L 7 Ka 835/92

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 27 Ka 2671/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 835/92
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Bescheid des Beschwerdeausschusses in der kassenzahnärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung enthält dann keine Gründe, wenn er später als fünf Monate nach der Beschlußfassung schriftlich abgefaßt und unterschrieben (abgesetzt) an die Verwaltung gelangt zum Zwecke der Zustellung (Weiterentwicklung BSG vom 21. April 1993 – 14 a RKa 11/92 – Übernahme der Grundsätze des Beschlusses des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92).
Bemerkung
I. Die Berufungen der Beigeladenen zu 2) und zu 3) gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 1992 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat.

II. Der Beklagte und die Beigeladenen haben den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um Honorarkürzungen aus dem Primärkassenbereich hinsichtlich der Quartale II/86 bis IV/87.

Die Kläger waren seit 1979 in Bad Hersfeld als Zahnärzte niedergelassen und als Kassenzahnärzte (heute Vertragszahnärzte) in einer Gemeinschaftspraxis zugelassen. Seit dem 1. Januar 1988 ist die Gemeinschaftspraxis aufgehoben.

Für die Praxis und die Honorarabrechnungen der Kläger ergeben sich in den streitbefangenen Quartalen folgende statistische Werte, wobei evtl. Vergleichszahlen der hessischen Zahnärzte jeweils in Klammern angegeben sind:

Überschreitungen in %
Quartale Patienten Fallwert Fallwert Ä 1 (Ber) Nr. 10 (ÜZ) Nr. 12 (bMF) Nr. 49 (Exc 1)
II/86 380 (227) 117 (87) 34,5 23 316 197 1021
III/86 382 (216) 105 (87) 20,7 17 252 139 725
IV/86 433 (224) 108 (89) 21,3 17 254 155 528
I/87 398 (227) 102 (92) 10,9 39 186 155 469
II/87 369 (215) 104 (85) 22,3 33 327 152 772
III/87 391 (210) 96 (88) 9,1 36 272 88 540
IV/87 414 (224) 108 (89) 21,3 43 293 147 495
Legende: Ä 1 (Ber) = Beratung eines Kranken
Nr. 10 (üZ) = Behandlung überempfindlicher Zahnflächen, für jede Sitzung
Nr. 12 (bMF) = Besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen ( ) je Sitzung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich Nr.
49 (Exc 1) = Excision von Schleimhaut oder Granulationsgewebe für das Gebiet eines Zahnes

Am 13. September 1988 beantragte die AOK Hersfeld-Rotenburg über ihren Landesverband die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Kläger für die Quartale II/86 bis I/88 und beanstandete die Abrechnungsweise hinsichtlich der Leistungspositionen Ä 1, 10, 12, 25, 26, 40, 41 a, 49, 105, 106, 107 sowie mehrere Einzelfälle.

Mit Beschluss vom 7. Februar 1990 kürzte der RVO-Prüfungsausschuß III die Honoraranforderungen der Kläger hinsichtlich der streitbefangenen Quartale um DM 5.577,48 und erteilte Hinweise bezüglich der Leistungspositionen 25 (Cp) und 26 (P) sowie 40 (I) und 41 a (L 1). Die Honorarkürzungen waren aufgegliedert auf die Leistungen Ä 1 (I/87 und IV/87), Nr. 10 (II/86 bis IV/87), Nr. 12 (II/86 bis IV/87), Nr. 49 (II/86 bis IV/87) und getrennt nach den einzelnen Quartalen erfaßt. Ferner waren vier Einzelbeanstandungen angeführt. Der Beschluss wurde am 25. Juni 1990 ausgefertigt und den Klägern am 29. Juni 1990 zugestellt.

Hiergegen haben die Kläger am 26. Juli 1990 Widerspruch erhoben. Mit Beschluss vom 17. April 1991 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und bemängelte, daß die Kläger weder an der Verhandlung teilgenommen noch die aufgegebenen Röntgen-Aufnahmen und Karteikarten zur Verfügung gestellt hätten. Die Kläger hätten keinerlei Praxisbesonderheiten oder kompensationsfähige Einsparungen vorgetragen. Trotzdem habe der Beklagte den Versuch unternommen, Besonderheiten der Praxis möglicherweise aus der Durchsicht der Krankenscheine oder Auswertung der Prüfrichtzahlen aufzudecken. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Beklagte sei rechtlich nicht in der Lage, auf Unterlagen des Vd.A.K-Bereiches zurückzugreifen, wie die Kläger es gewünscht hätten. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1991 versandte der Beklagte den Beschluss.

Hiergegen haben die Kläger am 25. Oktober 1991 Klage erhoben und die Einrede der Verjährung erhoben. Die Kläger haben ferner vorgetragen, daß der Beklagte sich ausschließlich auf die Überprüfung einzelner Gebührenordnungspositionen beschränkt und den Gesamtfallwert unberücksichtigt gelassen habe. Die Verpflichtung der Prüfinstanzen zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit erstrecke sich auf die gesamte Behandlungstätigkeit. Hätte der Beklagte dies befolgt, wäre ersichtlich gewesen, daß die Überschreitung der beanstandeten Positionen durch Unterschreitungen in anderen Leistungsbereichen bei weitem kompensiert worden wären.

Mit Urteil vom 10. Juni 1992 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main den Beschluss des Beklagten vom 17. April 1991 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Widerspruch der Kläger gegen den Ursprungs-Bescheid vom 7. Februar 1990 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. In der Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Prüfungsanspruch sei hinsichtlich der Quartale II/86 bis III/87 verjährt. Hinsichtlich des Quartals IV/87 seien die Kürzungen im Bereich der Leistungsziffer Ä 1 zu beanstanden, da es sich hierbei um eine gebührenordnungsmäßige Beanstandung handele. Soweit diese nicht von der Beigeladenen zu 1) vorgenommen werde, sei der Beklagte verpflichtet, vor einer Überprüfung der Wirtschaftlichkeit diese selbst vorzunehmen und auf deren Grundlage die statistischen Vergleichswerte neu zu berechnen. Eine Pauschalschätzung von gebührenordnungsmäßigen Berichtigungen sei nicht zulässig, auch dürfe sie nicht mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung vermischt werden. Dagegen seien die Kürzungen im Bereich der Leistungsziffern 10, 12 und 49 nicht zu beanstanden. Insoweit sei der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit erbracht. Die Überschreitungen der Kläger lägen in diesen Leistungspositionen im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses. Die von den Klägern erwähnten Verfahrensmängel seien nicht ersichtlich. Die falschen Zahlen im Antrag der AOK seien berichtigt worden. Den Klägern sei ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die allgemeinen Hinweise der Kläger auf Einsparungen genügten den Anforderungen an eine Substantiierungspflicht nicht.

Gegen das ihm am 11. September 1992 zugestellte Urteil hat der Beigeladene zu 3) am 25. September 1992, gegen das ihr am 14. September 1992 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 2) am 29. September 1992 Berufung eingelegt.

Der Beigeladene zu 3) trägt vor, nachdem zwischenzeitlich der 14 a Senat des Bundessozialgerichts (BSG) durch Urteil vom 16. Juni 1993 (14 a RKa 4/92) entschieden habe, daß eine vierjährige Verjährungsfrist bestehe, sei nunmehr davon auszugehen, daß die beanstandeten Quartale nicht der Verjährung unterlegen hätten und insoweit die Feststellungen des Beschwerdeausschusses zutreffend seien. Hinsichtlich der 5-Monats-Frist zwischen Verkündung und Absetzung sei die zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung geltende Rechtslage zu beachten, die eine Frist von einem Jahr vorgesehen habe. Gleichfalls habe dies auch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 18. August 1992 – 12 RK 37/92 – entschieden.

Die Beigeladene zu 2) trägt vor, die 35 gekürzten Leistungen nach Position. Ä 1 hätten ein Volumen von DM 261,51. Soweit das Sozialgericht den Bescheid des Prüfungsausschusses dahin zitiere, daß es sich insoweit um einen Abrechnungsfehler handele, werde dieses verkürzte Zitat den wahren Verhältnissen nicht gerecht, da u.a. auch der Text der Abrechnungsbestimmung Nr. 6 zur Bema 01 zitiert werde. Es handele sich auch nicht um eine reine Frage der Abrechnungstechnik, sondern die Grenzen zwischen sachlicher und rechnerischer Prüfung und Wirtschaftlichkeitsprüfung seien fließend. Der Beklagte habe – im wesentlichen durch das Sozialgericht Frankfurt am Main bestätigt – zu Recht eine unwirtschaftliche Behandlungsweise festgestellt. Die Beigeladene zu 2) trägt ferner vor, das Bundessozialgericht habe am 21. April 1993 dem Beschwerdeausschuß eine Frist von einem Jahr zur Ausfertigung der Bescheide eingeräumt. Sechs Tage später sei für die Gerichte (durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes) hinsichtlich der Ausfertigung von Urteilen eine Frist von fünf Monaten beschlossen worden, die nun ebenfalls den Beschwerdeausschüssen übergestülpt werden solle. Der richtige Weg müsse sein, solche Änderungen nur für zukünftige Fälle zu berücksichtigen, aber nicht rückwirkend. Sachlich gebe es auch Unterschiede zwischen den Verfahren bei Gericht und dem Beschwerdeausschuß. So würden bei dem Beschwerdeausschuß Einzelfallentscheidungen detailliert mitnotiert, teilweise sogar Tonbandaufzeichnungen gefertigt. Dies sei Gewähr dafür, daß die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses mit den entsprechenden Gründen versehen seien.

Die Beigeladene zu 1) trägt vor, der Absendetermin der Beschlüsse sei identisch mit dem Zeitpunkt der Ausfertigung. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil vom 21. April 1993 – 14 a RKa 11/92) sei die Beurkundungsfunktion eines Beschwerdeausschußbescheides nach einem Zeitablauf von mindestens einem Jahr als unwiderleglich gefährdet anzusehen. Die Übertragung der vom gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe entwickelten fünfmonatigen Urteilsabsetzungsfrist würde zu einer rückwirkenden Verkürzung der bisherigen Frist um mehr als die Hälfte führen, und zwar automatisch ohne daß es auf die individuellen Verhältnisse des Falles ankäme. Nehme man schließlich die teilweise schwierigen und zeitaufwendigen verwaltungstechnischen Abläufe hinzu, so erscheine eine Frist von fünf Monaten nicht als ausreichend. Es sei auch auf den Widerspruch zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB 10 hinzuweisen, der eine Heilung von Begründungsmängeln erlaube.

Die Beigeladene zu 6) trägt vor, der Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 (GmS-OGB 1/92) finde auf das vorliegende Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung keine Anwendung, weil das Bundessozialgericht zu § 106 SGB V im Urteil vom 16. Juni 1993 (14 a/6 RKa 37/91) eine spezielle Regelung getroffen habe. Danach müsse der die Wirtschaftlichkeitsprüfung abschließende Honorarkürzungsbescheid vier Jahre nach der vorläufigen Honorarabrechnung zugestellt werden. Wenn das Bundessozialgericht in diesem Urteil ferner feststelle, daß der Prüfbescheid am 29. September 1982 beschlossen, am 19. April 1983 ausgefertigt und am 21. April 1983 zugestellt worden sei, hätte es keiner Zurückverweisung und Veranlassung zur Prüfung der Zustellung der Bescheide bedurft, wenn der oben genannte Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 zu berücksichtigen wäre, weil zwischen Beschlussfassung und Bescheidausfertigung ein Zeitraum von rund sieben Monate liege und damit die 5-Monats-Frist überschritten werde.

Die Beigeladenen zu 1) bis 7) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Kläger beantragen,
die Berufungen zurückzuweisen.

Die Kläger tragen vor, es müsse mit Nichtwissen bestritten werden, daß der Beschluss vom 17. April 1991 innerhalb des 5-Monats-Zeitraums vollständig zu den Akten gelangt sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufungen sind auch zulässig.

Der Senat konnte auch in Abwesenheit von Beteiligten verhandeln und entscheiden, da alle Beteiligten rechtzeitig und ordnungsgemäß zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 1993 geladen und dabei darauf hingewiesen worden waren, daß auch im Falle der Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne.

Die Berufungen der Beigeladenen zu 2) und zu 3) sind nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 10. Juni 1992 den angefochtenen Beschluss des Beklagten vom 17. April 1991 aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung des Widerspruchs der Kläger gegen den Ursprungs-Bescheid vom 7. Februar 1990 verurteilt. Soweit dem Beklagten die Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts aufgegeben wurde, hat dieser allerdings nur die abweichende Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 17. April 1991 ist rechtswidrig. Er ist wegen verspäteter Absetzung der Gründe so zu behandeln, als ob er nicht mit Gründen versehen ist, § 35 Abs. 1 SGB X. Der Beschluss wurde nach den Angaben der Beigeladenen zu 1) erst am 14. Oktober 1991 ausgefertigt und der Geschäftsstelle zur Zustellung übergeben, und damit später als fünf Monate nach der Entscheidung durch den Beklagten. An einen Beschluss des Beklagten im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, das als Vorverfahren i.S. § 78 SGG gilt (jetzt § 106 Abs. 5 Satz 7 SGB V, während des. Streitbefangenen Zeitraums § 368 n Abs. 5 Satz 8 RVO) sind hinsichtlich der Abfassung der die Entscheidung tragenden Gründe dieselben Anforderungen zu stellen, wie an ein Urteil (Urteil des BSG vom 21. April 1993 – 14 a RKa 11/92). Das bedeutet, daß eine ordnungsgemäße Begründung eines Urteils nur dann vorliegt, wenn sie innerhalb einer gewissen Zeitspanne nach der Entscheidung schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben wird und damit gewährleistet ist, daß die schriftlichen Gründe auch dem Inhalt der Beratung bei Treffen der Entscheidung entsprechen. Als äußerste noch zu akzeptierende Zeitspanne zur Niederlegung der Urteilsgründe wurden in den verschiedenen Gerichtszweigen zwischen 5 und 12 Monaten angenommen. Durch den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 (GmSOGB 1/92) wurde diese Zeitspanne nunmehr einheitlich für alle Gerichtszweige auf fünf Monate festgelegt (vgl. für die Sozialgerichtsbarkeit Urteil des BSG vom 12. Oktober 1993 – 13 RJ 29/92). Soweit der 14 a-Senat des BSG in seinem Urteil vom 21. April 1993 (s.o.) es dahingestellt ließ, ob die 5-Monats-Frist oder die 1-Jahres-Frist bei Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse anzuwenden sei, ist dies dahin fortzuentwickeln, daß der Mindeststandard zum Absetzen der Entscheidungsgründe bei Beschlüssen der Beschwerdeausschüsse nicht von dem bei Gerichtsurteilen abweichen kann. Denn entscheidend kommt es auf die Beurkundungsfunktion der schriftlich abgefaßten Gründe an, die das Beratungsergebnis wiedergeben sollen. Bei einer Frist von über fünf Monaten ist die Gefahr zu groß, daß das Erinnerungsvermögen schwindet und das Beratungsergebnis "eher rekonstruiert als reproduziert wird” (so GmS-OGB vom 27. April 1993). Dies betrifft alle Gerichtsbarkeiten und auch die Beschwerdeausschüsse, gleichgültig, in welcher Weise das Beratungsergebnis skizziert wird, es sei denn, daß der vollständige Text niedergelegt wird, was aber hier gerade nicht der Fall ist. Wenn die Beigeladene zu 1) von schwierigen und zeitaufwendigen verwaltungstechnischen Abläufen spricht, wird damit geradezu bestätigt, daß offenbar zumindest Teile der Begründung nachträglich niedergelegt werden. Gerade aber auch bei schwierigen Begründungsteilen muß sichergestellt werden, daß sie dem Beratungsergebnis des Ausschusses entsprechen und nicht etwa von dritter Seite nachgeliefert und dann vom Ausschußvorsitzenden abgezeichnet werden. Soweit die Beigeladene zu 1) auf die Heilungsmöglichkeit von Begründungsmängeln über § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB 10 hinweist, trifft das den vorliegenden Sachverhalt nicht. Die Nachholung der fehlenden Begründung eines Verwaltungsaktes ist zu unterscheiden von der Frage, bis zu welchem Zeitablauf die nachgelieferte Begründung des Beratungsergebnisses eines Ausschusses hinsichtlich einer Ermessensentscheidung noch verwertbar ist (vgl. Urteil BSG vom 21. April 1993 s.o, das von "Kollegialorganen mit quasijustiziellen Funktionen” spricht).

Soweit die Beigeladenen eine rückwirkende Verkürzung der bisherigen Jahresfrist für unzulässig halten, kann auch dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Es geht in Wirklichkeit nicht um die Einführung einer neuen Verfahrensfrist, sondern um die nachträgliche Bewertung, ob ein bestimmter Beschluss eine ausreichende Begründung enthält. Dabei zum erstenmal aufgestellte Regeln wirken sich immer auf alle noch in der Überprüfung befindlichen Beschlüsse aus. Dies gilt in gleicher Weise jedoch auch für alle noch nicht rechtskräftigen Urteile. Einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz der Sozialgerichte auf eine einjährige Absetzungsfrist bei Urteilen gibt es ebenfalls nicht.

Soweit die Beigeladene zu 6) aus dem Urteil des BSG vom 16. Juni 1993 (14 a/6 RKa 37/91) und der dort erkennbaren Zeitdifferenz hinsichtlich der Absetzung des Prüfbescheides (Beschluss vom 29. September 1982 – Ausfertigung 19. April 1983) folgert, der 14 a-Senat habe die 5-Monats-Frist nicht für anwendbar gehalten, vermochte dem der erkennende Senat nicht zu folgen. Eventuelle Begründungsmängel einer Entscheidung der ersten Prüfungsinstanz können entsprechend § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X durch die zweite Prüfungsinstanz nachgeholt werden.

Da der Beschluss so zu behandeln ist, als wenn er keine Gründe enthielte und bereits deshalb der Aufhebung anheimfällt, hat der erkennende Senat sich mit dem Inhalt des Beschlusses nicht mehr auseinander zu setzen.

Der Beklagte wird jedoch bei der erneuten Bescheidung des Widerspruchs der Kläger zu beachten haben, daß dokumentiert wird, wann die vollständige Fassung des Beschlusses mit Unterschriften versehen an die Geschäftsstelle gelangt und daß dies innerhalb der 5-Monats-Frist geschieht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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