L 4 KR 136/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2105/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 136/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf Erstattung der Kosten einer LASIK-Operation bei Prof. Dr. W. in L ...

Die am 1978 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, leidet unter Kurzsichtigkeit mit Refraktionswerten von 5,75 (rechtes Auge) bzw. 3,5 Dioptrien (linkes Auge). Sie schloss am 05. April 2006 mit Prof. Dr. W. von der Augenklinik L., der nicht als Vertragsarzt zugelassen ist, eine Honorarvereinbarung für eine Korrekturoperation an zwei Augen durch die LASIK-Methode bei einem Kostenvoranschlag von EUR 4.000,00. Prof. Dr. W. stellte die Bescheinigung vom 06. April 2005 (wohl richtig 2006) aus, wonach ein Refraktionsausgleich durch Brille wegen Komplikationen nicht möglich sei und zu Druckekzemen an verschiedenen Stellen geführt habe. Bei Kontaktlinsenversuchen hätten chronische Veränderungen der Bindehaut gedroht. In solchen Fällen bestehe entsprechend der Empfehlung der Kommission Refraktive Chirurgie (KRC) eine Indikation zur LASIK-Operation. Mit am 07. April 2006 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin Kostenübernahme. Die Kosten für Brillen oder Kontaktlinsen würden langfristig diejenige der Operation merklich übersteigen. Eine Heilbehandlungsmaßnahme sei medizinisch notwendig, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung stehe, die geeignet sei, die Krankheit zu heilen oder zu lindern. Bereits ebenfalls am 07. April 2006 fand die Voruntersuchung statt, für die Prof. Dr. W. einen Betrag von insgesamt EUR 334,89 in Rechnung stellte (Liquidation vom 25. September 2006). Nachdem die Klägerin am 18. April 2006 die genannte Bescheinigung vom 06. April 2006 vorgelegt hatte, holte die Beklagte die sozialmedizinische Beratung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in Freudenstadt (Dr. G.) vom 24. April 2006 ein, wonach die Leistung auch unter Berücksichtigung eines Einzelfalls nach § 135 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erbracht werden dürfe. Durch Bescheid vom 28. April 2006 lehnte die Beklagte unter Verweis auf diese Rechtslage den Antrag auf Kostenübernahme ab. Ihren Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin mit der in der fachärztlichen Bescheinigung des Prof. Dr. W. dargelegten Indikation bei höchst unterschiedlichen Dioptrienwerten. Dr. G. vom MDK verblieb in der beratenden Stellungnahme vom 08. Mai 2006 bei seiner Auffassung. Die Operation fand am 02. Juni 2006 statt mit ambulanten Nachuntersuchungen am 03. und 20. September 2006; der Arzt berechnete weitere EUR 3.273,81. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2006. Bei der LASIK-Operation handle es sich um ein Verfahren der Refraktiven Augenchirurgie, welches sich in Anlage B Nr. 13 der Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) finde. Die Leistung dürfe demgemäß nicht als vertragsärztliche zu Lasten der Krankenversicherung erbracht werden. Eine Ausnahme im Einzelfall sei nicht gerechtfertigt.

Mit der am 03. Juli 2006 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verwies die Klägerin wiederum auf die Darlegungen des Prof. Dr. W ... Es habe sich keine Alternative zu dem harmlosen kleinen Eingriff ergeben. Kosten für Sehhilfen würden in Zukunft nicht mehr entstehen. Eine Einzelfallentscheidung müsse unter diesen Umständen möglich sein. Anderenfalls läge ein Systemfehler vor. Es sei ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Die Beklagte trat unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten der Klage entgegen. Die beantragte Operation sei eindeutig keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Übrigen bestünden keine außergewöhnlichen Dioptrienwerte. Auch lägen bei der Operation Risiken vor. Langzeitstudien seien nicht vorhanden, sodass keine Garantie auf dauerhaften Erfolg bestehe. Im Übrigen würden Sehhilfen nur noch in Ausnahmefällen bezuschusst, sodass mit Kostenersparnis nicht argumentiert werden dürfe.

Das SG holte die Auskunft des GBA vom 22. September 2006 ein. Dieser legte unter Vorlage verschiedener Schriftstücke dar, die Verfahren der "Refraktiven Augenchirurgie" seien aufgrund der Beschlüsse vom 11. Mai 1993 und 10. Dezember 1999 nach wie vor den nicht anerkannten Behandlungsmethoden zugeordnet. Hierzu gehöre auch die Augenoperation mittels LASIK. Lediglich für das Verfahren der "phototherapeutischen Keratektomie", eine Behandlung der erkrankten Hornhaut, habe der GBA am 18. Juli 2006 einen Beschluss zur Aufnahme in die Anlage I der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung gefasst. Eine erneute Beratung von photorefraktiven Verfahren, insbesondere der LASIK-Operation, habe es nicht gegeben.

Durch Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Klägerin habe sich die Leistung selbst besorgt, ohne eine Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ob die Operation zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre oder ob ein Systemmangel vorliege, könne dahingestellt bleiben. Das SG ging aufgrund der klägerischen Angaben von einer Operation am 13. April 2006 und von einer ablehnenden Entscheidung vom 21. April 2006 aus.

Gegen den am 29. Dezember 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 08. Januar 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat klargestellt, die Operation sei am 02. Juni 2006 durchgeführt worden. Zur Begründung verbleibt sie dabei, die Anwendung der Behandlungsmethode der LASIK-Operation im Einzelfall sei dringend erforderlich, um Schäden für die Zukunft abwenden. Es sei Eile geboten gewesen. Für die Zukunft könne auf Sehhilfen verzichtet werden. Die zur Ablehnung des Anspruchs zitierte Richtlinie sei veraltet. Das Verfahren werde im Jahr in Deutschland über hunderttausendmal durchgeführt. Die Entscheidungsfindung des GBA sei mithin rechtsfehlerhaft. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei es, die Gesundheit der Patienten wiederherzustellen; dies betreffe auch den beruflichen Bereich, insbesondere die Arbeit am PC. Jedenfalls für die Behandlung von Hornhautnarben könne inzwischen eine Indikation begründet sein. Eine Leistungspflicht der Kassen könne bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Methode darauf zurückzuführen sei, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht zeitgerecht durchgeführt werde. Ein Systemversagen liege hier auf der Hand. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit sei betroffen, wenn trotz Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht wirkungsvolle Behandlungsmethoden nicht als Leistung angeboten würden. Die Klägerin hat die Rechnung des Prof. Dr. W. vom 25. September 2006 vorgelegt, wonach die Operation am 02. Juni 2006 stattgefunden habe und Kosten von insgesamt EUR 3.608,70 (hiervon EUR 334,89 für die Voruntersuchung) gefordert würden. Diesen Betrag habe sie bezahlt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2006 zu verurteilen, ihr EUR 3.608,70 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die mehrmals dargestellte Rechtslage und hält ihre Entscheidungen weiterhin für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V. mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend den Bescheid vom 28. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2006 für rechtmäßig erachtet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten von insgesamt EUR 3.608,70 für die von Prof. Dr. W. durchgeführte LASIK-Operation.

Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V, wobei der Sachleistungsanspruch auf ärztliche Behandlung sich nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich auf die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte bezieht. Der Kostenerstattungsanspruch setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte ärztliche Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben.

Soweit die Klägerin die Erstattung der in der Rechnung vom 25. September 2006 genannten Kosten für die Voruntersuchung vom 07. April 2006 begehrt, nämlich EUR 334,89, liegt die Erbringung dieser Leistung zeitlich bereits vor dem ablehnenden Bescheid vom 28. April 2006. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. An diesem fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. zuletzt Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R; zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Klägerin hat die Voruntersuchung bereits am 07. April 2006 in Anspruch genommen. Die Voruntersuchung stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der auf den 02. Juni 2006 angesetzten Operation, indem die spezielle operationsbezogene Datenerfassung und Befunderhebung zur Durchführung der Operation stattfand. Ein im Sinne eines Notfalls unvermittelt auftretender Behandlungsbedarf war ersichtlich nicht gegeben; ein Bescheid der Beklagten war innerhalb kurzer Zeit (hier drei Wochen) zu erreichen.

Auch der Anspruch auf Erstattung der weiteren Kosten von EUR 3.265,81 - zusammen EUR 3.608,70 - besteht nicht. Eine Trennung zwischen den vor und nach Bescheid entstandenen Kosten ist nicht vorzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2007 - L 4 KR 1976/06 - zu einem vergleichbaren Sachverhalt). Die Operation vom 02. Juni 2006 war ohne die Voruntersuchungen vom 07. April 2006 nicht möglich. Mit dem Beginn der operationsvorbereitenden Behandlungen und Untersuchungen war das weitere Vorgehen festgelegt, weshalb der ablehnende Bescheid vom 28. April 2006 nicht geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen, zumal die Klägerin die Honorarvereinbarung mit Prof. Dr. W. schon am 05. April 2006 geschlossen und sich damit auf die Durchführung der Operation festgelegt hatte. Mithin fehlte der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem ablehnenden Bescheid und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlungen, der zeitlich nach dem Bescheid lag (vgl. hierzu auch BSG SozR 3-2500 § 28 Nr. 6). Im Übrigen ist der Anspruch hinsichtlich der weiteren Kosten materiell nicht begründet. Eine für die Anwendung in der vertragsärztlichen Versorgung notwendige Empfehlung durch den GBA liegt nicht vor. Der frühere Bundesausschuss hatte mit Beschluss vom 11. Mai 1993, bestätigt durch Beschluss vom 10. Dezember 1999, die Verfahren der Refraktiven Augenchirurgie den nicht anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zugeordnet. Eine neue Befassung für die hier begehrte Behandlung ist nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 18. Juli 2006 hat der GBA lediglich die phototherapeutische Keratektomie mit dem Excimer-Laser bei bestimmten Indikationen für die Behandlung der erkrankten Hornhaut anerkannt (Bundesanzeiger Nr. 193 vom 13. Oktober 2006, S. 6703, in Kraft getreten mit dem folgenden Tag). Dass die hier begehrte Behandlung der photorefraktiven Keratektomie, bei der es sich um ein brechkraftänderndes Verfahren handelt, nicht positiv anerkannt ist, bedeutet kein Systemversagen. Dieses würde voraussetzen, dass eine neue Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken in ihrer Wirksamkeit belegt ist. Solche gesicherten Studien liegen, wie die Beklagte schlüssig eingewandt hat, nach wie vor nicht vor. Langzeitwirkungen sind noch nicht bekannt. Es liegen ersichtlich auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen zur erneuten Überprüfung der Verfahren der Refraktiven Augenchirurgie nicht vor, zumal sich der Antrag des AOK-Bundesverbandes, der zu dem Beschluss vom 18. Juli 2006 geführt hat, nur auf die phototherapeutische Keratektomie bezogen hatte. Ein Verfahren auf Überprüfung der photoreaktiven Keratektomie durch den GBA hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Schließlich ist nicht ernstlich zu behaupten, dass eine notstandsähnliche Extremsituation gemäß dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06. Dezember 2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) und der nachfolgenden Rechtsprechung des BSG (SozR 4-2500 § 27 Nrn. 7, 9 und 10) gegeben war. Der Senat hält nach alledem an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (Urteil vom 26. März 2004 - L 4 KR 4024/02 - in Juris; vgl. auch Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 16. März 2006 - L 5 KR 20/06; Thüringer LSG, Urteil vom 27. März 2006 - L 6 KR 195/04).

Die Erhebung eines Gutachtens zur Klärung offener tatsächlicher Fragen war danach nicht geboten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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