L 32 B 1557/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 18417/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 B 1557/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2007 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 7. 08. 2007 wird angeordnet. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

I. Der Antragsteller bezog von dem Antragsgegner aufgrund eines Bescheides vom 16.4.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. 5. 2007 und 2.6.2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II). Nach einem Hausbesuch durch den Prüf- und Ermittlungsdienst des Antragsgegners hob dieser durch Bescheid vom 7. August 2007 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 3. August 2007 ganz auf. Es hätten bei der Überprüfung keine Anhaltspunkte für einen gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers in der überprüften Wohnung gefunden werden können. Nach dessen Angaben hielte er sich oft bei seiner Freundin auf. Angaben zu deren Aufenthalt und Einkommen habe er nicht gemacht. Deshalb könne die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht festgestellt werden.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mündlich Widerspruch erhoben und bei dem Sozialgericht Berlin eine einstweilige Regelung beantragt. Es treffe nicht zu, dass er sich in der überprüften Wohnung nicht aufhalte, auch wenn die Wohnung nur spärlich eingerichtet sei. Der Antragsteller hat 5 Zeugen benannt, die bestätigen könnten, dass er seine Wohnung tatsächlich auch bewohne. Das Sozialgericht hat den Antrag als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angesehen und deren Erlass durch Beschluss vom 22. August 2007 abgelehnt. Es bestehe nach summarischer Prüfung kein Anordnungsanspruch. Das Gericht folge der Begründung des Bescheides vom 7. August 2007.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der der Antragsteller geltend macht, das Gericht habe sein Vorbringen nicht gewürdigt. Er legt eine schriftliche Zeugenerklärung seines Nachbarn J und der Zeugin D S vor. Der Antragsgegner hat geltend gemacht, die überreichten Zeugenerklärungen stünden im Widerspruch zu den Feststellungen des Prüfdienstes, die dieser vor Ort am 03. 08. 2007 gemacht habe und seien in sich widersprüchlich.

II. Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist begründet. Unzutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass bei verständiger Auslegung des Begehrens des Antragstellers ein Fall des § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzunehmen sei. Im vorliegenden Fall wendet sich der Ast. jedoch gegen einen Aufhebungsbescheid, mit dem ihm die aufgrund des Bescheides vom 16. 4.2007 gewährten Leistungen entzogen werden. Da ein Widerspruch gegen einen solchen Bescheid nach § 39 SGB II keine aufschiebende Wirkung entfaltet, liegt hier ein Anwendungsfall des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG vor.

In diesen Anfechtungssachen ist schon nach den einfachgesetzlichen Voraussetzungen eine Abwägungsentscheidung durchzuführen. Die Gewichtung der einzelnen Abwägungsgesichtspunkte hängt dabei vom Rechtsschutzziel ab. Das gilt insbesondere für die wichtigsten Abwägungsgesichtspunkte der Wahrscheinlichkeit eines Hauptsacheerfolgs und der Wahrscheinlichkeit und der Intensität der bei Nichtgewährung einstweiligen Rechtsschutzes drohenden Rechtsverletzungen. Droht dem Betroffenen ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes eine schwere Rechtsverletzung im Sinne der zur Existenzsicherung nach dem SGB II entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12. 5.2005, 1 BvR 569/05, Rdnrn. 25 ff, zit. nach Juris), die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, sinkt das Gewicht des Abwägungsgesichtspunktes "Wahrscheinlichkeit eines Hauptsacheerfolgs" gegebenenfalls bis gegen "Null". Allein ausschlaggebend kann dieser Abwägungsgesichtspunkt in den Fällen, in denen eine schwere Rechtsverletzung droht, um eines effektiven Rechtsschutzes willen nur sein, wenn eine abschließende Prüfung der Hauptsache möglich ist. Eine bloß summarische Prüfung, wie sie das Sozialgericht vorgenommen hat, verbietet sich dann aus verfassungsrechtlichen Gründen.

So liegt der Fall auch hier. Der Antragsteller begehrt Leistungen der Existenzsicherung und wehrt sich gegen die Feststellungen des Antragsgegners unter Benennung von Zeugen. Da sich die Vernehmung dieser Zeugen durch die auch die von dem Antragsgegner geltend gemachten Widersprüche aufzuklären wären, im Eilverfahren nicht anbietet, war dem Antrag, wie beschlossen, stattzugeben.

Für die Zeit ab 1. September 2007 konnte der Senat keine Entscheidung treffen, weil es insoweit nach Ablauf der des Bewilligungszeitraumes eines neuen Leistungsantrages durch den Antragsteller bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht gegeben (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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