S 26 R 174/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 174/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 204/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Wege eines Überprüfungs- bzw. Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X die nachträgliche Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit ab dem 01.10.1995 bis zum 30.06.2006. Streitig ist, ob in diesem Zeitraum Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit bzw. eine rechtserhebliche Erwerbsminderung vorlag, für die auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen würden.

Die Klägerin ist am 00.00.1941 geboren und bezieht inzwischen Regelaltersrente ab dem 01.07.2006. Sie hat ca. 1953 bis 1957 in drei Jahren den Beruf der Frisörin erlernt und als solche bis 1962 gearbeitet; die dafür entrichteten Pflichtbeiträge ließ sie sich später anlässlich Heirat und Kindererziehung erstatten. Später war sie versicherungspflichtig als Bürokauffrau und Verwaltungsangestellte nach BAT IX und später noch stundenweise als Serviererin tätig.

Im September 1991 beantragte die Klägerin erstmals Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Rentenantrag hatte keinen Erfolg und wurde von der LVA Rheinland-Pfalz abgelehnt, weil weder Erwerbsunfähigkeit noch Berufsunfähigkeit vorliege. Ein nachfolgendes Klageverfahren beim Sozialgericht Koblenz (S 10 I 140/93) blieb für die Klägerin ohne Erfolg. Das Sozialgericht Koblenz wies ihre Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 09.02.1994 ab, weil die Klägerin nach den bis dahin eingeholten orthopädischen Gutachten von C und N (Bl. 164 ff, 200 ff des medizinischen Teils der Rentenakte) weder als berufsunfähig noch als erwerbsunfähig anzusehen sei. Die Klägerin sei nämlich auch mit den Befunden auf orthopädischem Fachgebiet noch vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gewesen, auf den sie verweisbar sei als zuletzt nur angelernte Angestellte in BAT IX bzw. Arbeiterin. Für die zuletzt ausgeübten Arbeiten sei eine reguläre Ausbildung nicht erforderlich gewesen. Auf den früheren Berufsschutz als gelernte Frisörin könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil sie sich die für diese Tätigkeit gezahlten Rentenversicherungsbeiträge habe erstatten lassen.

Am 19.09.1995 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, der an die Beklagte zuständigkeitshalber (zuständigkeitshalber deshalb, weil die Klägerin seit ca. 1993/1994 sich regelmäßig auf Lanzarote aufhielt, Bl. 280 der Rentenakte, mit der Folge einer Zuständigkeit der Beklagten für Versicherte in Spanien) abgegeben wurde. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine medizinische stationäre Reha-Maßnahme, die vom 24.09. bis 15.10.1996 in Bad O stattfand. Aus dieser Maßnahme wurde die Klägerin nach dem Entlassungsbericht (Bd. 5 der Rentenakte, Bl. 715 ff des medizinischen Teils) auch unter Berücksichtigung der Diagnosen auch auf orthopädischem Fachgebiet als arbeitsfähig entlassen. Es bestehe noch vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, zum Teil im Sitzen, zum Teil im Stehen, zum Teil im Gehen. Es bestehe wegen eines grippalen Infektes lediglich noch Arbeitsunfähigkeit für eine Woche. Nach einer weiteren Untersuchung in Spanien durch K1 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit ab, mit dem Bescheid vom 10.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.1997. Zur Begründung führte sie aus, es liege weder Erwerbsunfähigkeit noch Berufsunfähigkeit vor. Außerdem wären auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente schon nicht erfüllt, weil in den letzten fünf Jahren vor Rentenantragstellung nur zwei Jahre und neun Monate mit Pflichtbeiträgen vorliegen würden. Die Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ergebe sich daraus, dass nach dem 30.09.1993 keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten vorliegen würden.

Eine dagegen erhobene erste Klage beim Sozialgericht Düsseldorf blieb für die Klägerin ohne Erfolg. Mit dem rechtskräftigem Urteil vom 29.06.1999 (S 14 RJ 257/97) wies das Sozialgericht Düsseldorf die Klage ab. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die Klage sei schon deshalb abzuweisen, weil die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nicht erfüllen könne. Weder komme eine lückenschließende Nachzahlung freiwilliger Beiträge im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in Betracht, noch führe die Tatsache der Pflege der Mutter der Klägerin hier zur Berücksichtigung zusätzlicher ausreichender Pflegeversicherungsbeiträge zur Rentenversicherung. Dazu sei zwar noch ein Verwaltungsverfahren bei der Pflegekasse anhängig, aber es stünden nur Pflegeleistungen und Pflegebeiträge ab dem 01.04.1996 (also ab Antragstellung bei der Pflegekasse) im Streit. Mit etwaigen solchen Beiträgen erst ab 01.04.1996 könnten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch nicht im maßgeblichen Zeitraum erfüllt werden, weshalb der Fortgang des Antrages bei der Pflegekasse ohne Bedeutung für das Rentenverfahren sei. Die Klägerin habe auch weitere rentenrechtliche Zeiten in bisherigen Lücken nicht nachgewiesen oder geltend gemacht, so dass es bei der Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bleibe. Ob die Klägerin also erwerbsunfähig oder berufsunfähig sei, könne deshalb dahingestellt bleiben und es sei der Klägerin unbenommen, im Fall ihr günstiger Entscheidung der Pflegekasse später bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag zu stellen.

Ein solcher Überprüfungsantrag wurde von der Klägerin vorsorglich bereits unter dem 27.08.1999 bei der Beklagten gestellt, wo er am 31.08.1999 einging (Bl. 612 ff der Verwaltungsakte der Beklagten). In diesem Überprüfungsantrag heißt es, dass man abhängig vom Ausgang des Rechtswegs gegen die Barmer Ersatzkasse zu gegebener Zeit auf diesen Überprüfungsantrag zukommen werde oder ihn aber zurückziehen werde (Bl. 613 der Verwaltungsakte).

Im Rahmen eines späteren Klageverfahrens der Klägerin (S 39 P 46/99) gegen ihre Pflegekasse, unter Beiladung der LVA Rheinprovinz, erkannten letztere und die Pflegekasse zur Erledigung dieses Rechtsstreits im Frühjahr 2005 an, dass für die Klägerin noch Rentenversicherungspflichtbeiträge aus Pflege in ihrem Versicherungskonto zu berücksichtigen seien, und zwar vom 01.04.1996 bis zum 06.07.1997.

Schließlich beantragte die Klägerin am 16.08.2005 bei der Beklagten nochmal ausdrücklich, die Bescheide vom 10.06. und 04.11.1997 zu überprüfen und ihr nunmehr doch Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit aufgrund des Antrages vom 19.09.1995 zu gewähren, dies bereits seit dem 01.10.1995. Dazu fügte sie ein Schreiben der BEK bei, wonach jetzt über die bereits anerkannten Pflegeversicherungsbeiträge hinaus auch für die Zeit vom 01.04.1995 bis 31.03.1996 Rentenversicherungsbeiträge aus Pflege anerkannt und abgeführt wurden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.11.2005 lehnte die Beklagte weiterhin eine Rentengewährung sowie eine dahingehende Abänderung ihrer Bescheide von 1997 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin erfülle zwar doch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente mit einem Versicherungsfall-Datum vom 19.09.1995. Die Klägerin sei aber bereits damals als vollschichtig leistungsfähig angesehen worden für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie als angelernte Arbeiterin verweisbar sei, und jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erwerbsunfähig oder berufsunfähig gewesen.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, das Sozialgericht habe im Urteil vom Juni 1999 wegen der Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aus damaliger Sicht es ausdrücklich offen gelassen, ob sie seit September 1995 erwerbsunfähig oder berufsunfähig sei. Deshalb sei es damals zu ihren Ungunsten nicht zur notwendigen ausreichenden Amtsermittlung und zu ihrem Beweisnotstand gekommen, was nicht zu ihren Nachteil gereichen dürfe. Deswegen müsse es zu ihren Gunsten jetzt zumindest zur Umkehr der Beweislast kommen, also Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit seit 1995 angenommen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Beklagte zunächst weiterhin davon ausgehe, dass die Klägerin seit 1995 zu beurteilen sei wie eine ungelernte bzw. angelernte Arbeiterin. Ein Berufsschutz bestehe nicht; das habe auch schon das Sozialgericht Koblenz 1994 festgestellt. Ausgehend von einer Beurteilung der Klägerin in Bezug auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sei hier aber davon auszugehen, dass dafür 1995 noch ein ausreichendes vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden habe. Dies ergebe sich aus den hier vorliegenden medizinischen Unterlagen. Bei der Klägerin stünden Erkrankungen des Bewegungsapparates im Vordergrund. Damit habe sie auch den Rentenantrag begründet. Aus der entsprechenden stationären Rehabilitationsmaßnahme sei sie als leistungsfähig für leichte einfache Tätigkeiten mit vollschichtiger Leistungsfähigkeit entlassen worden. Ein dauerhaft aufgehobenes Leistungsvermögen sei auch durch weitere Diagnosen wie Neigung zu Depressionen usw. nicht zu begründen.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 22.06.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Außerdem erscheine der Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik von 1996 nicht als ausreichende Grundlage, zumal sie auch psychologische Begleitung benötigt hätte. Das werde durch den damaligen nervenärztlichen Bericht des 1996 behandelnden Arztes F unterstützt. Außerdem seien auch Befunde auf internistischem Fachgebiet nicht näher abgeklärt worden, auch ein nervenärztliches Gutachten sei damals nicht eingeholt worden, obwohl der Beratungsarzt der Beklagten dies eigentlich so verfügt habe. Entgegen dessen Verfügung sei es nur zu dem Angebot der Rehabilitationsmaßnahme gekommen, die ihr aber nicht weiter geholfen habe und keine ausreichende Beurteilungsgrundlage darstelle. Deshalb mache sie weiterhin eine Umkehr der Beweislast geltend.

Ausgehend von dem Überprüfungsantrag, den sie schon 1999 gestellt habe, sei im Fall der Zuerkennung einer Rente diese auch rückwirkend seit Oktober 1995 zuerkennbar.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2006 zu verurteilen, ihr - unter Rücknahme des Bescheides vom 10.06.1997 und des Widerspruchsbescheides vom 04.11.1997 - Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit nach §§ 44, 43 SGB VI in der Fassung vor 2001, hilfsweise wegen Erwerbsminderung nach §§ 240, 43 SGB VI in der Fassung ab 01.01.2001, auf der Grundlage eines Versicherungsfalls vom 19.09.1995 ab dem 01.10.1995 bis zum 30.06.2006 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, weiter hilfsweise zuvor medizinische Gutachten nach Aktenlage einzuholen auf internistischem, orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet, so wie damals vom Beratungsarzt der Beklagten verfügt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend trägt sie vor, der Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik sei ausführlich und für sie ausreichende Grundlage für die Beurteilung von Erwerbsfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum vom 19.09.1995 bis zum Entlassungstag (15.10.1996). Für Zeiten nach 1995 wären ohnehin wiederum die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, auch nicht mit den Pflichtbeiträgen aus der Pflege der Mutter der Klägerin. Befunde vor 1996, die die Leistungsfähigkeit für nur leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes dauerhaft beeinträchtigen würden, seien nicht festzustellen gewesen. Allein auf die Berichte behandelnder Ärzte könne eine Entscheidung nur im Sinne der Klägerin ohnehin nicht gestützt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und den Inhalt der Vorprozessakte S 39 P 46/99 bzw. L 6 P 9/05 und den Inhalt der Vorprozessakte S 14 RJ 257/97 Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2006, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung für die Zeit von Oktober 1995 bis Juni 2006 abgelehnt hat; die Beklagte war daher auch nicht verpflichtet, ihre Bescheide vom 10.06.1996 und 04.11.1997 nach § 44 SGB X zurückzunehmen und das dahingehende Begehren der Klägerin nach entsprechender Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit abzulehnen.

Die Klage hat keinen Erfolg, weil die Klägerin im hier maßgeblichen Zeitraum vom 19.09.1995 bis 31.12.1995 nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als erwerbsunfähig oder berufsunfähig angesehen werden kann. Zwar lägen bei der Klägerin unter Berücksichtigung auch des Überprüfungsantrages von 1999 alle Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit vor, auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, wenn die Klägerin schon im Zeitraum vom 19.09.1995 bis Ende 1995 erwerbsunfähig oder berufsunfähig war (für einen Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit oder Erwerbsminderung erst nach 1995 lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vor, weil die Klägerin eine große Lücke im Versicherungsverlauf vom Oktober 1993 bis März 1995 hat, die auch durch Pflegeversicherungsbeiträge nicht geschlossen werden kann). Die Kammer kann jedoch nicht mit der erforderlichen mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Klägerin bereits bis Ende 1995 erwerbsunfähig oder berufsunfähig gewesen ist. Was die gesetzliche Definition von Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nach den maßgeblichen Vorschriften der §§ 44, 43 SGB VI in der Fassung vor 2001 angeht, so wird gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen auf Seite 2 des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2006; dort hat die Beklagte den Wortlaut dieser Vorschriften bereits wiedergegeben. Erwerbsunfähigkeit oder auch nur Berufsunfähigkeit im Sinne dieser vorgenannten Definitionen lag hier aber nicht vor, weil die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum bis Ende 1995 nach Lage der medizinischen Unterlagen, insbesondere des Entlassungsberichtes der Reha-Klinik, als noch vollschichtig leistungsfähig - also 8 Stunden täglich leistungsfähig - angesehen werden muss für leichte einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, zum Teil im Stehen, Gehen oder Sitzen. Dass die Klägerin auch als ehemalige gelernte Friseurin nur wie eine angelernte Arbeiterin oder Angestellte zu beurteilen ist, ergibt sich nämlich zutreffend schon aus den Ausführungen des Sozialgerichts Koblenz im Urteil vom 09.02.1994. Dort wurde überzeugend dargelegt, dass die Klägerin sich auf einen etwaigen früheren Berufsschutz als Friseurin schon deshalb nicht mehr berufen kann, weil sie sich die für die Tätigkeit als Friseurin bis 1962 entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung später erstatten ließ. Nach § 210 Abs. 6 Satz 3 SGB VI bzw. schon nach den Vorgängervorschriften in der RVO und im AVG bestehen nämlich Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr, insoweit wurde mit der Erstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst, so dass die Klägerin aus früherer Tätigkeit als Friseurin keine Rechte herleiten kann, auch nicht zur Begründung einer "Berufsunfähigkeit". Berufsunfähigkeit bzw. eingeschränkte Verweisbarkeit nach § 43 SGB VI in der Fassung vor 2001 kommt damit nicht mehr in Betracht. Infolgedessen stellt sich also allein die Frage, ob die Klägerin als lediglich ungelernte bzw. angelernte Arbeiterin oder Angestellte entsprechend den Ausführungen auch des Sozialgerichts Koblenz im maßgeblichen Zeitraum vom 19.09.1995 bis Ende 1995 als nicht mehr ausreichend leistungsfähig bzw. als jedenfalls nicht mehr 8 Stunden leistungsfähig angesehen werden muss für leichte einfache Tätigkeiten des gesamten allgemeinen Arbeitsmarktes. Dies kann nicht bejaht werden; dagegen spricht nämlich massiv die Beurteilung im Entlassungsbericht vom Oktober 1996 der Reha-Klinik. Aufgrund der damals angestellten Erhebungen anlässlich auch 3-wöchiger Beobachtung der Klägerin und aufgrund auch der Erhebungen bei der Abschlussuntersuchung konnten zwar Funktionseinschränkungen festgestellt werden, auch bei dem Zustand nach Umstellungsosteotomie und Bandscheiben-Prolaps und diversen anderen Erkrankungen des Bewegungsapparates. Es mag auch sein, dass bei der Klägerin noch Schmerzen verblieben waren und das Gangbild hinkend war. Die Reha-Klinik hat jedoch nur eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit für den Beruf als Kellnerin - der bekanntermaßen fast nur im Stehen und Gehen ausgeübt wird - festgestellt. Die Aussage im Entlassungsbericht, dass die Klägerin noch vollschichtig einsetzbar für leichte einfache Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ist, kann zur Überzeugung der Kammer aus heutiger Sicht aber nicht mehr hinreichend entkräftet werden und eine darüber hinausgehende Leistungseinschränkung nicht wahrscheinlich gemacht werden, auch nicht durch Gutachten. Nunmehr 12 Jahre nach dem maßgeblichen Zeitraum in 1995 sieht die Kammer keine Veranlassung, jetzt zu einem so lange zurückliegenden Krankheitsbild noch Gutachten einzuholen, auch nicht nach Aktenlage. Dazu bieten nämlich auch die in der Akte befindlichen Berichte keine ausreichenden Anhaltspunkte. So liegt zwar ein Bericht eines Nervenarztes F vom 18.06.1996 vor, der die Klägerin an diesem Tag untersucht hatte. Er hat die Beurteilung auch geäußert, er sehe die Patientin als erwerbsunfähig an. Jedoch ist Zurückhaltung bei der Beurteilung von Berichten allein behandelnder Ärzte geboten, weil diese in der Regel ihre Patienten eher unterstützen möchten. Außerdem hat F die Klägerin erst am 18.06.1996 untersucht, also zu einem Zeitpunkt, für den die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente ohnehin nicht mehr vorliegen würden. Über den Gesundheitszustand für die Zeit davor liegen aus Sicht der Kammer auch keine verlässlichen hinreichenden Anhaltspunkte vor, die wahrscheinlich machen würden, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin weiter und auch dauerhaft und regelmäßig eingeschränkt sei als in dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik beschrieben. Außerdem wurde der Rentenantrag schon früher primär begründet mit Erkrankungen des Bewegungsapparates. Auch aus dem Bericht von K2 vom 18.06.1996 lässt sich keine eindeutige Diagnose für Zeiten vor 1996 ableiten, allenfalls Verdachtsdiagnosen und Spekulationen. Letztlich nahm K2 unter dem 21.06.1996 auf psychischem Gebiet auch nur ein leichtes organisches Psychosyndrom an und nicht schlechthin ein aufgehobenes Leistungsvermögen (Bl. 674 des medizinischen Teils der Verwaltungsakte in Band V). Auch weitere Arztberichte zu weitergehenden Diagnosen auch auf internistischem Fachgebiet betreffen primär die Zeiträume nach 1995, sodass nicht anzunehmen ist, dass durch Gutachten heute noch eine schwerwiegendere Leistungseinschränkung für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festgestellt werden könnte als dies die Klinik im Entlassungsbericht angenommen hat. Das gilt auch und gerade für die Einholung von Gutachten nach Aktenlage, denn diese müssten auch frühere Befunde nach ihrer funktionalen Gewichtigkeit werten können, was sich - wie oben dargelegt - so aus den Berichten nicht ableiten lässt. Wirklich gravierende Diagnosen und Befunde aus der Zeit vor 1996 sind nicht erkennbar, jedenfalls nicht organischer Art, sodass ein internistisches oder orthopädisches Gutachten eine untervollschichtige Leistungsfähigkeit zur Überzeugung der Kammer heute nicht mehr wahrscheinlich machen könnte. Was die Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens angeht, sei es auch nach Aktenlage, so ist auf die dazu ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts hinzuweisen, wonach eine allein auf schriftlichen Grundlagen beruhende medizinische Beurteilung einer neurologisch-psychiatrischen Fragestellung gerade wegen des Fehlens einer persönlichen Untersuchung im allgemeinen nicht als ausreichend erachtet werden kann und nicht als ausreichend beweiskräftig angesehen werden kann (vgl. BSG 9/9a RV 5/92 vom 10.02.1993; LSG NRW L 7 V 71/90 vom 25.10.1990 und LSG NRW Urteil vom 23.04.1999 - L 3 RA 60/98).

Die Folge fortbestehender Zweifel hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsfähigkeit oder Berufsunfähigkeit treffen hier die Klägerin nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt (BSG Urteil vom 28.08.1991 - 13/5 RJ 47/90).

Es greift auch nicht zu Gunsten des Klägerin hier eine Umkehr der Beweislast ein. Eine solche Umkehr der Beweislast gibt es im geltenden Prozessrecht grundsätzlich nicht. Ausnahmen können allenfalls in Betracht kommen, wenn dies gesetzlich ausdrücklich so angeordnet ist - was hier nicht der Fall ist - oder aber wenn hier allgemeine Rechtsgrundsätze dies gebieten. Davon kann aber nicht die Rede sein. Nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 444 der Zivilprozessordnung kann zwar im Einzelfall eine Umkehr der Beweislast eintreten, wenn eine nicht beweisbelastete Partei z. B. eine Urkunde oder ein sonstiges Beweismittel hat, das sie vorsätzlich oder zumindest fahrlässig nicht vorlegt, obwohl es der Gegenpartei hülfe, oder wenn die nicht beweisbelastete Partei - hier die Beklagte - rechtswidrig von einem für sie gebotenen Beweismittel nicht Gebrauch gemacht hat, mit anderen Worten: wenn die Beklagte hier rechtswidrig es unterlassen hätte, zu einem früheren Zeitpunkt über den Gesundheitszustand der Klägerin Gutachten einzuholen. Das ist aber nicht der Fall. Die Beklagte hat immerhin aufgrund der Berichte in ihrer Verwaltungsakte eine stationäre 3-wöchige Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt; sie wäre aber nicht einmal dazu verpflichtet gewesen, denn im Jahr 1995 war angesichts der Rechtsunsicherheiten hinsichtlich von Pflegeversicherungsbeiträgen für im Ausland gepflegte Angehörige damals noch davon auszugehen, dass die Klägerin schon die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente nicht erfüllen würde (so auch die Begründung der Bescheide vom 10.06. und 04.11.1997). Zwar war damals die Rechtsfrage zwischen der Kläger und ihrer Pflegekasse bzw. der Rentenversicherung noch nicht abschließend geklärt, ob für Pflege eines Angehörigen im Ausland auch Rentenversicherungspflichtbeiträge in Betracht kommen, doch stand von vornherein immer nur im Streit, ob solche eventuellen Pflegeversicherungsbeiträge (erst) ab 01. April 1996 in Betracht kommen würden. Dies lässt sich unschwer aus dem Vorprozess S 14 RJ 257/97 und dem Vorprozess S 39 P 46/99 entnehmen. Allein mit solchen Beiträgen ab April 1996 konnten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung aber auch nicht herbeigeführt werden. Bei dieser Sachlage konnte weder für die Beklagte noch für das Sozialgericht Düsseldorf im Vorprozess S 14 RJ 257/97 relevant sein, auch noch medizinische Ermittlungen durch Gutachten anzustellen; Veranlassung dazu war aus damaliger Sicht nicht gegeben und hätte allenfalls dann bestehen können, wenn schon im Vorprozess geltend gemacht worden wäre, dass auch Rentenversicherungspflichtbeiträge als Pflegeperson ab April 1995 im Streit stehen. Wie dann das Verfahren der 14. Kammer ausgegangen wäre, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Jedenfalls haben weder die Beklagte noch das Sozialgericht Düsseldorf früher rechtlich eine Veranlassung zur Einholung von Gutachten gehabt, sodass hier eine Umkehr der Beweislast zu Gunsten der Klägerin nicht in Betracht kommen kann. Vielmehr ist es eigentlich eher der klägerischen Seite selbst zuzurechnen, dass nicht schon in den Vorprozessen geltend gemacht wurde, dass Leistungen der Pflegeversicherung bzw. Rentenversicherungsbeiträge auch ab April 1995 in Betracht kommen könnten; letzteres wurde auch erst mit dem Überprüfungsantrag vom 16.08.2005 in das Verwaltungsverfahren eingeführt, mit dem Schreiben der BEK vom 21.07.2005 (Bl. 635 der Verwaltungsakte).

Damit waren auch die Hilfsanträge abzuweisen, auch der Hilfsantrag auf Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 240, 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung; denn mit diesen Vorschriften hat sich hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Klägerin nichts geändert, sodass also auch Leistungsminderungen bzw. Erwerbsminderungen erst nach 1995 hier weiterhin ohne Relevanz für das Verfahren sind. Hat zudem - wie von der Kammer angenommen wurde - noch 1995 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestanden, so kommt auch eine allgemeine volle oder teilweise Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit im Sinne der §§ 43, 240 SGB VI neuer Fassung nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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