L 4 R 5630/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 278/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5630/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage des zweimaligen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze

Revision zugelassen
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05. Oktober 2006 abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 29. März 2005 und 04. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 werden aufgehoben, soweit der Bewilligungsbescheid vom 21. Februar 2003 für die Monate Januar und Februar 2005 aufgehoben und ein Betrag von mehr als 2.569,57 EUR zur Erstattung gefordert wird.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Teilaufhebung der Bewilligungsentscheidung über Altersrente und die Pflicht zur Erstattung von EUR 3.085,15.

Die am 1941 geborene Klägerin beantragte am 29. Oktober 2002 Altersrente für Frauen, die als Vollrente gezahlt werden sollte. Im Antrag verneinte sie, ab Rentenbeginn Arbeitsentgelt oder steuerrechtlichen Gewinn zu erzielen, bejahte aber (derzeit) versicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt oder selbständig tätig zu sein. Laut handschriftlichem Aktenvermerk vom 27. Oktober 2002 gab sie telefonisch an, sie sei laufend bei Omnibusreisen B. auf EUR 325,00-Basis beschäftigt. Es wurde die Bescheinigung "Erklärung zum Antrag auf Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres" (R 230) der Firma F. B. Omnibusverkehr vom 03. Dezember 2002 vorgelegt, wonach die Klägerin vom 01. Januar bis 31. Oktober 2002 als Putzhilfe monatlich EUR 325,00 brutto verdient habe mit dem Anhang, sie werde weiter beschäftigt. Durch Bescheid vom 21. Februar 2003 bewilligte die Beklagte (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) Altersrente für Frauen ab 01. November 2002 mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag von EUR 775,49. Die laufende Zahlung erfolgte ab 01. April 2003. Der Bescheid enthielt auf Seite 3 unter "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" den folgenden Hinweis: "Die Altersrente kann sich bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres mindern oder wegfallen, sofern durch das erzielte Einkommen (Bruttoverdienst aus Beschäftigung bzw. Gewinn aus selbständiger Tätigkeit) die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. Diese beträgt ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, das sind bei Beginn der laufenden Zahlung 340,00 EUR. Änderungen der Bezugsgröße erfolgen zum 01. Januar eines Jahres. Daher besteht bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres die gesetzliche Verpflichtung, uns die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen ergibt sich aus der Anlage 19." In der Anlage 19 hieß es u.a.: "Die Hinzuverdienstgrenze beträgt bei einer Rente wegen Alters als Vollrente monatlich EUR 325,00 ... Für die Zeit ab 01.02.2003 EUR 325,00 ... Für die Zeit ab 01.04.2003 EUR 340,00 ..."

Mit Schreiben vom 20. Januar und 18. Februar 2005 fragte die Beklagte bei Omnibusverkehr B. an, welchen Beruf die Versicherte seit 01. November 2002 ausgeübt und welches Bruttoentgelt sie bezogen habe. Schon am 20. Januar 2005 war bei der Beklagten, übermittelt von der Agentur für Arbeit B., eine Bescheinigung der Firma B. vom 18. Oktober 2004 eingegangen, wonach die Klägerin im September 2004 ein Nettoarbeitsentgelt von EUR 400,00 erzielt habe; die Beschäftigung werde seit Februar 2000 ausgeübt. Der Arbeitgeber teilte unter dem 10. März 2005 mit, die Klägerin habe als seit Februar 2000 beschäftigte Reinigungskraft folgendes Bruttoentgelt erzielt: Von November 2002 bis März 2003 jeweils EUR 325,00, im April und Mai 2003 ("ganz normale geringfügig Beschäftigte") EUR 400,00 im Juli 2003 EUR 287,00, sodann durchgängig von August 2003 bis Januar 2005 EUR 400,00. Im Juni 2003 wurde kein Verdienst erzielt.

Mit Anhörungsschreiben vom 30. März 2005 eröffnete die Beklagte der Klägerin, es sei vorgesehen, die Rente ab 01. August 2003 zu mindern. Seit 01. April 2003 stehe die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis, bei dem das Entgelt die Hinzuverdienstgrenze überschreite. Deren Überschreiten sei nach § 34 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) nur zweimal (im Kalenderjahr) unschädlich. Unter Berücksichtigung dieser Regelung solle die Rente ab dem 01. August 2003, dem dritten Überschreiten, gemindert werden. Sie sei nur noch in Höhe von zwei Dritteln zu leisten, wobei sich ab 01. August 2003 ein Zahlbetrag von EUR 520,41 und ab 01. April 2004 von EUR 515,58 ergebe. Die nach dem Rentenbescheid bestehende Meldepflicht sei zumindest grob fahrlässig verletzt worden. Es sei im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) beabsichtigt, die Rente ab 01. August 2003 nur noch in Höhe von zwei Dritteln zu leisten und die für die Zeit vom 01. August 2003 bis 30. April 2005 entstandene Überzahlung von EUR 5.432,87 nach § 50 SGB X zurückzufordern. Es bestehe Äußerungsfrist von drei Wochen.

Nach Einschaltung ihrer Bevollmächtigten äußerte sich die Klägerin mit Schreiben vom 21. April 2005, eingegangen bei der Beklagten am 26. April 2005, es sei unklar, inwieweit das zweimalige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze gemäß § 34 Abs. 2 SGB VI berücksichtigt worden sei. Der Hinzuverdienst von EUR 400,00 sei in Unkenntnis der Regelungen erzielt worden. Es stelle sich die Frage, ob es verfassungsmäßig sei, dass sich durch eine geringfügige Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze eine stärkere Rentenkürzung ergebe, als die Differenz zwischen dem zulässigen Hinzuverdienst und dem Überschreiten des Hinzuverdienstes betrage. Seit 01. März 2005 werde die Hinzuverdienstgrenze von EUR 345,00 nicht mehr überschritten.

Durch Bescheid vom 29. März 2005, abgesandt am 25. April 2005, berechnete die Beklagte die Rente neu. Ab 01. Mai 2005 würden monatlich EUR 515,58 gezahlt. Für die Zeit vom 01. August 2003 bis 30. April 2005 ergebe sich eine Überzahlung von EUR 5.432,87, die unter Teilrücknahme des Bewilligungsbescheids vom 21. Februar 2003 zur Erstattung gefordert werde. Mit dem Widerspruch hiergegen trug die Klägerin vor, im Prinzip dürfte die Rückforderung berechtigt sein. Allerdings müsse auch für die Jahre 2004 und 2005 eine zweimalige Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze berücksichtigt werden. Es verbleibe dabei, dass der Verdienst seit 01. März nur noch EUR 345,00 betrage. Die Firma B. bestätigte unter dem 14. Juli 2005 folgende Entgelte: März und April EUR 345,00, Mai 2005 EUR 309,00 und Juni 2005 EUR 216,00. Am 28. September 2005 gab sie an, der Verdienst der Klägerin im Februar 2005 habe bei EUR 400,00 gelegen. Durch Bescheid vom 04. November 2005 berechnete die Beklagte die Rente nochmals neu; wegen Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze seit 01. März 2005 bestehe wieder Anspruch auf die Vollrente von monatlich EUR 777,16, ab 01. Juli 2005 EUR 773,31 und ab 01. Dezember 2005 EUR 773,74. Die zu erstattende Überzahlung reduziere sich auf EUR 3.085,15. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2006. Unter Berücksichtigung des erzielten Entgelts stehe die Rente vom 01. August 2003 bis 28. Februar 2005 nur in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente zu. Maßgeblich sei stets die im Vormonat eingehaltene Hinzuverdienstgrenze. Bei gleichbleibendem monatlichen Hinzuverdienst liege kein nur zweimaliges "Überschreiten" zu. Somit verbleibe es dabei, dass vom 01. August 2003 bis 28. Februar 2005 nur die Rente in Höhe von zwei Dritteln zustehe. Sofern wegen nur geringfügigen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze ein atypischer Fall anzunehmen sei, sei bei der Ermessensprüfung dennoch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber starre Hinzuverdienstgrenzen geregelt habe. Eine Minderung lediglich in dem Umfang des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze sei nicht vorgesehen. Im Rentenbescheid vom 21. Februar 2003 sei die aktuelle Hinzuverdienstgrenze von EUR 340,00 mitgeteilt worden. Bereits kurz danach habe sich im April 2003 das monatliche Bruttoentgelt auf EUR 400,00 gesteigert. So kurze Zeit nach Zugang des Rentenbescheids sei es zuzumuten gewesen, sich bei einer deutlichen Erhöhung des Arbeitsentgelts über die Auswirkungen auf die Rente zu informieren. Der überzahlte Betrag von EUR 3.085,15 sei zu erstatten.

Zur Begründung der am 02. Februar 2006 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage trug die Klägerin vor, es sei unklar, weshalb ab 01. Dezember 2005 nur eine Rente von EUR 773,74 zustehe, nachdem in einer Berechnung vom 13. Oktober 2005 EUR 776,16 genannt gewesen seien. Außerdem müssten auch in den Jahren 2004 und 2005 jeweils zwei Monate des Überschreitens unschädlich bleiben. Im Übrigen müsse die Entscheidung bei der geringen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze als unbillig angesehen werden. Weiter ergebe sich die verfassungsrechtliche Frage, ob die Kürzung der eigentumsähnlich geschützten Rente über den geringfügigen Hinzuverdienst hinaus eine Ungleichbehandlung hervorrufe. Die Eigentumsgarantie werde verletzt. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Rente sei zutreffend berechnet. Die Fiktivberechnung vom 13. Oktober 2005 sei fehlerhaft gewesen. Bei einem gleichbleibenden monatlichen Hinzuverdienst sei kein unschädliches zweimaliges Überschreiten anzunehmen. Vielmehr gelte das "Vormonatsprinzip". Durch Urteil vom 05. Oktober 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Kürzung der Rente jedenfalls ab 01. August 2003 sei rechtmäßig. Auch treffe es zu, dass bei gleichbleibendem Hinzuverdienst nicht von einem zweimaligen Überschreiten gesprochen werden könne. Die Regelungen seien verfassungsgemäß. Mit dem sog. Übersicherungseinwand solle verhindert werden, dass durch Rente und Hinzuverdienst ein höheres Gesamteinkommen erzielt werden könne, als dieses zuvor versichert gewesen sei. Die Klägerin sei verständlich über die aktuelle Hinzuverdienstgrenze unterrichtet gewesen und habe grob fahrlässig ihre Mitteilungspflicht verletzt. Ein atypischer Fall sei nicht zu prüfen gewesen. Die Beklagte habe auch die Handlungsfristen eingehalten. Die Rückforderung in Höhe von EUR 3.085,15 sei rechtmäßig.

Gegen das am 08. November 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09. November 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie verbleibt dabei, jedenfalls müsse ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze in den Jahren 2004 und 2005 unschädlich sein. Es dürfe keinen Unterschied machen, ob die Überschreitung durch schwankende oder gleichbleibende Beträge zustande komme. Darüber hinaus sei § 34 Abs. 2 SGB VI insoweit verfassungswidrig, als starre Grenzen bestünden. Es könne nicht sein, dass bereits ein geringfügiges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze zu einer beträchtlichen Rentenkürzung führe. Dies stelle letztlich eine Strafregelung dar, die über die verfassungsrechtlich gebotenen Grenzen hinaus gehe. Die Regelung sei zweckverfehlt und willkürlich. Mit dem Übersicherungseinwand könne nicht argumentiert werden. Vielmehr führe die hier praktizierte Anwendung des Gesetzes zu einer Untersicherung. Etwa bei der Hinterbliebenenrente sei eine anteilige Anrechnung gewählt worden. Es müsse ein garantierter Gesamtbetrag, nämlich die Rente, vermindert um den die Hinzuverdienstgrenze überschreitenden Betrag, verbleiben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 05. Oktober 2006 sowie die Bescheide vom 29. März 2005 und 04. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach bei fehlendem Verschulden eine Aufhebung und Rückforderung nur in Höhe des Mehrverdienstes erfolgen könne, werde seitens der Rentenversicherungsträger nicht gefolgt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Versicherungsnummer 23 071041 H 544) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat zu einem geringen Teil Erfolg, soweit in den angegriffenen Bescheiden die Rentenbewilligung auch für die Monate Januar und Februar 2005 teilweise aufgehoben und eine Überzahlung von mehr als EUR 2.569,57 verlangt worden ist. Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse u.a. aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3), oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1300 § 48 Nr. 48). Eine rechtserhebliche Änderung liegt insbesondere dann vor, wenn der Anspruch nach dem für die Leistung maßgebenden materiellen Recht entfallen ist.

Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide beruhen nicht auf einem Anhörungsmangel (vgl. zur erforderlichen Anhörung § 24 Abs. 1 SGB X). Der unter dem 29. März 2005 datierte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wurde erst nach der mit Schreiben vom 30. März 2005, mit dem eine Äußerungsfrist von drei Wochen gesetzt worden war, eingeleiteten Anhörung mit dem Zugang der Absendung mit Schreiben vom 25. April 2005 wirksam (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Selbst wenn die Beklagte im Bescheid die innerhalb der Äußerungsfrist vorgebrachten Einwendungen nicht mehr berücksichtigt hätte, wäre der Anhörungsmangel durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).

Da die Klägerin eine Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres bezogen hat, setzte der Anspruch auf Altersrente für Frauen nach § 237a Abs. 1 SGB VI gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 SGG VI auch voraus, dass die Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten waren. Letztere Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995, BGBl. I S. 1824 dahingehend geändert, dass die Formulierung, die Rente werde "nur geleistet ...", dahin ersetzt wurde, dass "Anspruch" auf eine Rente nur bestehe, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten werde. Diese Regelung stellt klar, dass - anders als bei der für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltenden Regelung in § 96a SGB VI - die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze unmittelbar den Rentenanspruch berührt und nicht nur die Höhe der Rentenzahlung bestimmt (Bundestags-Drucksache 13/3150 S. 41 zu Nr. 5 Buchst. a; vgl. auch BSG SozR 3-2600 § 34 Nr. 1).

Die Hinzuverdienstgrenze betrug gemäß § 34 Abs. 3 SGB VI (1.) bei einer Rente wegen Alters als Vollrente ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (dies waren in der bis zum 31. März 2003 geltenden Fassung EUR 325,00 und nach der ab 01. April 2003 geltenden Fassung - Gesetz vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S. 4621 - EUR 340,00, in den Jahren 2004 und 2005 EUR 345,00), (2.) bei einer Rente wegen Alters als Teilrente von a. ein ein Drittel der Vollrente das 23,3-fache, b. der Hälfte der Vollrente das 17,5-fache, c. zwei Dritteln der Vollrente das 11,7-fache des aktuellen Rentenwerts, (§ 68 SGB VI), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten. Beim Bezug der Altersrente als Vollrente war von der monatlichen Hinzuverdienstgrenze für das Jahr 2003 von EUR 340,00 für die Jahre 2004 und 2005 von EUR 345,00 auszugehen. Damit bestand allenfalls noch Anspruch auf die nächst niedrigere Rente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente; die Berechnung des maßgeblichen Hinzuverdienstes mit Blick auf einen noch niedrigeren Anspruch ist hier entbehrlich.

Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI wird die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Abs. 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 3 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die Beklagte hat diese Vorschrift zugunsten der Klägerin so ausgelegt, dass der Bezug von Arbeitsentgelt in Höhe von EUR 400,00 in den Monaten April und Mai 2003 rentenunschädlich geblieben ist, weil anschließend bis zur erneuten Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze ab 01. August 2003 die Monate Juni 2003 (kein Einkommen) und Juli 2003 (Einkommen EUR 287,00) gelegen haben; ob und inwieweit ein von der Beklagten sonst in Anspruch genommenes "Vormonatsprinzip", das im Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat, gilt, bleibt hier unerheblich (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. Juni 2007 - L 4 R 6037/06 - rechtskräftig).

Nicht zu folgen ist der Auffassung der Klägerin, auch im Jahr 2004 sei ein unschädliches Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze für zwei Monate zu berücksichtigen. In diesem Kalenderjahr ist (schon seit August 2003) die Hinzuverdienstgrenze von EUR 340,00 durchgängig in gleicher Höhe (EUR 400,00) überschritten gewesen. Die zweimalige Ausnahme von der Hinzuverdienstgrenze zielt auf den Ausgleich von Schwankungen bei sonst gleichbleibendem Arbeitsentgelt (BSG SozR 3- 2600 § 34 Nr. 4), wobei das BSG in dieser Entscheidung lediglich die frühere engere Auffassung, allein auf Sonderzuwendungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld zielend, auf einen ausnahmsweise erzielten Mehrarbeitsverdienst ausgeweitet hat. Es ergibt sich daher nicht, dass bei einem über mehrere Jahre andauernden Beschäftigungsverhältnis ohne Schwankungen des Arbeitsentgelts und der Arbeitszeit generell in jedem Kalenderjahr ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze rentenunschädlich wäre.

Hingegen ist der Auffassung der Klägerin entgegen derjenigen der Beklagten und des SG für die Monate Januar und Februar 2005 zu folgen. Im Jahr 2005 ist es insoweit zu Schwankungen in Arbeitszeit und Arbeitsentgelt gekommen, als ab März 2005 das Arbeitseinkommen wieder bei EUR 345,00 bzw. bei EUR 309,00/EUR 216,00 gelegen hat. Die zweimalige Überschreitungsmöglichkeit hat ihren Grund darin, den Bedürfnissen der Praxis Rechnung zu tragen und zu ermöglichen, Arbeitsverträge so auf die Hinzuverdienstgrenzen abzustellen, dass diese unabhängig von den Schwankungen bei den Arbeitsstunden eingehalten werden können und ein Jahresausgleich gefunden werden kann und somit Einkommensschwankungen abgefangen werden sollen (vgl. Bundestags-Drucksache 11/4124 S. 161 zu § 34). Es ist nicht ersichtlich, dass ein Überschreiten der Grenzen in den Monaten Januar und Februar 2005 schädlicher sein soll als im Verlauf des Kalenderjahres oder gegen dessen Ende; insoweit findet das bereits zitierte Vormonatsprinzip im Gesetz keine Stütze (vgl. nochmals Senatsurteil vom 22. Juni 2007 zum Fall des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze bereits im ersten Monat des Rentenbeginns). Hätte die Klägerin im weiteren Verlauf des Jahres 2005 nochmals die Hinzuverdienstgrenze überschritten, wäre dies schädlich gewesen. Insoweit ist nach der gesetzlichen Regelung eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt; darauf, dass die Reduzierung des Verdienstes ab März 2005 auf die Arbeitgeberanfragen der Beklagten vom Januar und Februar 2005 zurückzuführen sein könnte, kommt es nicht an.

Die Klägerin hat - bezogen auf die Zeit von August 2003 bis Dezember 2004 - grob fahrlässig im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ihre Mitteilungspflicht verletzt. Aus dem Rentenbescheid vom 21. Februar 2003 war ersichtlich, dass die gesetzliche Hinzuverdienstgrenze ab April 2003 bei EUR 340,00 lag. Dieser Betrag ist nicht identisch mit der Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze, die sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) zum 01. April 2003 deutlich von EUR 325,00 auf EUR 400,00 erhöhte. Möglichweise sind die Klägerin und der Arbeitgeber insoweit, als das Arbeitsentgelt ab April 2003 erstmals auf EUR 400,00 erhöht wurde, das Risiko eines Irrtums eingegangen. Dies entschuldigt aber nicht. Die Klägerin war im Rentenbescheid unter "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" darüber belehrt worden, bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres bestehe die Verpflichtung, die Aufnahme einer über das Entgelt von EUR 340,00 ab 01. April 2003 hinausgehenden Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Das Außerachtlassen von Hinweisen in den überschaubaren Erläuterungen und Anlagen zum Rentenbescheid ist im allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Erläuterungen nicht verstehen konnte (BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Der Betrag von EUR 340,00, für die Zeit ab 01. April 2003 mit dem Hinweis genannt, es handle sich um ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, wie er sowohl im Rentenbescheid selbst als auch in dessen Anlage enthalten war, war für die Klägerin hinreichend verständlich. Die Verständlichkeit war nicht dadurch beeinträchtigt, dass im Rentenbescheid in der Anlage 19 auch noch die für die Zeit ab Rentenbeginn bis März 2003 geltende Hinzuverdienstgrenze von EUR 325,00 nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI angegeben war, die bis 31. März 2003 der Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze entsprochen hatte. Anhaltspunkte, dass die Klägerin von der Beachtung dieses Hinweises überfordert war, sind nicht ersichtlich.

Anders als bei der Anrechnungsvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist bei Nr. 2 die Aufhebung und Rückforderung nicht nur soweit möglich, als sich die zu Unrecht bezogene Sozialleistung und das Einkommen, das zu deren Wegfall geführt hat, decken (BSGE 60, 180 = SozR 1300 § 48 Nr. 26 für das Arbeitslosengeld; SozR 3-1300 § 48 Nr. 37 für die Rente; fortgeführt in SozR 3-1300 § 48 Nr. 42 für das Kindergeld). Dies wird in der Kommentarliteratur nicht beanstandet (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 34 Abs. 6 RdNr. 44; Steinwedel a.a.O., § 48 SGB X RdNr. 50). Die Regelung ist auch nicht verfassungswidrig. Zwar mag zutreffen, dass allein der vom SG zitierte "Übersicherungseinwand" den Wegfall der ganzen Rente bei geringfügiger Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze nicht zu rechtfertigen vermag. Was jedoch in den Fällen schuldlosen nachträglichen Zuflusses anderer Sozialleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X noch zumutbar sein mag, wäre hier kaum noch praktikabel. Versicherungsträger und Versicherte wären während des gesamten Bezugszeitraums der vorzeitigen Altersrente zur Einhaltung und Überwachung regelmäßiger detaillierter Abrechnungen gezwungen. Dem sollen die starren Grenzen des Hinzuverdienstes entgegenwirken, die es ermöglichen, dass die Versicherten neben dem Rentenbezug zwar noch einer gering entlohnten Beschäftigung nachgehen können, durch das Überschreiten der Grenze aber zu erkennen geben, dass sie sich noch mehr als geringfügig dem Kreis der Erwerbstätigen zugehörig wissen. Hierin liegt kein bedenklicher Eingriff im Sinne der Gleichbehandlung oder des Schutzes eigentumsähnlicher Anwartschaften; die Regelung belastet nur dann wesentlich, wenn, wie im Fall der Klägerin, grob schuldhaftes Handeln zu Aufhebung und Erstattungsverpflichtung führt. Insoweit kann, wie die Beklagte und das SG zutreffend dargelegt haben, auch kein atypischer Fall angenommen werden, der zu Ermessenserwägungen verpflichten würde. Ein atypischer Fall kann auch nicht deswegen angenommen werden, weil der Beklagten jedenfalls aufgrund des Rentenantrags, der Erklärung vom 27. November 2002 und der Bescheinigung der Firma B. vom 03. Dezember 2002 durchaus bekannt war, das die Klägerin auch über den 31. Oktober 2002 hinaus dort noch erwerbstätig war und die Beklagte dann von sich aus die Auskunft beim Arbeitgeber für die Zeit ab 01. Oktober 2002 eingeholt hat.

Die einjährige Handlungsfrist gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten.

Der gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstattende Betrag ermäßigt sich von EUR 3.085,15 um EUR 515,58 (zweimal EUR 257,79); dies ergibt EUR 2.569,57. Rechenfehler sind nicht ersichtlich. Über Modalitäten der Erstattung ist hier nicht zu befinden (ständige Rechtssprechung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Klärungsbedürftig und -fähig ist die Frage, ob sich ein von der Beklagten in Anspruch genommenes "Vormonatsprinzip" hindernd auf den Teilerfolg der Klägerin auswirken könnte.
Rechtskraft
Aus
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