L 7 Ka 1130/81

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 1130/81
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 1. Juli 1981 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage der Honorierung von Leistungen, die die Klägerin im Rahmen von Notfallbehandlungen in den Quartalen I und II/77 erbracht hat.

Die Klägerin machte mit Schreiben vom 10. August 1978 die Beklagte darauf aufmerksam, daß die Abrechnung von Eilfallbehandlungen im Stadt. Krankenhaus H. für bis Juni 1977 angefallene Behandlungen aus personellen und organisatorischen Gründen im Rückstand sei, aber noch nachgeholt werde. Mit Schreiben vom 28. August 1978 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, daß die Quartalsabrechnungen Fristen unterliegen würden. Nach § 9 Abs. 2 der Rahmengesamtverträge seien Honorarforderungen verwirkt, wenn diese nicht innerhalb von 12 Monaten nach bestimmten Einreichungsterminen vorlägen.

Am 29. September 1978 reichte die Klägerin 100 Ersatzkassenfälle und 344 RVO-Kassenfälle für die Quartale I und II/77 zur Abrechnung bei der Beklagten ein.

Mit Schreiben vom 24. November 1978 reichte die Beklagte die Behandlungsabrechnungen an die Klägerin zurück, da sie wegen Fristablaufs verwirkt seien; dabei berief sich die Beklagte auf § 9 Abs. 2 der Rahmenverträge und § 8 Leitziffer 804 der Grundsätze über die Honorarverteilung.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 1978 legte die Klägerin die Quartalsabrechnungen für I und II/77 erneut vor. Sie vertrat darin die Auffassung, daß die Honorarforderungen nicht den von der Beklagten zitierten Verwirkungsvorschriften unterlägen, da sich die Rechtsbeziehungen zwischen ihr und der Beklagten nach bürgerlichem Recht richten würden. Danach träte aber die Verjährung erst nach Ablauf von 2 Jahren nach Entstehen des Anspruchs ein.

Mit Schreiben vom 8. Februar 1979 wurde von der Beklagten dieses Schreiben der Klägerin vom 19. Dezember 1978 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. November 1978 angesehen und mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1980 zurückgewiesen. Darin machte die Beklagte nochmals ihre Rechtsauffassung deutlich, daß auch bei der Abrechnung von Notfällen zwischen der Klägerin und der Beklagten die Bestimmungen des Kassenarztrechts und damit die Rahmengesamtverträge und der Honorarverteilungsmaßstab zur Anwendung kämen.

Die Klägerin hat am 24. März 1980 gegen den am 28. Februar 1980 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt erhoben. In der ersten Instanz hat die Klägerin ihr Begehren auf Honorierung vornehmlich darauf gestützt, daß sie nicht Vertragspartner der Gesamtrahmenverträge sei und daher nur bürgerliches Recht bei der Abrechnung zur Anwendung käme. Die Nichthonorierung stelle zudem einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, da die Beklagte damit rechnen mußte, daß noch Abrechnungen für die strittigen Quartale auf sie zukommen würden.

Mit Urteil vom 1. Juli 1981 hat das Sozialgericht Frankfurt die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die kassenärztlichen Bestimmungen bei der Frage der Abrechnung durch einen Nichtkassenarzt zugrunde gelegt. Der Rechtsstreit sei somit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Nach § 368 d Abs. 1 Satz 2 RVO könnten auch Nichtkassenärzte Notfallbehandlungen erbringen, ohne daß sich dabei etwas an der Tatsache ändere, daß die Behandlung an sich eine kassenärztliche Leistung darstelle, die nach dem Gesamthonorierungsmaßstab aufgrund der Rahmenverträge zu vergüten sei. Damit unterliege die Klägerin auch dem Honorarverteilungsmaßstab, d.h. auch der Verwirkungsvorschrift der Leitzahl 804. Es sei ohne Bedeutung, daß die Klägerin nicht Vertragspartner der Rahmenverträge sei, denn ihr grundsätzlicher Vergütungsanspruch ergebe sich aus dem Gesetz unmittelbar. Im übrigen stelle die Berufung auf den Verwirkungstatbestand keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Auch die Kassenärzte hätten sich an die Fristen für ihre Honorarabrechnungen zu halten, obwohl die Beklagte immer damit rechnen müsse, von dieser Seite Abrechnungen vorgelegt zu bekommen. Die Klägerin selbst habe sich aber erst mit der Beklagten in Verbindung gesetzt, als ohnehin die Fristen schon verstrichen waren.

Gegen das am 14. August 1981 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. September 1981 beim Sozialgericht Frankfurt und vom 24. September 1981 beim Hessischen Landessozialgericht. Die Berufung wird im wesentlichen mit der Rechtsauffassung, die die Klägerin bereits in erster Instanz vertreten hatte, begründet.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt vom 1. Juli 1981 sowie des Bescheides vom 24. November 1978 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1980 die Beklagte zur Honorierung der für die Quartale I und II/77 eingereichten Abrechnungen für Notfallbehandlungen zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) bis 4) und 7) schließen sich dem Antrag der Beklagten an.

In der Begründung führt die Beigeladene zu 2) insbesondere aus, daß der Beklagten gar keine andere Möglichkeit bliebe, nach den Regelungen des Gesamtvertrages grundsätzlich die Leistungen der Klägerin zu vergüten; eine andere Vergütungsregelung existiere nicht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte und auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beide Inhalt und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Frankfurt hat zu Recht die Forderung der Klägerin auf Honorierung ihrer in den Quartalen I und II/77 vorgenommenen Notfallbehandlungen zurückgewiesen; der Bescheid der Beklagten vom 24. November 1978 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1980 ist zu Recht ergangen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung ihrer Leistungen mehr, weil sie es versäumt hat, innerhalb der in § 8 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVG) Leitziffer 804 genannten Frist die Abrechnung der Beklagten vorzulegen. Gem. dieser Vorschrift sind die Honorarforderungen verwirkt, wenn die Abrechnungsunterlagen nicht innerhalb von 12 Monaten nach dem vorgeschriebenen Einreichungstermin bei der Beklagten vorgelegt werden. Das bedeutet, für RVO-Kassenabrechnungen müssen die Unterlagen bis zum 15. nach Beendigung des Quartals und bei den Ersatzkassen müssen die Abrechnungen bis zum 10. nach Beendigung des Quartals vorgelegt werden. Im vorliegenden Fall hätten demnach bis spätestens 15. Juli 1978 für Quartal II/77 die Abrechnungsunterlagen vorliegen müssen; sie wurden jedoch erstmals am 10. August 1978 in Aussicht gestellt und dann erst Ende September vorgelegt.

Diese Fristenregelung der Leitziffer 804 HVG ist auch für die Klägerin verbindlich. Sie betreibt zwar keine Kassenarztpraxis und grundsätzlich ist der HVG in erster Linie für die Honorarabrechnungen der Kassenärzte gedacht. Die Notfallbehandlungen von Versicherten durch nicht zugelassene Ärzte oder durch Nichtkassenärzte ist jedoch durch Vorschriften geregelt, die im öffentlichen Interesse und als Bestandteil des Sozialversicherungsrechts erlassen und somit dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Zwar ist die Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Vergütung der ärztlichen Leistungen nicht allein in § 368 e Abs. 1 Satz 2 RVO zu sehen, wonach die Versicherten nur in Notfällen nicht zugelassene Ärzte in Anspruch nehmen dürfen. Der geltend gemachte Honoraranspruch kann vielmehr nur aus dem Zusammenhang der Vorschriften über die kassenärztliche Versorgung und die Beziehungen zwischen Krankenkassen, kassenärztlichen Vereinigungen und Ärzten hergeleitet werden. Die Nichtkassenärzte nehmen durch die Notfallbehandlungen an der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten teil. Dies ergibt sich aus § 368 Abs. 1 RVO, wonach nicht nur die Kassenärzte, sondern ganz allgemein Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen zusammenwirken, wobei sich ihre Beziehungen nach den Vorschriften der §§ 368 a bis 368 q RVO richten. Die Verweisung auf § 368 d RVO, der in Abs. 1 Satz 2 den Versicherten das Recht einräumt, in Notfällen auch nicht zugelassene Ärzte in Anspruch zu nehmen, sowie auf § 368 f RVO, in dem die von den Krankenkassen an die kassenärztlichen Vereinigungen zu entrichtende Gesamtvergütung geregelt ist, läßt erkennen, daß auch den Notfallärzten grundsätzlich ein Vergütungsanspruch aus der Gesamtvergütung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zusteht (BSG Urt. v. 24.10.1961 in BSGE 15, 169, 173). § 368 f Abs. 1 Satz 2 RVO spricht allerdings nur von der Verteilung der Gesamtvergütung durch die Kassenärztliche Vereinigung unter die Kassenärzte. Das bedeutet jedoch nicht, daß nicht ausnahmsweise, nämlich in Notfällen, auch Nichtkassenärzte an dieser Gesamtvergütung zu beteiligen sind, denn die Krankenkassen entrichten für die gesamte kassenärztliche Versorgung, also auch für die Notfallbehandlungen, mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung (vgl. § 368 f Abs. 1 Satz 1 RVO). Alle an der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten teilnehmenden Ärzte können daher einen Vergütungsanspruch nur auf die öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung stützen, die ärztliche Versorgung der Versicherten auch in Notfällen sicherzustellen und im Rahmen dieser Aufgabe die ärztlichen Leistungen aus der Gesamtvergütung zu honorieren (BGH in NJW 1957, 710, Heß/Venter, Das Gesetz über Kassenarzt recht, RVO § 368 Anm. III 1, § 368 a Anm. VIII, § 368 d Anm. II 3, § 368 f Anm. I). Nach den genannten Vorschriften müsse für Notfallbehandlungen ein öffentlich-rechtliches Auftragsangebot an den Nichtkassenarzt angenommen werden, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung wie ein Kassenarzt tätig zu werden (vgl. Heß/Venter a.a.O. sowie Peters, Handbuch der Krankenversicherung § 368 Anm. 6).

Die gesamten durch die Notfallbehandlung zwischen den Nichtkassenärzten und der Kassenärztlichen Vereinigung entstehenden Rechtsbeziehungen einschl. des Vergütungsanspruches basieren demnach im öffentlichen Recht, so daß die Honorarklage eines Nichtkassenarztes als eine die Zuständigkeit der Sozialgerichte begründende öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung ist (vgl. Heß/Venter, a.a.O. sowie BSG a.a.O.). Das gleiche gilt, wenn der Anspruch auf Vergütung der ärztlichen Leistungen nicht von dem behandelnden Arzt selbst, sondern, wie hier, von dem Träger des Krankenhauses geltend gemacht wird, in dessen Dienst der behandelnde Arzt steht. Ob der Honoraranspruch in diesen Fällen dem Träger des Krankenhauses oder dem Arzt selbst zusteht, ist eine Frage der Aktivlegitimation, betrifft aber nicht die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Zwar spricht § 368 d Abs. 1 Satz 2 RVO nur davon, daß in Notfällen auch nicht zugelassene Ärzte von den Versicherten in Anspruch genommen werden dürfen. Daraus kann aber noch nicht der Schluß gezogen werden, daß eine ambulante Notfallbehandlung in Krankenhäusern nicht zulässig ist, oder daß dem Krankenhausträger keine Vergütung für die ambulante Notfallbehandlung von Versicherten zusteht. Die Krankenhäuser dienen zwar in erster Linie der Behandlung und Pflege der zur stationären Behandlung aufgenommenen Patienten. Das schließt jedoch nicht aus, daß sie in Notfällen auch eine ambulante Behandlung von Versicherten durch ihre angestellten Ärzte vornehmen. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 368 d Abs. 1 Satz 2 RVO, wollte man in dringenden Fällen eine Notfallbehandlung in Krankenhäusern nicht zulassen, zumal diese im allgemeinen sowohl ihrer Ausstattung als auch ihrer personellen Besetzung nach besonders für die Behandlung in Notfällen geeignet sind.

Der Honoraranspruch des Krankenhausträgers ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus §§ 368, 368 d Abs. 1 sowie § 368 f RVO, denn diese Vorschriften verpflichten zwar die Kassenärztliche Vereinigung zur Honorierung der Notfallbehandlung eines Versicherten, besagen jedoch nichts darüber, wer honorarberechtigt ist. Die Berechtigung des Krankenhausträgers auf Vergütung der im Krankenhaus gewährten ärztlichen Leistungen beruht vielmehr darauf, daß die ärztliche Behandlung im Rahmen eines abhängigen Dienstverhältnisses vorgenommen wird und daher nach allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts dem Arbeitgeber – hier dem Krankenhausträger – zuzurechnen ist. Die Einordnung des angestellten Arztes in den Aufgabenbereich und Betrieb des Krankenhauses hat zur Folge, daß das Recht am Arbeitsergebnis – hier der Anspruch gegenüber Dritten auf Vergütung für die ärztliche Leistung – dem Arbeitgeber zusteht, während dem im Rahmen seiner Dienstpflicht behandelnden Arzt ein Anspruch auf Arbeitsentgelt gegenüber dem Krankenhausträger eingeräumt ist (vgl. hierzu Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts 1. Band S. 451 sowie BSG a.a.O.).

Wenn sich die Klägerin auf Grundsätze von Treu und Glauben beruft, so muß sie sich entgegenhalten lassen, daß auch hierbei keine anderen Regelungen für sie gelten können als für die Kassenärzte selbst. Die Klägerin hatte die Möglichkeit binnen eines Jahres ihre Honorarforderungen zu stellen. Das Verstreichen dieser Frist mit Personalmangel und organisatorischen Problemen zu begründen reicht nicht. Auch Kassenärzte haben sich an diesbezügliche Fristen zu halten und mit dem Verwaltungsaufwand fertig zu werden, der damit in Verbindung steht. Gerade bei einer Behörde kann erwartet werden, daß das vertraut sein mit Fristen und Normen größer ist, als beim einzelnen Kassenarzt.

Aus alledem ergibt sich, daß zwar grundsätzlich die Klägerin einen Anspruch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung auf Honorierung ihrer in den genannten Quartalen vorgenommenen Notfallbehandlung besitzt, dieser Anspruch jedoch wegen Fristablaufs gem. § 804 HVG verwirkt ist und somit die Berufung zurückzuweisen war.
Rechtskraft
Aus
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