S 13 AL 220/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AL 220/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 53/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Insolvenzgeld.

Der Kläger beantragte am 22.04.2002 die Gewährung von Insolvenzgeld aus Anlass der Insolvenz der Firma F-H GmbH. Die Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen dieser Firma wurde durch Beschluss des Amtsgerichts X1 vom 07.06.2002 mangels Masse abgelehnt. Der Kläger war seit dem 01.02.1993 als Betriebsleiter bei dieser Firma tätig. Er wurde als Gesellschafter zu einem Prozent an der GmbH beteiligt, die restlichen Gesellschaftsanteile gehörten seiner am 20.02.2002 verstorbenen Lebensgefährtin X2, die auch als Geschäftsführerin bestellt war. Am 08.02.2002 hatte Frau X2 ihre Gesellschaftsanteile an ihre langjährige Freundin Frau T übertragen, diese wurde auch zur Geschäftsführerin bestellt. Nach dem Betriebsleitervertrag vom 29.01.1993 oblag dem Kläger die technische Leitung und Überwachung aller Arbeiten der Gesellschaft auf dem Gebiet des Elektrohandwerks. Er war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Es war ein monatliches Gehalt in Höhe von 2.925,- DM für eine Vollzeittätigkeit vereinbart. Zuletzt war er zu einem Bruttoentgelt in Höhe von 916,49 Euro beschäftigt.

Die Beklagte zog das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters Rechtsanwalt S vom 03.05.2002 bei. Anschließend lehnte sie mit Bescheid vom 15.08.2002 die Gewährung von Insolvenzgeld ab, da der Kläger nicht als Arbeitnehmer bei der Insolvenzfirma beschäftigt gewesen sei. Nach dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters habe er das Unternehmen faktisch allein geführt. Zudem habe das Unternehmen seinen Namen getragen. Damit habe ein gleichberechtigtes Nebeneinander vorgelegen. Er habe die Tätigkeit nicht für ein fremdes sondern für ein eigenes Unternehmen ausgeübt. Mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid trug der Kläger vor, er sei als Arbeitnehmer tätig gewesen und von seinem Gehalt seien Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit bindendem Widerspruchsbescheid vom 10.09.2002 zurück.

Am 29.04.2004 beantragte der Kläger die Überprüfung des ablehndenen Bescheides gemäß § 44 SGB X. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 13.04.2005 ab, da der Bescheid vom 15.08.2002 rechtmäßig sei. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2005 zurück. Es lägen keine neuen Erkenntnisse vor, aus denen sich ergebe, dass der Bescheid vom 15.08.2002 rechtswidrig sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 25.05.2005 erhobenen Klage. Mit dieser weist er darauf hin, dass er nur mit einem Gesellschaftsanteil von einem Prozent an der Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Daher habe er nicht in seiner sondern in einer fremden Gesellschaft gearbeitet. Er habe auch Weisungen der Mehrheitsgesellschafterin erhalten. Darüberhinaus habe er jahrelang Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet, ohne dass dies von der Einzugsstelle beanstandet worden sei. Er habe früher eine Einzelfirma als Elektromeister betrieben. Nachdem ihm auf Veranlassung des Finanzamtes die Gewerbeerlaubnis entzogen worden sei, habe seine damalige Ehefrau die Firma auf sich angemeldet und diese betrieben. Nach der Scheidung habe er dann zunächst wieder eine eigene Firma betrieben. Da es aber ständig Schwierigkeiten wegen der Unterhaltszahlungen für seine Ex-Ehefrau gegeben habe, habe er die Firma auf seinen Namen abgemeldet um mit seiner Lebensgefährtin als Hauptgesellschafterin eine GmbH gegründet. Er sei zu einem festen monatlichen Gehalt als Betriebsleiter beschäftigt gewesen. Seine Lebensgefährtin, die ausgebildete Bürokauffrau gewesen sei, habe sich um die kaufmännischen Tätigkeiten für die Gesellschaft gekümmert. Er habe lediglich die praktischen Arbeiten ausgeführt. Er sei der einzige regelmäßig Beschäftigte der Firma gewesen, zusätzlich seien nur noch Aushilfen beschäftigt worden. Das Büro der Firma sei in der gemeinsamen Wohnung gewesen. Personalentscheidungen seien gemeinsam getroffen worden, wobei er über die fachliche Eignung entschieden habe. Er habe zunächst vollschichtig für die Gesellschaft gearbeitet, anschließend aus gesundheitlichen Gründen nur noch halbtags. Deshalb habe er am Ende auch weniger verdient als zu Beginn der Tätigkeit. Nach der Übertragung der Gesellschaftsanteile auf Frau T habe diese die Lage der Gesellschaft geprüft und dann Insolvenz beantragt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2005 zu verurteilen, den Bescheid vom 15.08.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002 zurückzunehmen und ihm Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.12.2001 bis 28.02.2002 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise die geleisteten Arbeitnehmerbeiträge zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Insolvenzgeldakten der Beklagten und der Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten (Kundennummer 000A000000) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 13.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2005 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert, denn dieser Bescheid ist rechtmäßig.

Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht die Rücknahme des Bescheides vom 15.08.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002 gemäß § 44 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) abgelehnt. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 15.08.2002 gemäß § 44 SGB X liegen nicht vor, da dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist. Mit dem Bescheid vom 15.08.2002 hat die Beklagte zu Recht die Gewährung von Insolvenzgeld an den Kläger abgelehnt, da es an der hierfür erforderlichen Arbeitnehmereigenschaft des Klägers fehlt.

Gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 3. Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Diese Voraussetzungen werden vom Kläger nicht erfüllt, da er bei der Firma F-H GmbH im maßgeblichen Zeitraum nicht als Arbeitnehmer tätig war.

Das Arbeitsverhältnis ist gekennzeichnet von der persönlichen Abhängigkeit von einem Arbeitgeber. Dies erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Auch wenn das Weisungsrecht - vor allem bei Diensten höherer Art - erheblich eingeschränkt sein kann, darf es doch nicht vollständig an entfallen. Es muss eine fremdbestimmte Dienstleistung bleiben, die also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgeht. Ist ein Weisungrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also wesentlich frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen, oder fügt er sich in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhänge sondern eine selbständige Tätigkeit vor (BSGE 16, 289, 294; 20,6). Unter Familienangehörigen ist die das Beschäftigungsverhältnis normalerweise kennzeichnende Abhängigkeit im allgemeinen weniger stark ausgeprägt, weshalb das Arbeitgeberweisungsrecht möglicherweise nur mit Einschränkungen ausgeübt wird (BSG in SozR 3 2400 § 7 Nr. 1). Die Grenzziehung zwischen entgeltlicher abhängiger Beschäftigung und Betätigung aufgrund familienhafter Zugehörigkeit oder aufgrund eines gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses ist deshalb anhand der Einzelfallumstände durchzuführen. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist dann anzunehmen, wenn der Beschäftigte auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen ist, er in den Betrieb nach Art eines Arbeitnehmers eingegliedert ist und dementsprechend dem Weisungsrecht des Betriebsinhabers - wenn auch in abgeschwächter Form - unterworfen ist und schließlich für seine Mitarbeit Arbeitsentgelt erhält (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte spricht hier mehr dafür als dagegen, dass der Kläger im Rahmen eines gemeinschaftlich geführten Betriebes und nicht als Arbeitnehmer tätig war. Zwar ist der Kläger aufgrund eines schriftlichen Betriebsleitervertrages tätig geworden und hat auch für seine nach seinen Angaben zuletzt ausgeübte Halbtagstätigkeit ein angemessenes Arbeitsentgelt in Höhe von 916,- Euro erhalten. Auch sind für ihn Beiträge zur Beklagten abgeführt worden. Dabei handelt es sich jedoch um formelle Kriterien, die gegenüber den gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umständen zurücktreten müßen.

Abgesehen von den formellen Kriterien geht das Gericht davon aus, dass der Kläger mit seiner verstorbenen Lebensgefährtin zusammengearbeitet hat, um vom Gewinn des Betriebes den gemeinsamen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichtes aufgrund des Akteninhaltes und der eigenen Angaben des Klägers. Nach seinem eigenen Bekunden hat er die nach seiner Scheidung zunächst auf seinen Namen geführte Einzelfirma insbesondere wegen der Unterhaltszahlungen für seine Exfrau abgemeldet. Ob dies tatsächlich, wie er vorträgt, erfolgte, damit der Unterhalt von seinem festen monatlichen Gehalt zu berechnen war, oder ob eher der Aspekt im Vordergrund stand, dass durch geringere Einkünfte die Unterhaltszahlungen geringer waren, kann dabei dahinstehen. Entscheidend ist allein, dass dem Kläger offenbar daran gelegen war, dass er formell abhängig beschäftigt war und nicht, dass sich die Art seiner Tätigkeit ändern sollte. Da die Firma unter seinem Namen geführt wurde und er allein über die notwendigen Fachkenntnisse verfügte liegt auf der Hand, dass die von ihm zunächst als Einzelfirma geführte Elektrofirma unter geänderten Verhältnissen unverändert weitergeführt wurde.

Es ist auch nicht erheblich, dass sich Frau X2 nach Angaben des Klägers um alle kaufmännischen Dinge gekümmert hat, wozu sie aufgrund ihrer Ausbildung als Bürokauffrau fachlich in der Lage war. Daraus ergibt sich allenfalls eine gleichberechtigte gemeinsame Tätigkeit des Klägers und seiner Lebensgefährtin bei der Führung des Betriebes, der den gemeinsamen Lebensunterhalt sichern sollte. Eine Abhängigkeit des Klägers von seiner Lebensgefährtin ergibt sich daraus nicht.

Die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers ist daher zu verneinen.

Die fehlende beitragspflichtige Beschäftigung wird auch nicht dadurch ersetzt, dass Beiträge tatsächlich gezahlt worden sind. Beitragspflicht und Leistungsberechtigung entstehen kraft Gesetzes. Freiwillige Versicherung oder Versicherung auf Antrag waren der Arbeitslosenversicherung im hier maßgeblichen Zeitraum fremd. Eine Mitgliedschaft in der Arbeitslosenversicherung kann daher nicht durch zu Unrecht gezahlte Beiträge begründet werden (BSG SozR 4100 § 168 Nr. 10 ).

Soweit der Kläger hilfsweise die Erstattung der Beträge beantragt hat, ist die Klage unzulässig, da dazu ein Bescheid der Beklagten bisher nicht erteilt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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