Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 J 153/88
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Oktober 1987 geändert, soweit die Beklagte verpflichtet worden ist, die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin um die im Rahmen des Versorgungsausgleichs erfolgte Übertragung von Rentenanwartschaften gemäß § 1304 a Abs. 4 RVO für die Zeit vor dem 1. Januar 1980 neu festzusetzen.
Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin auch für das Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Zeitpunkt, von dem an die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin wegen Übertragung von Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich neu zu berechnen ist.
In dem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main – S-16/J-508/80 – erkannte die Beklagte an, daß die Klägerin seit 27. Juni 1979 erwerbsunfähig ist und gewährte ihr durch Bescheid vom 18. September 1982 ab 1. Juli 1979 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Am 1. Oktober 1979 wurde die am 19. August 1957 geschlossene Ehe der Klägerin mit H. H. Sch. geschieden; das Scheidungsurteil ist seit dem 3. Dezember 1979 rechtskräftig. Das gemäß § 628 Abs. 1 Satz 3 Zivilprozeßordnung (ZPO) abgetrennte Verfahren zum Versorgungsausgleich ist am 9. Januar 1984 durch Beschluß des Amtsgerichts – Familiengerichts – entschieden worden; der Beschluß ist seit dem 18. Mai 1984 wirksam bzw. rechtskräftig. Die Auskunft über die nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) auszugleichende Versorgung hatte die Beklagte dem Familiengericht zuletzt am 19. Oktober 1983 erteilt. Mit Bescheid vom 19. Juli 1984 berechnete die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin wegen Übertragung von Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich ab 1. Juni 1984 neu. Dagegen erhob die Klägerin am 20. August 1984 Widerspruch mit der Begründung, die Neuberechnung sei rückwirkend auf den 1. Oktober 1979 vorzunehmen, da die Ehe zu diesem Zeitpunkt geschieden worden sei. Daß das Amtsgericht den Versorgungsausgleich erst 1984 entschieden habe, könne ihr nicht angelastet werden.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 1984, zur Post aufgeliefert am 5. November 1984, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Den Zeitpunkt für die Entscheidung über den Versorgungsausgleich bestimme allein das Amtsgericht – Familiengericht –. Das Weitere, wie der Beginn der danach festzustellenden Rente, richte sich nach den Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung. Die beim Rentenversicherungsträger erforderlichen Rechen- und Buchungsvorgänge nach § 1304 a Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) dienten der Ausführung der durch die gerichtliche Entscheidung bewirkten Rechtsänderung. Die Frage, von welchem Zeitpunkt an sich die Übertragung oder die unmittelbare Begründung von Rentenanwartschaften nach § 1587 b Abs. 1, 2 BGB auf eine bereits laufende oder infolge des Versorgungsausgleichs zustehende und rechtzeitig beantragte Rente des Ausgleichsberechtigten frühestens auswirke, sei in § 1304 a RVO nicht ausdrücklich geregelt. Der Beginn der (erhöhten) Leistung sei deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen des § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO zu ermitteln. Danach sei die Rente frühestens vom Ablauf des Monats an zu gewähren, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt seien. Zu diesen Voraussetzungen zähle auch der Eintritt der Rechtskraft, der Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Diese Entscheidung sei erst am 18. Mai 1984 rechtskräftig und wirksam geworden, so daß die Rente frühestens ab 1. Juni 1984 habe erhöht werden können.
Die Klägerin erhob dagegen am 5. Dezember 1984 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage, mit der sie weiterhin die Neuberechnung ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente unter Einbeziehung des Versorgungsausgleichs ab 1. Oktober 1979 beanspruchte. Folge man dem Gedanken des Zugewinns, so werde der Versorgungsausgleich mit dem Stichtag "Ende der Ehezeit” berechnet; der Anspruch auf Ausgleich entstehe jedoch mit der Rechtskraft der Scheidung, unabhängig davon, wie lange ein mögliches gerichtliches Verfahren darüber in Anspruch nehme. Dies müsse auch beim Versorgungsausgleich entsprechend gelten; die zu übertragenden Anwartschaften seien bereits zu diesem Zeitpunkt erworben. Würde der Verpflichtete zu dieser Zeit rentenberechtigt geworden sein, wären die Anwartschaften auch bei der Berechnung seiner Rente zugrunde gelegt worden; es sei kein Grund ersichtlich, warum dieser "erworbene Besitzstand” nicht auch ihr – der Klägerin – nach Eintritt des Rentenfalls zugute kommen solle. Da ihr früherer Ehemann nicht rentenberechtigt gewesen sei, habe auch keine Doppelzahlung von Rente gedroht.
Durch Urteil vom 12. Oktober 1987 hob die 16. Kammer des Sozialgerichts den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1984 und den Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1984 auf und verurteilte die Beklagte, die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin ab 1. Juli 1979 unter Berücksichtigung des durchgeführten Versorgungsausgleichs (Beschluß vom 9. Januar 1984) neu festzustellen. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, der Klägerin stehe im Hinblick auf das Ende der Ehezeit (28. Februar 1976 laut Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Januar 1984) die erhöhte Rente bereits ab 1. Juli 1979 (Eintritt der Erwerbsunfähigkeit 27. Juni 1979) zu. Sinn der Regelung des Versorgungsausgleichs (§§ 1587 ff BGB) sei, daß die während der Ehezeit erwirtschafteten Anwartschaften auf Altersversorgung verteilt würden. Mit dem Ende der Ehezeit sei der Erwerb der aufzuteilenden Anwartschaften abgeschlossen; sie resultierten aus den während der Ehe zurückgelegten Beschäftigungszeiten bzw. wirtschaftlichen Leistungen. Auch das soziale und finanzielle Schutzbedürfnis beginne – retrospektiv – bereits mit dem Ende der Ehezeit (§ 1587 Abs. 2 BGB). Demgegenüber sei unerheblich, daß gemäß §§ 621 a, 629 d ZPO, 53 g FGG die den Versorgungsausgleich betreffenden Entscheidungen erst mit der Rechtskraft wirksam würden. Diesen Vorschriften komme nur prozessuale, aber keine materiellrechtliche Bedeutung zu. Dem Gesetz (§ 1487 b BGB oder 1304 a RVO) sei auch nicht zu entnehmen, daß die Übertragung der Rentenanwartschaften mit Wirkung auf den völlig unbestimmten Tag der Rechtskraft der Entscheidung erfolgen solle. Vielmehr sei materiell-rechtlich das Ende der Ehezeit maßgebend, nur die Wirkung der Entscheidung (Vollstreckbarkeit, Vollzug) trete erst bei Rechtskraft ein. Dies bedeute, daß die Übertragung der Rentenanwartschaften mit Wirkung vom 27. Juni 1979 erfolgt sei, weil der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin nach dem Ende der ausgleichsrelevanten Ehezeit liege. Jede andere Beurteilung sei rechtsstaatlich untragbar, was gerade der vorliegende Fall dokumentiere. Schließlich sei auch die Anrechnung der übertragenen Rentenanwartschaften von keinem besonderen Antrag abhängig, da nach Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich die Rente von Amts wegen neu zu berechnen sei. Die Vorschrift des § 1587 p BGB habe für den vorliegenden Fall keine Bedeutung, da sie den Schutz des Rentenversicherungsträgers vor der Gefahr betreffe, aus einer Anwartschaft doppelt (an den Ausgleichsberechtigten und an den Ausgleichsverpflichteten) Rente zahlen zu müssen. Dies sei für die von der Klägerin begehrten Zeiträume gerade nicht der Fall, weil der frühere Ehemann in diesen keine Rente bezogen habe. Die Entscheidung entspreche der ständigen Rechtsprechung der 16. Kammer (S-16/J-295/81 vom 11. Januar 1982 und S-16/J-829/84 vom 12. Januar 1987). Das Sozialgericht hat dem Urteil die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, daß Berufung zulässig sei.
Gegen das ihr am 5. Februar 1988 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. Februar 1988 Berufung eingelegt. Sie meint, die Berufung sei zulässig, wobei dahinstehen könne, ob im vorliegenden Fall die Regelung des § 146 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einschlägig sei. Das Verfahren leide an wesentlichen Mängeln im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG. Wenn das Sozialgericht im Hinblick auf §§ 621 a, 629 d ZPO, 53 g FGG ausführe, daß die Übertragungen von Rentenanwartschaften erst zum Zeitpunkt der Rechtskraft wirksam würden, verkenne es, daß es sich beim Scheidungsurteil um ein Gestaltungsurteil handele und der Entscheidung über Art und Weise sowie Umfang des Versorgungsausgleichs ebenfalls rechtsgestaltende Wirkung zukomme. Wenn gemäß § 629 d ZPO die Entscheidung über eine Folgesache von der Rechtskraft das Scheidungsurteil abhängig sei, die Entscheidung über den Versorgungsausgleich aber eine Folgesache in diesem Sinne sei (vgl. §§ 623, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) und Entscheidungen über die Scheidung einer Ehe gemäß § 1564 BGB nur für die Zukunft, das heißt ab Rechtskraft des Urteils wirkten, habe dasselbe für die Entscheidung in der Folgesache über den Versorgungsausgleich zu gelten. Das Sozialgericht setze sich mit seiner eigenen Meinung in Widerspruch, wenn es sich mit den Vorschriften der ZPO und des FGG auseinandersetze und auf die Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung abhebe, dann jedoch im Gegensatz hierzu die Auffassung vertrete, diese Entscheidungen entfalteten bereits materiell-rechtliche Wirkungen in die Vergangenheit. Schließlich liege auch ein weiterer Denkverstoß vor, wenn das Sozialgericht "das Ende der Ehezeit” auf den 28. Februar 1976 fixiere, die Übertragung der Rentenanwartschaften aber mit Wirkung vom 27. Juni 1979 vornehme, weil der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin nach dem Ende der ausgleichsrelevanten Ehezeit liege. Dieser Zeitpunkt stehe im Gegensatz zu den vorausgegangenen Erwägungen des Sozialgerichts zur Rechtskraft. Das Gericht sei nicht befugt gewesen, einen Schaden durch Prozeßverzögerung ohne rechtliche Grundlage zu ersetzen; ggf. habe es das Bundesverfassungsgericht anrufen oder das Land Hessen beiladen müssen. Darüber hinaus habe das Sozialgericht gegen § 123 SGG verstoßen, indem es der Klägerin eine höhere Leistung zugesprochen habe, als diese beantragt habe. Des weiteren habe es gegen seine Entscheidung die Berufung zulassen müssen, weil der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1982 (L-2/J-160/82 in Sozialversicherung 1982, 331 ff) in einem gleichgelagerten Fall eine andere Auffassung vertreten habe. Dieser sei zu folgen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Oktober 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
als unbegründet zurückzuweisen.
Die Berufung sei nach § 146 SGG nicht zulässig. Die angefochtene Entscheidung lasse auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel erkennen. Darüber hinaus sei die Berufung auch sachlich unbegründet, weswegen auf die Urteilsgründe und die Klagebegründung Bezug genommen werde. Die lange Verfahrensdauer beruhe letztlich auch darauf, daß das Familiengericht nicht früher habe entscheiden können, weil die Akten wegen des Rentenrechtsstreits dem Sozialgericht vorgelegen hätten. Es sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben und der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, daß ein erworbener Besitzstand u.a. durch das Prozeßverhalten der Beklagten nicht zum Tragen gekommen seien.
Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten sowie der Akten des Amtsgerichts Frankfurt am Main. (Az.: 35 F 9007/77 einschließlich Sonder- und Zusatzhefter) Bezug genommen, die vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Zeitpunkt, von dem an der ausgleichsberechtigten Klägerin eine um den Versorgungsausgleich erhöhte Erwerbsunfähigkeitsrente zusteht. Während die Beklagte den 1. Juni 1984 zugrunde gelegt hat, verteidigt die Klägerin den im sozialgerichtlichen Urteil festgestellten 1. Juli 1979 als maßgeblichen Zeitpunkt, wobei ihr Klageantrag allerdings auf den 1. Oktober 1979 ausgerichtet war. Der Rentenanspruch selbst ist nicht streitbefangen. Der Rechtsstreit betrifft lediglich den Beginn der erhöhten Rente und erhöhte Rente für einen abgelaufenen Zeitraum mit der Folge, daß die Berufung gemäß § 146 SGG unzulässig sein könnte, da das Sozialgericht sie im Urteil nicht ausdrücklich zugelassen hat. Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung führt allein nicht zur Zulässigkeit einer an sich unzulässigen Berufung (vgl. BSG Urteil vom 15. Mai 1956, Az.: 10 RV 730/55 in SozR § 150 SGG Nr. 10). Die Berufung ist auch nicht schon deswegen zulässig, weil der geschiedene Ehemann der Klägerin (Ausgleichsverpflichteter) nicht zum Verfahren beigeladen wurde, was bei notwendiger Beiladung vom Senat hätte von Amts wegen beachtet und nachgeholt werden müssen. Durch die vorliegende Entscheidung wird in die Rechtsbeziehungen des Ausgleichsverpflichteten zur Beklagten nicht unmittelbar eingegriffen; er bezog selbst bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch keine Rente (vgl. dazu BSG Urteil vom 9. April 1987, Az.: 5 b RJ 70/85).
Die Zulässigkeit der Berufung folgt nach Ansicht des Senats vorliegend aber aus § 150 Nr. 2 SGG i.V.m. § 150 Nr. 1 2. Halbsatz SGG. Nach § 150 Nr. 2 SGG ist die Berufung zulässig, wenn ein wesentlicher Verfahrensmangel gerügt wird, der auch tatsächlich vorliegt; dabei ist für die Beurteilung der sachlich-rechtliche Standpunkt des Sozialgerichts maßgebend. Nach § 150 Abs. 1 2. Halbsatz SGG ist die Berufung vom Sozialgericht zuzulassen, wenn u.a. das Urteil von einer Entscheidung eines Landessozialgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Insoweit hat die Beklagte neben ihrem anderen, nicht zur Zulässigkeit der Berufung führenden Vorbringen zutreffend darauf hingewiesen, daß die Berufung vom Sozialgericht hätte zugelassen werden müssen, weil mit der vom Sozialgericht getroffenen Entscheidung von einer früheren Entscheidung des Senats vom 8. Juni 1982 (L-2/J-160/82) abgewichen wird. Mit der damaligen Senatsentscheidung, die im übrigen ein Urteil der "ständigen Rechtsprechung” der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 11. Januar 1982) zum Gegenstand hatte, wurde entgegen der Ansicht des Sozialgerichts entschieden, daß die Beklagte – auch damals die LVA Hessen – zur Anrechnung der vom Familiengericht übertragenen Anwartschaften auf den Rentenbezug in der Zeit vor Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht verpflichtet ist: Die Übertragung von Werteinheiten führe erst mit dem Ablauf des Monats zur Erhöhung der Rente, in dem die Entscheidung des Familiengerichts Rechtskraft erlange. Im Unterschied zum vorliegenden Fall war damals allerdings eine familiengerichtliche Entscheidung im Verbundverfahren vorausgegangen. Die Divergenz zum vorliegenden Fall beschränkt sich demnach auf die Übertragung von Anwartschaften auch vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Die Senatsentscheidung vom 8. Juni 1982, die zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils vom 11. Januar 1982 geführt hat, hat die "ständige Rechtsprechung” der 16. Kammer des Sozialgerichts nicht beeinflußt, wie das angefochtene Urteil bestätigt, in dem sich auch kein Hinweis auf die entgegenstehende Rechtsprechung findet. Angesichts dessen, daß bei der früheren Entscheidung vom 11. Januar 1982 das Sozialgericht die Berufung ausdrücklich zugelassen hat, spricht auch wenig dafür, daß das Sozialgericht vorliegend – trotz beigefügter unzutreffender Rechtsmittelbelehrung – einem Irrtum über die an sich gegebene Unzulässigkeit der Berufung unterlegen ist. Die Nichtzulassung der Berufung ist ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie und das Recht auf den gesetzlichen Richter (vgl. dazu BSG Urteil vom 18. Dezember 1985, Az.: 9 a RVs 8/85 in SozR 1500 zu § 150 Nr. 27). Der Senat hält sich deshalb an die Nichtzulassung der Berufung nicht für gebunden.
Die Berufung der Beklagten ist aber sachlich nur teilweise begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten erhöhte Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Übertragung von Rentenanwartschaften gemäß § 1304 a Abs. 4 RVO erst ab 1. Januar 1980 (Rechtskraft des Scheidungsurteils vom 3. Dezember 1979) beanspruchen. Zu einer Anrechnung der vom Familiengericht übertragenen Anwartschaften von einem früheren Zeitpunkt an als vor Rechtskraft des Scheidungsurteils ist die Beklagte nicht verpflichtet.
Die die Übertragung von Rentenanwartschaften regelnden Vorschriften, insbesondere § 1304 a RVO, enthalten keine Aussage darüber, von welchem Zeitpunkt an sich die Übertragung von Rentenanwartschaften für eine erhöhte Rente (oder eine durch Versorgungsausgleich zu begründende Rente) beim Ausgleichsberechtigten auswirken. Insoweit bestehen Parallelen zum Versorgungsausgleichshärtegesetz (vgl. dazu BSG Urteile vom 1. September 1988, Az.: 4/11 a RA 37/87 und 8. April 1987, Az.: 5 a RKn 6/86). Bei einer Ehescheidung im Verbundverfahren ist maßgeblicher Zeitpunkt die Rechtskraft des Scheidungsurteils. Nach § 629 d ZPO werden vor Rechtskraft des Scheidungsausspruchs die Entscheidungen in Folgesachen nicht wirksam und nach § 53 g FGG werden Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, erst mit der Rechtskraft wirksam. Daraus folgt, daß auch Rentenanwartschaften, die die Versorgung des Ausgleichsberechtigten für die Zeit nach der Ehe sichern sollen, erst nach Auflösung der Ehe, also nach Rechtskraft des Scheidungsurteils, wirksam werden können (vgl. Senatsentscheidung vom 8. Juni 1982, L-2/J-160/82). Die Rente eines Ausgleichsberechtigten auf Grund der ihm übertragenen Versorgungsanwartschaften erhöht sich dann mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung des Familiengerichts wirksam geworden ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11. Februar 1982, Az.: 11 RA 8/81 in SozR 200 § 1304 a RVO).
Auch wenn vorliegend keine Entscheidung im Verbundverfahren ergangen ist, sondern das Amtsgericht – Familiengericht – in seiner Sitzung vom 1. Oktober 1979 das Verfahren über den Versorgungsausgleich abgetrennt hat, verschiebt sich der Zeitpunkt der Erhöhung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin damit nicht auf den – späteren – Zeitpunkt nach der Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich. Anzuknüpfen ist vielmehr auch bei einer der Ehescheidung nachfolgenden Entscheidung im Versorgungsausgleich an die Rechtskraft des Ehescheidungsurteils, das rechtsgestaltende Wirkung für die Zukunft entfaltet. Das Scheidungsurteil ist vorliegend am 3. Dezember 1979 rechtskräftig geworden, auch wenn über die Folgesache noch nicht entschieden war (vgl. Schwab Fam RZ 1976, 658). Auf diesen Zeitpunkt wirkt auch materiell ein späterer Beschluß über den Versorgungsausgleich zurück, der erst nach der Rechtskraft des Ehescheidungsurteils wirksam geworden ist, weil er materiell untrennbar mit der (rechtskräftigen) Ehescheidung verbunden ist. Der Grund für die Abtrennung des Versorgungsausgleichs ist dabei unerheblich; ohnehin handelt es sich bei § 628 ZPO um Recht, das der Disposition der Parteien entzogen ist (OLG-Hamburg, Fam RZ 1978, 42). Von dieser materiell-rechtlichen Wirkung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich ist die formelle Rechtskraftwirkung zu unterscheiden. Sie hat in erster Linie Bedeutung für das Verfahren, darüber hinaus für Art und Weise und den Umfang des Versorgungsausgleichs, aber nicht hinsichtlich des Zeitpunktes im Rahmen des § 1304 a RVO, denn dieser wird durch das rechtskräftige Ehescheidungsurteil festgelegt. Wollte man demgegenüber mit der Beklagten den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich als maßgebend ansehen, würde ihr die Möglichkeit eingeräumt, durch Rechtsmittel gegen diesen Beschluß den Zeitpunkt seines Wirksamwerdens und damit zugleich einer Rentenerhöhung des Ausgleichberechtigten hinauszuschieben. Dies widerspricht auch der mit dem Versorgungsausgleich verbundenen grundsätzlichen Kostenneutralität; Ausnahmen sind hier lediglich für den Rückausgleich im Rahmen des Versorgungsausgleichshärtegesetzes in Kauf genommen worden (vgl. dazu BSG Urteil vom 1. September 1988, 4/11 a RA 38/87, Satz 13).
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den §§ 53 g FGG, 629 d ZPO, denn diese betreffen lediglich das Verfahren. Daß der Versicherungsträger nicht vor Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich tätig werden kann, steht der rückwirkenden, auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Ehescheidung bezogenen Erhöhung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin ebenfalls nicht entgegen. Ebensowenig ist die Vorschrift des § 1587 p BGB vorliegend erheblich, die den Schutz des Rentenversicherungsträgers vor Doppelleistungen bezweckt, denn der geschiedene Ehemann der Klägerin hat keine Leistungen von der Beklagten bezogen (vgl. dazu BSG Urteile vom 7. September 1982, Az.: 1 RA 61/81, vom 1. März 1983, Az.: 4 RJ 75/81).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin auch für das Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Zeitpunkt, von dem an die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin wegen Übertragung von Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich neu zu berechnen ist.
In dem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main – S-16/J-508/80 – erkannte die Beklagte an, daß die Klägerin seit 27. Juni 1979 erwerbsunfähig ist und gewährte ihr durch Bescheid vom 18. September 1982 ab 1. Juli 1979 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Am 1. Oktober 1979 wurde die am 19. August 1957 geschlossene Ehe der Klägerin mit H. H. Sch. geschieden; das Scheidungsurteil ist seit dem 3. Dezember 1979 rechtskräftig. Das gemäß § 628 Abs. 1 Satz 3 Zivilprozeßordnung (ZPO) abgetrennte Verfahren zum Versorgungsausgleich ist am 9. Januar 1984 durch Beschluß des Amtsgerichts – Familiengerichts – entschieden worden; der Beschluß ist seit dem 18. Mai 1984 wirksam bzw. rechtskräftig. Die Auskunft über die nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) auszugleichende Versorgung hatte die Beklagte dem Familiengericht zuletzt am 19. Oktober 1983 erteilt. Mit Bescheid vom 19. Juli 1984 berechnete die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin wegen Übertragung von Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich ab 1. Juni 1984 neu. Dagegen erhob die Klägerin am 20. August 1984 Widerspruch mit der Begründung, die Neuberechnung sei rückwirkend auf den 1. Oktober 1979 vorzunehmen, da die Ehe zu diesem Zeitpunkt geschieden worden sei. Daß das Amtsgericht den Versorgungsausgleich erst 1984 entschieden habe, könne ihr nicht angelastet werden.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 1984, zur Post aufgeliefert am 5. November 1984, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Den Zeitpunkt für die Entscheidung über den Versorgungsausgleich bestimme allein das Amtsgericht – Familiengericht –. Das Weitere, wie der Beginn der danach festzustellenden Rente, richte sich nach den Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung. Die beim Rentenversicherungsträger erforderlichen Rechen- und Buchungsvorgänge nach § 1304 a Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) dienten der Ausführung der durch die gerichtliche Entscheidung bewirkten Rechtsänderung. Die Frage, von welchem Zeitpunkt an sich die Übertragung oder die unmittelbare Begründung von Rentenanwartschaften nach § 1587 b Abs. 1, 2 BGB auf eine bereits laufende oder infolge des Versorgungsausgleichs zustehende und rechtzeitig beantragte Rente des Ausgleichsberechtigten frühestens auswirke, sei in § 1304 a RVO nicht ausdrücklich geregelt. Der Beginn der (erhöhten) Leistung sei deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen des § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO zu ermitteln. Danach sei die Rente frühestens vom Ablauf des Monats an zu gewähren, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt seien. Zu diesen Voraussetzungen zähle auch der Eintritt der Rechtskraft, der Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Diese Entscheidung sei erst am 18. Mai 1984 rechtskräftig und wirksam geworden, so daß die Rente frühestens ab 1. Juni 1984 habe erhöht werden können.
Die Klägerin erhob dagegen am 5. Dezember 1984 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage, mit der sie weiterhin die Neuberechnung ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente unter Einbeziehung des Versorgungsausgleichs ab 1. Oktober 1979 beanspruchte. Folge man dem Gedanken des Zugewinns, so werde der Versorgungsausgleich mit dem Stichtag "Ende der Ehezeit” berechnet; der Anspruch auf Ausgleich entstehe jedoch mit der Rechtskraft der Scheidung, unabhängig davon, wie lange ein mögliches gerichtliches Verfahren darüber in Anspruch nehme. Dies müsse auch beim Versorgungsausgleich entsprechend gelten; die zu übertragenden Anwartschaften seien bereits zu diesem Zeitpunkt erworben. Würde der Verpflichtete zu dieser Zeit rentenberechtigt geworden sein, wären die Anwartschaften auch bei der Berechnung seiner Rente zugrunde gelegt worden; es sei kein Grund ersichtlich, warum dieser "erworbene Besitzstand” nicht auch ihr – der Klägerin – nach Eintritt des Rentenfalls zugute kommen solle. Da ihr früherer Ehemann nicht rentenberechtigt gewesen sei, habe auch keine Doppelzahlung von Rente gedroht.
Durch Urteil vom 12. Oktober 1987 hob die 16. Kammer des Sozialgerichts den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1984 und den Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1984 auf und verurteilte die Beklagte, die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin ab 1. Juli 1979 unter Berücksichtigung des durchgeführten Versorgungsausgleichs (Beschluß vom 9. Januar 1984) neu festzustellen. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, der Klägerin stehe im Hinblick auf das Ende der Ehezeit (28. Februar 1976 laut Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Januar 1984) die erhöhte Rente bereits ab 1. Juli 1979 (Eintritt der Erwerbsunfähigkeit 27. Juni 1979) zu. Sinn der Regelung des Versorgungsausgleichs (§§ 1587 ff BGB) sei, daß die während der Ehezeit erwirtschafteten Anwartschaften auf Altersversorgung verteilt würden. Mit dem Ende der Ehezeit sei der Erwerb der aufzuteilenden Anwartschaften abgeschlossen; sie resultierten aus den während der Ehe zurückgelegten Beschäftigungszeiten bzw. wirtschaftlichen Leistungen. Auch das soziale und finanzielle Schutzbedürfnis beginne – retrospektiv – bereits mit dem Ende der Ehezeit (§ 1587 Abs. 2 BGB). Demgegenüber sei unerheblich, daß gemäß §§ 621 a, 629 d ZPO, 53 g FGG die den Versorgungsausgleich betreffenden Entscheidungen erst mit der Rechtskraft wirksam würden. Diesen Vorschriften komme nur prozessuale, aber keine materiellrechtliche Bedeutung zu. Dem Gesetz (§ 1487 b BGB oder 1304 a RVO) sei auch nicht zu entnehmen, daß die Übertragung der Rentenanwartschaften mit Wirkung auf den völlig unbestimmten Tag der Rechtskraft der Entscheidung erfolgen solle. Vielmehr sei materiell-rechtlich das Ende der Ehezeit maßgebend, nur die Wirkung der Entscheidung (Vollstreckbarkeit, Vollzug) trete erst bei Rechtskraft ein. Dies bedeute, daß die Übertragung der Rentenanwartschaften mit Wirkung vom 27. Juni 1979 erfolgt sei, weil der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin nach dem Ende der ausgleichsrelevanten Ehezeit liege. Jede andere Beurteilung sei rechtsstaatlich untragbar, was gerade der vorliegende Fall dokumentiere. Schließlich sei auch die Anrechnung der übertragenen Rentenanwartschaften von keinem besonderen Antrag abhängig, da nach Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich die Rente von Amts wegen neu zu berechnen sei. Die Vorschrift des § 1587 p BGB habe für den vorliegenden Fall keine Bedeutung, da sie den Schutz des Rentenversicherungsträgers vor der Gefahr betreffe, aus einer Anwartschaft doppelt (an den Ausgleichsberechtigten und an den Ausgleichsverpflichteten) Rente zahlen zu müssen. Dies sei für die von der Klägerin begehrten Zeiträume gerade nicht der Fall, weil der frühere Ehemann in diesen keine Rente bezogen habe. Die Entscheidung entspreche der ständigen Rechtsprechung der 16. Kammer (S-16/J-295/81 vom 11. Januar 1982 und S-16/J-829/84 vom 12. Januar 1987). Das Sozialgericht hat dem Urteil die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, daß Berufung zulässig sei.
Gegen das ihr am 5. Februar 1988 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. Februar 1988 Berufung eingelegt. Sie meint, die Berufung sei zulässig, wobei dahinstehen könne, ob im vorliegenden Fall die Regelung des § 146 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einschlägig sei. Das Verfahren leide an wesentlichen Mängeln im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG. Wenn das Sozialgericht im Hinblick auf §§ 621 a, 629 d ZPO, 53 g FGG ausführe, daß die Übertragungen von Rentenanwartschaften erst zum Zeitpunkt der Rechtskraft wirksam würden, verkenne es, daß es sich beim Scheidungsurteil um ein Gestaltungsurteil handele und der Entscheidung über Art und Weise sowie Umfang des Versorgungsausgleichs ebenfalls rechtsgestaltende Wirkung zukomme. Wenn gemäß § 629 d ZPO die Entscheidung über eine Folgesache von der Rechtskraft das Scheidungsurteil abhängig sei, die Entscheidung über den Versorgungsausgleich aber eine Folgesache in diesem Sinne sei (vgl. §§ 623, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) und Entscheidungen über die Scheidung einer Ehe gemäß § 1564 BGB nur für die Zukunft, das heißt ab Rechtskraft des Urteils wirkten, habe dasselbe für die Entscheidung in der Folgesache über den Versorgungsausgleich zu gelten. Das Sozialgericht setze sich mit seiner eigenen Meinung in Widerspruch, wenn es sich mit den Vorschriften der ZPO und des FGG auseinandersetze und auf die Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung abhebe, dann jedoch im Gegensatz hierzu die Auffassung vertrete, diese Entscheidungen entfalteten bereits materiell-rechtliche Wirkungen in die Vergangenheit. Schließlich liege auch ein weiterer Denkverstoß vor, wenn das Sozialgericht "das Ende der Ehezeit” auf den 28. Februar 1976 fixiere, die Übertragung der Rentenanwartschaften aber mit Wirkung vom 27. Juni 1979 vornehme, weil der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin nach dem Ende der ausgleichsrelevanten Ehezeit liege. Dieser Zeitpunkt stehe im Gegensatz zu den vorausgegangenen Erwägungen des Sozialgerichts zur Rechtskraft. Das Gericht sei nicht befugt gewesen, einen Schaden durch Prozeßverzögerung ohne rechtliche Grundlage zu ersetzen; ggf. habe es das Bundesverfassungsgericht anrufen oder das Land Hessen beiladen müssen. Darüber hinaus habe das Sozialgericht gegen § 123 SGG verstoßen, indem es der Klägerin eine höhere Leistung zugesprochen habe, als diese beantragt habe. Des weiteren habe es gegen seine Entscheidung die Berufung zulassen müssen, weil der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1982 (L-2/J-160/82 in Sozialversicherung 1982, 331 ff) in einem gleichgelagerten Fall eine andere Auffassung vertreten habe. Dieser sei zu folgen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Oktober 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
als unbegründet zurückzuweisen.
Die Berufung sei nach § 146 SGG nicht zulässig. Die angefochtene Entscheidung lasse auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel erkennen. Darüber hinaus sei die Berufung auch sachlich unbegründet, weswegen auf die Urteilsgründe und die Klagebegründung Bezug genommen werde. Die lange Verfahrensdauer beruhe letztlich auch darauf, daß das Familiengericht nicht früher habe entscheiden können, weil die Akten wegen des Rentenrechtsstreits dem Sozialgericht vorgelegen hätten. Es sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben und der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, daß ein erworbener Besitzstand u.a. durch das Prozeßverhalten der Beklagten nicht zum Tragen gekommen seien.
Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten sowie der Akten des Amtsgerichts Frankfurt am Main. (Az.: 35 F 9007/77 einschließlich Sonder- und Zusatzhefter) Bezug genommen, die vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Zeitpunkt, von dem an der ausgleichsberechtigten Klägerin eine um den Versorgungsausgleich erhöhte Erwerbsunfähigkeitsrente zusteht. Während die Beklagte den 1. Juni 1984 zugrunde gelegt hat, verteidigt die Klägerin den im sozialgerichtlichen Urteil festgestellten 1. Juli 1979 als maßgeblichen Zeitpunkt, wobei ihr Klageantrag allerdings auf den 1. Oktober 1979 ausgerichtet war. Der Rentenanspruch selbst ist nicht streitbefangen. Der Rechtsstreit betrifft lediglich den Beginn der erhöhten Rente und erhöhte Rente für einen abgelaufenen Zeitraum mit der Folge, daß die Berufung gemäß § 146 SGG unzulässig sein könnte, da das Sozialgericht sie im Urteil nicht ausdrücklich zugelassen hat. Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung führt allein nicht zur Zulässigkeit einer an sich unzulässigen Berufung (vgl. BSG Urteil vom 15. Mai 1956, Az.: 10 RV 730/55 in SozR § 150 SGG Nr. 10). Die Berufung ist auch nicht schon deswegen zulässig, weil der geschiedene Ehemann der Klägerin (Ausgleichsverpflichteter) nicht zum Verfahren beigeladen wurde, was bei notwendiger Beiladung vom Senat hätte von Amts wegen beachtet und nachgeholt werden müssen. Durch die vorliegende Entscheidung wird in die Rechtsbeziehungen des Ausgleichsverpflichteten zur Beklagten nicht unmittelbar eingegriffen; er bezog selbst bei Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch keine Rente (vgl. dazu BSG Urteil vom 9. April 1987, Az.: 5 b RJ 70/85).
Die Zulässigkeit der Berufung folgt nach Ansicht des Senats vorliegend aber aus § 150 Nr. 2 SGG i.V.m. § 150 Nr. 1 2. Halbsatz SGG. Nach § 150 Nr. 2 SGG ist die Berufung zulässig, wenn ein wesentlicher Verfahrensmangel gerügt wird, der auch tatsächlich vorliegt; dabei ist für die Beurteilung der sachlich-rechtliche Standpunkt des Sozialgerichts maßgebend. Nach § 150 Abs. 1 2. Halbsatz SGG ist die Berufung vom Sozialgericht zuzulassen, wenn u.a. das Urteil von einer Entscheidung eines Landessozialgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Insoweit hat die Beklagte neben ihrem anderen, nicht zur Zulässigkeit der Berufung führenden Vorbringen zutreffend darauf hingewiesen, daß die Berufung vom Sozialgericht hätte zugelassen werden müssen, weil mit der vom Sozialgericht getroffenen Entscheidung von einer früheren Entscheidung des Senats vom 8. Juni 1982 (L-2/J-160/82) abgewichen wird. Mit der damaligen Senatsentscheidung, die im übrigen ein Urteil der "ständigen Rechtsprechung” der 16. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 11. Januar 1982) zum Gegenstand hatte, wurde entgegen der Ansicht des Sozialgerichts entschieden, daß die Beklagte – auch damals die LVA Hessen – zur Anrechnung der vom Familiengericht übertragenen Anwartschaften auf den Rentenbezug in der Zeit vor Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht verpflichtet ist: Die Übertragung von Werteinheiten führe erst mit dem Ablauf des Monats zur Erhöhung der Rente, in dem die Entscheidung des Familiengerichts Rechtskraft erlange. Im Unterschied zum vorliegenden Fall war damals allerdings eine familiengerichtliche Entscheidung im Verbundverfahren vorausgegangen. Die Divergenz zum vorliegenden Fall beschränkt sich demnach auf die Übertragung von Anwartschaften auch vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Die Senatsentscheidung vom 8. Juni 1982, die zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils vom 11. Januar 1982 geführt hat, hat die "ständige Rechtsprechung” der 16. Kammer des Sozialgerichts nicht beeinflußt, wie das angefochtene Urteil bestätigt, in dem sich auch kein Hinweis auf die entgegenstehende Rechtsprechung findet. Angesichts dessen, daß bei der früheren Entscheidung vom 11. Januar 1982 das Sozialgericht die Berufung ausdrücklich zugelassen hat, spricht auch wenig dafür, daß das Sozialgericht vorliegend – trotz beigefügter unzutreffender Rechtsmittelbelehrung – einem Irrtum über die an sich gegebene Unzulässigkeit der Berufung unterlegen ist. Die Nichtzulassung der Berufung ist ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie und das Recht auf den gesetzlichen Richter (vgl. dazu BSG Urteil vom 18. Dezember 1985, Az.: 9 a RVs 8/85 in SozR 1500 zu § 150 Nr. 27). Der Senat hält sich deshalb an die Nichtzulassung der Berufung nicht für gebunden.
Die Berufung der Beklagten ist aber sachlich nur teilweise begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten erhöhte Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Übertragung von Rentenanwartschaften gemäß § 1304 a Abs. 4 RVO erst ab 1. Januar 1980 (Rechtskraft des Scheidungsurteils vom 3. Dezember 1979) beanspruchen. Zu einer Anrechnung der vom Familiengericht übertragenen Anwartschaften von einem früheren Zeitpunkt an als vor Rechtskraft des Scheidungsurteils ist die Beklagte nicht verpflichtet.
Die die Übertragung von Rentenanwartschaften regelnden Vorschriften, insbesondere § 1304 a RVO, enthalten keine Aussage darüber, von welchem Zeitpunkt an sich die Übertragung von Rentenanwartschaften für eine erhöhte Rente (oder eine durch Versorgungsausgleich zu begründende Rente) beim Ausgleichsberechtigten auswirken. Insoweit bestehen Parallelen zum Versorgungsausgleichshärtegesetz (vgl. dazu BSG Urteile vom 1. September 1988, Az.: 4/11 a RA 37/87 und 8. April 1987, Az.: 5 a RKn 6/86). Bei einer Ehescheidung im Verbundverfahren ist maßgeblicher Zeitpunkt die Rechtskraft des Scheidungsurteils. Nach § 629 d ZPO werden vor Rechtskraft des Scheidungsausspruchs die Entscheidungen in Folgesachen nicht wirksam und nach § 53 g FGG werden Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, erst mit der Rechtskraft wirksam. Daraus folgt, daß auch Rentenanwartschaften, die die Versorgung des Ausgleichsberechtigten für die Zeit nach der Ehe sichern sollen, erst nach Auflösung der Ehe, also nach Rechtskraft des Scheidungsurteils, wirksam werden können (vgl. Senatsentscheidung vom 8. Juni 1982, L-2/J-160/82). Die Rente eines Ausgleichsberechtigten auf Grund der ihm übertragenen Versorgungsanwartschaften erhöht sich dann mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung des Familiengerichts wirksam geworden ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11. Februar 1982, Az.: 11 RA 8/81 in SozR 200 § 1304 a RVO).
Auch wenn vorliegend keine Entscheidung im Verbundverfahren ergangen ist, sondern das Amtsgericht – Familiengericht – in seiner Sitzung vom 1. Oktober 1979 das Verfahren über den Versorgungsausgleich abgetrennt hat, verschiebt sich der Zeitpunkt der Erhöhung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin damit nicht auf den – späteren – Zeitpunkt nach der Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich. Anzuknüpfen ist vielmehr auch bei einer der Ehescheidung nachfolgenden Entscheidung im Versorgungsausgleich an die Rechtskraft des Ehescheidungsurteils, das rechtsgestaltende Wirkung für die Zukunft entfaltet. Das Scheidungsurteil ist vorliegend am 3. Dezember 1979 rechtskräftig geworden, auch wenn über die Folgesache noch nicht entschieden war (vgl. Schwab Fam RZ 1976, 658). Auf diesen Zeitpunkt wirkt auch materiell ein späterer Beschluß über den Versorgungsausgleich zurück, der erst nach der Rechtskraft des Ehescheidungsurteils wirksam geworden ist, weil er materiell untrennbar mit der (rechtskräftigen) Ehescheidung verbunden ist. Der Grund für die Abtrennung des Versorgungsausgleichs ist dabei unerheblich; ohnehin handelt es sich bei § 628 ZPO um Recht, das der Disposition der Parteien entzogen ist (OLG-Hamburg, Fam RZ 1978, 42). Von dieser materiell-rechtlichen Wirkung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich ist die formelle Rechtskraftwirkung zu unterscheiden. Sie hat in erster Linie Bedeutung für das Verfahren, darüber hinaus für Art und Weise und den Umfang des Versorgungsausgleichs, aber nicht hinsichtlich des Zeitpunktes im Rahmen des § 1304 a RVO, denn dieser wird durch das rechtskräftige Ehescheidungsurteil festgelegt. Wollte man demgegenüber mit der Beklagten den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich als maßgebend ansehen, würde ihr die Möglichkeit eingeräumt, durch Rechtsmittel gegen diesen Beschluß den Zeitpunkt seines Wirksamwerdens und damit zugleich einer Rentenerhöhung des Ausgleichberechtigten hinauszuschieben. Dies widerspricht auch der mit dem Versorgungsausgleich verbundenen grundsätzlichen Kostenneutralität; Ausnahmen sind hier lediglich für den Rückausgleich im Rahmen des Versorgungsausgleichshärtegesetzes in Kauf genommen worden (vgl. dazu BSG Urteil vom 1. September 1988, 4/11 a RA 38/87, Satz 13).
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den §§ 53 g FGG, 629 d ZPO, denn diese betreffen lediglich das Verfahren. Daß der Versicherungsträger nicht vor Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich tätig werden kann, steht der rückwirkenden, auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Ehescheidung bezogenen Erhöhung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin ebenfalls nicht entgegen. Ebensowenig ist die Vorschrift des § 1587 p BGB vorliegend erheblich, die den Schutz des Rentenversicherungsträgers vor Doppelleistungen bezweckt, denn der geschiedene Ehemann der Klägerin hat keine Leistungen von der Beklagten bezogen (vgl. dazu BSG Urteile vom 7. September 1982, Az.: 1 RA 61/81, vom 1. März 1983, Az.: 4 RJ 75/81).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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