L 10 AL 98/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 428/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 98/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a AL 168/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.02.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Minderung des Arbeitslosengeld(Alg)-Anspruchs des Klägers wegen verspäteter Meldung gemäß § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Höhe von 1.050,00 EUR streitig.

Der 1978 geborene Kläger meldete sich am 29.04.2004 arbeitslos und beantragte Alg. Am 30.04.2004 bestätigte er mit seiner Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Mit Verfügung vom 11.06.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit ab 01.06.2004 für 360 Tage, basierend auf einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 516,34 EUR. Aus diesem Alg-Bezug meldete sich der Kläger zum 01.11.2004 wegen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab.

Mit Bescheid vom 05.11.2004 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung des Alg ab 01.11.2004 auf. Zum 29.03.2005 nahm der Kläger aufgrund des Arbeitsvertrags vom 22.03.2005 eine Beschäftigung bei der T. GmbH in B. auf, welche zunächst auf den 17.06.2005 befristet war. Am 06.06.2005 vereinbarten der Kläger und sein Arbeitgeber eine Verlängerung des befristeten Beschäftigungsverhältnisses bis zum 09.09.2005. Am 12.09.2005 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.10.2005 Alg ab 15.09.2005. Mit Begleitschreiben vom 10.10.2005 teilte die Beklagte dem Kläger ergänzend Folgendes mit: Nach § 140 SGB III mindere sich der Anspruch des Klägers auf Leistungen um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). Im Fall des Klägers errechne sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.050,00 EUR. Der Kläger hätte sich spätestens am 10.06.2005 bei der Beklagten arbeitsuchend melden müssen. Dieser Tag sei der erste Tag mit Dienstbereitschaft der Beklagten drei Monate vor dem vereinbarten Ende des Versicherungspflichtverhältnisses. Die Höhe des Abzugs von der täglichen Leistung betrage 14,01 EUR. Die Anrechnung beginne am 15.09.2005 und ende voraussichtlich mit der Zahlung des Alg für 75 Leistungstag(e). Mit Widerspruch vom 25.10.2005 trug der Kläger hiergegen vor, gemäß § 37b Satz 2 SGB III bedeute frühestens, hier: drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, jedoch durchaus später. Weshalb ein eindeutiger Gesetzeswortlaut einfach übergangen und ein entsprechender Bescheid mit der gegenteiligen Bedeutung des entscheidenden Wortes begründet werde, könne nicht nachvollzogen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 01.12.2005 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Würde man - entgegen der eindeutigen Bestimmung des Gesetzgebers - aus dem Wort frühestens ein spätestens mit der Begründung machen, es sei auf die Unverzüglichkeit in Satz 1 der Vorschrift abzustellen, so wäre die Vorschrift des § 37b Satz 2 SGB III völlig überflüssig. Konsequent zu Ende gedacht würde dies nämlich bedeuten, dass der Antragsteller, der in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt ist, sich genau wie der Antragsteller in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes arbeitslos melden müsse, im Gegensatz zum unbefristet beschäftigten Antragsteller jedoch spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wohingegen der unbefristet beschäftigte Antragsteller auch noch einen späteren Zeitpunkt wählen könne, wenn er erst danach Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlange. Nach teleologischer Auslegung des § 37b Satz 2 SGB III, die im Übrigen auch exakt dem Wortlaut des Gesetzes entspreche, habe der Gesetzgeber in den Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse die Meldung der (bevorstehenden) Arbeitslosigkeit zeitlich nach hinten verschieben wollen, um auch in Fällen, in welchen kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Verlängerung in Betracht komme, nicht vollendete Tatsachen geschaffen zu haben. Insbesondere habe der Gesetzgeber auch erreichen wollen, dass sich der Arbeitnehmer nachhaltig um die (unbefristete) Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bemühe.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.02.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe bereits am 06.06.2005 positive Kenntnis davon gehabt, wann sein Arbeitsverhältnis wieder enden würde, so dass im Hinblick auf die Arbeitsuchendmeldung nach § 37b Satz 1 SGB III bereits in diesem Zeitpunkt eine Meldepflicht gegeben gewesen wäre, sofern nicht die Sonderregelung des § 37b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse greifen würde. Das BSG habe mittlerweile mehrfach entschieden (BSG, Urteil vom 20.10.2005, B 7a AL 28/05 R; Urteil vom 20.10.2005, B 7a AL 50/05 R), dass § 37b SGB III in sich nicht so widersprüchlich bzw. unbestimmt sei, dass er rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht mehr genügen könne. § 37b Satz 2 SGB III sei nach Ansicht des BSG als unselbstständige Begrenzung des § 37b Satz 1 SGB III anzusehen. Der Gesetzgeber habe mit der Kenntniserlangung die Meldepflicht nach § 37b Satz 1 SGB III manifestiert, um eine frühzeitige Vermittlungsmöglichkeit für die Beklagte zu schaffen und so den Eintritt von Arbeitslosigkeit (sog. Job-to-Job-Vermittlung) zu vermeiden. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen von einer kürzeren Dauer als drei Monaten wäre die Anordnung einer Meldepflicht spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses allerdings ebenfalls unsinnig. Deshalb ordne § 37b Satz 2 SGB III eine Arbeitsuchendmeldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen abweichend von Satz 1 nicht im Zeitpunkt der Kenntnis von der Beendigung an, sonderen frühestens drei Monate vor dessen Beendigung, bei kürzeren befristeten Arbeitsverhältnissen eben ab Abschluss des Arbeitsvertrages an. Der Kläger habe die ihm aus § 37b Satz 2 SGB III obliegende Pflicht zur unverzüglichen Meldung auch schuldhaft verletzt. Vorliegend habe der Kläger in dem von ihm am 30.04.2004 unterschriebenen Alg-Antrag bestätigt, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Auf S 16 dieses Merkblatts (Stand: April 2004) sei er von der Beklagten auf seine Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuche ausdrücklich hingewiesen worden. Auch habe der Kläger unstreitig anlässlich der Abmeldung in die Selbstständigkeit zum 01.11.2004 ausweislich des in der Leistungsakte enthaltenen Zahlungsnachweises vom 08.11.2005 einen Aufhebungsbescheid entsprechend dem Vordruck BA II DV 028 erhalten, der unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" ebenfalls eine Belehrung über die Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung nach § 37b SGB III und eine mögliche Minderung eines zukünftigen Leistungsanspruchs nach § 140 SGB III bei einer verspäteten Meldung enthalte.

Gegen den Gerichtsbescheid vom 19.02.2007 richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 21.03.2007 eingegangene Berufung des Klägers. Soweit das SG ausführe, "die gesetzliche Formulierung des § 37b Satz 2 SGB III sei nicht besonders glücklich gefasst", sei zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut des Gesetzes zwischenzeitlich abgeändert worden sei. Gleichwohl sei er auch in seiner alten Fassung eindeutig. Selbst wenn man aber - in unzulässiger Weise - den Gesetzeswortlaut so umdeute, dass er sich in seine gegenteilige Bedeutung verkehre, so könne ihm jedenfalls nicht vorgeworfen werden, dass er die "wahre Bedeutung" des Gesetzeswortlautes nicht erkannt habe, insbesondere verkannt habe, dass es sich bei § 37b Satz 2 SGB III a.F. um eine "unselbstständige Begrenzung" des § 37b Satz 1 SGB III a.F. handele. Wenn er mit einem einfachen sprachlichen Verständnis eine an und für sich einfache und sprachlich eindeutige Regelung deshalb missverstehe, weil er einen missratenen Gesetzeswortlaut nicht so verstehe, wie er auch gar nicht verstanden werden könne, so könne ihm dies jedenfalls i.S. einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 19.02.2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2005 in Verbindung mit dem Schreiben vom 10.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 insofern abzuändern, als darin die Leistung um 1.050,00 EUR gemindert wurde.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung enthalte keine gegenüber dem Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren neuen rechtserheblichen Tatsachen oder Einwände, die eine Änderung der ergangenen Entscheidung begründen könnten. Es werde daher zur Berufungserwiderung sowohl auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides als auch auf die Darlegungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt, d.h. auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des SG sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist das Schreiben der Beklagten vom 10.10.2005 und der Bewilligungsbescheid vom 11.10.2005, die eine rechtliche Einheit i.S. eines einheitlichen Bescheides über die Bewilligung des Alg und damit auch die Höhe des Alg-Anspruchs darstellen (BSG, Urteile vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R, B 11a/11 AL 47/04 R und vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R und B 7a/7 AL 94/04 R). Die Einheit ergibt sich hier bereits daraus, dass zum einen das Schreiben vom 10.10.2005 ergänzend auf den späteren, gesondert zugehenden Bewilligungsbescheid Bezug nimmt, zum anderen daraus, dass der Bewilligungsbescheid vom 11.10.2005 seinerseits hinsichtlich der Minderung selbst wieder auf das Schreiben (= Bescheid) vom 10.10.2005 verweist (vgl. im Einzelnen: BSG Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R).

Bei einem Rechtsstreit über die Minderung des Alg handelt es sich zwar um einen sog. Höhenstreit, bei dem nach der ständigen Rechtsprechung des 7. und 11. Senats des BSG grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen sind (BSG Urteile vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R und B 11a/11 AL 47/04 R). Dieser Überprüfung und der des bei der Alg-Bewilligung zugrunde gelegten Bemessungsentgelts bedarf es aber dann nicht, wenn der Kläger - wie im vorliegenden Fall - seine Klage ausdrücklich auf die Anfechtung der Minderung selbst beschränkt (BSG Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R). Der Kläger hat mit seinem Antrag ausdrücklich klargestellt, dass er die Klage auf die Beseitigung der Minderung des Alg beschränkt. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Überprüfung der Minderung als solche zu beschränken. Dies folgt - wie das BSG im Urteil vom 18.08.2005 (aaO) dargelegt hat, aus dem Charakter des Bewilligungsbescheids. Dieser besteht insgesamt aus zwei Teilen: Der Verfügung über die Höhe des ungeminderten Alg und derjenigen über den Minderungsbetrag. Diese Trennung erlaubt es, entgegen der bei Klagen auf höhere Leistung üblicherweise vorzunehmenden vollen Überprüfung aller die Leistungshöhe und auch den Leistungsgrund bestimmenden Faktoren einen beschränkten Streitgegenstand des Verfahrens anzunehmen, wenn der Kläger eine solche Beschränkung will (BSG Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R).

Zu Recht hat das Erstgericht entschieden, dass die Beklagte eine Minderung des Leistungsanspruchs des Klägers gemäß §§ 140 i.V.m. 37b Satz 2 SGB III vornehmen durfte. Denn der Kläger hat sich nicht spätestens drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, d.h. hier am 09.06.2005 (siehe Korrektur des Datums im Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005), bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet, sondern erst am 12.09.2005.

Nach § 37b Satz 1 SGB III in der vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis (hier das Beschäftigungsverhältnis, § 25 SGB III) endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt (jetzt: Agentur für Arbeit) arbeitsuchend zu melden. § 37b Satz 2 SGB III bestimmt: Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen.

Hierbei handelt es sich um eine typische versicherungsrechtliche Obliegenheit (BSG Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R). Zu deren Konkretisierung ist auf die Legaldefinition des § 121 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- ("ohne schuldhaftes Zögern") zurückzugreifen (BSG aaO). Im Rahmen des Kriteriums "ohne schuldhaftes Zögern" ist zu prüfen, ob der Leistungsempfänger zumindest fahrlässig in Unkenntnis war (BSG aaO), wobei - wie in anderen Bereichen des Sozialrechts auch - anders als nach dem BGB ein subjektiver Maßstab anzuwenden ist (BSG aaO). Zu prüfen ist, ob der Leistungsempfänger nach seinem individuellen Vermögen fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit war. Dabei ist insbesondere zu beachten, von welchem Zeitpunkt an der Arbeitslose von der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 37b SGB III ausgehen musste (BSG Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R). Nach dem Wortlaut des § 37b Satz 2 SGB III hat die Meldung im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen.

Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 37b Satz 2 SGB III ist die Norm bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als drei Monaten so auszulegen, dass "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Meldung zu erfolgen hat (s. BSG Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R: Brand in Niesel, SGB III, 3.Aufl 2005, § 37b RdNr 15).

Die Vorschrift des § 37b SGB III ist - worauf das SG in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids zutreffend hinweist - in ihrer Gesamtheit zu betrachten und nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen. § 37b Satz 2 SGB III ist als unselbstständige Begrenzung des § 37b Satz 1 SGB III anzusehen (BSG Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 28/05 R; B 7a AL 50/05 R). Nach § 37b Satz 1 SGB III entsteht die Meldepflicht dann, wenn der Versicherte von der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses konkret Kenntnis erlangt, d.h. sobald er weiß, dass nach Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist mit dem Eintritt von Arbeitslosigkeit zu rechnen ist. Mit dieser Kenntniserlangung hat der Gesetzgeber die Meldepflicht nach § 37b Satz 1 SGB III manifestiert, um eine frühzeitige Vermittlungsmöglichkeit für die Beklagte zu schaffen und so den Eintritt von Arbeitslosigkeit (sog. Job-to-Job-Vermittlung) zu vermeiden.

An sich wäre damit auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung gehalten. Zu Recht hat das SG in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass jedoch nicht in jedem Fall eines befristeten Arbeitsverhältnisses eine solche Regelung sinnvoll erscheint, insbesondere dann nicht, wenn dieses z.B. einen Zeitraum von mehreren Jahren umfasst. Eine zwingende Meldepflicht des Versicherten bereits bei Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags ohne Berücksichtigung der Laufzeit des Vertrages würde deshalb wegen des voraussehbaren Misserfolgs von Vermittlungsbemühungen unsinnig sein. Eine Anwendbarkeit des § 37b SGB III nach seinem Wortlaut "frühestens" ohne Korrektur würde dem gesetzgeberischen Ziel des § 37b SGB III zuwiderlaufen, eine frühzeitige Vermittlungsmöglichkeit für die Beklagte zu schaffen und so den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Eine Verpflichtung des Arbeitslosen, sich frühestens drei Monate vor Beendigung des befristeten Beschäftigungsverhältnisses melden zu müssen, ergibt keinen Sinn. Einer weiteren Korrektur bedarf die Vorschrift bei befristeten Arbeitsverhältnissen von einer kürzeren Dauer als drei Monaten. Bei dieser Fallkonstellation kann nur maßgeblich der Zeitpunkt von der Kenntnis der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sein. Somit erschließt sich im Rahmen der Auslegung ein Gesamtbild der Norm, welches noch rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung genügt. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist demnach grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Arbeitsuchendmeldung jedenfalls drei Monate vor Ablauf der Befristung zu erfolgen hat, es sei denn, die Befristung beträgt von vornherein weniger als drei Monate.

Der Kläger hat sich hier nicht "unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes" bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG geht das Gericht davon aus, dass die in § 140 SGB III festgelegte Sanktion bei Verletzung der Obliegenheit nach § 37b SGB III unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur bei zumindest fahrlässigem Verhalten des Klägers in Betracht kommt. Hierbei ist zu beachten, dass erst ab dem Zeitpunkt der sicheren Kenntnis vom Beendigungszeitpunkt die Obliegenheit gemäß § 37 SGB III eintritt, sich unverzüglich arbeitsuchend zu melden (BSG Urteil vom 18.08.2005 - B 7/7a 80/04). Daher führt die unverschuldete Unkenntnis von der Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung dazu, die Rechtsfolgen des § 140 SGB III auszuschließen; es ist unter Anwendung eines subjektiven Maßstabes zu prüfen, ob der Kläger zumindest fahrlässig in Unkenntnis der Meldeobliegenheit gewesen ist (BSG Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R; BSG Urteil vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R).

Hinsichtlich der Konkretisierung des Merkmals "unverzüglich" ist auf die Legaldefinition des § 121 Abs 1 Satz 1 BGB zurückzugreifen (BSG, aaO). Die Meldung hat dementsprechend ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen. Bei der Anwendung des § 121 BGB im Zivilrecht ist hinsichtlich des Merkmals "unverzüglich" anerkannt, dass ein Rechtsirrtum über die Anfechtungsbedürftigkeit eines Rechtsgeschäftes den Vorwurf entkräftet, es handele sich um ein schuldhaftes Zögern. Dies entspreche der im allgemeinen Zivilrecht herrschenden Auffassung, dass der Schuldner für einen Rechtsirrtum nur einzustehen hat, wenn er zumindest fahrlässig i.S. des § 276 Abs 1 Satz 1 BGB gehandelt hat. Allerdings werden an die Entschuldbarkeit des Irrtums hohe Anforderungen gestellt, die nur erfüllt sind, wenn sich der Anfechtungsberechtigte die Rechtsansicht aufgrund einer (objektiv) sorgfältigen Prüfung der Rechtslage gebildet hat (BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 81/04 R).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine Obliegenheit zur unverzüglichen Meldung schuldhaft, d.h. nicht ohne schuldhaftes Zögern i.S. des § 121 BGB, verletzt, denn er ist sowohl durch das Merkblatt 1, dessen Erhalt und Kenntnisnahme er am 30.04.2004 unterschriftlich bestätigt hat, als auch durch den Aufhebungsbescheid vom 05.11.2004 verständlich, konkret und eindeutig über seine Meldeobliegenheit belehrt worden. Auf S 16 des Merkblatts 1 (Stand: April 2004) wurde der Kläger von der Beklagten auf seine Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuche ausdrücklich hingewiesen. Dort heißt es nämlich unter der Überschrift "Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche" wie folgt: "Sie sind verpflichtet, sich unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen ... Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden". Zusätzlich ist in diesem Merkblatt in Fettdruck der Hinweis enthalten, dass eine verspätete Meldung i.d.R. zu einer Minderung des Alg führen kann.

Unstreitig hat der Kläger auch anlässlich der Abmeldung in die Selbstständigkeit zum 01.11.2004 ausweislich des in der Leistungsakte enthaltenen Zahlungsnachweises vom 08.11.2005 einen Aufhebungsbescheid entsprechend dem Vordruck BA II DV 028 erhalten. Diese Vordruckversion, die als Muster in der Leistungsakte der Beklagten enthalten ist, enthielt unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" ebenfalls eine Belehrung über die Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung nach § 37b SGB III und eine mögliche Minderung eines zukünftigen Leistungsanspruchs nach § 140 SGB III bei einer verspäteten Meldung.

Zutreffend hat das SG insoweit darauf hingewiesen, dass die Belehrungen im Merkblatt und Aufhebungsbescheid weder widersprüchlich noch unklar sind, sondern die vom BSG bestätigte Rechtslage bezüglich der Meldeobliegenheit bei befristeten Arbeitsverhältnissen richtig und einfach verständlich wiedergeben (BSG Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 28/05 R; BSG Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R). In den entsprechenden Hinweisen wird die konkrete Obliegenheit mit den möglichen Rechtsfolgen beschrieben und nicht nur der unklare Gesetzestext formelhaft wiederholt (vgl. BSG Urteil vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R). Somit hätte der Kläger bei Anstrengung der ihm zumutbaren Sorgfalt zumindest die entsprechende Kenntnis von seiner Meldeobliegenheit haben können. Bei Zweifeln wegen der Differenz des Wortlauts des § 37b SGB III ("frühestens") einerseits und den eindeutigen Belehrungen im Merkblatt 1 sowie im Aufhebungsbescheid vom 05.11.2004 andererseits, wäre es dem Kläger zuzumuten gewesen, sich rechtskundig zu machen bzw. bei der Beklagten Rücksprache zu halten. Somit hatte der Kläger schuldhaft die ihm obliegende Pflicht zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung verletzt.

Im übrigen (d.h. auch hinsichtlich der Ausführungen des SG zum Minderungsbetrag des Alg) sieht das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück, § 153 Abs 2 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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