. Es kommt hinzu, daß die im Verwaltungsverfahren eingeschalteten Prüfärzte, insbesondere auch Prof. Dr. G., keine Besonderheiten der Praxis des Klägers festgestellt haben. Das von ihm behandelnde Krankengut unterscheidet sich nicht von demjenigen anderer Hautärzte. Es mag zutreffen, daß der Kläger durch seine wissenschaftliche Tätigkeit bekannter ist als das Gros der hessischen Hautärzte. Daraus lassen sich jedoch keine Schlüsse auf die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs- und Verordnungsweise ziehen.
Bemerkenswert ist ferner, daß in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat festgestellt wurde, daß bis auf ein Quartal, in dem ein Vergleich erzielt wurde, keine Beanstandungen mehr seitens der beteiligten Ersatzkassen seit 1966 erhoben worden sind. Daraus ist zu folgern, daß die Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers auch mit geringerem Aufwand zu Lasten der beteiligten Ersatzkassen durchgeführt werden kann und daß die früher erhobenen Beanstandungen berechtigt gewesen sind.
Im übrigen hat der Kläger in der Berufungsbegründung vom 28. September 1966 selbst zugegeben, daß bei zahlreichen Hautkrankheiten die Ursache unbekannt sei und er nicht alle Krankheiten mit seiner Methode heilen könne. Wenn dem aber so ist, kann eine aufwendige Behandlungsmethode nicht zu Lasten der beteiligten Ersatzkassen gehen, wenn andere Hautärzte mit ihren Methoden ebenfalls, was nicht geleugnet werden kann, Heilerfolge erzielen. Damit soll keineswegs verkannt werden, daß die ärztliche Wissenschaft mit dem Fortschritt gehen muß und sich neuen Behandlungsmethoden nicht verschließen darf. Das kann aber erst zu Lasten der Kassen gehen, wenn die neuen Behandlungsmethoden allgemein anerkannt sind. Solange das nicht der Fall ist, kann die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise eines Ersatzkassenarztes nur nach dem Fallkostendurchschnitt seiner Fachgruppe festgestellt werden, wie das auch zutreffend von den Prüfinstanzen und dem Sozialgericht festgestellt worden ist.
Hinsichtlich der Überschreitung der Honorarforderungen für zwei Quartale gilt sinngemäß das gleiche, was zu den Regreßverpflichtungen ausgeführt worden ist. Auch hier hat deshalb das Sozialgericht zu Recht wegen der besonderen Höhe der Überschreitung im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt die vorgenommenen Kürzungen bestätigt.
Damit erwies sich die Berufung insgesamt als unbegründet und war mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
I.
L 7 Ka-863/66
Der Kläger ist Facharzt für Hautkrankheiten in W ... Er ist sowohl zur RVO – Kassenpraxis zugelassen als auch an der Ersatzkassenpraxis seit dem III. Quartal 1961 beteiligt.
Der Ortsausschuss W. des beigeladenen Verbandes der Angestellten – Krankenkassen beantragte am 12. Juni 1962 eine Überprüfung der Verordnungsweise des Klägers für das IV. Quartal 1961. Der Prüfungsausschuss der Beklagten setzte mit Bescheid vom 6. November 1962 wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise einen Schadensersatz in Höhe von 1.207,87 DM gegen den Kläger fest. Zur Begründung führte er aus, dass die Verordnungen des Klägers sich pro Fall auf 53,25 DM beliefen, während der Gruppendurchschnitt der W. Hautärzte nur bei 7,21 DM liege. In dem Bescheid wurde ein grobfahrlässiges Verhalten des Klägers angenommen, das nach dem damals gültigen Ersatzkassenvertrag (EKV) eine Schadensersatzpflicht nach sich ziehe. In gleicher Weise habe der Kläger schon im Jahre 1953 als Hautarzt in B. gegen den Ersatzkassenvertrag verstoßen, so dass seinerzeit ein Schadensersatz von 2.091,18 DM gegen ihn habe festgesetzt werden müssen.
Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 22. Februar 1963 wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen.
Mit Urteil vom 27. November 1963 hob das Sozialgericht Frankfurt/M. (S – 5/Ka 18/63) den Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 22. Februar 1963 auf, weil de Rechtsmittelbelehrung im Widerspruch zu § 84 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestanden habe.
Mit erneutem Beschluss vom 9. Mai 1964 wies der Beschwerdeausschuss der Beklagten die Beschwerde wiederum zurück. Zur Begründung führte er aus, dass im IV. Quartal 1961 die Arzneikosten des Klägers mit 600 v.H. über dem Gruppendurchschnitt der W. Hautärzte gelegen hätten.
Gegen den am 29. Juni 1964 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht Klage am 18. Juli 1964 vor dem Sozialgericht in Frankfurt/M. erhoben (Az.: S – 5/Ka – 20/64). Mit Bescheid des Prüfungsausschusses der Beklagten bei der Bezirksstelle in W. vom 15. Januar und 4. Februar 1963 sind auf Antrag des Ortsausschusses W. des Beigeladenen weitere Schadensersatzforderungen für das I. und II. Quartal 1962 festgestellt worden. Aus den Gründen der Bescheide ergibt sich, dass die Verordnungskosten für Arzneien, EKG, Labor und Röntgen im I. Quartal 1962 bei dem Kläger je Fall 41,90 DM gegenüber 10,79 DM des Gruppendurchschnitts betrugen. Demzufolge wurde eine grobfahrlässige Verordnungsweise angenommen und ein Regress von 2.147,20 DM festgesetzt. Der Bescheid vom 4. Februar 1963 stellte einen Schadensersatzanspruch für das II. Quartal 1962 von 1.919,– DM fest, wobei er sich darauf stützte, dass die Verordnungskosten des Klägers bei 39,68 DM je Fall gegenüber 10,79 DM des Gruppendurchschnitts gelegen hätten. Im übrigen nahm der Bescheid auf den früheren vom 15. Januar 1963 Bezug.
Mit Beschluss vom 7. Mai 1963 bestätigte der Beschwerdeausschuss der Beklagten die ergangenen Verwaltungsakte und hob lediglich die Schadensersatzpflicht von 1,– DM je Fall für EKG- und Laborleistungen in I/62 und von 2,50 DM je Fall für EKG- und Laborleistungen in II/62 auf.
Gegen den am 20. Juni 1963 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht am 18. Juli 1963 Klage vor dem Sozialgericht in Wiesbaden erhoben, die zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Frankfurt/M. verwiesen wurde (Az.: S – 5/Ka – 29/63).
Für das III. Quartal 1962 beantragte der Ortsausschuss W. des Beigeladenen am 5. März 1963 eine Überprüfung der Verordnungsweise. Mit Bescheid vom 29. April 1963 wurde der Schadensersatz auf 1.083,– DM festgesetzt. Auch hier wurde der Regress damit begründet, dass die Verordnungskosten des Klägers bei 29,51 DM je Fall gegenüber 10,44 DM im Gruppendurchschnitt lägen. Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde durch Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 29. Juli 1963 zurückgewiesen. Gegen den am 5. September 1963 zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger fristgerecht am 27. September 1963 Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt/M. erhoben (Az.: S – 5/Ka – 40/63).
Einen weiteren Regress setzte der Prüfungsausschuss der Beklagten mit Bescheid vom 14. Oktober 1963 in Höhe von 470,– DM für das I. Quartal 1963 fest, weil die Gruppendurchschnittswerte in diesem Quartal mit rund 100 v.H. überschritten worden seien. Die Verordnungen des Klägers beliefen sich pro Fall auf 20,79 DM gegenüber 10,08 DM in Gruppendurchschnitt. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 9. Mai 1964 zurück. Gegen den am 29. Juni 1964 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. erhoben (Az.: S – 5/Ka – 20/64).
Das Sozialgericht lud den Verband der Angestellten – Krankenkassen zum Verfahren bei und verband im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Juli 1966 die Klagen S – 5/Ka – 29/63, S – 5/Ka 40/63 und S – 5/Ka 20/64 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Im Termin beantragte der Kläger die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses vom 7. Mai 1963, 29. Juni 1963 und 9. Mai 1964 aufzuheben, hilfsweise weiteren Beweise zu erheben. Demgegenüber hielten die Beklagte und der Beigeladene die ergangenen Verwaltungsakte für rechtens.
Mit Urteil vom 13. Juli 1966 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, zu Recht habe die Beklagte den Gesamtregress auf 6.786,87 DM festgesetzt. Der Begriff der Wirtschaftlichkeit sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliege. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG– bedürfte es keiner Nachprüfung im Einzelfall, wenn die Verordnungsweise in auffälligem Missverhältnis zu den Durchschnittswerten vergleichbarer Ärztegruppen stehe. Nach § 16 Ziffer 5 des Ersatzkassenvertrages vom 12. Mai 1950 könne bei einem erstmaligen Verstoß ein Schadensersatz festgestellt werden, wenn ein grobfahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden könne. Der Kläger sei mit Schreiben vom 13. März 1962 auf seine unwirtschaftliche Verordnungsweise im III. Quartal 1961 hingewiesen worden. Auch durch ein vorangegangenes Verfahren im Jahre 1953, das mit einem Regreß geendet habe, sei er über die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Bilde gewesen. Die Bestimmung des § 16 EKV sei weder sitten- noch grundgesetzwidrig. Eine Einzelfallprüfung sei nicht notwendig gewesen, weil eine erhebliche Überschreitung der Durchschnittswerte vorgelegen habe. Mit seinen Arzneikosten für EKG, Labor, Röntgen und Heilmittel liege er weit über dem Durchschnitt anderer Dermatologen. Seine Behandlungsweise unterscheide sich erheblich von dem anderer Fachkollegen. Die Überprüfung habe ergeben, daß der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nicht eingehalten worden sei, ohne daß es hierzu einer weiteren Beweiserhebung bedürfte. Die Prüfungsausschüsse hätten nicht den vollen Betrag als Regreß verlangt, sondern noch Beträge zugestanden, die erheblich über dem Gruppenfallwert der Fachgruppe lägen, so daß etwaige Verschiedenheiten der Praxis ausreichend ausgeglichen worden seien. Die Verordnung des Klägers müsse auch als grob- fahrlässig angesehen werden. Demzufolge seien die angefochtenen Verwaltungsakte nicht zu bestanden.
Gegen das dem Kläger am 2. August 1966 zugestellte Urteil hat er fristgerecht am 27. August 1966 Berufung vor dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er beantragt, die angefochtenen Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 13. Juli 1966 aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 6.486,57 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.677,87 DM seit dem 29. Juli 1964, aus 1.083,– DM seit dem 29. Juli 1963 und aus 3.725,70 DM seit dem 7. Mai 1963 zu verurteilen.
Der Kläger bestreitet eine Unwirtschaftlichkeit seiner Verordnungsweise. Insoweit sei ihm nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Er habe für die Richtigkeit seiner Behandlungs- und Verordnungsweise auch Beweis angetreten, den das Gericht nicht erhoben habe. Es habe damit seine Aufklärungspflicht verletzt. Durch seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen sei er als Hautarzt weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus bekannt. Seine Verordnungen hielten sich auch im Rahmen der wissenschaftlichen Lehre. Zahlreiche Patienten seien von ihm in kürzester Zeit geheilt worden. Funktionsstörungen im Bereich des Schädels seien häufig die Ursachen von Hauterkrankungen. Deshalb seien auch die verordneten Röntgenuntersuchungen notwendig und wirtschaftlich gewesen. Mit Schriftsatz vom 8. April 1964 habe er anhand von zehn Fällen dargelegt, daß seine Verordnungsweise schnell zum Erfolg führe. Die schnellere Heilung rechtfertige die höheren Kosten der Verordnungen. Ein grob – fahrlässiges Verhalten könne ihm deshalb nicht zur Last gelegt werden.
Die Beklagte und der Beigeladene haben beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie führen aus, daß der Kläger schon mit Schreiben vom 13. März 1962 gewarnt worden sei, er habe seine Verordnungsweise den Grundsätzen der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit anzupassen. Die hohe Überschreitung der Gruppendurchschnittszahlen rechtfertige die Annahme einer grob–fahrlässigen Verordnungsweise. Die von dem Kläger erwähnten zehn Fälle seien zum Teil nicht verwertbar, weil eine Behandlung in den hier streitigen Quartalen gar nicht stattgefunden habe. Es blieben somit nur acht Fälle übrig, die keine verbindliche Aussage zuließen.
II.
L 7/Ka-969/69, 970/69, 971/69
Auf Antrag des Verbandes der Angestellten – Krankenkassen-Ortsausschuß W. – unterzog der Prüfungsausschuß der Beklagten die Abrechnung des Klägers für II/63 einer Prüfung. Pro Fall ergab sich ein Verordnungsdurchschnitt für den Kläger von 23,80 DM gegenüber einem Gruppendurchschnitt von 9,54 DM. Im Hinblick hierauf wurde eine Schadensersatzpflicht von 1.112,– DM mit Bescheid vom 27. Januar 1964 festgestellt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, daß die Überschreitung des Gruppendurchschnittes bei 150 v.H. liege. Der Kläger sei seiner Verpflichtung, die Abrechnung nach den Bestimmungen des Ersatzkassenvertrages vorzunehmen, nicht nachgekommen.
Für das Quartal III/63 ergab die Prüfung bei dem Kläger einen Verordnungsdurchschnitt von 28,70 DM gegenüber einem Gruppendurchschnitt von 10,08 DM. Der Prüfungsausschuß setzte deshalb mit Bescheid vom 7. April 1964 einen Schadensersatz von 1.312,– DM fest. Zur Begründung führte er aus, daß die Überschreitung des Arzneikostendurchschnittes bei 138 v.H. liege. Verschiedene Mittel würden zumeist in Form von Injektionen gegeben, dazu würden in zahlreichen Fällen Fortecillin oder ein anderes Antibiotikum und in fast allen Fällen Redoxon gegeben. Von einer wirtschaftlichen Verordnungsweise könne hierbei keine Rede sein.
Für IV/63 setzte der Prüfungsausschuß mit Bescheid vom 29. Juni 1964 einen Schadensersatz von 1.720,– DM fest. Er führte aus, daß in diesem Quartal die Verordnung des Klägers bei 26,83 DM pro Fall gegen 10,08 DM in Gruppendurchschnitt gelegen habe. Die Behandlungs- und Verordnungsweise halte sich nicht im Rahmen des § 368 e der Reichsversicherungsordnung (RVO), wie schon mehrfach festgestellt worden sei.
Gegen die ergangenen Verwaltungsakte hat der Kläger fristgerecht Beschwerde beim Beschwerdeausschuß der Beklagten erhoben. Im Termin vom 30. Oktober 1964 hatte er Gelegenheit, seinen Standpunkt eingehend darzulegen. Darüber hinaus hörte der Beschwerdeausschuß als Sachverständigen Prof. Dr. G., Chefarzt der Hauptklinik der Krankenanstalt W ... Der Sachverständige nahm zu einzelnen Fällen Stellung und bemerkte abschließend, daß bei Hautkrankheiten, deren Genese unklar sei, eine Kausaltherapie unverständlich erscheine.
Weiterhin hat die Beklagte die Honorarforderung des Klägers durch Bescheid des Prüfungsausschusses vom 26. Mai 1964 für IV/63 um 430,– DM und durch Bescheid vom 29. Dezember 1964 für II/64 um 560,– DM gekürzt, weil die Behandlungsweise des Klägers Anlaß zu Beanstandungen gebe.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 1964 setzte der Prüfungsausschluß für I/64 einen Regreß von 1.660,– DM fest. Er führte aus, daß die Arzneikosten des Klägers mit 19,25 DM je Fall ganz erheblich über dem Fachgruppendurchschnitt von 9,91 DM gelegen hätten. Im übrigen sei dem Kläger, entgegen seiner Behauptung, in jeder Sitzung das rechtliche Gehör gewährt worden.
Für II/64 setzte der Prüfungsausschluß mit Bescheid vom 21. Januar 1965 einen Schadensersatz von 1.830,– DM fest. Die Arzneikosten des Klägers hätten mit 21,15 DM bei weitem über dem Fachgruppendurchschnitt von 9,91 DM je Fall gelegen. Im übrigen ergebe sich die Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers aber auch aus der Prüfung der Vielzahl von Einzelfällen.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche wies der Beschwerdeausschuß der Beklagten mit Verwaltungsakt vom 13. Dezember 1965 zurück. Er führte in der Begründung aus, daß die Überschreitung der Durchschnittswerte einen Verstoß gegen eine wirtschaftliche Verordnungsweise darstelle. Es könne den Ersatzkassen nicht zugemutet werden, erhöhte Kosten für Außenseitermethoden aufzubringen. Auch die Honorarkürzungen seien berechtigt, weil der Kläger den Gruppendurchschnitt im Quartal IV/63 mit 116 v.H. und im Quartal II/64 mit 90 v.H. überschritten habe.
Gegen den am 15. Dezember 1965 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht bereits am 9. Dezember 1965 Klage vor dem Sozialgericht in Wiesbaden erhoben, die zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Frankfurt/M. verwiesen worden ist. Sie war dort unter dem Az.: S 5/Ka – 2/66 anhängig.
Für die Quartale III/64 bis I/65 erließ der Prüfungsausschuß der Beklagten folgende Bescheide:
1) am 12.4.1965
– Arznei- und Nebenkostenregreß III/64 in Höhe von DM 1.539,–
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
128,25 % bei den Arzneikosten und 537,31 % bei den Nebenkosten.
2) am 16.7.1965
– Arznei- und Nebenkostenregreß IV/64 in Höhe von DM 1.720,–
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
156,71 % bei den Arzneikosten und 830,49 % bei den Nebenkosten.
3) am 19.10.1965 – Arznei- und Nebenkostenregreß I/65 in Höhe von DM 1.521,50
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
101,36 % bei den Arzneikosten und 421,23 % bei den Nebenkosten.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche wurden im Widerspruchsverfahren durch den Facharzt für Hautkrankheiten Dr. D. überprüft. Er äußerte sich abschließend dahingehend, daß sowohl die Behandlungsweise als auch die Verordnungsweise nicht den üblichen ärztlichen Regeln entspräche. Im übrigen stehe ein Teil der Patienten, die geheilt sein sollten, noch weiter in Behandlung. Der Kläger hatte Gelegenheit, bei der Verhandlung des Beschwerdeausschusses am 14. Dezember 1966 seinen Standpunkt vorzutragen. Er wurde dabei durch seinen Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt W. unterstützt.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 1966 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Verordnungsweise des Klägers pro Fall erheblich über dem Durchschnitt der W. Hautärzte liege. Einige der als geheilt bezeichneten Patienten stünden außerdem noch in Behandlung, wie die dem Bescheid beigefügte Aufstellung beweise. Die Verordnungen über Röntgenuntersuchungen des Klägers lägen erheblich über dem Durchschnitt und könnten auch nicht als wirtschaftlich angesehen werden. Das gleiche gelte für Laboruntersuchungen. Im übrigen sei der Beschwerdeausschuß der Auffassung, daß sich die Praxis des Klägers nicht wesentlich von anderen Praxen unterscheide. Die Hormon- und Vitamintherapie des Klägers sei ebenfalls nicht in dem Maße, wie sie verordnet werde, berechtigt. Unwirtschaftlich sei außerdem der Ansatz von Implacen sowie anderer Arzneimittel. Zum Schluß des Beschwerdebescheides wurde der Kläger angehalten, seine Verordnungsweise den Grundsätzen der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit anzupassen, anderenfalls seien disziplinäre Maßnahmen gegen ihn erforderlich.
Gegen den am 18. Februar 1967 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 27. Februar 1967 Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt/M. erhoben, die unter dem Az.: S 5/Ka – 13/67 anhängig war.
Für die Quartale II/65 bis IV/65 setzte der Prüfungsausschuß der Beklagten folgende Schadensersatzforderungen fest:
1) am 31.1.1966
– Arznei- und Nebenkostenregreß II/65 in Höhe von DM 1.946,–
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
118,08 % bei den Arzneikosten und 320,35 % bei den Nebenkosten.
2) am 12.7.1966
– Arznei- und Nebenkostenregreß III/65 in Höhe von DM 2.248,50
wegen Überschreitung des Durchschnitts von
142,44 % bei den Arzneikosten und 333,35 % bei den Nebenkosten.
3) am 12.7.1966
– Arznei- und Nebenkostenregreß IV/65 in Höhe von DM 1.781,50 wegen Überschreitung des Durchschnitts von
123,12 % bei den Arzneikosten und 261,53 % bei den Nebenkosten.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche wurden mit Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 19. April 1967 zurückgewiesen. Die Regreßpflicht wurde damit begründet, daß ein offensichtliches Mißverhältnis der Verordnungen des Klägers zu dem Durchschnitt seiner Berufskollegen vorliege. Dies rechtfertige die festgesetzten Regreßforderungen. Der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 14. November 1966 betreffend eine Regreßforderung für das I. Quartal 1966 sei allerdings aufzuheben gewesen, weil die Antragsfrist des § 16 Ziffer 3 nicht gewahrt sei. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme insoweit nicht in Betracht.
Gegen den am 28. August 1967 zugestellten Bescheid hat der Kläger fristgerecht am 26. September 1967 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. erhoben, die unter dem Az.: S 5/Ka – 32/67 anhängig wurde.
Das Sozialgericht hat den Verband der Angestellten – Krankenkassen zur Verfahren beigeladen und die Verfahren S 5/Ka – 2/66, S 5/Ka – 32/67 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger Aufhebung der ergangenen Verwaltungsakte beantragt, außerdem Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 990,– DM und Auferlegung der Kosten des Verfahren.
Mit Urteil vom 13. August 1969 hat das Sozialgericht Frankfurt/M. die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen führte es aus, daß die Überschreitung der Durchschnittssätze die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers ergebe. Durch Besonderheiten der Praxis sei der Mehraufwand des Klägers nicht zu rechtfertigen. Die Praxis des Klägers zeichne sich nur durch eine Besonderheit in der Behandlungs- und Verordnungsweise aus. Der Kläger wähle bewußt kostspielige und aufwendige Heilmittel aus. Seine Praxisführung sei deshalb mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit nicht in Einklang zu bringen. Der Kläger könne auch der Schulmedizin keinen unbefriedigenden Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bescheinigen. Die Beiziehung eines Sachverständigengutachtens sei unter Würdigung der gesamten Verhältnisse nicht erforderlich. Demzufolge seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
Gegen das am 23. August 1969 zugestellte Urteil hat der Kläger fristgerecht am 15. September 1969 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung der Berufung trägt er vor, daß er zahlreiche Patienten behandelt habe, die anderweitig keinen Heilungserfolg zu verzeichnen gehabt hätten. Dies gelte vor allem für die Heilung von chronischen Ekzemkrankheiten. In diesem Zusammenhang nimmt der Kläger Bezug auf neun schwierige Fälle, in denen er eine Heilung in verhältnismäßig kurzer Zeit erzielt habe. Durch die schnelle Heilung habe er den Ersatzkassen Kosten erspart. Es sei unverständlich, daß das Gericht erster Instanz ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen entschieden habe. Er beantrage deshalb, Prof. Dr. K. gutachtlich zur Frage seiner Kausaltherapie zu hören.
Der Kläger beantragt,
Aufhebung des angefochtenen Urteils und der ergangenen Verwaltungsakte und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 990,– DM sowie zur Tragung sämtlicher Kosten des Gerichts- und Verwaltungsverfahrens.
Demgegenüber sind Beklagte und Beigeladener der Auffassung, daß das angefochtene Urteil zutreffend sei. Was die behaupteten besonderen Heilerfolge des Klägers betreffe, so sei im Verwaltungsverfahren schon festgestellt worden, daß fast 50 v.H. der vom Kläger genannten Patienten weiter in Behandlung stünden.
Auf die angefochtenen Urteile, die Schriftsätze der Beteiligten und den Akteninhalt im übrigen wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen des Klägers, die gemäß § 113 SGG zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden worden sind, sind form- und fristgerecht eingelegt worden. Soweit Regreßstreitigkeiten für insgesamt 16 Quartale in Frage stehen, folgt die Zulässigkeit der Berufung aus § 143 SGG. Die Ausnahmevorschrift des § 144 SGG greift nicht ein, weil Regreßforderungen nicht dem Begriff der Leistungen im Sinne dieser Vorschrift untergeordnet werden können. Regresse sind Schadensersatzverpflichtungen. Sie stehen somit im Gegensatz zu den Rechtsansprüchen, die unter den Begriff der Leistungen im Sinne des § 144 SGG fallen.
Soweit die Honorarforderungen für das IV. Quartal 1963 und II. Quartal 1964 in Streit stehen, handelt es sich zwar um wiederkehrende Leistungen im Sinne der Vorschrift des § 144 SGG. Da aber Forderungen für zwei Quartale erhoben wurden, erschöpfen diese sich nicht in einem Zeitraum bis zu 13 Wochen. Damit ist nach der Verbindung der Berufungen das Rechtsmittel nach § 143 SGG insgesamt zulässig.
In der Sache konnte jedoch die Berufung keinen Erfolg haben. Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage gegen die Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 7. Mai 1963, 29. Juli 1963 und 9. Mai 1964 sowie 13. Dezember 1965, 16. Februar 1967 und 25. August 1967 abgewiesen. Mit Recht ist es davon ausgegangen, daß Rechtsgrundlage für die festgestellten Regresse und Honorarkürzungen die §§ 368 e, 368 g, 368 n Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 RVO sowie die Bestimmungen des Ersatzkassenvertrages vom 1. Januar 1950, insbesondere die §§ 15 und 16 Abs. 5, sowie § 16 des Ersatzkassenvertrages vom 1. Oktober 1963 bilden. Der Ersatzkassenvertrag ist ein öffentlich – rechtlicher Vertrag (vgl. Hess-Venter § 368 n Anm. II/3), der Ausfluss der in § 368 n niedergelegten Ermächtigung ist, wonach die Kassenärztlichen Vereinigung mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde weitere Aufgaben der ärztlichen Versorgung, insbesondere für Ersatzkassen, übernehmen können. Die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben, hier die medizinische Betreuung der Mitglieder der Ersatzkassen durch die beteiligten Ärzte, auf der einen Seite zwingt auf der anderen Seite im Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Ersatzkassen zu einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise, wie sie § 368 e RVO zwingend vorschreibt. Daraus folgt wiederum, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen nach näherer Bestimmung ihrer Satzung Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zu errichten haben (vgl. § 368 n Abs. 4 RVO). Diese Prüfungsinstanzen haben die Einhaltung einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise, wie sie im Gesetz und näher im Ersatzkassenvertrag niedergelegt worden ist, zu überwachen.
Hinsichtlich der Rechtswirksamkeit des Ersatzkassenvertrages hat das Sozialgericht mit Recht verneint, daß das Vertragswerk vom 1.1.1950 und das spätere vom 1. Oktober 1963 sitten- oder grundgesetzwidrig seien. Insoweit konnte der Senat den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nur beitreten. Die Richtigkeit seiner Rechtsansicht wird im übrigen dadurch unterstrichen, daß das Bundessozialgericht in zahlreichen Fällen (vgl. BSG 17 S. 89 bis S. 97 und BSG 23 S. 106 ff.) Gelegenheit hatte, sich mit dem Ersatzkassenvertrag zu befassen. Es hatte keine Veranlassung, diesen Vertrag als gegen die guten Sitten oder gegen das Grundgesetz verstoßend anzusehen. Demzufolge bestehen auch keine Bedenken, wenn der Ersatzkassenvertrag Bestimmungen über Regresse enthält. Solche waren von jeder rechtens und sind es geblieben, weil anders eine ordnungsgemäße Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise nicht möglich wäre. Der abweichenden Ansicht von Schieckel (Sozialgerichtsbarkeit 1965 S. 2 ff.) vermochte der Senat nicht zu folgen, weil sie verkennt, daß eine ausreichende Rechtsgrundlage für Regresse im Ersatzkassenvertrag enthalten ist, nämlich die Bestimmungen der §§ 14/15 des Vertrages vom 1. Januar 1950 und des § 16 des Vertrages vom 1. Oktober 1963.
Der Einwand, daß dem Kläger das rechtliche Gehör verweigert worden sei, greift nicht durch, weil er sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren stets Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt vorzutragen, was auch durch Einreichung einer ausführlichen Klagebegründung und entsprechender Erwiderung geschehen ist. Soweit die Berufung mir diesem Einwand meinen sollte, daß das Sozialgericht seine Aufklärungspflicht verletzt habe, konnte der Senat dieser Einlassung ebenfalls nicht beitreten.
Insoweit ist die Auffassung des Klägers, daß seine Behandlungs- und Verordnungsweise den Regeln der ärztlichen Kunst entspreche, für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht relevant. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies der Fall ist, weshalb eine Anhörung des vom Kläger als Sachverständigen benannten Röntgenologen Dr. C. und des Facharztes für Laboratoriumsdiagnostik Dr. G., die im übrigen in dem Verwaltungsverfahren B. und (Bl. 131, 132) ausführlich Stellung genommen haben sowie eine Anhörung der Professoren Dr. S., Dr. H. und Dr. K. und des Röntgenologen Dr. E. weder in der ersten noch in der zweiten Instanz erforderlich war. Selbst wenn man unterstellt, daß die in den streitigen Quartalen betriebene Therapie des Klägers vom ärztlichen Standpunkt aus gerechtfertigt ist, wenngleich sie auch von ihm selbst im Schriftsatz vom 17. Juli 1963 als ungewöhnlich bezeichnet worden ist und obwohl die im Verwaltungsverfahren gehörten Prüfärzte hiergegen begründete Bedenken erhoben haben, ist damit nicht gesagt, daß eine solche ausgesprochen aufwendige Behandlungs- und Verordnungsweise als wirtschaftlich im Bereich des Ersatzkassenvertrages angesehen werden kann.
Daran kommt es aber bei Regreßforderungen und Honorarkürzungen von Ersatzkassenärzten allein entscheidend an.
Einen Verstoß insoweit hat das Sozialgericht zutreffend in der außerordentlich hohen Überschreitung des Arzneimittelkostendurchschnittes und des Honorarkostendurchschnittes erblickt, wobei es zutreffend nur von der Fachgruppe der Dermatologen ausgegangen ist. Seine Feststellung gründet sich in der Streitsache 863/66 auf 5 und in den weiteren Streitsachen auf insgesamt 11 Quartale, zu denen noch zusätzlich 2 Quartale bezüglich der Honorarkürzung treten. Ein Zeitraum von 4 Jahren gestattet einen umfassenden Überblick über die Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers. Da die Fallkosten in jedem Quartal in augenfälligem Mißverhältnis zum Fallkostendurchschnitt seiner Fachgruppe standen, hätte es bei der großen Zahl der vom Kläger behandelten Patienten einer Einzelfallprüfung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 17/80 und 96) nicht bedurft. Wenn die Prüfungsinstanzen trotzdem in zahlreichen Fällen eine Einzelprüfung vorgenommen haben, so konnten sie sich hierdurch ein sicheres Bild von der Unwirtschaftlichkeit der Behandlung- und Verordnungsweise des Klägers machen, zumal sie jeweils besondere Prüfärzte eingeschaltet hatten, wie z.B. den Facharzt für Hautkrankheiten Dr. B., Dr. Ho., den Chefarzt der Hautklinik der Städtischen Krankenanstalten W., Prof. Dr. G. und den Facharzt für Hautkrankheiten Dr. D. Prof. Dr. G. hat als völlig neutraler Gutachter 25 Einzelfälle des Klägers überprüft und hierbei zahlreiche Beanstandungen erhoben. Er kam zu dem Schluß, daß sich ein unvoreingenommener Gutachter an der Tatsache stoßen müssen, das der Kläger eine Kausaltherapie bei Krankheiten betriebe, deren Ursache völlig im Dunkeln liege. Der ebenfalls neutrale Prüfarzt Dr. D. gelangte zu ähnlichen Feststellungen. Ihm fiel vor allem die Verordnung sehr teurer Medikamente auf, die nicht in jedem Fall notwendig war und durch billigere Heilmittel hätte ersetzt werden können.
Die im Beschwerdeausschuß mitwirkenden sachverständigen Hautärzte Dr. L. und Dr. J. haben sich in vollem Umfang der Ansicht des Dr. D. und des Prof. Dr. G. angeschlossen. Die Beanstandungen wurden im einzelnen ausführlich in den angefochtenen Verwaltungsakten besprochen Bedenken gegen die dort niedergelegten Feststellungen sind vom Sozialgericht nicht erhoben worden. Nach Lage der Dinge können sie es auch nicht, zumal sowohl im Sozialgerichtsverfahren als auch im Berufungsverfahren ärztliche Beisitzer, vor allem Fachärzte für Hautkrankheiten mitgewirkt haben.
Bei diesem Sachverhalt, der durch zahlreiche Einzelfallprüfung erhärtet worden ist, steht angesichts des augenfälligen Mitverhältnisses zum Fallkostendurchschnitt zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger gegen die Bestimmungen des Ersatzkassenvertrages, insbesondere auch gegen die Anlage 3 a, betreffend die wirtschaftliche Arzneiverordnung in der Krankenversicherung, durch seine Behandlungs- und Verordnungsweise verstoßen hat.
Wie das Sozialgericht hält der Senat die Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers auch für schuldhaft im Sinne von grober Fahrlässigkeit. In einem solchen Fall kann nach § 16 Abs. 5 des Ersatzkassenvertrages vom 1. Januar 1950 auch bei erstmaligem Verstoß eine Schadensersatzverpflichtung festgestellt werden, ohne daß Verwarnungen oder frühere Verstöße vorgelegen haben müssen. Eine andere Auslegung läßt die an sich klare Bestimmung des § 16 Abs. 5 Ersatzkassenvertrag nicht zu. Die grobe Fahrlässigkeit ergibt sich hier aus der überaus hohen Überschreitung des Fallkostendurchschnittes von 600 % im IV. Quartal 1961, von 228 % im I. Quartal 1962, von 190 % im II. Quartal 1962, von 130 % im III. Quartal 1962 und von 100 % im I. Quartal 1963. Bei den Röntgenleistungen und den Leistungen für EKG und Labor liegen die Überschreitungen noch wesentlich höher, wie Prüfungsinstanzen und das Sozialgericht zutreffend festgestellt haben. Es kommt hinzu, daß dem Kläger die Bestimmungen des Ersatzkassenvertrages auf Grund einer früheren Regreßforderung aus dem Jahre 1953 geläufig waren und er sich auch in W. erneut gemäß § 2 des Ersatzkassenvertrages schriftlich zur Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Vorschriften zur Einhaltung einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise verpflichtet hatte. Hierzu gehört auch die Einhaltung der Anlage 3 a des Ersatzkassenvertrages, die nähere Anweisungen für eine wirtschaftliche Arzneimittelverordnung in der Krankenversicherung enthält und die der Kläger nicht in der Weise, wie er es tun zu können glaubt, für sich auslegen kann. Im übrigen war ihm schon eine Beanstandung der Verordnungsweise für das III. Quartal 1961 im März 1962 zugegangen. Bei diesem Sachverhalt ist die Annahme eines grobfahrlässigen Verhaltens weder ermessenswidrig noch rechtswidrig, sondern durch die geschilderten Umstände vollauf berechtigt.
Für die Zeit nach dem IV. Quartal 1962 ist das Verschulden des Klägers noch eindeutiger, weil nunmehr die Beklagte sich darauf berufen kann, daß wiederholte Verstöße vorliegen und es damit des Nachweises seiner grobfahrlässigen Verhaltensweise nicht mehr bedarf.
Eine unwirtschaftliche Verordnungsweise des Klägers kann nicht damit entschuldigt werden, daß er außergewöhnliche Heilerfolge aufzuweisen habe. Den Beweis, dadurch Ersparnisse für die beigeladenen Ersatzkassen erzielt zu haben, konnte er nicht führen, wie sich aus dem Schriftsatz vom 8. April 1964 ergibt. Auch der Senat vermag solche Ersparnisse auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht zu erkennen. Da im übrigen auch andere Hautärzte in schwierigen Fällen mit anderen Methoden Heilerfolge haben, ist nach Auffassung des Senates ein solcher Nachweis überhaupt nicht zu führen, zumal es an einer repräsentativen Statistik über besondere Heilerfolge der einzelnen Hautärzte fehlt.
Die vom Kläger in dem erwähnten Schriftsatz genannten 10 Fällen vermögen angesichts der in den streitigen Quartalen behandelten Fällen schon der Zahl nach nicht auszureichen, um eine verbindliche Aussage insoweit zu machen. Davon abgesehen wurden einzelne Patienten in diesen Quartalen gar nicht behandelt, worauf die Beklagte mit Recht hingewiesen hat. Schließlich ist die in dem Schriftsatz genannte Patienten V. H. geb. S. als außerordentlicher Heilerfolg bezeichnet worden, der aber in Frage steht, weil nachgewiesenermaßen dieselbe Patientin vom 30. April 1965 bis 25. Februar 1966 zwanzig mal wegen der früheren Krankheit Psoriasis erneut behandelt worden ist (vgl. B. und B. B. 117). Abgesehen hiervon hat die Beklagte einwandfrei in dem erwähnten Verwaltungsverfahren nachgewiesen, daß mindestens 13 der als geheilt angegebenen Patienten noch in Behandlung gestanden haben. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, daß die Patienten später wegen anderer Hautkrankheiten behandelt worden seien. Maßgebend für die Tätigkeit der Prüfungsinstanzen sind allein die Kranken- und Abrechnungsscheine und die in diesen Urkunden eingetragenen Diagnosen. Es bedarf keiner Frage, daß diese Urkunden sorgfältig und richtig ausgestellt sein müssen, wie das auch der Ersatzkassenvertrag in § 10 zwingend vorschreibt. Danach trägt der Arzt für die Richtigkeit der liquidierten Leistungen die volle Verantwortung. Daraus folgt, daß nur die in den Abrechnungsunterlagen angegebenen Diagnosen der Prüfung zugrunde gelegt werden können und daß es unzulässig ist, im Verlauf des Verfahrens anderweitige Diagnosen nachzuschieben.
Die vom Kläger schließlich im Schriftsatz vom 13. Oktober 1969 genannten 9 Fällen für besondere Heilerfolge sind ebenfalls nicht zu verwerten, weil 5 davon gar nicht in den hier streitigen Quartalen behandelt worden sind, wie sich aus den mitgeteilten Behandlungsdaten ergibt. Teilweise sind aber Behandlungsdaten überhaupt nicht genannt worden, so daß hieraus auch keine Schlüsse auf besondere Heilerfolge gezogen werden können. Davon abgesehen, würden auch 9 Fälle angesichts des gesamten behandelten Krankengutes nicht ausreichen, um einen besonderen Heilerfolg nachzuweisen, zumal andere Hautärzte in Sonderfällen ebenfalls Heilerfolge haben, ohne daß ihre Arzneimittelkosten den Falldurchschnitt überschreiten. Damit sind die von dem Kläger angebotenen beweise für eine Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs- und Verordnungsweise nicht als erbracht anzusehen. Es kommt hinzu, daß die im Verwaltungsverfahren eingeschalteten Prüfärzte, insbesondere auch Prof. Dr. G., keine Besonderheiten der Praxis des Klägers festgestellt haben. Das von ihm behandelnde Krankengut unterscheidet sich nicht von demjenigen anderer Hautärzte. Es mag zutreffen, daß der Kläger durch seine wissenschaftliche Tätigkeit bekannter ist als das Gros der hessischen Hautärzte. Daraus lassen sich jedoch keine Schlüsse auf die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs- und Verordnungsweise ziehen.
Bemerkenswert ist ferner, daß in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat festgestellt wurde, daß bis auf ein Quartal, in dem ein Vergleich erzielt wurde, keine Beanstandungen mehr seitens der beteiligten Ersatzkassen seit 1966 erhoben worden sind. Daraus ist zu folgern, daß die Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers auch mit geringerem Aufwand zu Lasten der beteiligten Ersatzkassen durchgeführt werden kann und daß die früher erhobenen Beanstandungen berechtigt gewesen sind.
Im übrigen hat der Kläger in der Berufungsbegründung vom 28. September 1966 selbst zugegeben, daß bei zahlreichen Hautkrankheiten die Ursache unbekannt sei und er nicht alle Krankheiten mit seiner Methode heilen könne. Wenn dem aber so ist, kann eine aufwendige Behandlungsmethode nicht zu Lasten der beteiligten Ersatzkassen gehen, wenn andere Hautärzte mit ihren Methoden ebenfalls, was nicht geleugnet werden kann, Heilerfolge erzielen. Damit soll keineswegs verkannt werden, daß die ärztliche Wissenschaft mit dem Fortschritt gehen muß und sich neuen Behandlungsmethoden nicht verschließen darf. Das kann aber erst zu Lasten der Kassen gehen, wenn die neuen Behandlungsmethoden allgemein anerkannt sind. Solange das nicht der Fall ist, kann die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise eines Ersatzkassenarztes nur nach dem Fallkostendurchschnitt seiner Fachgruppe festgestellt werden, wie das auch zutreffend von den Prüfinstanzen und dem Sozialgericht festgestellt worden ist.
Hinsichtlich der Überschreitung der Honorarforderungen für zwei Quartale gilt sinngemäß das gleiche, was zu den Regreßverpflichtungen ausgeführt worden ist. Auch hier hat deshalb das Sozialgericht zu Recht wegen der besonderen Höhe der Überschreitung im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt die vorgenommenen Kürzungen bestätigt.
Damit erwies sich die Berufung insgesamt als unbegründet und war mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
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