Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AL 7336/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1517/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.02.2007 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Arbeitslosengeld im Streit.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 12.07.2006 Arbeitslosengeld ab dem 30.09.2006 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 42,47 EUR. Zugleich stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 12.07.2006 den Eintritt einer Sperrzeit vom 08.07. bis zum 29.09.2006 fest.
Die Klägerin legte am 19.07.2006 gegen beide Bescheide Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2006 als unbegründet zurückwies. Auf die Gegenvorstellung der Klägerin erfolgte ein Abhilfebescheid der Beklagten vom 10.08.2006, mit dem der Sperrzeitbescheid vom 12.07.2006 aufgehoben wurde. Mit erneutem Widerspruchsbescheid vom 29.08.2006 wurde daraufhin der Widerspruchsbescheid vom 08.08.2006 aufgehoben und der Widerspruch der Klägerin im Übrigen, also im Hinblick auf den verbleibenden Streit betreffend die Höhe von Arbeitslosengeld, als unbegründet zurückgewiesen. Das Ansinnen der Klägerin, der Bemessung des Arbeitslosengeldes einen längeren Bemessungsrahmen zugrunde zu legen, finde im Gesetz keine Stütze. Der Widerspruchsbescheid trägt den Vermerk, dass er am 30.08.2006 (Mittwoch) zur Post aufgegeben worden sei. Er enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen diese Entscheidung binnen eines Monats schriftlich oder zur Niederschrift Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben werden könne, wobei die Monatsfrist mit Ablauf des Tages beginne, an dem die Entscheidung bekannt gegeben worden sei.
Die Klägerin hat am 04.10.2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Hierbei hat die Klägerin in ihrem Klageschriftsatz vom 04.10.2006 vorgetragen, dass sie den Widerspruchsbescheid zwar am 02.09.2006 erhalten habe, jedoch erst nach 16 Uhr. Die Post werde bei ihr immer so spät zugestellt. Deswegen sei nach herrschender Rechtsprechung erst von einem Zugang am 03.09.3006 auszugehen. Da der 03.10. ein gesetzlicher Feiertag sei, sei die Klagefrist gewahrt. Hilfsweise beantrage sie die Wiedereinsetzung in die Klagefrist. Sie habe zur Vermeidung eines Rechtsstreits noch auf die Vernunft der Beklagten hoffen dürfen und sei über das verlängerte Wochenende verreist.
Der Kammervorsitzende des SG hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage seiner Ansicht nach verfristet sei. Die Klägerin hat hierauf ihren Rechtsstandpunkt zur Wahrung der Klagefrist wiederholt und sich hierzu auf das Urteil des Landgerichts B. vom 13.11.2001 - 65 S 132/01 - berufen. Sie habe die Klagefrist ausnutzen dürfen, da sie auf ein Einlenken der Beklagten habe hoffen dürfen. Ihr solle hieraus kein Nachteil entstehen, zumal sie auch wegen der Erkrankung eines ihr sehr nahe stehenden Bekannten kurz vor dem Fristablauf habe verreisen müssen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2007 wegen Verfristung abgewiesen. Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid vom 29.08.2006 sei am 30.08.2006 zur Post aufgegeben worden. Gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, es sei denn, der Verwaltungsakt sei nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Vorliegend sei der Widerspruchsbescheid am 30.08.2006 zur Post aufgegeben worden und gelte damit am 02.09.2006 als zugegangen. Die Klageerhebung am 04.10.2006 sei damit nicht innerhalb der Monatsfrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfolgt.
Die Klägerin selbst habe in ihrer Klageschrift eingeräumt, den Widerspruchsbescheid am 02.09.2006 erhalten zu haben, wenngleich auch erst nach 16.00 Uhr. Der Klägerin sei jedoch nicht darin zu folgen, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheides am 02.09.2006 nach 16.00 Uhr bedeute, dass die Frist erst am 03.09.2006 bzw., weil dies an einem Sonntag gewesen sei, erst am 04.09.2006 zu laufen beginne. Maßgeblich für den Zugang bei dem Einwurf in einen Briefkasten sei, wann nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Es sei nicht auf das individuelle Verhalten des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (BGH NJW 2004, 1320). Dabei sei die Vorstellung überholt, dass mit einer Briefkastenleerung nur vormittags zu rechnen sei. Vielmehr stellten die Deutsche Post AG wie auch andere Anbieter von Briefbeförderungen auch am Nachmittag zu, und eine Briefkastenentleerung würde bei alleinstehenden Berufstätigen vielfach erst nach 18.00 Uhr abends erfolgen (Bayerischer Verfassungsgerichtshof NJW 93, 580). Jedenfalls bei einem Einwurf am frühen Abend sei deshalb noch von einem Zugang am selben Tag auszugehen. Der Zugang sei somit am 02.09.2006 bewirkt worden. Unerheblich sei weiterhin der Umstand, dass der 02.09.2006 ein Samstag gewesen sei, da bei der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X nicht entscheidend sei, ob der genannte dritte Tag ein Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder Samstag sei; dieser Umstand sei nach § 26 Abs. 3 SGB X nur für den Ablauf einer Frist von Bedeutung (mit Hinweis auf LSG Hamburg, Beschluss vom 18.10.2004 - L 5 AL 50/02 -). Die Monatsfrist für die Klageerhebung habe daher am 03.09.2006 begonnen und am 02.10.2006 (Montag) geendet. Die Klage sei daher nach Ablauf der Klagefrist eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung lägen nicht vor. Der Gerichtsbescheid des SG wurde der Klägerin am 20.02.2007 zugestellt.
Die Klägerin hat am 15.03.2007 beim SG Berufung eingelegt. Die Klägerin ist der Meinung, die Fristberechnung durch das SG sei unzutreffend. Jedenfalls hätte das SG ihrer Ansicht nach zumindest Wiedereinsetzung in die Klagefrist gewähren müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.02.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12.07.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 10.08.2006, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2006 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts nach einem Bemessungszeitraum vom 08.07.2005 bis zum 07.07.2006 und einen Divisor von 365 Tagen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Gerichtsbescheid des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheides am 02.09.2006 an die Klägerin bewirkt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, dass die Klägerin den Widerspruchsbescheid nach ihrer Einlassung auch tatsächlich am 02.09.2006 erhalten hat, aufgrund der Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Voraussetzung hierfür ist ein Vermerk über die Aufgabe des Schriftstücks zur Post, wie er vorliegend am 30.08.2006 angefertigt worden ist (vgl. LSG Schleswig, Breith. 1988, 423, 425). Durch die sog. Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 gilt der Zugang unabhängig davon am dritten Tag bewirkt, ob dieser dritte Tag ein Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder Samstag ist (BSGE 5, 53).
Aufgrund dieser Zugangsfiktion, die einen Zugang auch am Sonntag bewirken kann, wenn üblicherweise keine Post zugestellt oder erwartet wird, ist der Vortrag der Klägerin, sie habe nach 16 Uhr am Samstag nicht mehr mit Post rechnen müssen, unerheblich. Die Vorschriften über das Verfahren und insbesondere die Fristvorschriften dienen der Rechtssicherheit und erfordern daher einen gewissen Formalismus. Daher ist es ausgeschlossen, im Falle der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X im Einzelfall danach zu fragen, um welche Uhrzeit ein Schriftstück tatsächlich zugestellt worden ist. Da die Zustellung nach § 37 Abs. 2 SGB X auch an einem Sonntag bewirkt werden kann, an dem nicht mit der Zustellung von Post zu rechnen ist, ist jedenfalls im Rahmen dieser Vorschrift nicht danach zu fragen, ob die Post nach der Verkehrsanschauung an dem fiktiven Tag der Zustellung noch zu einer üblichen Zeit zugestellt worden ist. Denn der Vergleichsmaßstab einer Zustellung "zur üblichen Zeit" existiert im Rahmen der Zustellungsfiktion des§ 37 Abs. 2 SGB X nicht.
Dass die Klägerin den Widerspruchsbescheid am 02.09.2006 tatsächlich erhalten hat, räumt sie ausdrücklich ein, weswegen sie sich nicht auf die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X berufen kann, wonach die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X dann nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
Die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG von einem Monat lief daher nach § 64 SGG am 02.10.2006 (Montag) ab, weswegen die am 04.10.2006 erhobene Klage verfristet ist.
Das von der Klägerin zitierte Urteil des Landgerichts B. (vom 13.11.2001 - 65 S 132/01 -) ist nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Sofern die Klägerin sich auf dieses Urteil beruft, wonach ein Mieterhöhungsverlangen bei Einwurf in den Hausbriefkasten des Mieters nach 16.00 Uhr erst am darauffolgenden Tag eingegangen ist, vermag dies an der rechtlichen Beurteilung des folgenden Falles nichts zu ändern.
Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass die Zustellung vorliegend nach § 37 SGB X nach öffentlichem Recht erfolgte und auf einer Zugangsfiktion beruht, wohingegen der vom Landgericht B. entschiedene Fall ausschließlich nach zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen war.
Zum anderen geht der Senat davon aus, dass im Rahmen der fortschreitenden Liberalisierung und Öffnung des Postmarktes neuerdings vermehrt mit mehrfachen Zustellungen am Tag und auch in den frühen Abendstunden zu rechnen ist. Es bildet sich daher eine Verkehrsanschauung heraus, nach der es nicht unüblich ist, mehrmals täglich und jedenfalls auch noch einmal am frühen Abend seinen Briefkasten zu kontrollieren. Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin selbst ausdrücklich vorträgt, selbst die Post stelle bei ihr immer so spät zu wie am 02.09.2006, nämlich regelmäßig nach 16 Uhr (vgl. Bl. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 04.10.2006: "Die Post kommt hier so spät"), hätte die Klägerin jedenfalls nach sowohl nach ihren Verhältnissen als auch nach der Verkehrsanschauung alle Veranlassung gehabt, auch wegen dieses Umstands noch abends ihren Briefkasten zu kontrollieren. Anderenfalls käme es dazu, dass bei einer regelmäßigen Postzustellung nach 16 Uhr wie im Fall der Klägerin immer nur ein Zugang am Folgetag zu bejahen wäre, was weder mit der Verkehrsanschauung noch mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu vereinbaren wäre.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass in der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Landgerichts Berlin ein eigenhändiger Posteinwurf nach 16 Uhr durch den Hausmeister - vermutlich nach dem Zustellzeitpunkt der regulären Briefpost - erfolgt war. Mit einer solchen eigenhändigen Zustellung ist aber weniger zu rechnen als mit einer regulären Briefzustellung durch die Post. Da die Klägerin den Widerspruchsbescheid mit der regulären Briefzustellung erhalten hatte, hatte sie keine Veranlassung, von einer bereits erfolgten Zustellung auszugehen, wie dies jedoch in dem Fall des Landgerichts B. zutraf. Die Entscheidung des Landgerichts B. ist daher kaum auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, da ihr ein ganz anderer Lebenssachverhalt zugrunde lag.
Das SG hat auch zutreffend entschieden, dass der Klägerin eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist nicht gewährt werden kann, da sie die Fristversäumnis selbst verschuldet hat. Zwar können gesetzliche Fristen grundsätzlich bis zum Schluss genutzt werden, doch erhöht sich gegen Ende des Fristablaufs die Sorgfaltspflicht. Insofern ist der Vortrag der Klägerin, sie habe einen ihr nahestehenden Kranken besuchen müssen, nicht geeignet, eine unverschuldete Fristversäumnis zu begründen, da nicht ersichtlich ist, weshalb die Klägerin nicht vorsorglich fristwahrend Klage (bei späterer Einreichung einer Klagebegründung) hätte erheben können. Nicht nachvollziehbar ist die Aussage der Klägerin, sie habe bis zuletzt auf ein Einlenken der Beklagten gehofft. Denn die Beklagte hat durch den ablehnenden Widerspruchsbescheid, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, das Widerspruchsverfahren abgeschlossen und signalisiert, dass sie den Widerspruchsbescheid bestandskräftig werden lassen wollte.
Sofern die Klägerin auf das von ihr zitierte Urteil des Landgerichts B. beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sie auf ihr eigenes Risiko dieser Rechtsmeinung, so wie sie diese auslegte, gefolgt ist. Auch hier ist aber nicht erkennbar, weshalb die Klägerin nicht kurz und fristwahrend die Klage hätte erheben können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Arbeitslosengeld im Streit.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 12.07.2006 Arbeitslosengeld ab dem 30.09.2006 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 42,47 EUR. Zugleich stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 12.07.2006 den Eintritt einer Sperrzeit vom 08.07. bis zum 29.09.2006 fest.
Die Klägerin legte am 19.07.2006 gegen beide Bescheide Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2006 als unbegründet zurückwies. Auf die Gegenvorstellung der Klägerin erfolgte ein Abhilfebescheid der Beklagten vom 10.08.2006, mit dem der Sperrzeitbescheid vom 12.07.2006 aufgehoben wurde. Mit erneutem Widerspruchsbescheid vom 29.08.2006 wurde daraufhin der Widerspruchsbescheid vom 08.08.2006 aufgehoben und der Widerspruch der Klägerin im Übrigen, also im Hinblick auf den verbleibenden Streit betreffend die Höhe von Arbeitslosengeld, als unbegründet zurückgewiesen. Das Ansinnen der Klägerin, der Bemessung des Arbeitslosengeldes einen längeren Bemessungsrahmen zugrunde zu legen, finde im Gesetz keine Stütze. Der Widerspruchsbescheid trägt den Vermerk, dass er am 30.08.2006 (Mittwoch) zur Post aufgegeben worden sei. Er enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen diese Entscheidung binnen eines Monats schriftlich oder zur Niederschrift Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben werden könne, wobei die Monatsfrist mit Ablauf des Tages beginne, an dem die Entscheidung bekannt gegeben worden sei.
Die Klägerin hat am 04.10.2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Hierbei hat die Klägerin in ihrem Klageschriftsatz vom 04.10.2006 vorgetragen, dass sie den Widerspruchsbescheid zwar am 02.09.2006 erhalten habe, jedoch erst nach 16 Uhr. Die Post werde bei ihr immer so spät zugestellt. Deswegen sei nach herrschender Rechtsprechung erst von einem Zugang am 03.09.3006 auszugehen. Da der 03.10. ein gesetzlicher Feiertag sei, sei die Klagefrist gewahrt. Hilfsweise beantrage sie die Wiedereinsetzung in die Klagefrist. Sie habe zur Vermeidung eines Rechtsstreits noch auf die Vernunft der Beklagten hoffen dürfen und sei über das verlängerte Wochenende verreist.
Der Kammervorsitzende des SG hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage seiner Ansicht nach verfristet sei. Die Klägerin hat hierauf ihren Rechtsstandpunkt zur Wahrung der Klagefrist wiederholt und sich hierzu auf das Urteil des Landgerichts B. vom 13.11.2001 - 65 S 132/01 - berufen. Sie habe die Klagefrist ausnutzen dürfen, da sie auf ein Einlenken der Beklagten habe hoffen dürfen. Ihr solle hieraus kein Nachteil entstehen, zumal sie auch wegen der Erkrankung eines ihr sehr nahe stehenden Bekannten kurz vor dem Fristablauf habe verreisen müssen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2007 wegen Verfristung abgewiesen. Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid vom 29.08.2006 sei am 30.08.2006 zur Post aufgegeben worden. Gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, es sei denn, der Verwaltungsakt sei nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Vorliegend sei der Widerspruchsbescheid am 30.08.2006 zur Post aufgegeben worden und gelte damit am 02.09.2006 als zugegangen. Die Klageerhebung am 04.10.2006 sei damit nicht innerhalb der Monatsfrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfolgt.
Die Klägerin selbst habe in ihrer Klageschrift eingeräumt, den Widerspruchsbescheid am 02.09.2006 erhalten zu haben, wenngleich auch erst nach 16.00 Uhr. Der Klägerin sei jedoch nicht darin zu folgen, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheides am 02.09.2006 nach 16.00 Uhr bedeute, dass die Frist erst am 03.09.2006 bzw., weil dies an einem Sonntag gewesen sei, erst am 04.09.2006 zu laufen beginne. Maßgeblich für den Zugang bei dem Einwurf in einen Briefkasten sei, wann nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Es sei nicht auf das individuelle Verhalten des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (BGH NJW 2004, 1320). Dabei sei die Vorstellung überholt, dass mit einer Briefkastenleerung nur vormittags zu rechnen sei. Vielmehr stellten die Deutsche Post AG wie auch andere Anbieter von Briefbeförderungen auch am Nachmittag zu, und eine Briefkastenentleerung würde bei alleinstehenden Berufstätigen vielfach erst nach 18.00 Uhr abends erfolgen (Bayerischer Verfassungsgerichtshof NJW 93, 580). Jedenfalls bei einem Einwurf am frühen Abend sei deshalb noch von einem Zugang am selben Tag auszugehen. Der Zugang sei somit am 02.09.2006 bewirkt worden. Unerheblich sei weiterhin der Umstand, dass der 02.09.2006 ein Samstag gewesen sei, da bei der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X nicht entscheidend sei, ob der genannte dritte Tag ein Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder Samstag sei; dieser Umstand sei nach § 26 Abs. 3 SGB X nur für den Ablauf einer Frist von Bedeutung (mit Hinweis auf LSG Hamburg, Beschluss vom 18.10.2004 - L 5 AL 50/02 -). Die Monatsfrist für die Klageerhebung habe daher am 03.09.2006 begonnen und am 02.10.2006 (Montag) geendet. Die Klage sei daher nach Ablauf der Klagefrist eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung lägen nicht vor. Der Gerichtsbescheid des SG wurde der Klägerin am 20.02.2007 zugestellt.
Die Klägerin hat am 15.03.2007 beim SG Berufung eingelegt. Die Klägerin ist der Meinung, die Fristberechnung durch das SG sei unzutreffend. Jedenfalls hätte das SG ihrer Ansicht nach zumindest Wiedereinsetzung in die Klagefrist gewähren müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.02.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12.07.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 10.08.2006, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2006 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts nach einem Bemessungszeitraum vom 08.07.2005 bis zum 07.07.2006 und einen Divisor von 365 Tagen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Gerichtsbescheid des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheides am 02.09.2006 an die Klägerin bewirkt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, dass die Klägerin den Widerspruchsbescheid nach ihrer Einlassung auch tatsächlich am 02.09.2006 erhalten hat, aufgrund der Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Voraussetzung hierfür ist ein Vermerk über die Aufgabe des Schriftstücks zur Post, wie er vorliegend am 30.08.2006 angefertigt worden ist (vgl. LSG Schleswig, Breith. 1988, 423, 425). Durch die sog. Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 gilt der Zugang unabhängig davon am dritten Tag bewirkt, ob dieser dritte Tag ein Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder Samstag ist (BSGE 5, 53).
Aufgrund dieser Zugangsfiktion, die einen Zugang auch am Sonntag bewirken kann, wenn üblicherweise keine Post zugestellt oder erwartet wird, ist der Vortrag der Klägerin, sie habe nach 16 Uhr am Samstag nicht mehr mit Post rechnen müssen, unerheblich. Die Vorschriften über das Verfahren und insbesondere die Fristvorschriften dienen der Rechtssicherheit und erfordern daher einen gewissen Formalismus. Daher ist es ausgeschlossen, im Falle der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X im Einzelfall danach zu fragen, um welche Uhrzeit ein Schriftstück tatsächlich zugestellt worden ist. Da die Zustellung nach § 37 Abs. 2 SGB X auch an einem Sonntag bewirkt werden kann, an dem nicht mit der Zustellung von Post zu rechnen ist, ist jedenfalls im Rahmen dieser Vorschrift nicht danach zu fragen, ob die Post nach der Verkehrsanschauung an dem fiktiven Tag der Zustellung noch zu einer üblichen Zeit zugestellt worden ist. Denn der Vergleichsmaßstab einer Zustellung "zur üblichen Zeit" existiert im Rahmen der Zustellungsfiktion des§ 37 Abs. 2 SGB X nicht.
Dass die Klägerin den Widerspruchsbescheid am 02.09.2006 tatsächlich erhalten hat, räumt sie ausdrücklich ein, weswegen sie sich nicht auf die Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X berufen kann, wonach die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X dann nicht gilt, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
Die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG von einem Monat lief daher nach § 64 SGG am 02.10.2006 (Montag) ab, weswegen die am 04.10.2006 erhobene Klage verfristet ist.
Das von der Klägerin zitierte Urteil des Landgerichts B. (vom 13.11.2001 - 65 S 132/01 -) ist nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Sofern die Klägerin sich auf dieses Urteil beruft, wonach ein Mieterhöhungsverlangen bei Einwurf in den Hausbriefkasten des Mieters nach 16.00 Uhr erst am darauffolgenden Tag eingegangen ist, vermag dies an der rechtlichen Beurteilung des folgenden Falles nichts zu ändern.
Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass die Zustellung vorliegend nach § 37 SGB X nach öffentlichem Recht erfolgte und auf einer Zugangsfiktion beruht, wohingegen der vom Landgericht B. entschiedene Fall ausschließlich nach zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen war.
Zum anderen geht der Senat davon aus, dass im Rahmen der fortschreitenden Liberalisierung und Öffnung des Postmarktes neuerdings vermehrt mit mehrfachen Zustellungen am Tag und auch in den frühen Abendstunden zu rechnen ist. Es bildet sich daher eine Verkehrsanschauung heraus, nach der es nicht unüblich ist, mehrmals täglich und jedenfalls auch noch einmal am frühen Abend seinen Briefkasten zu kontrollieren. Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin selbst ausdrücklich vorträgt, selbst die Post stelle bei ihr immer so spät zu wie am 02.09.2006, nämlich regelmäßig nach 16 Uhr (vgl. Bl. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 04.10.2006: "Die Post kommt hier so spät"), hätte die Klägerin jedenfalls nach sowohl nach ihren Verhältnissen als auch nach der Verkehrsanschauung alle Veranlassung gehabt, auch wegen dieses Umstands noch abends ihren Briefkasten zu kontrollieren. Anderenfalls käme es dazu, dass bei einer regelmäßigen Postzustellung nach 16 Uhr wie im Fall der Klägerin immer nur ein Zugang am Folgetag zu bejahen wäre, was weder mit der Verkehrsanschauung noch mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu vereinbaren wäre.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass in der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Landgerichts Berlin ein eigenhändiger Posteinwurf nach 16 Uhr durch den Hausmeister - vermutlich nach dem Zustellzeitpunkt der regulären Briefpost - erfolgt war. Mit einer solchen eigenhändigen Zustellung ist aber weniger zu rechnen als mit einer regulären Briefzustellung durch die Post. Da die Klägerin den Widerspruchsbescheid mit der regulären Briefzustellung erhalten hatte, hatte sie keine Veranlassung, von einer bereits erfolgten Zustellung auszugehen, wie dies jedoch in dem Fall des Landgerichts B. zutraf. Die Entscheidung des Landgerichts B. ist daher kaum auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, da ihr ein ganz anderer Lebenssachverhalt zugrunde lag.
Das SG hat auch zutreffend entschieden, dass der Klägerin eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist nicht gewährt werden kann, da sie die Fristversäumnis selbst verschuldet hat. Zwar können gesetzliche Fristen grundsätzlich bis zum Schluss genutzt werden, doch erhöht sich gegen Ende des Fristablaufs die Sorgfaltspflicht. Insofern ist der Vortrag der Klägerin, sie habe einen ihr nahestehenden Kranken besuchen müssen, nicht geeignet, eine unverschuldete Fristversäumnis zu begründen, da nicht ersichtlich ist, weshalb die Klägerin nicht vorsorglich fristwahrend Klage (bei späterer Einreichung einer Klagebegründung) hätte erheben können. Nicht nachvollziehbar ist die Aussage der Klägerin, sie habe bis zuletzt auf ein Einlenken der Beklagten gehofft. Denn die Beklagte hat durch den ablehnenden Widerspruchsbescheid, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, das Widerspruchsverfahren abgeschlossen und signalisiert, dass sie den Widerspruchsbescheid bestandskräftig werden lassen wollte.
Sofern die Klägerin auf das von ihr zitierte Urteil des Landgerichts B. beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sie auf ihr eigenes Risiko dieser Rechtsmeinung, so wie sie diese auslegte, gefolgt ist. Auch hier ist aber nicht erkennbar, weshalb die Klägerin nicht kurz und fristwahrend die Klage hätte erheben können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved