L 2 J 776/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 16 J 2693/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 J 776/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 1994 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen die Bescheide vom 19. Januar und 3. Februar 1995 wird abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die rentensteigernde Berücksichtigung einer Ersatzzeit.

Die 1922 in der ehemaligen UdSSR geborene Klägerin bezog von 1973 bis 1987 Altersrente aus der russischen Rentenversicherung. Daneben war die Klägerin von September 1977 bis März 1978 rentenversicherungspflichtig in der Wäschereiannahme und -ausgabe in einem russischen Kindergarten beschäftigt. Seit April 1987 lebt sie in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist Inhaberin des Vertriebenenausweises A. Die Klägerin besitzt eine Heimkehrerbescheinigung des Versorgungsamtes Frankfurt am Main, nach der sie sich zuletzt in der UdSSR bis zu ihrem Eintreffen im Bundesgebiet seit 4. April 1987 in Gewahrsam befand.

Am 3. September 1987 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 18. Juni 1988 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersruhegeld ab 1. Februar 1987. Bei der Rentenberechnung wurden unter anderem Fremdrentenzeiten bis Februar 1973 berücksichtigt. Nicht berücksichtigt wurden die während des Bezugs der russischen Altersrente zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 1. September 1977 bis 24. März 1978 als Beitragszeiten unter Hinweis auf § 19 Abs. 3 Fremdrentengesetz (FRG).

Im Juli 1991 beantragte die Klägerin die Neuberechnung des Altersruhegeldes. Sie machte geltend, die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 4. April 1987 sei als Ersatzzeit zu berücksichtigen, soweit keine Beitragszeiten anzurechnen seien. Die zu 5/6 angerechneten Zeiten seien hinsichtlich des fehlenden 1/6 mit Ersatzzeiten aufzufüllen. Mit Bescheid vom 4. September 1991 stellte die Beklagte die Rente der Klägerin ab 1. Februar 1987 unter zusätzlicher Berücksichtigung von Ersatzzeiten vom 1. Januar 1956 bis 24. Januar 1987 neu fest. Die Zeit vom 1. September 1977 bis 24. März 1978 hielt die Beklagte für weiterhin nicht berücksichtigungsfähig bei der Berechnung des Altersruhegeldes. Gegen den Neuberechnungsbescheid wandte sich die Klägerin mit Widerspruch, mit dem sie unter anderem die Berücksichtigung der Zeit vom 1. September 1977 bis 24. März 1978 als Ersatzzeit begehrte. Während des Widerspruchsverfahrens berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 9. März 1992 den Beitragszuschuß neu. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 11. November 1992 zurück. Die streitige Zeit sei nicht als Ersatzzeit zu berücksichtigen, da für die gleiche Zeit eine Beitragszeit vorhanden sei. Daß die von der Klägerin zurückgelegte Beitragszeit wegen § 19 Abs. 3 FRG a.F. bei der Berechnung des Altersruhegeldes nicht angerechnet werden dürfe, ändere daran nichts. Nach dieser Vorschrift könnten Beitragszeiten, die während des Bezugs einer dem Altersruhegeld entsprechenden Leistung zurückgelegt seien, nur für die Hinterbliebenenrente zusätzlich angerechnet werden. Die vorhandene vorrangige Beitragszeit verdränge die Ersatzzeit.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 19. November 1992 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie begehrte weiterhin die Anerkennung der Zeit vom 1. September 1977 bis 24. März 1978 als Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO). Für die während des russischen Altersrentenbezuges nicht berücksichtigten Beitragszeiten sei die gleichzeitig zurückgelegte Ersatzzeit anzusetzen. Nach § 28 FRG sei beim Zusammentreffen von Versicherungszeiten nur die für den Berechtigten günstigere zu berücksichtigen. Die Klägerin bezog sich auf ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 1991 – Aktenzeichen: L-12/An-942/91.

Das Sozialgericht zog die Akte der Klägerin vom Ausgleichsamt der Stadt Frankfurt am Main bei, die Registrierunterlagen der Klägerin vom Bundesverwaltungsamt sowie Kopien der Übernahmeakte der Klägerin vom Bundesverwaltungsamt. Außerdem holte das Sozialgericht eine Auskunft des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 28. April 1994 ein.

Mit Urteil vom 4. Juli 1994 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im wesentlichen aus, die Klage sei unbegründet. Die streitige Zeit sei nicht als Ersatzzeit anzurechnen. § 19 Abs. 3 FRG a.F. hindere die Anerkennung der streitigen Zeit als Ersatzzeit.

Mit ihrer am 23. August 1994 eingelegten Berufung richtet sich die Klägerin gegen das ihr am 22. August 1994 zugestellte Urteil. Nach Auffassung der Klägerin hat das Sozialgericht die Ersatzzeitregelungen der RVO mit Anrechnungsbestimmungen aus dem FRG verwechselt. Vorliegend sei neben den streitigen Ersatzzeiten keine andere Zeit vorhanden. Russischer Rentenbezug und deutsche Ersatzzeiten aber würden einander nicht ausschließen. Mit Bescheiden vom 19. Januar 1995 und 3. Februar 1995 hat die Beklagte die Rente der Klägerin wegen Änderung der Berechnungsgrundlage neu berechnet.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 4. September 1991, 9. März 1992, 19. Januar 1995 und 3. Februar 1995 sowie unter Änderung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1992 zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 18. Juni 1988 die Zeit vom 1. September 1977 bis 24. März 1978 als Ersatzzeit anzuerkennen und dementsprechend das Altersruhegeld neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen die Bescheide vom 19. Januar 1995 und 3. Februar 1995 abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten kann die nach § 19 Abs. 3 FRG a.F. ausgeschlossene Anrechnung einer Beitragszeit nicht durch die Anrechnung einer Ersatzzeit ausgeglichen werden. Trotz des leistungsrechtlichen Anrechnungsverbotes aus § 19 Abs. 3 FRG a.F. seien die während des Rentenbezugs zurückgelegten Beitragszeiten weiterhin vorhanden und würden daher zeitgleiche Ersatzzeiten nach den allgemeinen innerstaatlichen Grundsätzen verdrängen.

Trotz ordnungsgemäßer Ladung sind die Klägerin oder ihr Prozeßbevollmächtigter nicht zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits erschienen.

Wegen der Einzelheiten im übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit trotz Nichterscheinens der Klägerin zum Termin verhandeln und entscheiden, da die Klägerin bzw. ihr Prozeßbevollmächtigter mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§§ 110, 124 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die zulässige Berufung ist sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf die Anrechnung der Zeit vom 1. September 1977 bis 24. März 1978 als Ersatzzeit hat.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 18. Juni 1988 rechtmäßig die streitige Zeit nicht als Ersatzzeit angerechnet, so daß die Voraussetzungen des § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X insoweit nicht erfüllt sind. Zwar ist die streitige Zeit eine Ersatzzeit im Sinne des § 1251 RVO. Diese Zeit kann jedoch wegen der zeitgleich vorhandenen russischen Beitragszeiten, die nach deutschem Recht als Fremdrenten-Beitragszeiten gelten, nicht angerechnet werden. Zwar hindert § 19 Abs. 3 FRG a.F., der im Falle der Klägerin, die seit 1987 Altersruhegeld bezieht, noch Anwendung findet, die Anrechnung der Beitragszeit vom 1. September 1977 bis 24. März 1978. Denn nach § 19 Abs. 3 FRG a.F. werden Beitragszeiten, die während des Bezugs einer dem Altersruhegeld entsprechenden Leistungen zurückgelegt sind, nur für die Hinterbliebenenrente zusätzlich angerechnet. Gleichwohl sind diese Beitragszeiten existent, wie sich aus der Berücksichtigungsfähigkeit bei der Hinterbliebenenrente ergibt. Diese vorhandenen Fremdrenten-Beitragszeiten hindern nach deutschem Recht die Anrechnung von zeitgleichen Ersatzzeiten (vgl. § 1250 Abs. 1 Buchstabe b, § 1251 Abs. 2 Satz 1 RVO). Nicht von Bedeutung ist hier, ob Ersatzzeiten neben (ausländischem) Rentenbezug angerechnet werden können. Denn der vorliegende Fall unterscheidet sich von diesem Sachverhalt dadurch, daß nicht allein ausländischer Rentenbezug neben einem Ersatzzeittatbestand gegeben ist, sondern zusätzlich ausländische Beitragszeiten, die hier als Fremdrenten-Beitragszeiten Berücksichtigung finden.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision im Hinblick auf das Revisionsverfahren 5/4 RA 113/94 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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