Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 1128/79
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. August 1979 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1920 geborene Kläger hat 1946 das medizinische Staatsexamen abgelegt; ab 1953 war er als Röntgenologe in freier Praxis niedergelassen und besaß ab 1960 die Kassenzulassung.
Im Oktober 1976 beantragte der Kläger, ihm die vorzeitige Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung (EHV) zu gewähren. Hierzu legte er eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. vom 20. August 1976 vor, wonach er an erheblichen Myalgien im Wirbelsäulenbereich bei Aufbaustörungen der Wirbelsäule mit stärkeren degenerativen Veränderungen leidet. Deshalb sei er glaubhaft in der Berufsausübung als Radiologe behindert. Im Auftrag der Beklagten erstattete hierauf der Orthopäde Dr. ein Gutachten vom 10. November 1976. Hiernach liegen beim Kläger infolge eines Verkehrsunfalls eine Hand- und Fingerversteifung sowie eine Verformung, des Handgelenkes vor, die zur fast völligen Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand geführt haben. Außerdem bestehen bei dem Kläger danach Wirbelsäulenveränderungen bei guter Funktion der Wirbelsäule. Er könne zwar nicht die beruflich notwendige Bleischürze tragen, doch seien ihm Schreibtischarbeiten noch möglich. Bei zusammenfassender Betrachtung sei der Kläger nicht voll berufsunfähig, doch beruflich behindert. Die Frage der Fortsetzung seiner bisherigen Tätigkeit sei am besten durch einen Röntgenologen zu beantworten.
Deshalb holte die Beklagte ferner ein Gutachten des Röntgenologen Dr. vom 20. Januar 1977 ein, nach welchem bei dem Kläger vor allem zunehmende degenerative Wirbelsäulenveränderungen und Myalgien bestehen. Er leide unter dem Druck der schweren Bleischürze sowie unter der Gebrauchsunfähigkeit seiner linken Hand. Als Radiologe sei er im Sinne der EHV berufsunfähig. Eine Umschulung könne ihm bei der Art seiner Ausbildung und angesichts der Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand nicht zugemutet werden. Schließlich holte die Beklagte noch ein Obergutachten ein, welches Prof. Dr. und Prof. Dr. von der Orthopädischen Universitätsklinik am 14. November 1977 erstatteten. Hiernach ist der Kläger in seiner ärztlichen Tätigkeit stark eingeschränkt und als Röntgenologe berufsunfähig. Die Berufsunfähigkeit sei in erster Linie auf die in der Jugend durchgemachte Scheuermann’sche Erkrankung zurückzuführen, welche verschiedene Wirbelsäulenveränderungen und glaubhafte Rückenschmerzen hinterlassen habe. Außerdem liege vor allem noch eine starke Behinderung der linken Hand vor, die eine Umschulung in ein anderes Fachgebiet mit der Notwendigkeit von Patientenuntersuchungen nicht sinnvoll erscheinen lasse.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Dezember 1977 die Gewährung von Leistungen nach der EHV ab den Kläger ab. Nach den vorhandenen Gutachten sowie insbesondere dem Obergutachten von Prof. Dr. liege keine volle Berufsunfähigkeit im Sinne der EHV vor. Es werde dem Kläger anheimgestellt, eine Umschulung auf eine andere Tätigkeit durchzuführen bzw. als Gutachter tätig zu werden. Mit einem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger u.a. geltend, er könne auch eine leichte sitzende Tätigkeit nur sehr kurzzeitig ausüben; außerdem wies er auf den Rückgang seiner Kassenabrechnungen hin.
Mit Bescheid vom 9. Mai 1978 half der Vorstand der Beklagten dem Widerspruch nicht ab. Eine Berufungsunfähigkeit des Klägers im Sinne von § 2 Abs. 1 c der Grundsätze der EHV sei nicht festzustellen. Dr. habe nur auf die Behinderung im fachspezifischen Bereich abgestellt, während die drei folgenden Gutachten keine volle Berufsunfähigkeit attestiert hätten. Insbesondere sei auch nach Auffassung von Prof. Dr. nur eine Tätigkeit als Röntgenologe sowie Tätigkeiten, die die volle Gebrauchsunfähigkeit beider Hände erforderten, ausgeschlossen.
Ferner hat der Kläger der Beklagten am 18. April 1978 mitgeteilt, er habe seine Praxis ab 16. April 1978 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Es hänge von den bei diesen Arbeiten entstehenden Kosten ab, ob und wann er seine Praxis wiedereröffnen könne.
Im übrigen hat der Kläger gegen die beiden vorgenannten Bescheide der Beklagten Klage erhoben, mit welcher er zuletzt die Gewährung von Leistungen aus der EHV wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 1978 begehrt hat. Nach der rein medizinischen Auffassung aller drei Gutachter sei die Weiterführung seines bisherigen Facharztberufes unmöglich und eine Umschulung unzumutbar. Ebensowenig sei ihm eine andere laufende ärztliche Tätigkeit möglich. Gleichwohl sei jedoch seine Berufsunfähigkeit verneint worden. Auch Schreibtischarbeiten könne er wegen seiner überlastungsbedingten Epicondylitis nur kurzzeitig (1–2 Stunden täglich) ausführen. Er sei 70 v.H. schwerbeschädigt und sei auch durch die Schwerbeschädigten-Akademikervermittlung des Arbeitsamtes Frankfurt am Main nicht zu vermitteln gewesen.
Demgegenüber hat die Beklagte eine Stellungnahme des Orthopäden Dr. vom 11. April 1979 vorgelegt. Nach dieser ist der Kläger nicht berufsunfähig, weil er noch Diktatarbeiten als Röntgenologe und Schreibtischarbeiten ganztägig ausüben und ferner auch noch in der Qualitätskontrolle Röntgen der Beklagten tätig sein könne. Er könne auch noch etwa eine Stunde täglich die Bleischürze tragen. Ferner hat die Beklagte einen Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte in Hessen vom 24. Oktober 1978 vorgelegt, womit dem Kläger die Zulassung wegen Nichtausübung kassenärztlicher Tätigkeit nach § 27 der Zulassungsordnung in Verbindung mit § 368 a Abs. 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) von Amts wegen im Hinblick auf sein obengenanntes Schreiben vom 18. April 1978 entzogen wurde, zumal er eine Wiederaufnahme seiner Praxis in angemessener Zeit nicht habe in Aussicht stellen können.
Im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht am 1. August 1979 hat der Kläger die Klage für die Zeit vor dem 1. Mai 1978 zurückgenommen. Er hat ferner erklärt, er arbeite zur Zeit wöchentlich etwa einmal vier Stunden bei der Beklagten in der Röntgenkontrollkommission und verdiene hierdurch monatlich etwa 300,– DM im Durchschnitt.
Mit Urteil vom 1. August 1979 hob das Sozialgericht Frankfurt am Main die beiden angefochtenen Bescheide auf und beurteilte die Beklagte zur Zahlung von Leistungen aus der EHV wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 1978. Der Kläger sei mindestens seit April 1978 als Röntgenologe berufsunfähig gemäß § 2 Ziff. 1 c der EHV-Grundsätze. Nach Auffassung der Professoren Dres. und lägen bei ihm insbesondere Wirbelsäulenveränderungen, eine Deformierung der linken Hand sowie eine hochgradige Bewegungseinschränkung dieser Hand und ihrer Finger sowie eine Epicondylitis radialis rechts vor. Die genannten Gutachter hätten daher nur noch die Ausführung von Schreibtischarbeiten durch den Kläger für möglich gehalten. Ähnlich hätten auch die Orthopäden Dres. und das Tragen der 25 kg schweren Bleischürze ab April 1978 nicht mehr für zulässig gehalten. Die aus der RVO-Kassentätigkeit des Klägers resultierenden Einkünfte hätten 1964 unter 35 v.H. sowie ab 1974 um 20 v.H. und weniger unter dem entsprechenden Durchschnittseinkommen gelegen. Der Kläger sei auch nicht auf eine allgemeine ärztliche Tätigkeit verweisbar. Eine Umschulung sei nach seiner langjährigen Spezialisierung als Röntgenologe unzumutbar, zumal er infolge der Gebrauchsunfähigkeit seiner linken Hand keine Patienten mehr untersuchen könne. Er könne sogar auch nicht mehr als Aktengutachter nach etwa einem Jahr Umschulung in einem Alter von 61 Jahren verwandt werden. Seine Restarbeitskraft sei kaum verwertbar außer etwa als röntgenologischer Gutachter in der Röntgenkontrollkommission sowie bei ähnlichen Nebentätigkeiten. Im übrigen habe er diese Möglichkeiten einer Betätigung auch wahrgenommen, wobei er jedoch nur einen monatlichen Verdienst von etwa 300,– DM erzielt habe, was einer Berufsunfähigkeit nicht entgegenstehe. Erst das Finden einer oder mehrerer angemessener Arbeitsplätze mit mindestens der Hälfte des Verdienstes eines vergleichbaren angestellten Arztes ermögliche künftig eine Leistungseinstellung. Der Leistungsbeginn sei nach § 1 Ziff. 1 EHV auf den 1. Mai 1978 festzusetzen, da die Berufsunfähigkeit im April 1978 eingetreten sei. Der Zulassungsverzicht sei auch noch später möglich.
Gegen dieses ihr am 12. September 1979 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Oktober 1979 Berufung eingelegt. Der Kläger sei nicht seit 1. Mai 1978 im Sinne der EHV berufsunfähig. Er könne zwar nach den Gutachten als Radiologe nur noch sehr beschränkt arbeiten, insbesondere im Hinblick auf das notwendige Tragen der Bleischürze. Nach den Grundsätzen der EHV sei jedoch entscheidend, daß er noch weiter ärztlich tätig sein könne, insbesondere – was auch das Sozialgericht prinzipiell bejaht habe – durch Ausführung von Schreibtischarbeiten. Die Vorinstanz habe ihre Annahme der Berufsunfähigkeit irrtümlich auch auf nichtmedizinische Gründe gestützt. Nach dem Willen des normsetzenden Organs der Beklagten sei der Begriff der Berufsunfähigkeit nur dann erfüllt, wenn ein Kassenarzt in keiner Form (auch nicht als angestellter oder beamteter Arzt oder als freiberuflicher Gutachter) den ärztlichen Beruf ausüben könne. Das Sozialgericht habe sich unzutreffend auf die in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit erarbeiteten Grundsätze zur Berufs- und Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung gestützt, wobei es auch auf das Vorhandensein entsprechender Arbeitsplätze ankomme. Auch nach Auffassung von Dr. des Leiters des sozialärztlichen Dienstes der Landesversicherungsanstalt Hessen sei der Kläger nicht berufsunfähig. Dies sei auch deshalb nicht der Fall, weil die EHV keine volle Alterssicherung darstelle. Auch die Honorarentwicklung des Klägers beweise noch keine Berufsunfähigkeit. Dieser müsse vielmehr als Freiberufler in erster Linie selbst für eine angemessene Beschäftigung sorgen, wobei ihn die Beklagte allenfalls nur unterstützen könne. Im übrigen könne der Kläger im Hinblick auf sein Alter noch über acht Jahre kassenärztlich tätig sein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. August 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Dem Senat ist eine fernmündliche amtliche Auskunft vom 23. April 1980 zugegangen, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und nach § 143 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere war auch die sachliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für den streitigen Anspruch gegeben (vgl. Urteil des BSG v. 20.2.1968 6 RKa 11/66).
Die Berufung ist auch begründet. Der Senat vermag der Entscheidung des Sozialgerichts nicht beizupflichten. Der Kläger hat bisher keinen Anspruch auf Leistungen aus der EHV der Beklagten.
Aufgrund von § 368 f Abs. 1 RVO und in Ausführung des § 8 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen vom 22. Dezember 1953 hat die Abgeordnetenversammlung der Beklagten Grundsätze der EHV geschaffen, die damit einen rechtsgültigen Bestandteil des Satzungsrecht bilden.
Nach § 2 Abs. 1 c EHV setzt die Teilnahme an der EHV ohne Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit vor allem die Unfähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs voraus. Diese Unfähigkeit liegt dann vor, wenn dem betreffenden Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit, sei es z.B. als angestellter Arzt oder in einem anderen Fachgebiet – ggf. nach einer Umschulungsfrist – nicht zugemutet werden kann. Bei der Auslegung dieses Begriffes der Berufsunfähigkeit hat der Senat nicht unberücksichtigt gelassen, daß es sich bei der hessischen EHV im Grundsatz eine Invaliditäts- und Alterssicherung von Selbständigen handelt (vgl. insbesondere § 2 Ziff. 1 c und Ziff. 2 EHV). Insoweit ähnelt sie zwar äußerlich den gesetzlichen Rentenversicherungen der Arbeitnehmer. Ein wesentlicher Unterschied besteht z.B. jedoch insofern, als es sich bei der EHV im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht um eine Vollversicherung, sondern nur um eine Grund- und Teilsicherung gegen die genannten Wechselfälle des Lebens handelt. Dieser Umstand rechtfertigt, daß an die Gewährung von Leistungen wegen Invalidität (bzw. vorliegend vorzeitiger Berufsunfähigkeit) strengere Anforderungen als in den gesetzlichen Rentenversicherungen gestellt werden.
Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger nicht berufsunfähig i.S. von § 2 Abs. 1 c EHV ist. Zwar sind sich die Gutachter im wesentlichen darüber einig, daß der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit als freipraktizierender Röntgenologe nicht mehr ausüben kann, was vor allem durch die Unfähigkeit bedingt ist, die erforderliche schwere Bleischürze zu tragen. Allerdings ist auch insoweit zu bemerken, daß der Kläger auch seine röntgenologischen Fachkenntnisse in der Röntgenkontrollkommission (in der er sich auch betätigt) bzw. in der Qualitätskontrolle Röntgen der Beklagten noch verwerten kann, ohne daß es insoweit einer Umschulung bedarf.
Der Kläger kann aber auch noch auf andere Weise als Arzt tätig werden. Er kann nämlich nach übereinstimmender Auffassung der Gutachter der Orthopädischen Universitätsklinik und des Orthopäden Dr. noch Schreibtischarbeiten als Arzt verrichten, zumal die Epicondylitis radialis rechts nach Auffassung der Universitätsklinik "nur eine untergeordnete Rolle” spielt. In jedem Falle kommen mit der Benutzung eines Diktiergerätes verbundene Arbeiten für den Kläger in Frage.
Der Kläger vermag nach Überzeugung des Senats – allenfalls nach relativ kurzer Einarbeitung bzw. Umschulung – auch im Alter von 60 Jahren noch als freiberuflicher oder angestellter Aktengutachter bei Versicherungs- oder Versorgungsträgern oder aber auch als Gutachtensprüfer tätig werden; insoweit besteht überdies nach der Kenntnis des Senats auch ein Bedarf. Schließlich könnte sich der Kläger aber auch auf dem Gebiet des Honorarprüfwesens der Beklagten einarbeiten.
An alledem kann auch die zeitlich nur begrenzte und anscheinend nicht ausreichend bedarfsorientierte Stellungssuche des Klägers nicht ändern.
Somit war, wie geschehen, zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nach Sachlage nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1920 geborene Kläger hat 1946 das medizinische Staatsexamen abgelegt; ab 1953 war er als Röntgenologe in freier Praxis niedergelassen und besaß ab 1960 die Kassenzulassung.
Im Oktober 1976 beantragte der Kläger, ihm die vorzeitige Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung (EHV) zu gewähren. Hierzu legte er eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. vom 20. August 1976 vor, wonach er an erheblichen Myalgien im Wirbelsäulenbereich bei Aufbaustörungen der Wirbelsäule mit stärkeren degenerativen Veränderungen leidet. Deshalb sei er glaubhaft in der Berufsausübung als Radiologe behindert. Im Auftrag der Beklagten erstattete hierauf der Orthopäde Dr. ein Gutachten vom 10. November 1976. Hiernach liegen beim Kläger infolge eines Verkehrsunfalls eine Hand- und Fingerversteifung sowie eine Verformung, des Handgelenkes vor, die zur fast völligen Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand geführt haben. Außerdem bestehen bei dem Kläger danach Wirbelsäulenveränderungen bei guter Funktion der Wirbelsäule. Er könne zwar nicht die beruflich notwendige Bleischürze tragen, doch seien ihm Schreibtischarbeiten noch möglich. Bei zusammenfassender Betrachtung sei der Kläger nicht voll berufsunfähig, doch beruflich behindert. Die Frage der Fortsetzung seiner bisherigen Tätigkeit sei am besten durch einen Röntgenologen zu beantworten.
Deshalb holte die Beklagte ferner ein Gutachten des Röntgenologen Dr. vom 20. Januar 1977 ein, nach welchem bei dem Kläger vor allem zunehmende degenerative Wirbelsäulenveränderungen und Myalgien bestehen. Er leide unter dem Druck der schweren Bleischürze sowie unter der Gebrauchsunfähigkeit seiner linken Hand. Als Radiologe sei er im Sinne der EHV berufsunfähig. Eine Umschulung könne ihm bei der Art seiner Ausbildung und angesichts der Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand nicht zugemutet werden. Schließlich holte die Beklagte noch ein Obergutachten ein, welches Prof. Dr. und Prof. Dr. von der Orthopädischen Universitätsklinik am 14. November 1977 erstatteten. Hiernach ist der Kläger in seiner ärztlichen Tätigkeit stark eingeschränkt und als Röntgenologe berufsunfähig. Die Berufsunfähigkeit sei in erster Linie auf die in der Jugend durchgemachte Scheuermann’sche Erkrankung zurückzuführen, welche verschiedene Wirbelsäulenveränderungen und glaubhafte Rückenschmerzen hinterlassen habe. Außerdem liege vor allem noch eine starke Behinderung der linken Hand vor, die eine Umschulung in ein anderes Fachgebiet mit der Notwendigkeit von Patientenuntersuchungen nicht sinnvoll erscheinen lasse.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Dezember 1977 die Gewährung von Leistungen nach der EHV ab den Kläger ab. Nach den vorhandenen Gutachten sowie insbesondere dem Obergutachten von Prof. Dr. liege keine volle Berufsunfähigkeit im Sinne der EHV vor. Es werde dem Kläger anheimgestellt, eine Umschulung auf eine andere Tätigkeit durchzuführen bzw. als Gutachter tätig zu werden. Mit einem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger u.a. geltend, er könne auch eine leichte sitzende Tätigkeit nur sehr kurzzeitig ausüben; außerdem wies er auf den Rückgang seiner Kassenabrechnungen hin.
Mit Bescheid vom 9. Mai 1978 half der Vorstand der Beklagten dem Widerspruch nicht ab. Eine Berufungsunfähigkeit des Klägers im Sinne von § 2 Abs. 1 c der Grundsätze der EHV sei nicht festzustellen. Dr. habe nur auf die Behinderung im fachspezifischen Bereich abgestellt, während die drei folgenden Gutachten keine volle Berufsunfähigkeit attestiert hätten. Insbesondere sei auch nach Auffassung von Prof. Dr. nur eine Tätigkeit als Röntgenologe sowie Tätigkeiten, die die volle Gebrauchsunfähigkeit beider Hände erforderten, ausgeschlossen.
Ferner hat der Kläger der Beklagten am 18. April 1978 mitgeteilt, er habe seine Praxis ab 16. April 1978 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Es hänge von den bei diesen Arbeiten entstehenden Kosten ab, ob und wann er seine Praxis wiedereröffnen könne.
Im übrigen hat der Kläger gegen die beiden vorgenannten Bescheide der Beklagten Klage erhoben, mit welcher er zuletzt die Gewährung von Leistungen aus der EHV wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 1978 begehrt hat. Nach der rein medizinischen Auffassung aller drei Gutachter sei die Weiterführung seines bisherigen Facharztberufes unmöglich und eine Umschulung unzumutbar. Ebensowenig sei ihm eine andere laufende ärztliche Tätigkeit möglich. Gleichwohl sei jedoch seine Berufsunfähigkeit verneint worden. Auch Schreibtischarbeiten könne er wegen seiner überlastungsbedingten Epicondylitis nur kurzzeitig (1–2 Stunden täglich) ausführen. Er sei 70 v.H. schwerbeschädigt und sei auch durch die Schwerbeschädigten-Akademikervermittlung des Arbeitsamtes Frankfurt am Main nicht zu vermitteln gewesen.
Demgegenüber hat die Beklagte eine Stellungnahme des Orthopäden Dr. vom 11. April 1979 vorgelegt. Nach dieser ist der Kläger nicht berufsunfähig, weil er noch Diktatarbeiten als Röntgenologe und Schreibtischarbeiten ganztägig ausüben und ferner auch noch in der Qualitätskontrolle Röntgen der Beklagten tätig sein könne. Er könne auch noch etwa eine Stunde täglich die Bleischürze tragen. Ferner hat die Beklagte einen Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte in Hessen vom 24. Oktober 1978 vorgelegt, womit dem Kläger die Zulassung wegen Nichtausübung kassenärztlicher Tätigkeit nach § 27 der Zulassungsordnung in Verbindung mit § 368 a Abs. 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) von Amts wegen im Hinblick auf sein obengenanntes Schreiben vom 18. April 1978 entzogen wurde, zumal er eine Wiederaufnahme seiner Praxis in angemessener Zeit nicht habe in Aussicht stellen können.
Im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht am 1. August 1979 hat der Kläger die Klage für die Zeit vor dem 1. Mai 1978 zurückgenommen. Er hat ferner erklärt, er arbeite zur Zeit wöchentlich etwa einmal vier Stunden bei der Beklagten in der Röntgenkontrollkommission und verdiene hierdurch monatlich etwa 300,– DM im Durchschnitt.
Mit Urteil vom 1. August 1979 hob das Sozialgericht Frankfurt am Main die beiden angefochtenen Bescheide auf und beurteilte die Beklagte zur Zahlung von Leistungen aus der EHV wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 1978. Der Kläger sei mindestens seit April 1978 als Röntgenologe berufsunfähig gemäß § 2 Ziff. 1 c der EHV-Grundsätze. Nach Auffassung der Professoren Dres. und lägen bei ihm insbesondere Wirbelsäulenveränderungen, eine Deformierung der linken Hand sowie eine hochgradige Bewegungseinschränkung dieser Hand und ihrer Finger sowie eine Epicondylitis radialis rechts vor. Die genannten Gutachter hätten daher nur noch die Ausführung von Schreibtischarbeiten durch den Kläger für möglich gehalten. Ähnlich hätten auch die Orthopäden Dres. und das Tragen der 25 kg schweren Bleischürze ab April 1978 nicht mehr für zulässig gehalten. Die aus der RVO-Kassentätigkeit des Klägers resultierenden Einkünfte hätten 1964 unter 35 v.H. sowie ab 1974 um 20 v.H. und weniger unter dem entsprechenden Durchschnittseinkommen gelegen. Der Kläger sei auch nicht auf eine allgemeine ärztliche Tätigkeit verweisbar. Eine Umschulung sei nach seiner langjährigen Spezialisierung als Röntgenologe unzumutbar, zumal er infolge der Gebrauchsunfähigkeit seiner linken Hand keine Patienten mehr untersuchen könne. Er könne sogar auch nicht mehr als Aktengutachter nach etwa einem Jahr Umschulung in einem Alter von 61 Jahren verwandt werden. Seine Restarbeitskraft sei kaum verwertbar außer etwa als röntgenologischer Gutachter in der Röntgenkontrollkommission sowie bei ähnlichen Nebentätigkeiten. Im übrigen habe er diese Möglichkeiten einer Betätigung auch wahrgenommen, wobei er jedoch nur einen monatlichen Verdienst von etwa 300,– DM erzielt habe, was einer Berufsunfähigkeit nicht entgegenstehe. Erst das Finden einer oder mehrerer angemessener Arbeitsplätze mit mindestens der Hälfte des Verdienstes eines vergleichbaren angestellten Arztes ermögliche künftig eine Leistungseinstellung. Der Leistungsbeginn sei nach § 1 Ziff. 1 EHV auf den 1. Mai 1978 festzusetzen, da die Berufsunfähigkeit im April 1978 eingetreten sei. Der Zulassungsverzicht sei auch noch später möglich.
Gegen dieses ihr am 12. September 1979 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Oktober 1979 Berufung eingelegt. Der Kläger sei nicht seit 1. Mai 1978 im Sinne der EHV berufsunfähig. Er könne zwar nach den Gutachten als Radiologe nur noch sehr beschränkt arbeiten, insbesondere im Hinblick auf das notwendige Tragen der Bleischürze. Nach den Grundsätzen der EHV sei jedoch entscheidend, daß er noch weiter ärztlich tätig sein könne, insbesondere – was auch das Sozialgericht prinzipiell bejaht habe – durch Ausführung von Schreibtischarbeiten. Die Vorinstanz habe ihre Annahme der Berufsunfähigkeit irrtümlich auch auf nichtmedizinische Gründe gestützt. Nach dem Willen des normsetzenden Organs der Beklagten sei der Begriff der Berufsunfähigkeit nur dann erfüllt, wenn ein Kassenarzt in keiner Form (auch nicht als angestellter oder beamteter Arzt oder als freiberuflicher Gutachter) den ärztlichen Beruf ausüben könne. Das Sozialgericht habe sich unzutreffend auf die in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit erarbeiteten Grundsätze zur Berufs- und Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung gestützt, wobei es auch auf das Vorhandensein entsprechender Arbeitsplätze ankomme. Auch nach Auffassung von Dr. des Leiters des sozialärztlichen Dienstes der Landesversicherungsanstalt Hessen sei der Kläger nicht berufsunfähig. Dies sei auch deshalb nicht der Fall, weil die EHV keine volle Alterssicherung darstelle. Auch die Honorarentwicklung des Klägers beweise noch keine Berufsunfähigkeit. Dieser müsse vielmehr als Freiberufler in erster Linie selbst für eine angemessene Beschäftigung sorgen, wobei ihn die Beklagte allenfalls nur unterstützen könne. Im übrigen könne der Kläger im Hinblick auf sein Alter noch über acht Jahre kassenärztlich tätig sein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. August 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Dem Senat ist eine fernmündliche amtliche Auskunft vom 23. April 1980 zugegangen, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und nach § 143 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere war auch die sachliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für den streitigen Anspruch gegeben (vgl. Urteil des BSG v. 20.2.1968 6 RKa 11/66).
Die Berufung ist auch begründet. Der Senat vermag der Entscheidung des Sozialgerichts nicht beizupflichten. Der Kläger hat bisher keinen Anspruch auf Leistungen aus der EHV der Beklagten.
Aufgrund von § 368 f Abs. 1 RVO und in Ausführung des § 8 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen vom 22. Dezember 1953 hat die Abgeordnetenversammlung der Beklagten Grundsätze der EHV geschaffen, die damit einen rechtsgültigen Bestandteil des Satzungsrecht bilden.
Nach § 2 Abs. 1 c EHV setzt die Teilnahme an der EHV ohne Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit vor allem die Unfähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs voraus. Diese Unfähigkeit liegt dann vor, wenn dem betreffenden Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit, sei es z.B. als angestellter Arzt oder in einem anderen Fachgebiet – ggf. nach einer Umschulungsfrist – nicht zugemutet werden kann. Bei der Auslegung dieses Begriffes der Berufsunfähigkeit hat der Senat nicht unberücksichtigt gelassen, daß es sich bei der hessischen EHV im Grundsatz eine Invaliditäts- und Alterssicherung von Selbständigen handelt (vgl. insbesondere § 2 Ziff. 1 c und Ziff. 2 EHV). Insoweit ähnelt sie zwar äußerlich den gesetzlichen Rentenversicherungen der Arbeitnehmer. Ein wesentlicher Unterschied besteht z.B. jedoch insofern, als es sich bei der EHV im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht um eine Vollversicherung, sondern nur um eine Grund- und Teilsicherung gegen die genannten Wechselfälle des Lebens handelt. Dieser Umstand rechtfertigt, daß an die Gewährung von Leistungen wegen Invalidität (bzw. vorliegend vorzeitiger Berufsunfähigkeit) strengere Anforderungen als in den gesetzlichen Rentenversicherungen gestellt werden.
Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger nicht berufsunfähig i.S. von § 2 Abs. 1 c EHV ist. Zwar sind sich die Gutachter im wesentlichen darüber einig, daß der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit als freipraktizierender Röntgenologe nicht mehr ausüben kann, was vor allem durch die Unfähigkeit bedingt ist, die erforderliche schwere Bleischürze zu tragen. Allerdings ist auch insoweit zu bemerken, daß der Kläger auch seine röntgenologischen Fachkenntnisse in der Röntgenkontrollkommission (in der er sich auch betätigt) bzw. in der Qualitätskontrolle Röntgen der Beklagten noch verwerten kann, ohne daß es insoweit einer Umschulung bedarf.
Der Kläger kann aber auch noch auf andere Weise als Arzt tätig werden. Er kann nämlich nach übereinstimmender Auffassung der Gutachter der Orthopädischen Universitätsklinik und des Orthopäden Dr. noch Schreibtischarbeiten als Arzt verrichten, zumal die Epicondylitis radialis rechts nach Auffassung der Universitätsklinik "nur eine untergeordnete Rolle” spielt. In jedem Falle kommen mit der Benutzung eines Diktiergerätes verbundene Arbeiten für den Kläger in Frage.
Der Kläger vermag nach Überzeugung des Senats – allenfalls nach relativ kurzer Einarbeitung bzw. Umschulung – auch im Alter von 60 Jahren noch als freiberuflicher oder angestellter Aktengutachter bei Versicherungs- oder Versorgungsträgern oder aber auch als Gutachtensprüfer tätig werden; insoweit besteht überdies nach der Kenntnis des Senats auch ein Bedarf. Schließlich könnte sich der Kläger aber auch auf dem Gebiet des Honorarprüfwesens der Beklagten einarbeiten.
An alledem kann auch die zeitlich nur begrenzte und anscheinend nicht ausreichend bedarfsorientierte Stellungssuche des Klägers nicht ändern.
Somit war, wie geschehen, zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nach Sachlage nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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