L 2 J 2/76

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 J 2/76
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 1975 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der Jugoslawe ist und die deutsche Sprache nur unvollkommen beherrscht, beantragte im März 1974 bei der Beklagten die Gewährung der Versichertenrente. Nach durchgeführten Ermittlungen und nach einer Untersuchung des Klägers lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 13. August 1974 den Antrag mit der Begründung ab, daß bei ihm der Versicherungsfall der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit noch nicht eingetreten sei. Der Bescheid ist mit einer in deutscher Sprache abgefaßten Rechtsbehelfsbelehrung versehen, daß Klage innerhalb eines Monats erhoben werden könne.

Er wurde am 16. August 1974 als eingeschriebener Brief zur Post aufgeliefert und dem Kläger am 17. August 1974 postordnungsgemäß zugestellt.

Mit seiner am 25. November 1974 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klageschrift machte der Kläger geltend, daß er nicht in der Lage gewesen sei, die Klagefrist zu wahren. Er beherrsche nicht die deutsche Sprache und habe die deutsche Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Bescheid nicht verstanden.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main wies mit dem Urteil vom 14. November 1975 die Klage ab. Zur Begründung der Entscheidung ist ausgeführt, daß der Kläger die einmonatige Klagefrist versäumt habe. Die Rechtsbehelfsfrist sei mit dem 19. September 1974 abgelaufen gewesen. Die am 25. November 1974 gefertigte Klageschrift sei am gleichen Tage, nämlich am 25. November 1974 – und damit verspätet – bei dem Sozialgericht eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei dem Kläger nicht zu gewähren, weil er die Rechtsbehelfsfrist nicht ohne eigenes Verschulden versäumt habe. Es könne unterstellt werden, daß er als Jugoslawe die deutsche Sprache nicht beherrsche und den Bescheid nicht habe verstehen können.

Er hatte innerhalb der Monatsfrist einen Dolmetscher mit der Übersetzung des Bescheides und der Rechtsbehelfsbelehrung in seine Landessprache beauftragen können. Auf diese Weise hätte er rechtzeitig Klarheit über den Inhalt des Bescheides und der Rechtsbehelfsbelehrung erhalten können, zumal er damit habe rechnen müssen, daß über seinen Rentenantrag demnächst durch den Rentenversicherungsträger entschieden werde.

Der Kläger wendet sich mit seiner am 22. Dezember 1975 eingegangenen Berufung gegen das ihm am 5. Dezember 1975 zugestellte Urteil. Er wiederholt im wesentlichen seinen Sachvortrag aus dem Klageverfahren. Bei Erhalt des Bescheides sei er davon ausgegangen, daß ihm die beantragte Versichertenrente bewilligt worden sei. Aus diesem Grunde habe er zunächst nichts unternommen. Anläßlich einer Untersuchung in der Universitätsklinik F. habe er dann den Bescheid dem untersuchenden Arzt gezeigt und von ihm erfahren, daß die Rente abgelehnt worden sei und er bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erheben müsse. Noch am gleichen Tage sei er dann zu dem Sozialgericht gegangen, wo in Zimmer Nr. 6 die Klageschrift gefertigt und von ihm unterschrieben worden sei. In materiell rechtlicher Hinsicht macht er geltend, daß er zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nicht mehr in der Lage sei. Dies habe auch der ihn am 25. November 1974 untersuchende Arzt der Universitätsklinik F. bestätigt.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 1975 und den Bescheid der Beklagten vom 13. August 1974 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit,
hilfsweise,
wegen Berufsunfähigkeit ab 1. April 1974 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Ansicht ist das Urteil nicht zu beanstanden, da der Kläger die Klagefrist versäumt habe. Auch in sachlicher Hinsicht hält sie ihren angefochtenen Bescheid für zutreffend.

Auf den Inhalt der Renten- und Streitakten wird im übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung, der Ausschließungsgründe (§§ 144 ff. SGG) nicht entgegenstehen, ist unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, denn es stellt mit zutreffender Begründung fest, daß der Kläger die in § 87 SGG gesetzte einmonatige Frist zur Erhebung der Klage versäumt hat. Der angefochtene Bescheid der Beklagten wurde am 16. August 1975 zum Zwecke der Zustellung an den Kläger als eingeschriebener Brief zur Post auf geliefert und gilt nach § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) am dritten Tage nach der Auflieferung als zugestellt. Tatsächlich ist dem Kläger auch der Einschreibebrief am 17. August 1974 postordnungsgemäß zugestellt worden. Die Rechtsbehelfsfrist lief mit dem 19. September 1974 ab. Die Klageschrift ging aber erst am 25. November 1974 – und damit verspätet – bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main ein.

Der Vortrag des Klägers, er habe den Inhalt des Bescheides vom 13. August 1974 nicht verstanden, ist dahin auszulegen, daß er wegen der unzureichenden Kenntnis der deutschen Sprache weder die Bedeutung des Verfügungssatzes noch seine Begründung, insbesondere aber nicht den Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung verstanden habe. Er sei somit nicht rechtswirksam auf den Lauf der Rechtsmittelfrist aufmerksam gemacht worden. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Amts- und Gerichtssprache deutsch ist. Zwar fehlte im Zeitpunkt der Bescheiderteilung eine dementsprechende Gesetzesregelung, doch war dies nicht erforderlich, weil in einem Land, in dem nahezu ausschließlich nur eine einzige Sprache gesprochen wird, es auch nur eine Amtssprache, nämlich hier die Deutsche, geben kann. Außerdem kann dies aus § 181 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) entnommen werden, in dem deutsch als Gerichtssprache normiert worden ist. Die Rechtsansicht des Senates wird durch das am 25. Mai 1976 erlassene Verwaltungsverfahrensgesetz (BGBl. 1976 S. 1253 ff.) bestätigt, wo es in § 23 Abs. 1 ausdrücklich heißt: "Die Amtssprache ist deutsch.” Hier wird gesetzlich festgelegt, was bis dahin schon allgemein Rechtsüberzeugung war. Der Sachvortrag des Klägers ist aber auch dahin auszulegen, daß nach seiner Meinung ihm, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, die Rechtsbehelfsbelehrung in seiner Landessprache, also in serbokroatisch, hätte erteilt werden müssen. Eine derartige Rechtsauffassung hat bezüglich des Strafgeld- und Bußgeldverfahrens das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10.6.1975 – 2 BVr 1074/74 – (NJW 1975 S. 1597 und SozR 6041 Art. 56 Nr. 1) vertreten, in dem es feststellte, daß ein Ausländer, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, bei der Verfolgung seiner Rechtsinteressen nicht schlechter gestellt werden dürfe, als ein deutscher Staatsangehöriger; er sei, sofern ihm die Rechtsbehelfsbelehrung in deutscher Sprache erteilt werde, nicht anders zu behandeln als wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben wäre. Zur Begründung des Beschlusses ist weiterhin ausgeführt, der Ausländer habe im Verfahren vor Gerichten der Bundesrepublik Deutschland die gleichen prozessualen Grundrechte sowie den gleichen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren und auf umfassenden und effektiven gerichtlichen Schutz wie jeder Deutsche (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG: BVerfGE 18, 399 (403); zu Art. 19, Abs. 4 GG; BVerfGE 35, 382 (401)). Das folge nicht erst aus Art. 3 Abs. 3 GG, der die Benachteiligung aus Gründen der Abstammung, Hasse, Sprache, Heimat und Herkunft verbietet, sondern unmittelbar aus den prozessualen Grundrechten selbst, die, ebenso wie das Recht auf ein faires Verfahren als wesentlicher Grundsatz eines rechtsstaatlichen Verfahrens (BVerfGE 38, 105 (111)), für jedermann gelte.

Diese Schlußfolgerung ergebe sich unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die mangelhaften Kenntnisse der deutschen Sprache dürfen für einen Ausländer nicht zu einer Kürzung seines Anspruches auf rechtliches Gehör führen. Dieser, von dem Bundesverfassungsgericht entwickelte Grundsatz, dem der Senat in vollem Umfang zustimmt, ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht sinngemäß anzuwenden. Die beiden Rechtsgebiete, nämlich das Strafprozeßverfahren, über dessen Rechtsfrage das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hatte und das sozialgerichtliche Verfahren sind bezüglich des Inlaufsetzens der Rechtsmittelfrist zu unterscheiden. Nach § 1631 Abs. 4 RVO muß der ablehnende Bescheid den Vermerk erhalten, daß er rechtskräftig wird, wenn der Berechtigte nicht binnen einem Monat nach Zustellung des Bescheides Berufung einlegt. In dieser Vorschrift fehlt eine Verpflichtung des Versicherungsträgers, einem ausländischen Antragsteller eine Rechtsmittelbelehrung in seiner Landessprache zu erteilen. Da auch in den verschiedenen Sozialversicherungsabkommen mit den Ländern der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Drittländern eine entsprechende Verpflichtung des Versicherungsträgers nicht aufgenommen worden ist und auch in den Zusatzprotokollen ein diesbezüglicher Hinweis fehlt, folgert der Senat, daß die Bescheide – Verwaltungsakte – und die entsprechende Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelbelehrung in der entsprechenden Landessprache des jeweiligen Versicherungsträgers zu erteilen sind. Auch das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. Mai 1976 verpflichtet nicht die deutschen Verwaltungsbehörden zum Erlaß eines Verwaltungsaktes in der jeweiligen Landessprache des ausländischen Antragstellers. In § 23 Abs. 2 a.a.O. wird vielmehr der Grundsatz des Abs. 1, daß die Amtssprache deutsch ist, dadurch bestätigt, daß die Verwaltungsbehörde unmittelbar die Übersetzung eines in fremder Sprache eingegangenen Antrages verlangen soll. Wenn ihr in der Fremdsprache eine Frist gesetzt wird, so beginnt nach Abs. 3 a.a.O. der Lauf der Frist erst mit dem Zeitpunkt, in dem ihr die Übersetzung vorliegt. Soll aber durch einer der Behörde gegenüber abzugebende Willenserklärung – hier Klage – zugunsten eines Beteiligten eine Frist der Behörde gegenüber gewahrt werden, so gilt die Willenserklärung als zum Zeitpunkt des Eingangs bei der Behörde abgegeben, wenn auf Verlangen der Behörde innerhalb einer zu setzenden angemessenen Frist eine Übersetzung vorgelegt wird. Auf diese Rechtsfolge ist bei der Fristsetzung hinzuweisen. Auch in dieser gesetzlichen Regelung fehlt eine Verpflichtung der angegangenen Behörde, die Rechtsbehelfsfrist oder die Frist nach § 4 a.a.O. in der jeweiligen Landessprache des Antragstellers zu erteilen. Demnach ist die Rechtsmittelfrist, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, am 19. August 1974 rechtswirksam in Lauf gesetzt worden und lief mit dem 19. September 1974 ab, so daß die Klage wegen Versäumnis der einmonatigen Klagefrist als unzulässig abzuweisen war. Die von dem Senat vertretene Rechtsansicht steht auch nicht der nach dem Willen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft angestrebten Freizügigkeit der Arbeitnehmer entgegen. Dabei ist nicht außer acht gelassen, daß die Rechtsansicht des Senates ihre Rückwirkung auch auf andere Rechtsgebiete haben kann, nämlich z.B. für das Verwaltungsverfahren bei Genehmigung oder Versagen einer Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis für Ausländer. Ein ausländischer Arbeitnehmer hat sich, wenn er sich mit einem Ersuchen an eine deutsche Verwaltungsbehörde wendet, der deutschen Sprache zu bedienen, wie bereits oben ausgeführt. Ist er dieser nicht hinreichend mächtig, dann muß er zur Begründung seines Ersuchens sich eines Übersetzers bedienen. Erhält er dann aber von der Verwaltungsbehörde einen entsprechenden Bescheid – Verwaltungsakt – dann hat er alle Maßnahmen zu treffen, sich über den Inhalt der Verwaltungsmaßnahmen und den entsprechenden Rechtsbehelf bzw. das entsprechende Rechtsmittel, das gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, zu unterrichten. Auch die Rechtssicherheit des ausländischen Arbeitnehmers ist durch die deutsche Rechtsbehelfsbelehrung nicht eingeschränkt. Ihm steht jederzeit der Weg zu den deutschen Gerichten offen. Bei Inanspruchnahme eines Übersetzers ist er in der Lage, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten und seine Rechtsinteressen durch einen Bevollmächtigten, evtl. durch einen Dolmetscher in Rahmen der §§ 202 SGG, 131 ff. GVG, vertreten zu lassen. Damit wird die sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ergebende Rechtsgarantie auf Gewährung des uneingeschränkten rechtlichen Gehörs nicht berührt. Nach der Ansicht des Senates besteht auch keine Gesetzeslücke, die durch Richterrecht auszufüllen wäre. Das folgert der Senat auch aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. Mai 1976, wo in § 23 der Rechtsverkehr zwischen Ausländern und der deutschen Behörde ausdrücklich und abschließend geregelt ist. Aus dem Fehlen einer Verpflichtung der Behörde, einem Ausländer den Verwaltungsakt in seiner Landessprache zuzustellen, ist vielmehr zu schließen, daß es bei dem Grundsatz der deutschen Amtssprache verbleiben soll. Was hier für den Verwaltungsakt allgemein gesagt ist, gilt für die Rechtsbehalts- und Rechtsmittelbelehrung im besonderen. Die Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelbelehrung gehört zum Verwaltungsakt; für sie kann nichts anderes gelten als für den Verwaltungsakt selbst. Seit Zwei-Jahrzehnten sind Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland tätig. Dem Gesetzgeber war die Problematik der Erfassung und Verfolgung der Rechtsinteressen ausländischer Arbeiter durchaus bekannt. Er hätte längst die Möglichkeit gehabt, gesetzlich oder doch zumindest in den verschiedenen Sozialversicherungsabkommen die Frage der Erteilung der Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelbelehrung in der jeweiligen Landessprache des Antragstellers regeln können, zumal auf diese Weise eine Gegenseitigkeit der Verpflichtung vereinbart gewesen wäre. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die Bundesrepublik Deutschland als Gesetzgeber und Vertragschließender diese Frage bewußt nicht geregelt hat, daß es vielmehr bei dar jeweiligen Amts- und Gerichtssprache verbleiben muß. Dies ist umso mehr gerechtfertigt, da der Antragsteller in deutscher Sprache ein Verwaltungsverfahren eingeleitet und mit der Erteilung einer deutschsprachigen Entscheidung und Rechtsbehelfsbelehrung rechnen mußte. Zwar tragen einige Bestimmungen der Gemeinschaftsregelung auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer den Schwierigkeiten sprachlicher Art Rechnung, in dem sie entweder vorschreiben, daß die Versicherungsträger und Behörden eines Mitgliedstaates die bei ihnen eingereichten Anträge und sonstigen Schriftstücke nicht deshalb zurückweisen dürfen, weil sie in einer Amtssprache eines anderen Mitgliedsstaates abgefaßt sind oder daß bestimmte Entscheidungen dem Betroffenen in dessen Sprache mitzuteilen sind. Doch sind diese Vorschriften im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Kläger ist Jugoslawe, also nicht Staatsangehöriger eines Staates der Europäischen Gemeinschaft. Die Rechtssicherheit des ausländischen Arbeitnehmers soll nicht dadurch gefährdet werden, daß er die Sprache nicht versteht, in der ein ihm mitgeteilter Verwaltungsakt abgefaßt ist. Er muß vor dem Verlust seiner Rechte geschützt werden. Durch die Erteilung; der Rechtsbehelfsbelehrung in deutscher Sprache ist er in seiner Rechtsverfolgung nicht eingeschränkt, er kann – und notfalls unter Zuhilfenahme eines Übersetzers – jederzeit seine rechtlichen Interessen dem Versicherungsträger bzw. der Verwaltungsbehörde gegenüber vor den Gerichten vertreten. So hat auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 18. Februar 1975 – 596 37 – lediglich die Frage erörtert, wie einem ausländischen Arbeitnehmer an seinem ausländischen Wohnort die Verwaltungsentscheidung zuzustellen ist; es hat jedoch die Frage unberührt gelassen, ob die Rechtsbehelfsfrist durch eine in deutscher Sprache erteilte Rechtsbehelfsbelehrung überhaupt in Lauf gesetzt worden ist.

Das Sozialgericht hat auch mit zutreffender Begründung den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, weil er die gesetzliche Verfahrensfrist nicht ohne sein Verschulden versäumt hat (§ 67 Abs. 1 SGG). Die im Rechtsverkehr zu fordernde Sorgfalt gebot dem Kläger, sich nach Erhalt eines von ihm beantragten Verwaltungsaktes – Bescheides – alsbald zu überzeugen, ob seinem Antrag stattgegeben worden ist. Bei Anwendung der im Rechtsverkehr erforderlichen Sorgfalt hätte er nicht bis zum 25. November 1974 warten dürfen, sich über den Inhalt des Verwaltungsaktes und der erforderlichenfalls einzuleitenden Maßnahme unterrichten zu lassen. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum der Kläger die gesamte Zeit hat verstreichen lassen. In der Erwartung, seinem Rentenantrag sei entsprochen worden. Selbst bei seiner Rechtseinstellung mußte er als ein vernünftig denkender Rechtssuchender in seinen Gedankengang einbeziehen, daß sein Rentenantrag abgelehnt werden könne. Es wäre nur vernünftig gewesen, sich alsbald nach Erhalt des Verwaltungsaktes von seinem Inhalt zu überzeugen. Dazu hätten ihm nicht nur seine behandelnden Ärzte, sondern auch deutsche Arbeitskollegen zur Verfügung gestanden. Der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige Kläger hätte innerhalb eines Monats genügend Zeit gehabt, sich über den Inhalt des Verwaltungsaktes und der Rechtsbehelfsbelehrung zu unterrichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage hat der Senat nach § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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