L 7 Ka 505/81 (A)

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 505/81 (A)
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anträge vom 23. und 29. April 1981 auf Aussetzung der Vollziehungsanordnung in der Zulassungssache des Antragstellers werden zurückgewiesen.

Gründe:

Der 1920 geborene Antragsteller (Kläger) ist seit 1973 als prakt. Arzt für W.-R. zur Kassenpraxis zugelassen.

Mit Schreiben vom 12. Juni 1979 beantragte die Landesstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KÄVH – Beigeladene zu 1) wie auch später der Landesverband der Ortskrankenkassen (Beigeladener zu 2) mit Schreiben vom 5. November 1979 die Entziehung der Kassenzulassung gem. § 368 a Abs. 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. § 27 der Zulassungsordnung (ZO) mit der Begründung, der Antragsteller habe für das III. Quartal 1978 kassenärztliche Leistungen abgerechnet, die in Anbetracht ihres erheblichen Ausmaßes nach ärztlicher Erfahrung unter Zugrundelegung eines Mindestzeitaufwandes nicht oder zumindest nicht ordnungsgemäß hätten erbracht sein können. Mit Beschluss vom 6. November 1979 hat der Zulassungsausschuß die Zulassung des Klägers zu den RVO-Kassen entzogen. Der Berufungsausschuß hat den Widerspruch hiergegen am 4. Februar 1981 zurückgewiesen. Für das in Frage stehende Quartal seien insgesamt u.a. 4.693 Beratungen, 3.382 Besuche, 1.767 eingehende Untersuchungen und 1.636 Injektionen neben 516 Fällen für die Ersatzkassen abgerechnet. Der Verdacht einer inkorrekten Abrechnung für dieses Quartal 1978 ergebe sich auch durch einen Vergleich mit dem für diesen Zeitraum erstellten Fallwert zum Kreisdurchschnitt. Der Antragsteller habe seit dem I. Quartal/1974 Kürzungsmaßnahmen in erheblichem Umfang hingenommen und gegen insgesamt 19 Bescheide lediglich einmal Widerspruch erhoben, diesen aber später zurückgenommen. Trotz erheblicher Kürzungen seit dem II. Quartal/1974 habe er seine Behandlungsweise nicht den Erfordernissen einer wirtschaftlichen kassenärztlichen Tätigkeit angepaßt. Infolgedessen sei eine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gegeben, da der Antragsteller ständig gegen die Gebote der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit verstoßen habe. Dies ergebe sich auch in Würdigung der Tagesdiagramme für die Zeit vom 1. bis 5. Juli 1978, die berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Zahl der von ihm abgerechneten Leistungen aufkommen lasse. Entsprechendes gelte auch für die nach Nr. 25 bzw. 65 BMÄ geltend gemachten Untersuchungen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (ESG) sei es unerheblich, ob ein Arzt Abrechnungsfehler schuldhaft im Sinne eines vorwerfbaren Verhaltens verursacht habe. Durch die fortgesetzten, über einen längeren Zeitraum begangenen Verfehlungen, sei das Vertrauensverhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung (Beigeladene zu 1) und den Krankenkassen (Beigeladene zu 2–7) so schwer gestört, daß eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht mehr zumutbar sei. – Die Vollziehbarkeit der Entscheidung habe angeordnet werden müssen, da sie im öffentlichen Interesse geboten sei.

Hiergegen hat der Antragsteller (Kläger) bei dem Sozialgericht Frankfurt (SG) Klage erhoben, die dieses Gericht nach Beiladung der Krankenkassen (durch Beschluss vom 26. März 1981) und zusätzlicher Überprüfung der von der Beigeladenen zu 1 (KVH) übersandten RVO-Scheine aus dem IV. Quartal/1978 durch Urteil vom 22. April 1981 unter Festsetzung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung mit dem 23. April 1981 abgewiesen hat.

Der Antragsteller hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und mit Schriftsätzen vom 23. und 29. April 1981 die Aussetzung der Vollziehungsanordnung beantragt. Auf die eingehende Begründung in den o.a. Schriftsätzen wird Bezug genommen.

Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Berufungsausschusses vom 4. Februar 1981 in der durch das Urteil des SG vom 22. April 1981 geänderten Fassung sind zulässig, aber unbegründet.

Die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe rechtfertigen nicht die beantragte Aussetzung der Vollziehung nach § 97 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über den 23. April 1981 hinaus, weil dieser seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletzt hat. Ein derartige Aussetzung der Vollziehung eines Beschlusses in Zulassungssachen ist zwar statthaft, jedoch nach Ansicht des Senats nur, wenn ein ausreichender Grund vorliegt, zumal eine Entscheidung zu diesem Punkt praktisch zum Teil die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt. Bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ist davon auszugehen, daß die Entziehung der Kassenarztzulassung im Ermessen der Zulassungsinstanzen liegt, und die Entscheidungen über die Anordnung oder Aussetzung der Vollziehung eine Ermessensentscheidung darstellt (§ 97 Abs. 3 SGG; vgl. BSGE 7, 129, 138; 10, 292, 295; 15, 177, 180). Der Senat kann deshalb den Verwaltungsakt und die gerichtliche Entscheidung auch nur im Rahmen des § 54 Abs. 2 S. 2 SGG daraufhin überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Er kann also insbesondere nicht sein Ermessen an die Stelle des der Zulassungsinstanzen setzen (BSGE 11, 102, 117; BSG in SozR Nr. 5 zu § 368 n RVO; BSG in SozR Nr. 119 zu § 54 SGG). Deren Entscheidungen stellen aber keinen Ermessensfehlgebrauch dar. Denn gröbliche Verletzungen kassenärztlicher Pflichten sind ein Hinderungsgrund für die kassenärztliche Tätigkeit, die regelmäßig zur Entziehung der Zulassung zwingen. Anderenfalls wäre es den kassenärztlichen Vereinigungen nicht möglich, die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherzustellen und den Krankenkassen sowie ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (so schon der Beschluss des erkennenden Senats vom 24.7.1978 – L 7/B-31/78 – unter Bezugnahme auf § 368 a Abs. 1 S. 1 RVO). Aufgrund der Feststellungen der Zulassungsinstanzen ist das SG nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen zu Recht davon ausgegangen, daß die Anordnung der Vollziehung des Entzuges der Kassenzulassung zu den RVO-Kassen infolge gröblicher Verletzung der kassenärztlichen Pflichten durch den Antragsteller dringend geboten ist. Bei der Überprüfung war im wesentlichen von dem bisher ermittelten Sachverhalt auszugehen, zumal die Prüfungsbescheide über die RVO-Honorarabrechnungen für die vom I. Quartal 1974 bis zum III. Quartal 1978 bereits bindend geworden waren, so daß das SG keine weitere Sachaufklärung z.B. in Gestalt von Zeugenvernehmungen durchzuführen brauchte. Das Bestreiten der zur Last gelegten Verfehlung durch den Antragsteller und seine entsprechenden Gegenbehauptungen können die ergangene Vollzugsanordnung zunächst nicht in Frage stellen. Ob das Verfahren vor dem SG fehlerhaft ist, kann letztendlich erst im Hauptverfahren durch entsprechende Ermittlungen – und erforderlichenfalls durch eine eigene Beweisaufnahme des Senates – geklärt werden.

Festzuhalten bleibt jedoch, daß der Antragsteller Pflichten gegenüber den für die Honorierung der Leistung zuständigen Stellen, insbesondere aber die Pflicht hat, nur wirklich erbrachte Leistungen abzurechnen. Dies gilt besonders deshalb, weil die Beigeladenen bei Fehlen konkreter Verdachtsgründe kaum die Möglichkeit haben, die abgerechneten Leistungen daraufhin zu überprüfen, ob sie tatsächlich erbracht worden sind. Sie müssen sich daher auf die Ehrlichkeit und Sorgfalt des Kassenarztes verlassen können, zu dessen Grundpflichten eine gewissenhafte und peinlich genaue Leistungsabrechnung gehört. Hierauf ist die Beigeladene zu 1 (KVH) besonders angewiesen, weil die Erklärungen der Kassenärzte die Grundlage für die gesamte Honorarverteilung bilden (§ 368 f RVO). Das setzt voraus, daß der Kassenarzt die Bestimmungen des für ihn verbindlichen Gesamtvertrages, über die Karteiführung, die Ausfüllung der Behandlungsscheine und die Abrechnung seiner tatsächlich erbrachten Leistungen einhält. Die ihm darin obliegenden Pflichten hängen unlösbar mit einer geordneten Verteilung der Gesamtvergütungen und der den kassenärztlichen Vereinigungen gesetzlich übertragenen Honorarprüfungen zusammen. Diese Pflichten folgen u.a. aus § 5 der Satzung der Beigeladenen zu 1. Danach ist nämlich die sachliche Richtigkeit für Eintragungen durch Unterschrift ausdrücklich zu bestätigen. Das gilt auch für den Fall, daß die Behandlung durch Vertreter oder Hilfskräfte erfolgt ist. Für deren Leistungen hat der Kassenarzt ebenfalls bezüglich der Abrechnung die volle Verantwortung zu übernehmen. Er erhält andererseits auch das Honorar dafür. Diese kassenärztlichen Pflichten im administrativen Bereich bedürfen einer ebenso genauen sorgfältigen Beachtung wie die auf medizinischem Gebiet liegenden. Sie sind nicht etwa weniger schwerwiegend als die Verletzungen sonstiger Pflichten.

Stellt der Arzt für nicht geleistete Arbeiten ein Honorar in Rechnung, so wird die Honorarabrechnung als wesentliche Grundlage der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Versicherungsträger und dem Kassenarzt verfälscht und damit die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung gefährdet. Diese Art von Pflichtverletzungen gehört zu den schwersten Störungen des Abrechnungsverfahrens. Sie stellen sich als eine gröbliche Verletzung einer kassenärztlichen Pflicht dar, die dann vorliegt, wenn sie nach Art, Dauer und Umfang besonders schwer wiegt, wenn also mehr oder weniger häufige, vielleicht sogar über einen längeren Zeitraum sich erstreckende oder besonders krasse Verstöße festgestellt sind. Ein individuelles Verschulden i.S. einer persönlichen Vorwerfbarkeit ist dabei nicht erforderlich (BSG in SozR Nr. 24 zu § 368 a BVO). Es kommt vielmehr darauf an, ob der Abrechnungsverstoß derart ist, daß er das in den Kassenarzt gesetzte Vertrauen erschüttert, die Ordnung des Kassenarztrechtes, der er sich unterworfen hat, dadurch schwer gestört und der Kassenärztlichen Vereinigung eine weitere Zusammenarbeit mit diesem Kassenarzt objektiv unzumutbar geworden ist (so der erkennende Senat in dem Beschluss vom 24.7.1978 a.a.O.). Die von den Ausschüssen vorgenommenen Überprüfungen haben in einer erheblichen Zahl von Fällen für die Zeit vom I. Quartal 1974 bis zum III. Quartal 1978, also für 19 Quartale, Abrechnungsfehler mit Kürzungen zwischen 9.000,– und 91.000,– DM (vgl. besonders S. 7 des Beschlusses des Berufungsausschusses – Antragsgegner –) ergeben, ohne daß hiergegen vom Antragsteller – mit Ausnahme des II. Quartals 1974 – ein Rechtsbehelf eingelegt wurde. Bei der Individualprüfung für das III. Quartal 1978 ergab sich, daß der Antragsteller 1900 Fälle mit einem Falldurchschnitt von 97,49 DM je Fall abrechnete, während es sonst im W.-M.-K. im Durchschnitt nur 1.041 Fälle mit 49,22 DM je Fall waren, so daß die Überschreitungen durch den Antragsteller 48,27 DM je Fall oder 98 % betrugen. Bei einer mittleren Abweichung von 12,41 DM je Fall war dies bei dem Antragsteller ein Plus von 388 %.

Auch für die Zahl der Besuche im III. Quartal 1978 ergab sich eine vierfach so hohe Zahl wie sonst im Kreisdurchschnitt bei Rentnern, bei Mitgliedern und Familienangehörigen betrug diese Abweichung das Zweieinhalbfache des normalen Ansatzes, ganz abgesehen davon, daß die eingetragenen Diagnosen nicht immer die Notwendigkeit eines Hausbesuches erkennen ließen. Auch bei den Sonderleistungen, in der Hauptsache Nr. 65 BMÄ'78, für die eingehende, das gewöhnliche Maß überschreitende Untersuchung sowie bei der Anzahl der Injektionen wurden gegenüber den übrigen Ärzten des Kreises mehr als doppelt so hohe Ansätze ermittelt.

Wenn das SG in der mündlichen Verhandlung den persönlich anwesenden und von einem Prozeßbevollmächtigten vertretenen Antragsteller eingehend zur Führung seiner Praxis hörte und bei der zusätzlichen Überprüfung des IV. Quartals für das Jahr 1978 weitere Unregelmäßigkeiten (vgl. S. 5/6 der Terminsniederschrift) feststellte, so hat es sich dabei im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Überprüfung des Ermessens gehalten und nicht das rechtliche Gehör des Klägers verletzt. Dieser mußte – wie schon bereits vorher – einräumen, daß er bei Prüfungsbescheiden lediglich die erste Seite gelesen habe (vgl. S. 3 der Terminsniederschrift) und bezüglich der Abrechnung keine Anweisungen erteilte oder Kontrollen durchführte (vgl. S. 4 a.a.O.). Unbeschadet der gegenteiligen Behauptung des Antragstellers hat der Senat aufgrund des Akteninhaltes den Eindruck gewonnen, daß dieser entweder die abgerechneten Leistungen nicht in vollem Umfang erbracht oder aber die erbrachten Leistungen fehlerhaft abgerechnet hat.

Einer Vernehmung von Patienten als Zeugen bedurfte es in diesem Verfahren nicht, weil das Verhalten des Antragstellers in seiner Gesamtheit als fortlaufende gröbliche Verletzung kassenärztlicher Pflichten anzusehen ist, zumal es der Antragsteller auch an der erforderlichen Überwachung seines Personals hat fehlen lassen, die ebenfalls in seinen Verantwortungsbereich fällt.

Aufgrund dieser Umstände ist es nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner das Vertrauensverhältnis zu ihm als gestört ansieht. Da eine gewissenhafte Leistungsabrechnung zu den Grundpflichten eines Kassenarztes gehört, wiegen solche Pflichtverletzungen derart schwer, daß es den Vertragspartnern nicht mehr zugemutet werden kann, die vertraglichen Beziehungen fortzusetzen. Die Vielzahl der beanstandeten Fälle in den Prüfungsbescheiden, zeigt, daß der Antragsgegner sich in einem Maße und Umfang mit der Überprüfung befassen mußte, der schlechthin unzumutbar ist, weil er die Ordnung des Kassenarztrechtes, insbesondere das geordnete Abrechnungsverfahren, in hohem Maße stört und die eigentlichen Aufgaben der kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gefährdet. Ohne die gesetz- und vertragsmäßige Abrechnung sowie ordnungsgemäße Karteiführung kann das System der kassenärztlichen Versorgung nicht vor Störungen bewahrt und funktionsfähig erhalten werden. Die Ausführungen des Antragstellers über die Organisation seiner Praxis und der Hausbesuche sowie seine Hinweise auf die Belastung seiner Kollegen lassen trotz ihrer Ausführlichkeit nicht erkennen, daß er die obigen Grundsätze in den beanstandeten Fällen bei seiner Praxisausübung ausreichend beachtet hat.

In Übereinstimmung mit dem Antragsgegner und dem SG ist der Senat der Auffassung, daß bei dem Verhalten des Antragstellers ein öffentliches Interesse an der Entziehung der Zulassung besteht. Sie ist immer dann gerechtfertigt, wenn die begangenen Verstöße den Kassenarzt ungeeignet für die weitere Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung machen. Dieser als der letzte und schwerste und nicht selten die wirtschaftliche Existenz berührende Eingriff in den Kassenarztstatus entspricht auch dem Verfassungsrang genießenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der insbesondere im Bereich der grundrechtlich verbürgten Berufsfreiheit zu beachten ist (vgl. BSGE 34, 252 f.). In Würdigung der gesamten Sach- und Rechtslage bleibt keine andere Entscheidungsmöglichkeit, denn das Vertrauensverhältnis zwischen den Verbänden und dem Antragsteller ist schlechthin gestört, so daß andere Maßnahmen auch bei Abwägung des dem öffentlichen Interesse entgegenstehenden privaten Interesses des Antragstellers ausscheiden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das besondere öffentliche Interesse, das den Schutz der Versichertengemeinschaft sicherstellen soll, über das allgemeine Interesse des einzelnen an der Entziehung hinausgeht. Insoweit ist es auch nicht vertretbar, wenn den Kassen und der Kassenärztlichen Vereinigung durch derartige Abrechnungen ein erheblicher Mehraufwand an Verwaltungsarbeit zugemutet wird. Auch hierdurch wird der reibungslose Ablauf der kassenärztlichen Versorgung insgesamt gestört und damit das öffentliche Interesse an einer geordneten kassenärztlichen Versorgung beruht. Da die Verfehlungen eines Kassenarztes sich auch besonders nachteilig auf die Erhaltung der Leistungskraft der Krankenkassen im Hinblick auf deren Verantwortung gegenüber den Versicherten auswirkten, war die Entziehung der Zulassung in diesem Verfahren zu bestätigen. Auch wenn es in der letzten Zeit in der Praxis des Klägers zu keinen Beanstandungen mehr gekommen ist, so rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn ein solches Wohlverhalten nach Feststellung eines Verstoßes gegen die kassenärztlichen Pflichten hat während des Verfahrens weniger Gewicht als das vorwerfbare Verhalten vorher (vgl. Heinemann-Liebold, Kassenarztrecht, § 368 a RVO, I 7 g und die dort zit. Literatur; vgl. ferner BSGE 33, 161 ff. sowie BSG, Urt. v. 28.5.1968 – 6 RKa 22/67; BSG, Urt. v. 18.8.1972 – 6 RKa 28/71; BSG, Urt. v. 16.3.1973 – 6 RKa 17/71). Erst nach Abschluß des Prozesses kann beurteilt werden, ob der Antragsteller die Eignung als Kassenarzt wiedererlangt hat. Die Entziehung führt aber nicht zum Berufsverbot, ganz abgesehen davon, daß es sich nicht um eine endgültige Entscheidung handelt, die Entziehung die Tätigkeit für die Ersatzkassen bisher nicht berührt worden ist, und die Möglichkeit für den Antragsteller einer Tätigkeit in einem Krankenhaus oder in der Industrie besteht.

Die veränderte Tätigkeit des Antragstellers für die RVO-Kassen ist im Hinblick auf sein Alter nicht irreparabel. Daß sich seine derzeitigen Patienten in die Behandlung eines anderen Kassenarztes begeben müssen – über die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung im Bereich des Antragstellers – vgl. den Schriftsatz der Beigeladenen zu 1) vom 24. März 1981 S. 4 f. – bedeutet nicht, daß sie nach Wiedererlangung der Zulassung als Kassenarzt nicht zu ihm zurückkehren.

Der Entzug der Kassenarztzulassung (zu den RVO-Kassen) wegen der gröblichen Verletzung kassenärztlicher Pflichten bedeutet auch nicht, daß der Antragsteller für immer von der kassenärztlichen Tätigkeit ausgeschlossen werden darf. Auf die Zulassung zu der kassenärztlichen Tätigkeit hat jeder Arzt, der die für sie erforderliche Eignung besitzt und zu ihrer Ausübung bereit ist, einen Rechtsanspruch, weil durch einen nicht aus vordringlichen öffentlichen Interessen gebotenen Ausschluß von dieser Tätigkeit das Grundrecht des Arztes auf die freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) verletzt wird (vgl. Bundesverfassungsgericht E 11, 30). Das gilt auch für die erneute Zulassung eines Arztes, dem in der Vergangenheit eine frühere Zulassung wegen des Verlustes der erforderlichen Eignung entzogen worden ist. Er kann auch deshalb nur solange gegen seinen Willen von der Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit ausgeschlossen werden, wie sich die Wiedererlangung seiner Eignung nicht feststellen läßt. Beweist er, daß er für die Ausübung zur kassenärztlichen Tätigkeit die erforderliche Eignung wiedergewonnen hat, besitzt er, wie jeder andere Arzt auch, einen Rechtsanspruch auf Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit (vgl. BSG in SozR Nr. 35 zu § 368 a RVO). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt läßt sich allerdings noch nicht feststellen, daß der Antragsteller die zur Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit erforderliche Eignung bereits wiedererlangt hätte. Aus seinem Verhalten, das er während des Verfahrens gezeigt hat, läßt sich bisher nicht erkennen, daß das für die Wiederbegründung des für die Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit unerläßliche Vertrauensverhältnisses wieder besteht.

Der Senat sah schließlich auch keine Veranlassung, aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 14.7.1980 – 1 BvR 727/80 – die angeordnete Vollziehung gem. § 97 Abs. 3 SGG auszusetzen, zumal die Verfassungsbeschwerde des Klägers in dem Zulassungsentziehungsverfahren – letztendlich – nicht angenommen und die Vollziehung der Entscheidung des BSG (vgl. Urt. v. 8.7.1980 – 6 RKa 10/78 –) wieder hergestellt wurde.

Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht stattgegeben werden.

Diese Entscheidung, die ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erfolgen konnte (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm, zur Sozialgerichtsbarkeit, § 97 Anm. 10), kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
Saved