L 19 B 65/07 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AS 40/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 65/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.03.2007 geändert. Der Klägerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt L Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren ab dem 26.02.2007 bewilligt. Kosten des Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Klägerin lebt mit ihrem 1945 geborenen Ehemann, der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 737,62 EUR bezieht, und ihrem 1981 geboren Sohn, der im streitigen Zeitraum Bauingenieurwesen im 9. bzw. 10 Fachsemester studierte, in einer Wohnung mit einer Wohnfläche von 53,42 m². Der Beklagte bewilligte der Klägerin in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann durch Bescheid vom 20.10.2005 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 in Höhe von monatlich 92,30 EUR. Mit Datum vom 18.01.2006 erteilte er einen Änderungsbescheid, der den entsprechenden Leistungszeitraum auswies bei einer geänderte Bankverbindung. Gegen letzteren Bescheid legte die Klägerin am 13.02.2006 Widerspruch ein, weil der Beklagte zu Unrecht das für den Sohn gezahlte Kindergeld in Anrechnung gebracht und die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nur zu 2/3 anerkannt habe.

Mit Änderungsbescheid vom 16.11.2006 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 lediglich noch 40,30 EUR, weil die Klägerin in diesem Zeitraum anrechenbares monatliches Einkommen in Höhe von 52,00 EUR erzielt habe, ohne dieses rechtzeitig mitzuteilen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2007 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.01.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.11.2006 zurück, weil das Kindergeld zu Recht als Einkommen angerechnet worden sei und die KdU nur kopfteilig berücksichtigt werden könne, so dass auf die Bedarfsgemeinschaft lediglich 2/3 entfalle. Dem Bedarf der Gemeinschaft in Höhe von 883,02 EUR stehe ein anrechenbares Einkommen des Ehemanns in Höhe von 636,72 EUR (737,62 EUR abzüglich 30,00 EUR Versicherungspauschale und 70,90 EUR Kfz-Haftpflichtversicherung) und der Klägerin in Höhe von 52,00 EUR (165,00 EUR abzüglich 113,00 EUR Freibetrag gemäß § 30 SGB II) gegenüber, so dass ein Anspruch in Höhe von monatlich 40,30 EUR für die Klägerin verbleibe.

Die Klägerin hat am 09.02.2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben, mit der sie ihre Auffassung weiter verfolgt, das Kindergeld dürfe nicht als Einkommen und die KdU müssten in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Mit Beschluss vom 22.03.2007 hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die grundsätzliche Leistungshöhe für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 nicht Gegenstand des Klageverfahrens sei. Die angefochtenen Bescheide erschöpften sich in der Aufnahme der geänderten Bankverbindung und der Berücksichtigung von Nebeneinkommen. Insoweit seien die Bescheide jedoch nicht rechtsfehlerhaft.

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klage bietet entgegen der Ansicht des SG die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO).

Mit dem Widerspruchsbescheid, in dessen Gestalt die Ausgangsbescheide den Gegenstand der Klage bilden (§ 95 SGG), hat der Beklagte nicht lediglich Regelungen über die Art der Leistungsüberweisung und der teilweisen Leistungsrücknahme getroffen, sondern eine Entscheidung über die gesamte Leistung im streitigen Zeitraum, die der Klägerin zustehen unter ausführlicher Überprüfung der streitigen Frage der Anrechnung des Kindergeldes und des Anspruchs auf KdU. An einer solchen neuen sachlichen Entscheidung war der Beklagte weder im Hinblick auf den bestandskräftigen Bescheid vom 20.10.2005 gehindert, noch kann im Hinblick auf die Ausführungen von einer bloßen unselbständigen Zweitverfügung ausgegangen werden.

Aber selbst wenn die gegenteilige Auffassung des SG zuträfe, war die Klägerin nicht gehindert, gegen die Herabsetzung der Leistung (verdeckte Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X) einzuwenden, eine solche sei im Hinblick auf die bisher zu niedrig bemessenen Leistungen rechtswidrig. Auf den Widerspruch der Klägerin musste der Beklagte nämlich in jedem Falle zumindest im Wege der Überprüfung nach § 44 SGB X eine Entscheidung darüber treffen, ob seine bisherige Berechnungsmethode zutraf. Die diesbezüglich Anfechtung war daher nicht auf die Frage der Berechnung des erzielten Einkommens der Klägerin beschränkt.

Aufgrund des Vorbringens der Klägerin kann ihrem Begehren die hinreichende Erfolgsaussicht nicht versagt werden.

Dies gilt allerdings nicht hinsichtlich der Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils. Diese Frage war im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt. Mit Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - hat das BSG entschieden, dass das Kindergeld für volljährige Kinder, die im Haushalt ihrer Eltern leben, selbst dann Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils ist, wenn dieser es an das Kind weiterleitet [vgl. das angegebene Urteil unter 2. b) cc)]. Auch wenn hierzu weitere Verfahren beim BSG anhängig sind, kann doch nicht mit einer hiervon abweichenden Entscheidung gerechnet werden.

Dagegen ist die Frage der Verteilung der KdU bei einer Konstellation, wie sie im Haushalt der Klägerin vorliegt, offen. Zwar hat sich das BSG mit dem genannten Urteil auch hierzu verhalten, die Frage aber für den Fall, dass das mit den Eltern zusammenlebende Kind selbst keinen Leistungsanspruch besitzt (hier wegen § 7 Abs. 5 SGB II), offengelassen [Urt. vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R unter 2.b) bb)].

Sollte diese Frage zugunsten der Klägerin beantwortet werden, errechnet sich für sie ein höherer Anspruch auch unter Beachtung des Umstandes, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid eine fehlerhafte Berechnung vorgenommen hat, indem sie durch eine vertikale Betrachtung den Ehemann im Hinblick auf sein Einkommen als leistungsfrei und den gesamten auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfallenen Anspruch der Klägerin zugebilligt hat. Dabei kann für das Beschwerdeverfahren dahinstehen, inwieweit der Ehemann der Klägerin in das Verfahren einbezogen werden müsste.

Schließlich bietet die Klage auch bzgl. der Berechnung des Einkommens der Klägerin Erfolgsaussicht, weil nicht ersichtlich ist, ob der anrechenbare Anteil insoweit zutreffend bestimmt worden ist, da insoweit lediglich der Freibetrag nach § 30 SGB II, nicht aber sonstige Pauschbeträge (vgl. § 3 Alg-II-Verordnung) in Abzug gebracht worden sind.

Da die Klägerin nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung auch nur anteilig aufzubringen, ist die Prozesskostenhilfe ratenfrei zu bewilligen (§ 73a SGG i.V.m. § 115 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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