L 2 An 683/90

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 An 1149/87
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 An 683/90
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 1990 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht die Anerkennung einer Kindererziehungszeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1964.

Die 1931 geborene Klägerin hat sich zusammen mit ihrem Ehemann von 1962 bis 1965 in Brasilien aufgehalten. Dort war der Ehemann als Betriebsleiter in einem selbständigen Tochterunternehmen der H. AG, F., beschäftigt; er hatte während seiner Auslandstätigkeit zwei Arbeitsverträge, und zwar einmal mit der H. AG in Deutschland und zum anderen mit der Tochtergesellschaft in Brasilien. Der Vertrag mit der Tochtergesellschaft regelte neben der Gehaltszahlung den Arbeitseinsatz bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsdauer, Arbeitsort und Art der Arbeitsausführung; insoweit unterlag der Ehemann der Klägerin dem Weisungsrecht der Tochtergesellschaft. Der Vertrag mit der H. AG war in einem allgemeinen Anstellungsvertrag und einer Ergänzungsvereinbarung geregelt; wegen weiterer Einzelheiten wird dazu auf die Auskünfte der H. AG vom 29. November 1991 und 22. Mai 1992 verwiesen. Während des Brasilienaufenthaltes wurden weder für die Klägerin noch für ihren Ehemann Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet; der Ehemann war wegen Überschreitens der Verdienstgrenze von der Versicherungspflicht befreit. Die Klägerin hat drei Kinder geboren, davon den Sohn C. W. 1963 in Brasilien.

Mit Bescheid vom 21. November 1986 entsprach die Beklagte dem Antrag der Klägerin auf Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung für die in Deutschland geborenen Töchter C. (geboren 1965) und B. (geboren 1969); hinsichtlich des Sohnes C. W. lehnte die Beklagte es ab, die Zeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1964 als Zeit der Kindererziehung nach § 28a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) anzuerkennen. Die Klägerin habe weder während der Kindererziehung in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs des Angestelltenversicherungsgesetzes bzw. der Reichsversicherungsgesetze noch unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer Beschäftigung in diesem Staat Pflichtbeitragszeiten nach dem Angestelltenversicherungsgesetz erworben. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin die Anerkennung der Kindererziehungszeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1984 für den Sohn C. W. geltend. Mit Bescheid vom 6. März 1987 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dem Begehren könne nicht stattgegeben werden, da hierzu die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Während des Aufenthalts im Ausland habe weder die Klägerin noch ihr Ehemann Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet, so daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Anrechnung von im Ausland zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung nicht erfüllt seien.

Gegen den am 11. März 1987 abgesandten Bescheid erhob die Klägerin am 8. April 1987 beim Sozialgericht Frankfurt, am Main Klage. Zwar sei richtig, daß die in § 28 Abs. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 5 Satz 1 AVG aufgeführten Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei ihr nicht vorlägen, so daß der Antrag auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten vom 1. September 1963 bis 31. August 1964 formal zu Recht abgelehnt worden sei. Die angeführten Vorschriften seien jedoch zum Teil verfassungswidrig und bedürften deshalb einer Ergänzung. Ihr Ehemann sei zum 1. August 1962 zu einer Tochtergesellschaft der H. AG nach Brasilien versetzt worden. Ohne diese Versetzung wären die Kindererziehungszeiten ohne weiteres angerechnet worden. Den Wirtschaftsunternehmen sei erst mit Wirkung vom 1. Juli 1965 die Möglichkeit eingeräumt worden, für ihre Mitarbeiter die sogenannte Pflichtversicherung auf Antrag nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 AVG durchzuführen. Hätte es bereits bei der Versetzung nach Brasilien diese Vorschrift gegeben, wäre sicherlich vor Beginn der Aufnahme der Auslandstätigkeit die Pflichtversicherung auf Antrag durchgeführt worden mit der Folge, daß auch dann Kindererziehungszeiten nach § 28a Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 2 Abs. 5 Nr. 1 und 2 AVG anerkannt worden wären. Die Vorschrift des § 28 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 2 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AVG sei insofern verfassungswidrig, als Ehefrauen von Mitarbeitern deutscher Großunternehmen, die zu Tochtergesellschaften ins Ausland versetzt würden, keinen Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten hätten. Die Auslandsdelegierten von deutschen Wirtschaftsunternehmen müßten den Beamten, die im allgemeinen überhaupt keine Bindung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung hätten, zumindest gleichgestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob die Möglichkeit der Pflichtversicherung auf Antrag nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 AVG bestanden habe oder eine Unterstellung unter die deutschen Rechtsvorschriften aufgrund des Art. 17 der EG-Verordnung 1408/71 oder eines entsprechenden bilateralen Sozialversicherungsabkommens möglich gewesen sei.

Durch Urteil vom 21. Februar 1990 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Anrechnung der Zeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1964 als Zeit der Kindererziehung für das am 21. August 1963 geborene Kind C. zu. Die Klägerin habe sich in Brasilien aufgehalten, das Kind dort geboren und erzogen. Sie habe weder während der Kindererziehung noch unmittelbar vor der Geburt Pflichtbeitragszeiten nach dem Angestelltenversicherungsgesetz aufzuweisen. Auch der Ehemann könne keine entsprechenden Pflichtbeitragszeiten vorweisen. Damit seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für das Kind C. nicht erfüllt. Die in §§ 28a Abs. 1 und 3, 2a Abs. 5 AVG enthaltenen Regelungen begegneten auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies habe bereits das Bundessozialgericht im Urteil vom 12. Juli 1988, Az.: 4/11a RA 36/87 entschieden. Es liege insbesondere kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Grundgesetz (GG) vor. Die Anknüpfung an das Bestehen von Pflichtbeitragszeiten für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten überschreite nicht die Grenzen der dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsfreiheit. Soweit die Klägerin sich auf einen Vergleich mit Ehefrauen von ins Ausland entsandten Beamten bezogen habe, sei die entsprechende Regelung in § 2a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 AVG bereits deshalb notwendig und in Ansehung des Gleichbehandlungsgebotes nicht zu beanstanden, weil ansonsten der Erziehende, der seinem nicht Versicherungspflichtigen Ehegatten ins Ausland folge, um mit ihm und dem Kind als Familie zusammenzuleben, benachteiligt wäre mit der Folge eines Verstoßes gegen die Art. 3 und 6 Abs. 1 Grundgesetz.

Gegen das ihr am 19. Mai 1990 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Juni 1990 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren auf Anerkennung der Zeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1964 als Kindererziehungszeit nach § 28 Abs. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AVG weiterverfolgt. Sofern das Gericht diesem Begehren nicht entsprechen könne, müsse die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften geprüft werden, ggf. das Verfahren nach Artikel 100 Grundgesetz (GG) ausgesetzt werden. Mit Schriftsätzen vom 13. August 1990, 20. April 1991, 20. Mai 1992 und 27. Juli 1992, auf die Bezug genommen wird, vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen unter ausführlicher Begründung. Sie meint, daß auch bei Auslandsdelegierten von Wirtschaftsunternehmen eine "Quasi-Entsendung” angenommen werden müsse mit der Folge, daß Kindererziehungszeiten anzuerkennen seien.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 1990 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 21. November 1986 sowie Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 6. März 1987 zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1964 als Kindererziehungszeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat Auskünfte der H. AG vom 29. November 1990, 22. Mai 1992 und 10. Juli 1992 eingeholt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), ist sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, daß der Klägerin kein Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 1. September 1963 bis 31. August 1964 als Zeit der Kindererziehung für das am 21. August 1963 in Brasilien geborene Kind C. W. zusteht.

Anspruchsgrundlage für die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 (§ 27 Abs. 1 c AVG) ist § 28 Abs. 1 Satz 1 AVG. Nach dieser Bestimmung in der Fassung des Artikel 7 Nr. 2 a des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2261), rückwirkend in Kraft getreten am 1. Januar 1986 (Artikel 85 Abs. 2 RRG 1992), werden für die Erfüllung der Wartezeit Müttern und Vätern, die nach dem 31. Dezember 1920 geboren sind, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet, wenn sie ihr Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben. Nach § 28 a Abs. 1 a Satz 1 AVG, eingefügt durch Artikel 7 Nr. 2 b RRG 1992, stehen der Erziehung und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Erziehung und der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze oder in Berlin vor dem 1. Februar 1949 gleich. Der nach § 28 a Abs. 3 AVG entsprechend anwendbare § 2 a Abs. 5 AVG regelt, daß dessen Absätze 1 bis 4 – sie betreffen die Kindererziehungszeiten ab 1. Januar 1986 – auch für Väter und Mütter gelten, die ihr Kind in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes erziehen und sich dort gewöhnlich mit ihm aufhalten, wenn sie wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz zurückgelegt haben; die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Ehegatten der im vorhergegangenen Satz genannten Personen (§ 2 a Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 AVG) oder der in § 6 AVG genannten versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht befreiten Personen (§ 2 a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 AVG), wenn sich beide Ehegatten mit dem Kind in demselben Staat gewöhnlich aufhalten. Die Kindererziehungszeiten werden, wenn Mutter und Vater das Kind gemeinsam erzogen haben, der Mutter angerechnet, sofern diese und der Vater nicht gegenüber dem zuständigen Rentenversicherungsträger übereinstimmend erklären, daß der Vater das Kind überwiegend erzogen hat; die gesamten Zeiten der Kindererziehung werden dann dem Vater angerechnet (§ 28 Abs. 2 AVG).

Die Erziehung des Sohnes der Klägerin fand nach Ablauf des Geburtsmonats 1963 in Brasilien und damit weder im Geltungsbereich des AVG noch im Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze statt. Eine zwischenstaatliche Gleichstellungsregelung, die eine Anrechnung ermöglichen könnte, gibt es nicht. Auch eine Vormerkung der Kindererziehungszeit nach § 28 a Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 a Abs. 5 Satz 1 und 2 AVG kommt nicht in Betracht. Die Klägerin hat zwar den Sohn in Brasilien erzogen und sich dort mit ihm gewöhnlich aufgehalten (vgl. dazu § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Weder die Klägerin noch ihr Ehemann haben jedoch "wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit” in Brasilien "während der Kindererziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt” des Kindes Pflichtbeiträge nach dem AVG entrichtet; keiner der Ehegatten hat damals auch zu den in § 6 AVG genannten versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht befreiten Personen gehört. Der Ehemann der Klägerin war vor und nach seiner Beschäftigung in Brasilien in der Bundesrepublik Deutschland als Angestellter wegen Überschreitens der damals geltenden Jahresarbeitsverdienstgrenzen nach den §§ 5 und 4 Abs. 1 Nr. 1 AVG versicherungsfrei. Weder die nach § 4 AVG noch die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 AVG a.F. versicherungsfreien Personen sind von der Versicherungspflicht befreit im Sinne von § 28 a, 2 a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 AVG. Ob insoweit eine Gesetzeslücke vorliegt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. November 1990, Az.: 5 RJ 87/89 S. 7) kann hier offenbleiben, denn während seiner Beschäftigung in Brasilien wäre der Ehemann der Klägerin auch dann nicht versicherungspflichtig gewesen, wenn sein Einkommen unter der geltenden Jahresarbeitsverdienstgrenze des § 5 AVG a.F. gelegen hätte. Insbesondere lag kein dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wegen der Ausstrahlung eines innerstaatlichen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 4 süß IV vor. Die Vorschrift, die zwar erst seit 1. Juli 1977 gilt, enthält einen bereits von der Rechtsprechung vorher entwickelten Grundsatz über die Versicherungspflicht bei Beschäftigten im Ausland. Sie setzt eine Entsendung im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereiches voraus, wobei die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt sein muß (BSG, Urteil vom 28. November 1990, Az.: 5 RJ 87/89 S. 9).

Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen war der Ehemann der Klägerin in Brasilien bei einem selbständigen Tochterunternehmen der H. AG mit einem eigenen Dienstvertrag beschäftigt. Dieser Vertrag regelte neben der Gehaltszahlung den Arbeitseinsatz bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsdauer, Arbeitsort und Art der Arbeitsausführung; insoweit unterlag der Ehemann der Klägerin dem Weisungsrecht der Tochtergesellschaft. Darüber hinaus bestanden ein allgemeiner Anstellungsvertrag und eine Ergänzungsvereinbarung mit der Fa. H. AG, in deren Betrieb der Ehemann der Klägerin während seiner Zeit in Brasilien aber nicht mehr eingegliedert war und deren Weisungsrecht er in dieser Zeit auch nicht unterlag. Damit fehlt es an einer Entsendung im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 4 SGB IV (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. November 1990, Az.: 5 RJ 87/89, S. 9). Allein das formelle Fortbestehen eines allgemeinen Vertrages mit der H. AG reicht für die Annahme einer Entsendung im Sinne von § 4 SGB IV nicht aus, wenn gleichzeitig die wesentlichen Beschäftigungsmerkmale – Eingliederung in den inländischen Betrieb und Fortbestehen des Weisungsrechts – fehlen. Daran ändert auch nichts, daß der Ehemann der Klägerin weiterhin Mitglied der betrieblichen Altersversorgung der H. AG in Deutschland geblieben ist, denn sein Arbeitsverhältnis mit der H. AG war während der Zeit seiner Eingliederung in das Tochterunternehmen in Brasilien suspendiert.

Auch über eine ausdehnende Auslegung des § 2 a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 AVG (vgl. dazu die Entscheidungen des BSG vom 12. Juli 1990, Az.: 4 RA 49/89, vom 16. August 1990, Az.: 4 RA 4/90, vom 27. September 1990, Az.: 4 RA 64/89 und 4 RA 30/90 und vom 30. Oktober 1990, Az.: 4 RA 47/90 und vom 28. Februar 1991, Az.: 4/1 RA 53/89) kann das Begehren der Klägerin keinen Erfolg haben. Nach diesen Entscheidungen hat das Bundessozialgericht über den Wortlaut der Vorschrift hinaus im Rahmen von § 2 a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 AVG rechtlich relevante Entsendungstatbestände im Sinne des Beamtenrechts oder gleichgelagerter Vorschriften solche Verhältnisse angesehen, bei denen die Beurlaubung eines Beamten zum Zwecke der Entsendung im Interesse seines Dienstherrn erfolgt war, wobei diese Entsendung von vornherein zeitlich begrenzt und ein – wenn auch bezüglich bestimmter Hauptpflichten (Arbeitsleistung) suspendiertes – Beschäftigungsverhältnis während der Entsendung fortbestanden hat, aus dem nach wie vor Rechte und Pflichten folgen (z.B. bezüglich Besoldungsdienstalter, ruhegehaltsfähige Dienstzeit, Beförderungsstatus, Nachversicherungsberechtigung). Die ausdehnende Auslegung des § 2 a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 AVG in diesen Fällen rechtfertigt sich aus der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des inländischen Beschäftigungsverhältnisses, mit dem die strengen Anforderungen einer Entsendung im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IV nicht erfüllt werden können, während dies jedoch im Vergleich und vom Wertungszusammenhang her mit den in der Vorschrift des § 6 genannten Gruppen der versicherungsfreien bzw. den von der Versicherungspflicht befreiten Personen geboten ist. In den zitierten Entscheidungen hat das Bundessozialgericht auch ausdrücklich begründet, weshalb seine Auslegung von § 2 a Abs. 5 Satz 1 und 2 AVG verfassungsgemäß ist. Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Der mit den Kindererziehungszeiten verfolgte Zweck, eine vermutete Einbuße beim Aufbau einer Anwartschaft in der deutschen Rentenversicherung auszugleichen, beruht auf der Annahme, die Inanspruchnahme durch Erziehung eines Kindes schränke vor allem die Möglichkeit ein, eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben und durch Entrichtung von Pflichtbeiträgen eigene Rentenansprüche aufzubauen (BT-Drucksache 10/2677 S. 28). Eine ausgleichsbedürftige Einbuße hinsichtlich des Erwerbs von Rentenanwartschaften ist bei Inlandsaufenthalt bzw. Inlandserziehung zu vermuten, weil grundsätzlich nur im Inland verrichtete Erwerbstätigkeiten, die von Eltern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland ausgeübt werden (§ 2 AVG; § 3 SGB IV), der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung unterliegen. Eine entsprechende Vermutung bei Eltern mit Auslandsaufenthalt und Auslandserziehung ist dann gerechtfertigt, wenn einer der Elternteile während der Kindererziehung oder bis unmittelbar vor der Geburt im Ausland eine nach deutschem Recht Versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Die Auslandserziehungen bezweckende Begünstigung von Ehegatten solcher Personen, die vom eigenen Erwerb von Pflichtbeiträgen nur deshalb ausgeschlossen sind, weil sie versicherungsfrei im Sinne § 6 AVG sind oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind (§§ 7, 8 AVG), findet ihre Rechtfertigung darin, daß diese Personen weiterhin ohne Versicherungsfreiheit oder Befreiung nach dem AVG an sich Versicherungspflichtige Beschäftigungen ausüben und es ihrem das Kind erziehenden Ehegatten ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 6 SGG nicht zum Nachteil gereichen kann, wenn er das Inland verläßt, um mit dem anderen Ehegatten und dem Kind im Ausland zusammenzuleben.

Den vorliegenden Sachverhalt kennzeichnet, daß Eltern mit Auslandsaufenthalt und Auslandserziehung, die im Ausland keine Erwerbstätigkeit oder eine allein vom ausländischen Recht erfaßte und zum inländischen Recht keinen versicherungsrechtlichen Bezug aufweisende Erwerbstätigkeit ausüben, typischerweise nicht in der Lage sind, inländische Pflichtbeitragszeiten zurückzulegen. Darüber hinaus betrifft die erweiternde Auslegung des § 2 a Abs. 5 Satz 2 AVG durch das Bundessozialgericht lediglich beamtenrechtliche Entsendungstatbestände, das heißt einen Personenkreis, der durch Versetzung bzw. Abordnung bei einem deutschen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Ausland tätig war bzw. ist. Der Ehemann der Klägerin war aber nicht im Rahmen eines beamtenrechtlichen Entsendungstatbestandes nach Brasilien versetzt, sondern im Interesse eines privaten Wirtschaftsunternehmens bei dessen Tochterunternehmen mit einem selbständigen Arbeitsverhältnis beschäftigt. Eine Gleichbehandlung dieser unterschiedlichen Sachverhalte ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, Az.: 13 RJ 3/91; Költzsch in DAng Vers. 1992 S. 26/27).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved