Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 An 325/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 29. Januar 1971 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1909 geborene Kläger war vom 15. Februar 1934 bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst am 31. Juli 1943 als Schirmmeister des Angestellter der und entrichtete während dieser Zeit Pflichtbeiträge zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA). Mit dem Schreiben vom 18. Dezember 1944, bei der RfA eingegangen am 21. Februar 1945, übersandte der Reichsschatzmeister der N. In der weiteren Durchführung der Beitragsrückforderung nach § 7 des Gesetzes über die versicherungsrechtliche Stellung der im Dienste der NSDAP Beschäftigten vom 4.3.1943 (Gesetz von 1943) weitere Beitragsrückforderungslisten mit den dazugehörigen Versicherungskarten. Es handelte sich um die Listen Nr. 56 bis Nr. 65. In der Rückforderungsliste Nr. 58 war unter der laufenden Nr. 57 der Kläger aufgeführt. Die für ihn entrichteten Beiträge wurden bis Kriegsende nicht an den Reichsschatzmeister ausgezahlt
In einem in den Jahren 1963/64 vom Kläger betriebenen Beitragsfeststellungsverfahren teilte die Beklagte dem Kläger am 8. Juli 1964 mit:
"Die für Herrn B. vom 15.2.1934 bis 31.7.1943 hier nachgewiesenen Beiträge gelten nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts – 1 RA 136/62 – vom 18.2.1964 als wirksam entrichtet und sind bereits in der am 20.4.1964 gefertigten Beitragsaufstellung aufgeführt. Die Beitragsaufstellung liegt wieder bei.”
Mit Bescheid vom 3. Februar 1969 erklärte die Beklagte von Amts wegen den Kläger für die Zeit vom 15. Februar 1934 bis zum 31. Dezember 1942 gemäß § 20 des Gesetzes zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und Rechtsverhältnisse (NS-Regelungsgesetz) als nachversichert und führte aus, für die Zeit vom 1. Januar 1943 bis zum 8. Mai 1945 habe dieses Gesetz keinen Ausgleich geschaffen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 1969 verblieb sie bei dieser Regelung.
Der Kläger erhob zunächst Untätigkeitsklage gegen den Bescheid vom 3. Februar 1969 mit der Begründung, die Beklagte habe nicht innerhalb von drei Monaten nach Einlegung des Widerspruchs über seinen Rechtsbehelf entschieden. Nachdem die Beklagte den Widerspruchsbescheid erlassen hatte, erklärte er den Rechtsstreit insoweit für erledigt und beantragte, der Beklagten die ihm entstandenen außergerichtlichen kosten nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufzuerlegen. Materialrechtlich führte er aus, dass der Reichsschatzmeister der N. keinen Verwaltungsakt erteilt habe, nach dem ihm eine Versorgungsanwartschaft gewährleistet worden sei. Außerdem sei mit der Anforderung der Beiträge durch das Schreiben vom 18. Dezember 1944 die Frist des § 7 des Gesetzes vom 4.3.1943 nicht gewahrt, da diese Beitragsanforderung der RfA erst am 21. Februar 1945 zugegangen sei und sie die geforderten Beiträge nicht mehr an den Reichsschatzmeister überwiesen habe. Das Gesetz vom 4.3.1943 finde daher keine Anwendung, so dass er auch nicht zu dem von dem NS-Regelungsgesetz vom 17.3.1965 erfassten Personenkreis gehöre. Er habe, wie die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 8. Juli 1964 anerkannt habe, für eine versicherungspflichtige Tätigkeit Pflichtbeiträge entrichtet, die nachträglich nicht als Nachversicherungsbeiträge umgedeutet werden könnten. Außerdem verliere er nach § 20 des NS-Regelungsgesetzes die Rechte aus den für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1943 rechtswirksam entrichteten Beiträgen.
Die Beklagte führte aus, durch das NS-Regelungsgesetz sei eine neue Rechtslage geschaffen worden. Aus diesem Grund sei sie an ihr im Jahre 1964 abgegebenes Anerkenntnis nicht gebunden. Der Gesetzgeber sei bei Erlass des NS-Regelungsgesetzes eindeutig davon ausgegangen, dass die Beiträge von 6500 im Dienste der N. Beschäftigten, für die Rückforderungslisten übersandt worden seien, unwirksam geworden seien.
Das Sozialgericht Frankfurt/Main hob mit dem Urteil vom 29. Januar 1971 den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 1969 auf und verurteilte die Beklagte, die vom Kläger in der Zeit vom 15. Februar 1934 bis zum 31. Juli 1943 entrichteten Beiträge als rechtswirksam entrichtete Beiträge anzuerkennen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die Beklagte den Kläger zu Unrecht für die Zeit vom 15. Februar 1934 bis 31. Dezember 1942 als nachversichert erklärt und für die Zeit von Januar bis Juli 1943 keine Regelung getroffen habe. Das NS-Regelungsgesetz sei auf den Kläger nicht anzuwenden, weil die von ihm entrichteten Beiträge nicht nach § 7 des Gesetzes vom 4.3.1943 rechtsunwirksam geworden seien. Ihm sei eine Versorgungsanwartschaft nicht gewährleistet worden. Denn die in § 8 a.a.O. gesetzte Frist bis zum 31. Dezember 1944 sei überschritten worden, weil die Beklagte die Beitragsrückforderung des Reichsschatzmeisters erst am 21. Februar 1945 erhalten habe und dem Kläger ein Verwaltungsakt über eine Versorgungsanwartschaft nicht zugestellt worden sei. Dieser offensichtliche Mangel mache den gesamten Verwaltungsakt nichtig.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer am 29. März 1971 eingegangenen Berufung gegen das ihr am 8. März 1971 zugestellte Urteil. Sie ist der Meinung, dass der Kläger zu dem von dem NS-Regelungsgesetz erfassten Personenkreis gehöre. Dieses Gesetz wäre bei Zugrundelegung der Rechtsansicht des Sozialgerichts unnötig gewesen, da nur in seltenen Ausnahmen den Betroffenen ein Bescheid über die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft zugestellt worden sei. Die Zustellungsmängel, die sich aus dem Gesetz vom 4.3.1943 herleiteten, seien durch das NS-Regelungsgesetz nachträglich sanktioniert worden. Die in dem Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland entwickelten Rechtsgrundsätze über die Gültigkeit eines Verwaltungsaktes, insbesondere über die Zustellung eines Gewährleistungsbescheides, seinen nicht auf die in der NS-Zeit erlassenen Verwaltungsakte anzuwenden. Der Kläger sei demnach zu Recht für die Zeit bis zum 31. Dezember 1942 nachversichert worden. Durch die Nachversicherung sei er auch nicht schlechter gestellt als ein Pflichtversicherter. Der einzige reale Streit gehe um die Anrechnung der im Jahre 1943 entrichteten 7 Monatsbeiträge. Für diese habe § 20 des NS-Regelungsgesetzes keine Regelung getroffen. Dem Kläger habe für diese Zeit eine Versorgungsanwartschaft zugestanden, so dass seine Beiträge wegen der bestehenden Versicherungsfreiheit rückwirkend unwirksam gewesen seinen.
Die von ihr dem Kläger übersandte Beitragsaufstellung vom 20. April 1964 sei daher überholt. An ihr Anerkenntnis vom 8. Juli 1964 sei sie nicht gebunden, da es durch die später in Kraft getretene Regelung des Rechtsverhältnisses des Klägers durch das NS-Regelungsgesetz überholt und daher rechtlich ohne Bedeutung geworden sei (so BSG Bd. 19 S. 247).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 29. Januar 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie nach Lage der Akten zu entscheiden.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig und schließt sich den nach seiner Ansicht zutreffenden Entscheidungsgründen an.
Auf den Inhalt der Versicherten- und Streitakten wird im übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Berufung, über die der Senat trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf Antrag der Beklagten sachlich entscheiden kann (§§ 110, 126 SGG), ist unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis richtig.
Wenn die Beklagte darauf hinweist, dass der einzige reale Streit nur um die Rechtswirksamkeit der 7 im Jahre 1943 entrichteten Monatsbeiträge gehe, und der Kläger für die Zeit vom 15. Februar 1934 bis 31. Dezember 1942 durch die Nachversicherung so gestellt werde, als habe zu jener Zeit ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorgelegen, so bestreitet sie ein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene klage bezüglich der Dauer des letztgenannten Zeitraums.
Der Senat vermag dieser Rechtsansicht der Beklagten nicht zu folgen. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage ist zu bejahen. Die Beklagte hat unter dem 8. Juli 1964 ein Anerkenntnis nach § 145 Abs. 3 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für die in der Zeit vom 15. Februar 1934 bis 31. Juli 1943 entrichteten Beiträge abgegeben. Dieses Anerkenntnis ist ein begünstigender Verwaltungsakt, der durch den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 1969 widerrufen würde, wann eine Nachversicherung durchzuführen wäre. Für den Kläger besteht das Rechtsschutzbedürfnis an der Aufhebung dieser beiden Bescheide.
Der Bescheid vom 3. Februar 1969 und der Widerspruchsbescheid vom 15. August 1969 sind, wie das Sozialgericht richtig entschieden hat, aufzuheben, weil für ihren Erlass kein Raum bestand. Der Kläger hatte durch den in den Jahren 1963/64 mit der Beklagten geführten Schriftverkehr eine Entscheidung nach § 145 Abs. 3 Satz 1 AVG begehrt. Die Beklagte hatte ihm in Erledigung des Antrags zunächst die Beitragsaufstellung vom 20. April 1964 übersandt und auf weitere Vorstellungen des Klägers am 8. Juli 1964 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Februar 1934 bis 31. Juli 1943 entrichteten Beiträge "als wirksam entrichtet gelten”. Dieses Schreiben ist ein Verwaltungsakt nach § 145 Abs. 3 Satz 1 AVG, denn in ihm werden die speziellen Rechtsverhältnisse des Klägers zu dem Versicherungsträger geregelt. An diesen Verwaltungsakt ist die Beklagte für den Fall des Rentenanspruchs gebunden, so dass sie nicht mehr geltend machen kann, dass Versicherungspflicht nicht bestanden habe oder die Beitragsmarken zu Unrecht verwendet seien (§ 145 Abs. 3 Satz 2 AVG). Wenn dieser Grundsatz auch hier ausdrücklich nur bezüglich des Rentenanspruchs ausgesprochen ist, so muss dies erst recht für das Beitragsverfahren gelten. Denn was einem Rentenanspruch gegenüber nicht mehr geltend gemacht werden kann, kann sich auch im Beitragsverfahren nicht auswirken. Ein Widerruf des Anerkenntnisses ist unzulässig, solange in den ihm zu Grunde liegenden Verhältnissen keine Änderung eintritt (AN 12, 676). In den Verhältnissen des Klägers ist keine Änderung eingetreten. Die Beklagte konnte bereits bei Abgabe des Anerkenntnisses die Rechtslage übersehen; ihr war auch bekannt, dass die gesetzlichen Vorarbeiten für das NS-Regelungsgesetz vom 17.3.1965 nahezu abgeschlossen waren und demnächst im Bundestag behandelt würden. Das ist ihren Schriftsätzen zu entnehmen. Auch hat sich die Beklagte in ihrem Anerkenntnis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts gestützt. Zwar wird ein unter einer bestimmten Rechtslage abgegebener Anerkenntnis der Versicherungspflicht – ohne dass es eines besonderen Widerrufe bedarf – dann gegenstandslos, wenn die Voraussetzungen auf Grund einer nachträglichen Gesetzesänderung fortfallen (AN 36, 329, EuM 40, 224). Doch sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen durch eine Gesetzesänderung nicht fortgefallen. Das NS-Regelungsgesetz vom 17.3.1965 hat die Voraussetzungen des Anerkenntnisses nicht beseitigt. Der Kläger hatte, was die Beklagte unter Berufung auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts ausdrücklich anerkannte, in der fraglichen Zeit rechtswirksame Beiträge entrichtet. Das NS-Regelungsgesetz findet, wie das Sozialgericht richtig und mit überzeugender Begründung ausgeführt hat, auf die Versicherung des Klägers keine Anwendung.
Dem Kläger ist ein Verwaltungsakt über die Gewährung einer Versorgungsanwartschaft unstreitig nicht zugestellt worden, die Frist des § 8 des Gesetzes vom 4.3.1943 ist unstreitig versäumt, die Beklagte hat die nachgeforderten Beiträge nicht an den Reichsschatzmeister abgeführt. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte zur Stützung ihrer Rechtsansicht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts Bd. 19 S. 247. Der dort entschiedene Fall ist mit dem anhängigen Rechtsstreit nicht vergleichbar. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts hatte die Beklagte dem Versicherten aus feststehenden Tatsachen eine Rechtsfolge zugesagt, die nach dem Inkrafttreten der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze nicht mehr zutraf. In einem solchen Fall wird nicht die dem Anerkenntnis zu Grunde liegende Voraussetzung beseitigt, sondern nur die Rechtsfolge. In dem anhängigen Rechtsstreit aber will die Beklagte die Tatsache der rechtswirksam entrichteten Beiträge beseitigen, nicht aber eine Rechtsfolge im Sinne der Entscheidung des Bundessozialgerichts Bd. 19 S. 247.
Da die Beklagte an ihr Anerkenntnis vom 8. Juli 1964 gebunden ist, bedurfte es keines Eingehens auf die von ihr vorgetragenen weiteren Rechtsfragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, soweit es die zur Entscheidung stehende Aufhebungsklage betrifft.
Der Senat hat keine Entscheidung über die Kosten der von dem Kläger erhobenen und später zurückgenommenen Untätigkeitsklage getroffen, weil insoweit erstinstanzlich noch nicht entschieden worden ist.
Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1909 geborene Kläger war vom 15. Februar 1934 bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst am 31. Juli 1943 als Schirmmeister des Angestellter der und entrichtete während dieser Zeit Pflichtbeiträge zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA). Mit dem Schreiben vom 18. Dezember 1944, bei der RfA eingegangen am 21. Februar 1945, übersandte der Reichsschatzmeister der N. In der weiteren Durchführung der Beitragsrückforderung nach § 7 des Gesetzes über die versicherungsrechtliche Stellung der im Dienste der NSDAP Beschäftigten vom 4.3.1943 (Gesetz von 1943) weitere Beitragsrückforderungslisten mit den dazugehörigen Versicherungskarten. Es handelte sich um die Listen Nr. 56 bis Nr. 65. In der Rückforderungsliste Nr. 58 war unter der laufenden Nr. 57 der Kläger aufgeführt. Die für ihn entrichteten Beiträge wurden bis Kriegsende nicht an den Reichsschatzmeister ausgezahlt
In einem in den Jahren 1963/64 vom Kläger betriebenen Beitragsfeststellungsverfahren teilte die Beklagte dem Kläger am 8. Juli 1964 mit:
"Die für Herrn B. vom 15.2.1934 bis 31.7.1943 hier nachgewiesenen Beiträge gelten nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts – 1 RA 136/62 – vom 18.2.1964 als wirksam entrichtet und sind bereits in der am 20.4.1964 gefertigten Beitragsaufstellung aufgeführt. Die Beitragsaufstellung liegt wieder bei.”
Mit Bescheid vom 3. Februar 1969 erklärte die Beklagte von Amts wegen den Kläger für die Zeit vom 15. Februar 1934 bis zum 31. Dezember 1942 gemäß § 20 des Gesetzes zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und Rechtsverhältnisse (NS-Regelungsgesetz) als nachversichert und führte aus, für die Zeit vom 1. Januar 1943 bis zum 8. Mai 1945 habe dieses Gesetz keinen Ausgleich geschaffen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 1969 verblieb sie bei dieser Regelung.
Der Kläger erhob zunächst Untätigkeitsklage gegen den Bescheid vom 3. Februar 1969 mit der Begründung, die Beklagte habe nicht innerhalb von drei Monaten nach Einlegung des Widerspruchs über seinen Rechtsbehelf entschieden. Nachdem die Beklagte den Widerspruchsbescheid erlassen hatte, erklärte er den Rechtsstreit insoweit für erledigt und beantragte, der Beklagten die ihm entstandenen außergerichtlichen kosten nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufzuerlegen. Materialrechtlich führte er aus, dass der Reichsschatzmeister der N. keinen Verwaltungsakt erteilt habe, nach dem ihm eine Versorgungsanwartschaft gewährleistet worden sei. Außerdem sei mit der Anforderung der Beiträge durch das Schreiben vom 18. Dezember 1944 die Frist des § 7 des Gesetzes vom 4.3.1943 nicht gewahrt, da diese Beitragsanforderung der RfA erst am 21. Februar 1945 zugegangen sei und sie die geforderten Beiträge nicht mehr an den Reichsschatzmeister überwiesen habe. Das Gesetz vom 4.3.1943 finde daher keine Anwendung, so dass er auch nicht zu dem von dem NS-Regelungsgesetz vom 17.3.1965 erfassten Personenkreis gehöre. Er habe, wie die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 8. Juli 1964 anerkannt habe, für eine versicherungspflichtige Tätigkeit Pflichtbeiträge entrichtet, die nachträglich nicht als Nachversicherungsbeiträge umgedeutet werden könnten. Außerdem verliere er nach § 20 des NS-Regelungsgesetzes die Rechte aus den für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1943 rechtswirksam entrichteten Beiträgen.
Die Beklagte führte aus, durch das NS-Regelungsgesetz sei eine neue Rechtslage geschaffen worden. Aus diesem Grund sei sie an ihr im Jahre 1964 abgegebenes Anerkenntnis nicht gebunden. Der Gesetzgeber sei bei Erlass des NS-Regelungsgesetzes eindeutig davon ausgegangen, dass die Beiträge von 6500 im Dienste der N. Beschäftigten, für die Rückforderungslisten übersandt worden seien, unwirksam geworden seien.
Das Sozialgericht Frankfurt/Main hob mit dem Urteil vom 29. Januar 1971 den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 1969 auf und verurteilte die Beklagte, die vom Kläger in der Zeit vom 15. Februar 1934 bis zum 31. Juli 1943 entrichteten Beiträge als rechtswirksam entrichtete Beiträge anzuerkennen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die Beklagte den Kläger zu Unrecht für die Zeit vom 15. Februar 1934 bis 31. Dezember 1942 als nachversichert erklärt und für die Zeit von Januar bis Juli 1943 keine Regelung getroffen habe. Das NS-Regelungsgesetz sei auf den Kläger nicht anzuwenden, weil die von ihm entrichteten Beiträge nicht nach § 7 des Gesetzes vom 4.3.1943 rechtsunwirksam geworden seien. Ihm sei eine Versorgungsanwartschaft nicht gewährleistet worden. Denn die in § 8 a.a.O. gesetzte Frist bis zum 31. Dezember 1944 sei überschritten worden, weil die Beklagte die Beitragsrückforderung des Reichsschatzmeisters erst am 21. Februar 1945 erhalten habe und dem Kläger ein Verwaltungsakt über eine Versorgungsanwartschaft nicht zugestellt worden sei. Dieser offensichtliche Mangel mache den gesamten Verwaltungsakt nichtig.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer am 29. März 1971 eingegangenen Berufung gegen das ihr am 8. März 1971 zugestellte Urteil. Sie ist der Meinung, dass der Kläger zu dem von dem NS-Regelungsgesetz erfassten Personenkreis gehöre. Dieses Gesetz wäre bei Zugrundelegung der Rechtsansicht des Sozialgerichts unnötig gewesen, da nur in seltenen Ausnahmen den Betroffenen ein Bescheid über die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft zugestellt worden sei. Die Zustellungsmängel, die sich aus dem Gesetz vom 4.3.1943 herleiteten, seien durch das NS-Regelungsgesetz nachträglich sanktioniert worden. Die in dem Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland entwickelten Rechtsgrundsätze über die Gültigkeit eines Verwaltungsaktes, insbesondere über die Zustellung eines Gewährleistungsbescheides, seinen nicht auf die in der NS-Zeit erlassenen Verwaltungsakte anzuwenden. Der Kläger sei demnach zu Recht für die Zeit bis zum 31. Dezember 1942 nachversichert worden. Durch die Nachversicherung sei er auch nicht schlechter gestellt als ein Pflichtversicherter. Der einzige reale Streit gehe um die Anrechnung der im Jahre 1943 entrichteten 7 Monatsbeiträge. Für diese habe § 20 des NS-Regelungsgesetzes keine Regelung getroffen. Dem Kläger habe für diese Zeit eine Versorgungsanwartschaft zugestanden, so dass seine Beiträge wegen der bestehenden Versicherungsfreiheit rückwirkend unwirksam gewesen seinen.
Die von ihr dem Kläger übersandte Beitragsaufstellung vom 20. April 1964 sei daher überholt. An ihr Anerkenntnis vom 8. Juli 1964 sei sie nicht gebunden, da es durch die später in Kraft getretene Regelung des Rechtsverhältnisses des Klägers durch das NS-Regelungsgesetz überholt und daher rechtlich ohne Bedeutung geworden sei (so BSG Bd. 19 S. 247).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 29. Januar 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie nach Lage der Akten zu entscheiden.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig und schließt sich den nach seiner Ansicht zutreffenden Entscheidungsgründen an.
Auf den Inhalt der Versicherten- und Streitakten wird im übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Berufung, über die der Senat trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf Antrag der Beklagten sachlich entscheiden kann (§§ 110, 126 SGG), ist unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis richtig.
Wenn die Beklagte darauf hinweist, dass der einzige reale Streit nur um die Rechtswirksamkeit der 7 im Jahre 1943 entrichteten Monatsbeiträge gehe, und der Kläger für die Zeit vom 15. Februar 1934 bis 31. Dezember 1942 durch die Nachversicherung so gestellt werde, als habe zu jener Zeit ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorgelegen, so bestreitet sie ein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene klage bezüglich der Dauer des letztgenannten Zeitraums.
Der Senat vermag dieser Rechtsansicht der Beklagten nicht zu folgen. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage ist zu bejahen. Die Beklagte hat unter dem 8. Juli 1964 ein Anerkenntnis nach § 145 Abs. 3 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für die in der Zeit vom 15. Februar 1934 bis 31. Juli 1943 entrichteten Beiträge abgegeben. Dieses Anerkenntnis ist ein begünstigender Verwaltungsakt, der durch den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 1969 widerrufen würde, wann eine Nachversicherung durchzuführen wäre. Für den Kläger besteht das Rechtsschutzbedürfnis an der Aufhebung dieser beiden Bescheide.
Der Bescheid vom 3. Februar 1969 und der Widerspruchsbescheid vom 15. August 1969 sind, wie das Sozialgericht richtig entschieden hat, aufzuheben, weil für ihren Erlass kein Raum bestand. Der Kläger hatte durch den in den Jahren 1963/64 mit der Beklagten geführten Schriftverkehr eine Entscheidung nach § 145 Abs. 3 Satz 1 AVG begehrt. Die Beklagte hatte ihm in Erledigung des Antrags zunächst die Beitragsaufstellung vom 20. April 1964 übersandt und auf weitere Vorstellungen des Klägers am 8. Juli 1964 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Februar 1934 bis 31. Juli 1943 entrichteten Beiträge "als wirksam entrichtet gelten”. Dieses Schreiben ist ein Verwaltungsakt nach § 145 Abs. 3 Satz 1 AVG, denn in ihm werden die speziellen Rechtsverhältnisse des Klägers zu dem Versicherungsträger geregelt. An diesen Verwaltungsakt ist die Beklagte für den Fall des Rentenanspruchs gebunden, so dass sie nicht mehr geltend machen kann, dass Versicherungspflicht nicht bestanden habe oder die Beitragsmarken zu Unrecht verwendet seien (§ 145 Abs. 3 Satz 2 AVG). Wenn dieser Grundsatz auch hier ausdrücklich nur bezüglich des Rentenanspruchs ausgesprochen ist, so muss dies erst recht für das Beitragsverfahren gelten. Denn was einem Rentenanspruch gegenüber nicht mehr geltend gemacht werden kann, kann sich auch im Beitragsverfahren nicht auswirken. Ein Widerruf des Anerkenntnisses ist unzulässig, solange in den ihm zu Grunde liegenden Verhältnissen keine Änderung eintritt (AN 12, 676). In den Verhältnissen des Klägers ist keine Änderung eingetreten. Die Beklagte konnte bereits bei Abgabe des Anerkenntnisses die Rechtslage übersehen; ihr war auch bekannt, dass die gesetzlichen Vorarbeiten für das NS-Regelungsgesetz vom 17.3.1965 nahezu abgeschlossen waren und demnächst im Bundestag behandelt würden. Das ist ihren Schriftsätzen zu entnehmen. Auch hat sich die Beklagte in ihrem Anerkenntnis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts gestützt. Zwar wird ein unter einer bestimmten Rechtslage abgegebener Anerkenntnis der Versicherungspflicht – ohne dass es eines besonderen Widerrufe bedarf – dann gegenstandslos, wenn die Voraussetzungen auf Grund einer nachträglichen Gesetzesänderung fortfallen (AN 36, 329, EuM 40, 224). Doch sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen durch eine Gesetzesänderung nicht fortgefallen. Das NS-Regelungsgesetz vom 17.3.1965 hat die Voraussetzungen des Anerkenntnisses nicht beseitigt. Der Kläger hatte, was die Beklagte unter Berufung auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts ausdrücklich anerkannte, in der fraglichen Zeit rechtswirksame Beiträge entrichtet. Das NS-Regelungsgesetz findet, wie das Sozialgericht richtig und mit überzeugender Begründung ausgeführt hat, auf die Versicherung des Klägers keine Anwendung.
Dem Kläger ist ein Verwaltungsakt über die Gewährung einer Versorgungsanwartschaft unstreitig nicht zugestellt worden, die Frist des § 8 des Gesetzes vom 4.3.1943 ist unstreitig versäumt, die Beklagte hat die nachgeforderten Beiträge nicht an den Reichsschatzmeister abgeführt. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte zur Stützung ihrer Rechtsansicht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts Bd. 19 S. 247. Der dort entschiedene Fall ist mit dem anhängigen Rechtsstreit nicht vergleichbar. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts hatte die Beklagte dem Versicherten aus feststehenden Tatsachen eine Rechtsfolge zugesagt, die nach dem Inkrafttreten der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze nicht mehr zutraf. In einem solchen Fall wird nicht die dem Anerkenntnis zu Grunde liegende Voraussetzung beseitigt, sondern nur die Rechtsfolge. In dem anhängigen Rechtsstreit aber will die Beklagte die Tatsache der rechtswirksam entrichteten Beiträge beseitigen, nicht aber eine Rechtsfolge im Sinne der Entscheidung des Bundessozialgerichts Bd. 19 S. 247.
Da die Beklagte an ihr Anerkenntnis vom 8. Juli 1964 gebunden ist, bedurfte es keines Eingehens auf die von ihr vorgetragenen weiteren Rechtsfragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, soweit es die zur Entscheidung stehende Aufhebungsklage betrifft.
Der Senat hat keine Entscheidung über die Kosten der von dem Kläger erhobenen und später zurückgenommenen Untätigkeitsklage getroffen, weil insoweit erstinstanzlich noch nicht entschieden worden ist.
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