Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 P 2189/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4848/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. September 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Pflegegeld für Pflegebedürftige der Pflegestufe I.
Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegeversichert. Im Juni 2000 erfolgte eine Nukleotomie wegen eines Bandscheibenvorfalls L 5/S 1 und im November 2000 eine Spondylodese L 4/S 1 bei Postnukleotomiesyndrom. Des Weiteren besteht eine Harn- und Stuhlinkontinenz sowie eine intermittierende hepatische Porphyrie. Der Kläger erhält seit 01. Februar 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, zunächst befristet bis 31. Dezember 2003, zwischenzeitlich bis zum 65. Lebensjahr.
Den vom Kläger im Januar 2002 gestellten Antrag auf Pflegegeld lehnte die Beklagte mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 19. April 2002 ab, weil die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht gegeben seien. Dem zu Grunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft G.-K., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 11. April 2002, das einen täglichen Zeitaufwand bei den Verrichtungen der Grundpflege von 32 Minuten und der Hauswirtschaft von 63 Minuten ermittelte.
Der Kläger beantragte am 19. August 2002 erneut Pflegegeld. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Arzt Dr. T., MDK, das Gutachten vom 10. Oktober 2002 auf Grund eines am 09. Oktober 2002 erfolgten Besuchs in der Wohnung, die der Kläger zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren zwei Töchtern bewohnt. Auf Grund der bestehenden Funktionseinschränkungen sei teilübernehmende Hilfe erforderlich beim Duschen (Ein- und Ausstieg in die Duschwanne), das zweimal täglich durchgeführt werde, beim Waschen der Beine und des Rückens, beim Wiederhochziehen der Hose nach Stuhlgang sowie beim An- und Ausziehen der Schuhe, Strümpfe und der Hose. Die hauswirtschaftliche Versorgung müsse vollkommen übernommen werden. Dr. T. ermittelte einen täglichen Zeitaufwand bei der Grundpflege von 32 Minuten (Körperpflege 24 Minuten, Ernährung null Minuten, Mobilität acht Minuten) und bei der Hauswirtschaft von 60 Minuten, den er wie folgt errechnete:
Körperpflege
Verrichtung Art der Hilfe Frequenz berücksichtigungsfähig (Minuten täglich Duschen Teilübernahme 2-mal täglich 22 Richten der Bekleidung Teilübernahme 1-mal täglich 2
Mobilität
Verrichtung Art der Hilfe Frequenz berücksichtigungsfähig (Minuten täglich) Ankleiden Ober-/Unterkörper Teilübernahme 1-mal täglich 6 Entkleiden Ober-/Unterkörper Teilübernahme 1-mal täglich 2
Hauswirtschaftliche Versorgung
Verrichtung Art der Hilfe Frequenz Einkaufen 2-mal wöchentlich Kochen 7-mal wöchentlich Reinigung der Wohnung 2-mal wöchentlich Spülen 7-mal wöchentlich Wechseln/Waschen der Kleidung und Wäsche 2-mal wöchentlich
Unter Bezugnahme auf die Begutachtung teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie könne momentan keine Kosten für ambulante Pflege übernehmen, weil die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht gegeben seien (Bescheid vom 11. Oktober 2002). Der Kläger erhob Widerspruch. Die Beklagte veranlasste daraufhin das Gutachten nach Aktenlage der Pflegefachkraft K. vom 16. Dezember 2002. Sie hielt das Vorgutachten für zutreffend. Es bestehe Hilfebedarf zweimal täglich in Form von Teilhilfe beim Duschen, bei Urinteilinkontinenz, hierbei jeweils Mithilfe beim Ein- und Ausstieg in die Wanne und beim Waschen der Beine und des Rückens. Des Weiteren bestehe die Notwendigkeit der Hilfe beim Wiederhochziehen der Hose nach Stuhlgang. Im Bereich der Ernährung sei der Kläger selbstständig. Im Bereich der Mobilität erfolgten Hilfen beim An- und Entkleiden, hier vor allem beim Anziehen der Schuhe, Strümpfe und Hose. Vollständiger Hilfebedarf bestehe im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der derzeit vorliegende tägliche Hilfebedarf bei der körperbezogenen Pflege liege unter 45 Minuten. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers unter Verweis auf die Gutachten des MDK zurück (Widerspruchsbescheid vom 1. April 2003).
Der Kläger hat am 02. Mai 2003 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben und Leistungen ab der ersten Antragstellung begehrt. Der Gutachter habe die Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung und beim Treppensteigen mit der Begründung verweigert, er (der Kläger) würde zu wenig zum Arzt gehen. Er gehe alle 14 Tage zu einem Arzt nach L., einmal im Monat zu Dr. F. und einmal im Quartal zu Dr. W. sowie zweimal in der Woche zur Krankengymnastik. Er benötige zum Verlassen der Wohnung Hilfe, da eine Harn- und Stuhlinkontinenz bestehe. Deshalb sei eine Begleitung erforderlich, die ihm helfen könne, eine Toilette aufzusuchen. Diese benötige er weiter auch deshalb, weil Toiletten (außerhalb seiner Wohnung) zu niedrig angebracht seien. Weiter benötige er Hilfe beim An- und Ausziehen sowie auf der Toilette und im Bad beim Waschen. Durch seine Einschränkungen könne er sich nicht mehr selbst versorgen. Auch müsse er wegen einer im Juli 2004 festgestellten Thrombose an beiden Beinen Gummistrümpfe tragen. Diese müssten angezogen werden. Morgens und abends müsse er an den Beinen eingecremt werden. Er hat ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. Wi. vom 12. August 2003 vorgelegt, das den Behandlungsverlauf seit dem Jahr 2001 wiedergibt und ausführt, die vom Kläger geklagten Kreuzschmerzen und Spannungsgefühle in den Unterschenkeln und Füßen seien aus Sicht des Operateurs auf Narben im Operationsfeld zurückzuführen, ebenso die vom Neurologen und Urologen bestätigte und unter konservativen Maßnahmen gut beherrschbare diskrete Blasen- und Mastdarminkontinenz. Paresen fänden sich nicht.
Das Sozialgericht hat als sachverständige Zeugen den Chirurgen Dr. S., den Urologen Dr. Ka., den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. und den Orthopäden Dr. F. zur Behandlung des Klägers gehört und das Gutachten des Internisten Dr. Sc. vom 18. Oktober 2003 eingeholt. Die wesentlichen Gesundheitsstörungen, die Hilfen bei den (relevanten) Verrichtungen notwendig machten, seien die eingeschränkte Beugefähigkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule mit einer erheblichen Einschränkung des Bückens und der Rotation im unteren Wirbelsäulenbereich sowie die teilweise tröpfchenweise unwillkürliche Urinentleerung und das Stuhlschmieren. Der zeitliche Umfang des regelmäßigen täglichen Pflegebedarfs betrage "41" (richtig 43) Minuten (Körperpflege 23 Minuten, Darm- und Blasenentleerung eine Minute, Ernährung Null Minuten, Mobilität neun [richtig elf] Minuten, An- und Auskleiden acht Minuten). Etwa zweimal in der Woche sei eine Teilwäsche des Unterkörpers bei unwillkürlichem Urinabgang erforderlich. Für die teilweise Übernahme und unterstützende Hilfestellung beim Waschen und Abtrocknen der Beine unterhalb des Kniegelenkes werde der Zeitbedarf anteilig gerechnet mit täglich einer Minute angesetzt. Der Zeitbedarf für die Teilübernahme (Waschen und Abtrocknen der Unterschenkel und der Füße) beim aufgrund der hygienischen Notwendigkeit täglich zweimaligen Duschen werde mit täglich 22 Minuten angesetzt. Das Richten der Kleider nach dem Toilettengang werde im Regelfall selbstständig durchgeführt. Wenn beim Sitzen auf der Toilette die Hose auf den Boden falle, sei Hilfe beim Hochziehen bis zu den Knien erforderlich, wofür ein täglicher Zeitbedarf von 0,5 Minuten anzurechnen sei, ebenso für den durchschnittlich zweimal in der Woche notwendigen Wäschewechsel nach Einnässen. Beim Ankleiden des Unterkörpers benötige der Kläger zweimal täglich eine Übernahme des Anziehens der Socken, der Hose und der Unterhose bis zu den Kniegelenken mit einem täglichen Zeitbedarf von sechs Minuten. Für die zweimal täglich notwendige Entkleidung der Beine seien zwei Minuten anzurechnen. Ein- bis zweimal in der Woche müsse der Kläger nachts die Unterwäsche wechseln. Hierfür betrage der Zeitbedarf täglich eine Minute. In den Gutachten vom 10. Oktober 2002 und 16. Dezember 2002 seien die Zeiten für Arztbesuche (dreimal monatlich je 1,5 Stunden, täglich neun Minuten), bei denen der Kläger begleitet werden müsse, nicht berücksichtigt. Im Übrigen ergäben sich keine wesentlichen Abweichungen bei der Beurteilung des Zeitbedarfes bezüglich der pflegerischen Hilfeleistung.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20. September 2005). Hinsichtlich des Zeitbedarfs für Grundpflege ist das Sozialgericht dem Gutachten des Dr. Sc. gefolgt. Ob die Arztbesuche pflegebedarferhöhend berücksichtigt werden könnten, könne offen bleiben. Dagegen spreche, dass diese nicht mindestens einmal wöchentlich stattfänden.
Gegen den ihm am 30. September 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Oktober 2005 Berufung eingelegt. Er gehe zweimal pro Woche zur Krankengymnastik. Nicht berücksichtigt sei, dass er an beiden Beinen Stützstrümpfe tragen müsse. Er begehre Leistungen vom Zeitpunkt seiner ersten Antragstellung, weil der erste Gutachter von der Materie keine Ahnung gehabt habe. Seit 2006 gehe er im Normalfall wöchentlich zur Behandlung zu Dr. M ... Er hat eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Anästhesie Dr. M. vom 23. Januar 2007, in der insgesamt 28 Vorstellungsterminen im Jahre 2006 genannt sind, vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Januar 2002 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen, hilfsweise ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Auf Anfrage des Senats hat Frau H.-W. die Behandlungstermine für die Zeit vom 27. November 2001 bis 14. April 2004 mitgeteilt (Schreiben vom 27. April 2006). Der Senat hat die den Kläger betreffenden Akten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts, die beigezogene Rentenakte sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. April 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Pflegegeld.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bedürfen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt demnach ein Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität).
Der Zeitaufwand der Grundpflege beträgt nicht mindestens 45 Minuten. Funktionseinschränkungen ergeben sich auf Grund einer Nukleotomie und einer nachfolgenden Spondylodese. Es besteht eine eingeschränkte Beugefähigkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule. Des Weiteren besteht eine Harn- und Stuhlinkontinenz. Deshalb benötigt der Kläger Hilfe im Bereich der Körperpflege und im Bereich der Mobilität, im Bereich der Körperpflege beim Duschen, der Darm- und Blasenentleerung und zweimal in der Woche bei der Teilwäsche des Unterkörpers sowie im Bereich der Mobilität beim An- und Auskleiden. Unterstützung bei der Verrichtung des Duschens und der Teilwäsche des Unterkörpers ist erforderlich beim Waschen und Abtrocknen der unteren Extremitäten und des Rückens. Unterstützung bei der Verrichtung der Darm- und Blasenentleerung benötigt der Kläger zum Richten der Kleider nach dem Stuhlgang. Im Bereich der Mobilität bezieht sich die erforderlichen Unterstützung auf das Hochziehen der Hose nach dem Toilettengang und ein gelegentlich notwendiges Wechseln der Wäsche nach Einnässen. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Gutachten des Arztes Dr. T. vom 10. Oktober 2002, der Pflegekraft Kawlowski vom 16. Dezember 2002 sowie dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sc. vom 18. Oktober 2003.
Der Zeitbedarf für die Hilfe, die der Kläger bei den zuvor genannten Verrichtungen benötigt, beträgt 32 Minuten. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die Gutachten der Dres. T. und Sc ... Der angenommene tägliche Zeitbedarf von 22 Minuten für Teilübernahme von Tätigkeiten beim täglich zweimaligen Duschen, eine Minute für Teilwäsche des Unterkörpers, zwei Minuten bzw. eine Minute zum Richten der Kleider bzw. Wechsel der Wäsche nach dem Stuhlgang und acht Minuten für die Unterstützung bei An- und Entkleiden ist nachvollziehbar. Die beiden Gutachter haben fast den identischen Zeitbedarf für die einzelnen Verrichtungen angegeben. Für die Höhe des Zeitaufwandes war insoweit zu berücksichtigen, dass nicht eine vollständige Übernahme der Hilfe bei den genannten Verrichtungen, sondern nur eine teilweise Übernahme in Form der Unterstützung durch eine Pflegeperson erforderlich ist. Der jeweils angegebene Zeitbedarf für die einzelne Verrichtung hält sich in den Zeitrahmen, die die auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Begutachtungs-Richtlinien enthalten und die für den Normalfall entsprechenden Pflegemaßnahmen als "Orientierungswerte" zur Pflegezeitbemessung dienen können (BSG, Urteil vom 31. August 2000 - B 3 P 14/99 R - = SozR 3-3300 § 14 Nr. 15). Besonderheiten, die zu einer Überschreitung des jeweiligen Zeitrahmens führen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren darauf verweist, in der Zwischenzeit wegen einer Venenerkrankung an beiden Beinen Stützstrümpfe tragen zu müssen, kann sich zwar ein Hilfebedarf beim An- und Ausziehen der Stützstrümpfe ergeben, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verrichtung des An- und Auskleidens stünde und deshalb bei der Grundpflege berücksichtigt werden könnte. Allerdings beträgt der tägliche Zeitaufwand hierfür allenfalls wenige Minuten, sodass auch bei zusätzlicher Berücksichtigung dieses Hilfebedarfs zu dem Zeitaufwand von 32 Minuten ein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 Minuten nicht erreicht werden kann.
Ein Hilfebedarf bei weiteren zur Grundpflege gehörenden Verrichtungen lässt sich nicht feststellen. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sc. ein Zeitaufwand für Arztbesuche und Krankengymnastik nicht zu berücksichtigen. Im Bereich der Mobilität zählen zu der Verrichtung des Verlassens und des Wiederaufsuchens der Wohnung auch Arztbesuche und Wege zur Krankengymnastik, soweit sie der Behandlung einer Krankheit dienen und nicht die Stärkung oder Verbesserung der Fähigkeit zu eigenständiger Lebensführung im Vordergrund steht, sofern dies mindestens einmal wöchentlich anfällt (BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - = SozR 4-3300 § 15 Nr. 1). Dies ist nicht der Fall. Der Kläger sucht nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sc. seinen Hausarzt durchschnittlich zweimal im Quartal, einen Orthopäden einmal monatlich und einen Schmerztherapeuten 14-täglich auf. Auch in der im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigung des Dr. M. vom 23. Januar 2007 sind keine wöchentlichen Behandlungstermine aufgelistet. Zwischen den einzelnen Behandlungsterminen liegen meistens mehrere Wochen, zum Teil sogar mehrere Monate. Auch in der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger dargelegt, Dr. M. nicht wöchentlich aufsuchen zu können, weil dieser auch zahlreiche auswärtige Termine wahrnehme. Aus den Angaben der vom Sozialgericht als sachverständige Zeugen gehörten behandelnden Ärzte ergibt sich nichts Abweichendes. Insbesondere gab Allgemeinarzt Dr. W. in seiner Auskunft vom 25. August 2003 an das Sozialgericht keine wöchentliche Konsultation an. Zwischen den von ihm mitgeteilten einzelnen Konsultationen lagen zum Teil mehrere Wochen. Auch die krankengymnastischen Behandlungen können beim Aufwand für die Grundpflege nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht regelmäßig und auch nicht auf die Dauer von voraussichtlich mindestens sechs Monaten anfallen. Sie erfolgten vom 27. November 2001 bis 12. März 2002 und vom 13. Januar 2004 bis 14. April 2004, wie sich aus den im Berufungsverfahren eingeholten Auskünften der behandelnden Therapeutin H.-W. ergibt. Unerheblich ist der Grund für die nicht mehr erfolgte Weiterführung der Behandlung, insbesondere ob - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats dargelegt hat - er die krankengymnastische Behandlung wegen der fehlenden Bereitschaft der Krankenkasse, diese Kosten zu übernehmen, nicht mehr weiterführen konnte.
Soweit der Kläger in seiner Klageschrift auf die Notwendigkeit einer Begleitung außerhalb seiner Wohnung verwiesen hat, weil die außerhalb seiner Wohnung sich befindlichen Toiletten zu niedrig angebracht seien, lässt sich hieraus ein Hilfebedarf für die Grundpflege nicht ableiten. Die allgemeine Begleitung außerhalb der Wohnung ist keine zur Grundpflege gehörende Verrichtung (vgl. BSG, Urteil vom 06. August 1998 - B 3 P 17/97 R - = SozR 3-3300 § 14 Nr. 6).
Da beim Kläger die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht gegeben sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kläger auch für Zeit zwischen der ersten (29. Januar 2002) und zweiten Antragstellung (19. August 2002) trotz des insoweit bestandskräftig gewordenen Ablehnungsbescheids vom 19. April 2002 Anspruch auf Pflegegeld hatte.
Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat auch nicht gedrängt, ein weiteres Gutachten zu erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Pflegegeld für Pflegebedürftige der Pflegestufe I.
Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegeversichert. Im Juni 2000 erfolgte eine Nukleotomie wegen eines Bandscheibenvorfalls L 5/S 1 und im November 2000 eine Spondylodese L 4/S 1 bei Postnukleotomiesyndrom. Des Weiteren besteht eine Harn- und Stuhlinkontinenz sowie eine intermittierende hepatische Porphyrie. Der Kläger erhält seit 01. Februar 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, zunächst befristet bis 31. Dezember 2003, zwischenzeitlich bis zum 65. Lebensjahr.
Den vom Kläger im Januar 2002 gestellten Antrag auf Pflegegeld lehnte die Beklagte mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 19. April 2002 ab, weil die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht gegeben seien. Dem zu Grunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft G.-K., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 11. April 2002, das einen täglichen Zeitaufwand bei den Verrichtungen der Grundpflege von 32 Minuten und der Hauswirtschaft von 63 Minuten ermittelte.
Der Kläger beantragte am 19. August 2002 erneut Pflegegeld. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Arzt Dr. T., MDK, das Gutachten vom 10. Oktober 2002 auf Grund eines am 09. Oktober 2002 erfolgten Besuchs in der Wohnung, die der Kläger zusammen mit seiner Lebensgefährtin und deren zwei Töchtern bewohnt. Auf Grund der bestehenden Funktionseinschränkungen sei teilübernehmende Hilfe erforderlich beim Duschen (Ein- und Ausstieg in die Duschwanne), das zweimal täglich durchgeführt werde, beim Waschen der Beine und des Rückens, beim Wiederhochziehen der Hose nach Stuhlgang sowie beim An- und Ausziehen der Schuhe, Strümpfe und der Hose. Die hauswirtschaftliche Versorgung müsse vollkommen übernommen werden. Dr. T. ermittelte einen täglichen Zeitaufwand bei der Grundpflege von 32 Minuten (Körperpflege 24 Minuten, Ernährung null Minuten, Mobilität acht Minuten) und bei der Hauswirtschaft von 60 Minuten, den er wie folgt errechnete:
Körperpflege
Verrichtung Art der Hilfe Frequenz berücksichtigungsfähig (Minuten täglich Duschen Teilübernahme 2-mal täglich 22 Richten der Bekleidung Teilübernahme 1-mal täglich 2
Mobilität
Verrichtung Art der Hilfe Frequenz berücksichtigungsfähig (Minuten täglich) Ankleiden Ober-/Unterkörper Teilübernahme 1-mal täglich 6 Entkleiden Ober-/Unterkörper Teilübernahme 1-mal täglich 2
Hauswirtschaftliche Versorgung
Verrichtung Art der Hilfe Frequenz Einkaufen 2-mal wöchentlich Kochen 7-mal wöchentlich Reinigung der Wohnung 2-mal wöchentlich Spülen 7-mal wöchentlich Wechseln/Waschen der Kleidung und Wäsche 2-mal wöchentlich
Unter Bezugnahme auf die Begutachtung teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie könne momentan keine Kosten für ambulante Pflege übernehmen, weil die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht gegeben seien (Bescheid vom 11. Oktober 2002). Der Kläger erhob Widerspruch. Die Beklagte veranlasste daraufhin das Gutachten nach Aktenlage der Pflegefachkraft K. vom 16. Dezember 2002. Sie hielt das Vorgutachten für zutreffend. Es bestehe Hilfebedarf zweimal täglich in Form von Teilhilfe beim Duschen, bei Urinteilinkontinenz, hierbei jeweils Mithilfe beim Ein- und Ausstieg in die Wanne und beim Waschen der Beine und des Rückens. Des Weiteren bestehe die Notwendigkeit der Hilfe beim Wiederhochziehen der Hose nach Stuhlgang. Im Bereich der Ernährung sei der Kläger selbstständig. Im Bereich der Mobilität erfolgten Hilfen beim An- und Entkleiden, hier vor allem beim Anziehen der Schuhe, Strümpfe und Hose. Vollständiger Hilfebedarf bestehe im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der derzeit vorliegende tägliche Hilfebedarf bei der körperbezogenen Pflege liege unter 45 Minuten. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers unter Verweis auf die Gutachten des MDK zurück (Widerspruchsbescheid vom 1. April 2003).
Der Kläger hat am 02. Mai 2003 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben und Leistungen ab der ersten Antragstellung begehrt. Der Gutachter habe die Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung und beim Treppensteigen mit der Begründung verweigert, er (der Kläger) würde zu wenig zum Arzt gehen. Er gehe alle 14 Tage zu einem Arzt nach L., einmal im Monat zu Dr. F. und einmal im Quartal zu Dr. W. sowie zweimal in der Woche zur Krankengymnastik. Er benötige zum Verlassen der Wohnung Hilfe, da eine Harn- und Stuhlinkontinenz bestehe. Deshalb sei eine Begleitung erforderlich, die ihm helfen könne, eine Toilette aufzusuchen. Diese benötige er weiter auch deshalb, weil Toiletten (außerhalb seiner Wohnung) zu niedrig angebracht seien. Weiter benötige er Hilfe beim An- und Ausziehen sowie auf der Toilette und im Bad beim Waschen. Durch seine Einschränkungen könne er sich nicht mehr selbst versorgen. Auch müsse er wegen einer im Juli 2004 festgestellten Thrombose an beiden Beinen Gummistrümpfe tragen. Diese müssten angezogen werden. Morgens und abends müsse er an den Beinen eingecremt werden. Er hat ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. Wi. vom 12. August 2003 vorgelegt, das den Behandlungsverlauf seit dem Jahr 2001 wiedergibt und ausführt, die vom Kläger geklagten Kreuzschmerzen und Spannungsgefühle in den Unterschenkeln und Füßen seien aus Sicht des Operateurs auf Narben im Operationsfeld zurückzuführen, ebenso die vom Neurologen und Urologen bestätigte und unter konservativen Maßnahmen gut beherrschbare diskrete Blasen- und Mastdarminkontinenz. Paresen fänden sich nicht.
Das Sozialgericht hat als sachverständige Zeugen den Chirurgen Dr. S., den Urologen Dr. Ka., den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. und den Orthopäden Dr. F. zur Behandlung des Klägers gehört und das Gutachten des Internisten Dr. Sc. vom 18. Oktober 2003 eingeholt. Die wesentlichen Gesundheitsstörungen, die Hilfen bei den (relevanten) Verrichtungen notwendig machten, seien die eingeschränkte Beugefähigkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule mit einer erheblichen Einschränkung des Bückens und der Rotation im unteren Wirbelsäulenbereich sowie die teilweise tröpfchenweise unwillkürliche Urinentleerung und das Stuhlschmieren. Der zeitliche Umfang des regelmäßigen täglichen Pflegebedarfs betrage "41" (richtig 43) Minuten (Körperpflege 23 Minuten, Darm- und Blasenentleerung eine Minute, Ernährung Null Minuten, Mobilität neun [richtig elf] Minuten, An- und Auskleiden acht Minuten). Etwa zweimal in der Woche sei eine Teilwäsche des Unterkörpers bei unwillkürlichem Urinabgang erforderlich. Für die teilweise Übernahme und unterstützende Hilfestellung beim Waschen und Abtrocknen der Beine unterhalb des Kniegelenkes werde der Zeitbedarf anteilig gerechnet mit täglich einer Minute angesetzt. Der Zeitbedarf für die Teilübernahme (Waschen und Abtrocknen der Unterschenkel und der Füße) beim aufgrund der hygienischen Notwendigkeit täglich zweimaligen Duschen werde mit täglich 22 Minuten angesetzt. Das Richten der Kleider nach dem Toilettengang werde im Regelfall selbstständig durchgeführt. Wenn beim Sitzen auf der Toilette die Hose auf den Boden falle, sei Hilfe beim Hochziehen bis zu den Knien erforderlich, wofür ein täglicher Zeitbedarf von 0,5 Minuten anzurechnen sei, ebenso für den durchschnittlich zweimal in der Woche notwendigen Wäschewechsel nach Einnässen. Beim Ankleiden des Unterkörpers benötige der Kläger zweimal täglich eine Übernahme des Anziehens der Socken, der Hose und der Unterhose bis zu den Kniegelenken mit einem täglichen Zeitbedarf von sechs Minuten. Für die zweimal täglich notwendige Entkleidung der Beine seien zwei Minuten anzurechnen. Ein- bis zweimal in der Woche müsse der Kläger nachts die Unterwäsche wechseln. Hierfür betrage der Zeitbedarf täglich eine Minute. In den Gutachten vom 10. Oktober 2002 und 16. Dezember 2002 seien die Zeiten für Arztbesuche (dreimal monatlich je 1,5 Stunden, täglich neun Minuten), bei denen der Kläger begleitet werden müsse, nicht berücksichtigt. Im Übrigen ergäben sich keine wesentlichen Abweichungen bei der Beurteilung des Zeitbedarfes bezüglich der pflegerischen Hilfeleistung.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20. September 2005). Hinsichtlich des Zeitbedarfs für Grundpflege ist das Sozialgericht dem Gutachten des Dr. Sc. gefolgt. Ob die Arztbesuche pflegebedarferhöhend berücksichtigt werden könnten, könne offen bleiben. Dagegen spreche, dass diese nicht mindestens einmal wöchentlich stattfänden.
Gegen den ihm am 30. September 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Oktober 2005 Berufung eingelegt. Er gehe zweimal pro Woche zur Krankengymnastik. Nicht berücksichtigt sei, dass er an beiden Beinen Stützstrümpfe tragen müsse. Er begehre Leistungen vom Zeitpunkt seiner ersten Antragstellung, weil der erste Gutachter von der Materie keine Ahnung gehabt habe. Seit 2006 gehe er im Normalfall wöchentlich zur Behandlung zu Dr. M ... Er hat eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Anästhesie Dr. M. vom 23. Januar 2007, in der insgesamt 28 Vorstellungsterminen im Jahre 2006 genannt sind, vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Januar 2002 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen, hilfsweise ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Auf Anfrage des Senats hat Frau H.-W. die Behandlungstermine für die Zeit vom 27. November 2001 bis 14. April 2004 mitgeteilt (Schreiben vom 27. April 2006). Der Senat hat die den Kläger betreffenden Akten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts, die beigezogene Rentenakte sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. April 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Pflegegeld.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bedürfen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt demnach ein Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität).
Der Zeitaufwand der Grundpflege beträgt nicht mindestens 45 Minuten. Funktionseinschränkungen ergeben sich auf Grund einer Nukleotomie und einer nachfolgenden Spondylodese. Es besteht eine eingeschränkte Beugefähigkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule. Des Weiteren besteht eine Harn- und Stuhlinkontinenz. Deshalb benötigt der Kläger Hilfe im Bereich der Körperpflege und im Bereich der Mobilität, im Bereich der Körperpflege beim Duschen, der Darm- und Blasenentleerung und zweimal in der Woche bei der Teilwäsche des Unterkörpers sowie im Bereich der Mobilität beim An- und Auskleiden. Unterstützung bei der Verrichtung des Duschens und der Teilwäsche des Unterkörpers ist erforderlich beim Waschen und Abtrocknen der unteren Extremitäten und des Rückens. Unterstützung bei der Verrichtung der Darm- und Blasenentleerung benötigt der Kläger zum Richten der Kleider nach dem Stuhlgang. Im Bereich der Mobilität bezieht sich die erforderlichen Unterstützung auf das Hochziehen der Hose nach dem Toilettengang und ein gelegentlich notwendiges Wechseln der Wäsche nach Einnässen. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Gutachten des Arztes Dr. T. vom 10. Oktober 2002, der Pflegekraft Kawlowski vom 16. Dezember 2002 sowie dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sc. vom 18. Oktober 2003.
Der Zeitbedarf für die Hilfe, die der Kläger bei den zuvor genannten Verrichtungen benötigt, beträgt 32 Minuten. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die Gutachten der Dres. T. und Sc ... Der angenommene tägliche Zeitbedarf von 22 Minuten für Teilübernahme von Tätigkeiten beim täglich zweimaligen Duschen, eine Minute für Teilwäsche des Unterkörpers, zwei Minuten bzw. eine Minute zum Richten der Kleider bzw. Wechsel der Wäsche nach dem Stuhlgang und acht Minuten für die Unterstützung bei An- und Entkleiden ist nachvollziehbar. Die beiden Gutachter haben fast den identischen Zeitbedarf für die einzelnen Verrichtungen angegeben. Für die Höhe des Zeitaufwandes war insoweit zu berücksichtigen, dass nicht eine vollständige Übernahme der Hilfe bei den genannten Verrichtungen, sondern nur eine teilweise Übernahme in Form der Unterstützung durch eine Pflegeperson erforderlich ist. Der jeweils angegebene Zeitbedarf für die einzelne Verrichtung hält sich in den Zeitrahmen, die die auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Begutachtungs-Richtlinien enthalten und die für den Normalfall entsprechenden Pflegemaßnahmen als "Orientierungswerte" zur Pflegezeitbemessung dienen können (BSG, Urteil vom 31. August 2000 - B 3 P 14/99 R - = SozR 3-3300 § 14 Nr. 15). Besonderheiten, die zu einer Überschreitung des jeweiligen Zeitrahmens führen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren darauf verweist, in der Zwischenzeit wegen einer Venenerkrankung an beiden Beinen Stützstrümpfe tragen zu müssen, kann sich zwar ein Hilfebedarf beim An- und Ausziehen der Stützstrümpfe ergeben, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verrichtung des An- und Auskleidens stünde und deshalb bei der Grundpflege berücksichtigt werden könnte. Allerdings beträgt der tägliche Zeitaufwand hierfür allenfalls wenige Minuten, sodass auch bei zusätzlicher Berücksichtigung dieses Hilfebedarfs zu dem Zeitaufwand von 32 Minuten ein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 Minuten nicht erreicht werden kann.
Ein Hilfebedarf bei weiteren zur Grundpflege gehörenden Verrichtungen lässt sich nicht feststellen. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sc. ein Zeitaufwand für Arztbesuche und Krankengymnastik nicht zu berücksichtigen. Im Bereich der Mobilität zählen zu der Verrichtung des Verlassens und des Wiederaufsuchens der Wohnung auch Arztbesuche und Wege zur Krankengymnastik, soweit sie der Behandlung einer Krankheit dienen und nicht die Stärkung oder Verbesserung der Fähigkeit zu eigenständiger Lebensführung im Vordergrund steht, sofern dies mindestens einmal wöchentlich anfällt (BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - = SozR 4-3300 § 15 Nr. 1). Dies ist nicht der Fall. Der Kläger sucht nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sc. seinen Hausarzt durchschnittlich zweimal im Quartal, einen Orthopäden einmal monatlich und einen Schmerztherapeuten 14-täglich auf. Auch in der im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigung des Dr. M. vom 23. Januar 2007 sind keine wöchentlichen Behandlungstermine aufgelistet. Zwischen den einzelnen Behandlungsterminen liegen meistens mehrere Wochen, zum Teil sogar mehrere Monate. Auch in der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger dargelegt, Dr. M. nicht wöchentlich aufsuchen zu können, weil dieser auch zahlreiche auswärtige Termine wahrnehme. Aus den Angaben der vom Sozialgericht als sachverständige Zeugen gehörten behandelnden Ärzte ergibt sich nichts Abweichendes. Insbesondere gab Allgemeinarzt Dr. W. in seiner Auskunft vom 25. August 2003 an das Sozialgericht keine wöchentliche Konsultation an. Zwischen den von ihm mitgeteilten einzelnen Konsultationen lagen zum Teil mehrere Wochen. Auch die krankengymnastischen Behandlungen können beim Aufwand für die Grundpflege nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht regelmäßig und auch nicht auf die Dauer von voraussichtlich mindestens sechs Monaten anfallen. Sie erfolgten vom 27. November 2001 bis 12. März 2002 und vom 13. Januar 2004 bis 14. April 2004, wie sich aus den im Berufungsverfahren eingeholten Auskünften der behandelnden Therapeutin H.-W. ergibt. Unerheblich ist der Grund für die nicht mehr erfolgte Weiterführung der Behandlung, insbesondere ob - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats dargelegt hat - er die krankengymnastische Behandlung wegen der fehlenden Bereitschaft der Krankenkasse, diese Kosten zu übernehmen, nicht mehr weiterführen konnte.
Soweit der Kläger in seiner Klageschrift auf die Notwendigkeit einer Begleitung außerhalb seiner Wohnung verwiesen hat, weil die außerhalb seiner Wohnung sich befindlichen Toiletten zu niedrig angebracht seien, lässt sich hieraus ein Hilfebedarf für die Grundpflege nicht ableiten. Die allgemeine Begleitung außerhalb der Wohnung ist keine zur Grundpflege gehörende Verrichtung (vgl. BSG, Urteil vom 06. August 1998 - B 3 P 17/97 R - = SozR 3-3300 § 14 Nr. 6).
Da beim Kläger die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht gegeben sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kläger auch für Zeit zwischen der ersten (29. Januar 2002) und zweiten Antragstellung (19. August 2002) trotz des insoweit bestandskräftig gewordenen Ablehnungsbescheids vom 19. April 2002 Anspruch auf Pflegegeld hatte.
Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat auch nicht gedrängt, ein weiteres Gutachten zu erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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