L 6 VG 1657/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 VG 2185/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 1657/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31.01.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Die 1964 geborene Klägerin befuhr am 27.06.2003 gegen 09:30 Uhr mit Inlineskatern den Gehweg des H.wegs in W ... In Höhe des Fahrradabstellplatzes der dort gelegenen Schule stürzte sie, nachdem ihr ein Holzbalken gegen die Stirn geschlagen war. Sie wurde in das Kreiskrankenhaus Wolfach gebracht, wo eine traumatische Hirnkontusion rechts, ein schweres postkontusionelles Syndrom sowie eine Riss-Quetschwunde am Nasenrücken diagnostiziert wurden. Es wurde über eine kurze Bewusstlosigkeit der Klägerin und eine Amnesie für das Unfallereignis berichtet. Vom 29.06. bis 02.07.2003 befand sie sich zur weiteren Abklärung im Klinikum L ... Die Computertomographie und Magnetresonanztomographie des Schädels ergaben eine keilförmige Hirnkontusion. Im EEG fand sich ein Herdbefund ohne epilepsietypische Potenziale.

Am 09.09.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen nach dem OEG wegen der noch bestehenden Folgen des Ereignisses. Sie leide noch unter Kopfschmerzen, Ohrendruck, Ohrensausen, Hörstörungen, Schwindel, Übelkeit und Konzentrationsstörungen. Nach dem Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 13.05.2005 berichtete die Klägerin, dass sie seit dem Unfall nicht mehr beschwerdefrei gewesen sei. Ein im Januar 2005 durchgeführtes EEG habe keine Herdzeichen und keine Krampfpotentiale gezeigt. Die geklagten Beschwerden seien Unfallfolge. Der Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Offenburg (2 UJs 15663/03) über die Ermittlungen gegen unbekannt wegen gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr mit Qualifizierung gemäß § 315 Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB) bei. Nach dem darin enthaltenen Protokoll über die Vernehmung der Klägerin am 04.07.2003 habe der Balken aus dem Fahrradabstellplatz der Schule herausgeragt. Sie habe den Eindruck gehabt, der Balken sei nicht fest montiert gewesen, sondern aus dem Unterstellplatz herausgeschleudert bzw. herausgedreht und gezielt auf ihren Kopf geschlagen worden. Der Zeuge K., der sich auf einen Presseaufruf der Polizei gemeldet hatte, gab nach dem Vernehmungsprotokoll vom 29.07.2003 an, er sei am 27.06.2003 zwischen 08:30 Uhr und 09:00 Uhr an dem Abstellplatz vorbeigelaufen. Er habe einen Balken gesehen, der ca. einen Meter in den Gehweg hineingeragt habe und auf Augenhöhe platziert gewesen sei. Er habe den Balken wieder in den Abstellplatz hineingeschoben, so dass dieser nicht mehr in den Gehweg geragt habe. Gleichzeitig habe er drei bis vier Schüler auf der gegenüberliegenden Straßenseite bemerkt. Nach dem Schlussvermerk der Polizeidirektion O. vom 18.09.2003 teilte der Hausmeister der Grund- und Hauptschule in W. mit, dass an jenem Freitag die Realschule ihren Abschluss gefeiert und unbekannte Schüler den Fahrradabstellplatz mit Balken verriegelt hätten. Auf die Fahrbahn oder auf den Gehweg habe aber nichts geragt. Vor Ort konnte durch die Polizei der Holzbalken auf einen Mauervorsprung im Fahrradabstellplatz liegend vorgefunden werden. Es handelte sich um einen ca. 3,80 Meter langen und ca. 10x8 cm starken Massivbalken. Nachdem Täter nicht ermittelt werden konnten, wurde das Verfahren eingestellt.

Mit Bescheid vom 10.10.2005 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG ab. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin sei nicht Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden. Ein tätlicher Angriff setze grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung voraus. Im vorliegenden Fall habe der Holzbalken wohl eher aufgrund einer Unachtsamkeit des Verursachers auf den Geh- bzw. Fahrradweg herausgeragt. Dem Verursacher, dem möglicherweise nicht einmal bewusst gewesen sei, dass der Balken eine Gefahr für andere Personen darstellen könnte, könne weder eine unmittelbar feindliche Ausrichtung seiner Handlung gegen andere Menschen noch eine mit direktem Vorsatz gegen die Klägerin gerichtete Herbeiführung eines Unglücksfalles im Sinne von § 1 Abs. 2 Ziffer 2 OEG nachgewiesen werden.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, das Vorgehen der Täter habe den Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Ziffer 2 StGB erfüllt. Auch jungen Menschen müsse im Übrigen klar sein, dass das in den öffentlichen Verkehrsraum ragende Hindernis besondere Gefahren berge. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG sei nicht nachgewiesen. Es liege auch keine wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen vor, das nach § 1 Abs. 2 Ziffer 2 OEG einem tätlichen Angriff gleichstehe. Gemeingefährliche Mittel seien solche, die nach ihrer Beschaffenheit und der Art ihrer Verwendung für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen die konkrete Möglichkeit der Gefährdung von Leib und Leben geschaffen hätten, ohne dass der Täter die Wirkung der von ihm entfesselten Kräfte bestimmen oder abgrenzen könne. Bei einem in den Verkehrsraum hineinragenden Holzbalken handele es sich um ein Hindernis nach § 315 b Abs. 1 Ziffer 2 StGB. Es könne jedoch nicht nachgewiesen werden, dass der unbekannte Täter in der Absicht gehandelt habe, einen Unglücksfall herbeizuführen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 05.05.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Sie vertrat die Auffassung, der Balken müsse mit erheblichem Kraftaufwand in den Verkehrsraum eingebracht worden sein. Dies könne nicht aus Unachtsamkeit geschehen sein. Eine potenzielle Schädigung von Verkehrsteilnehmern sei mindestens billigend in Kauf genommen worden. Die Klägerin legte den Arztbrief von Prof. Dr. M., Leiter des interdisziplinären Schmerzzentrums im Neurozentrum des Universitätsklinikums F. vom 13.02.2006 vor. Darin werden chronische posttraumatische Kopfschmerzen vom Spannungstyp, eine Migräne mit Aura rechts, ein chronischer Tinnitus beidseits, ein Schädelhirntrauma mit Hirnkontusion rechts temporal und bleibendem Parenchymdefekt sowie ein diskretes organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma diagnostiziert. Die Klägerin sei weiterhin zu 80 % im Schichtdienst im Kreiskrankenhaus W. als Krankenschwester beschäftigt.

Mit Urteil vom 31.01.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die durch den Akteninhalt feststellbaren Umstände des Tatherganges am 27.06.2003 ließen nicht darauf schließen, dass mit dem Herausschieben des Balkens in den Bereich des Gehwegs des H.wegs der Täter gerade in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper einer Person gewaltsam habe einwirken wollen. Es stelle nicht nur eine vage Möglichkeit dar, dass der Holzbalken im Rahmen einer Unachtsamkeit so verschoben worden sei, dass er teilweise auf den Gehweg herausgeragt habe. Vor dem Hintergrund, dass am 27.06.2003 nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen die Abschlussfeier der Realschule in W. stattgefunden habe und im Rahmen dieser Feier von Schülern der Fahrradabstellplatz der Schule mit Holzbalken verbarrikadiert worden sei, sei vorstellbar, dass im Rahmen einer solchen ersichtlich als Streich gedachten Barrikade ein fast 4 Meter langer Holzbalken fahrlässig so weit verschoben wurde, dass er teilweise auf den Gehweg hinaus ragte. Auch der Umstand, dass der Holzbalken, nachdem er von dem Zeugen K. aus dem Bereich des Gehwegs durch Verschieben in Richtung des Fahrradabstellplatzes entfernt worden sei, ein zweites Mal in den Bereich des Gehweges verschoben worden sei, lasse nicht zwingend darauf schließen, dass dies mit unmittelbarer feindlicher Ausrichtung auf andere Menschen geschehen sei. Vielmehr seien für das Gericht mehrere nicht nur fernliegende mögliche Tathergänge denkbar, denen eine solche feindliche Willensrichtung fehle. Die Klägerin könne den Anspruch auch nicht auf § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG stützen. Diese Vorschrift komme hier wegen nicht feststellbarer Absicht des Täters nur in Betracht, wenn ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen vorliege. Der in den Gehweg des H.wegs teilweise hineinragende Balken sei weder nach seiner Beschaffenheit noch nach der Art seiner Verwendung ein gemeingefährliches Mittel gewesen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 03.03.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.03.2007 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und vertritt die Auffassung, entgegen der Ansicht des SG könne dem Einbringen und Belassen des Holzbalkens in den Verkehrsraum über dem Gehweg die unmittelbare feindliche Ausrichtung auf einen anderen Menschen schon deswegen nicht abgesprochen werden, weil der Balken unbeaufsichtigt und ohne Sicherungsmaßnahmen zurück gelassen worden sei. Das SG hätte es auch nicht verneinen dürfen, den Balken als gemeingefährliches Mittel anzusehen, denn dieser sei - ausweislich ihrer Verletzung - eine konkrete Gefahr für Leib und Leben gewesen. Diese Gefahr habe auch für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen bestanden.

Mit Bescheid vom 29.03.2007 hat das Landratsamt Ortenaukreis den Grad der Behinderung im Sinne des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches mit 30 festgesetzt und dabei eine Hirnschädigung mit psychischen Störungen, Migräne, Kopfschmerzsyndrom, Ohrgeräusche (Tinnitus) und einen Bandscheibenschaden berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31.01.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2006 zu verurteilen, ein Schädelhirntrauma mit Hirnkontusion rechts und bleibendem Parenchymdefekt als Schädigungsfolge nach § 1 OEG festzustellen und ihr Rente nach einer MdE um mindestens 30 v. H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Begründung des angefochtenen Urteils für schlüssig und überzeugend.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Offenburg (2 UJs 15663/03) sowie die Akten des Beklagten - einschließlich der Akten nach dem Schwerbehindertenrecht - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG wegen der Folgen des Ereignisses vom 27.06.2003.

Nach § 1 Abs. 1 OEG erhält derjenige, der infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG steht einem tätlichen Angriff die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines Anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen gleich.

Aufgrund der bekannten Tatsachen über die Verletzung der Klägerin am 27.06.2003 kann es nicht als nachgewiesen angesehen werden, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs oder eines mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Verbrechens geworden ist. Der Sachverhalt stellt sich vielmehr mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Unfall dar, der durch den Holzbalken verursacht wurde, der von unbekannten Tätern mit unbekannter Absicht so platziert wurde, dass er von dem Fahrradabstellplatz der Schule in den Verkehrsraum über dem öffentlichen Gehweg ragte und den die Klägerin übersehen hat.

Wie der Beklagte und das SG zutreffend ausgeführt haben, liegen die Voraussetzungen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs nicht vor. Als tätlicher Angriff ist nach der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen gezielte gewaltsame Einwirkung anzusehen. In der Regel wird es sich bei dem tätlichen Angriff um eine handgreifliche Auseinandersetzung handeln, bei der die Angriffshandlung den Tatbestand einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben im Sinne der §§ 211 ff. StGB oder gegen die körperliche Unversehrtheit im Sinne der §§ 223 ff. StGB erfüllt. Es sind aber auch Begehungsweisen denkbar, bei denen kein derartiger Erfolg angestrebt wird. Es ist nicht einmal die körperliche Berührung oder ein darauf zielender Vorsatz des Täters erforderlich (BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 9 VG 3/02 R in SozR 4-3800 § 1 Nr. 5). Ein vollendeter tätlicher Angriff liegt bereits vor, wenn der Täter das Opfer mit einer Waffe bedroht bzw. zu einem Schlag gegen das Opfer ausholt (Heinz, Der tätliche Angriff in der Gewaltopferentschädigung, Zeitschrift für Sozialversicherung 2004 Seite 28 ff.). Somit kommt auch das Bereiten eines Hindernisses, wodurch eine Person körperlich geschädigt wird, als tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG in Betracht. Das BSG hat in der oben genannten Entscheidung offen gelassen, ob in dem Entfernen des Deckels eines Abflusslochs (Gullys), durch das eine nächtliche Passantin zu Fall gekommen war, ein tätlicher Angriff gesehen werden kann. Eine solche Handlung könnte nämlich nur dann als tätlicher Angriff i. S. von § 1 Abs. 1 OEG gewertet werden, wenn sie unmittelbar darauf gerichtet ist, einen herannahenden Menschen zum Sturz zu bringen. Eine derartige Zielrichtung des bzw. der unbekannten Täter lässt sich hier ebenso wenig wie in dem vom BSG entschiedenen Fall erkennen. Wenn man wie die Staatsanwaltschaft aufgrund der Aussage des Hausmeisters der Grund- und Hauptschule W. davon ausgeht, dass am 27.06.2003 die Abschlussfeier der Realschule stattfand und in diesem Zusammenhang der Fahrradabstellplatz von Schülern mit Balken verriegelt wurde, ist hier nicht davon auszugehen, dass es den Tätern darauf ankam, Passanten zu verletzen. Eine solche Willensrichtung lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass nach der Aussage des Zeugen K. bereits ca. eine halbe Stunde vor dem Vorfall ein Holzbalken in den Gehweg hineinragte. Daraus ergibt sich lediglich, dass die unbekannten Täter den Holzbalken nochmals in Richtung des Gehweges verschoben haben, nachdem der Zeuge diesen wieder in den Fahrradständer hineingeschoben hatte. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, ob es sich beide Male um denselben bzw. dieselben Täter gehandelt hat. Erst recht lassen sich aus dieser Aussage keine Rückschlüsse auf die Absicht der Täter ziehen. Es muss nach Überzeugung des Senats bereits offen bleiben, ob die Täter die von dem in den Gehweg hineinragenden Holzbalken ausgehende Gefahr überhaupt zutreffend erkannt haben. Keinesfalls kann allein aus der Tatsache, dass der Holzbalken in den Gehweg hineinragte, darauf geschlossen werden, dass er dort mit dem Willen platziert wurde, Personen zu verletzen.

Aufgrund der genannten Umstände ist nach Überzeugung des Senats auch auszuschließen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 OEG vorliegen. Hierfür wäre die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen (hierzu unter 1.) durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln (hierzu unter 3.) begangenes Verbrechen (hierzu unter 2.) erforderlich.

1. Eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen ging von dem in dem Gehweg hineinragenden Balken aus, wie sich schon aus der eingetretenen Verletzung der Klägerin ergibt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass auf dem Gehweg typischerweise Fußgänger unterwegs sind, die aufgrund ihrer geringen Geschwindigkeit durch den Holzbalken kaum gefährdet waren, da sie das Hindernis rechtzeitig erkennen konnten, wie dies auch bei dem Zeugen K. der Fall war. Die Gefahr bestand vor allem für Personen, die wie die Klägerin mit Inlinern auf dem Gehweg unterwegs waren. Ebenso wären auf dem Gehweg fahrende Radfahrer durch den Holzbalken gefährdet gewesen. Diese Gefahr war jedoch nicht sehr groß, da auch diese Personen in der Lage gewesen wären, den Holzbalken von weitem zu erkennen. Die Unfallstelle lag nach den Lichtbildaufnahmen in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft nicht in einem Kurvenbereich. Zudem bestand die Gefährdungslage am Tage. Soweit man daher das Tatbestandsmerkmal einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben bejaht, ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass diese Gefahr nicht mit der Gefahr vergleichbar ist, die durch ein über die Straße gespanntes Drahtseil oder auf eine vielbefahrene Straße geworfene Steine verursacht wird.

2. Der Tatbestand eines Verbrechens ist hier unter keinem Gesichtspunkt erfüllt. Nach § 12 Abs. 1 StGB sind Verbrechen rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Im vorliegenden Fall war, wie die Beklagte und das SG zutreffend ausgeführt haben, zu prüfen, ob die Täter einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB unter den qualifizierenden Voraussetzungen des § 315 Abs. 3 StGB begangen haben. Nach § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB wird derjenige, der die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er Hindernisse bereitet und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Zum Straßenverkehr gehört auch der Fußgängerverkehr. Der in den Gehweg hineinragende Holzbalken stellte objektiv ein Hindernis dar, durch das die Klägerin verletzt wurde. Eine Strafbarkeit nach § 315 b Abs. 1 StGB setzt weiter voraus, dass sich der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters nicht nur auf die jeweilige Tathandlung, sondern auch auf die Verursachung des Eintritts der konkreten Gefahr erstreckt hat (Horn/Wolters, Systematischer Kommentar StGB § 315 b Randnummer 20). Hiervon ist nach Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszugehen. Da nicht festzustellen ist, mit welcher Absicht der Holzbalken verschoben wurde und andererseits die von dem in den Gehweg hineinragenden Holzbalken ausgehende Gefährdung von Passanten wie dargelegt relativ gering war, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Täter diese Gefahr erkannt und in Kauf genommen haben (bedingter Vorsatz). Vielmehr ist es durchaus denkbar, dass sie davon ausgingen, von dem Holzbalken gehe keine Gefahr aus, da dieser von Weitem ohne weiteres zu erkennen war. In diesem Fall läge ein Fall des § 315 b Abs. 4 StGB vor, wonach derjenige, der in den Fällen des Abs. 1 die Gefahr fahrlässig verursacht mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Ein Verbrechen scheidet damit aus. Nur eine Tat nach § 315 b Abs. 1 StGB kann unter den besonderen Voraussetzungen des § 315 Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 StGB zu einem Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr qualifiziert werden, wenn die Tat zu einer schweren Gesundheitsstörung geführt hat. Da hier jedoch lediglich ein Vergehen nach § 315 b Abs. 4 StGB nachweisbar ist, kann eine Qualifizierung zum Verbrechen auch dann nicht angenommen werden, wenn man davon ausgeht, dass die Verletzung der Klägerin als schwer im Sinne des § 315 Abs. 3 StGB anzusehen ist. Der Tatbestand eines Verbrechens ist somit in keinem Fall erfüllt.

3. Der in den Gehweg hineinragende Holzbalken stellt nach Überzeugung des Senats auch kein gemeingefährliches Mittel dar. Gemeingefährliche Mittel sind nach der Rechtsprechung zu dem gleichlautendem Tatbestandsmerkmal in § 211 StGB solche, die nach ihrer Beschaffenheit und der Art ihrer Anwendung für eine unbestimmte Anzahl anderer Personen die konkrete Möglichkeit der Gefährdung von Leib und Leben geschaffen haben, ohne dass der Täter die Wirkung der von ihm entfesselten Kräfte bestimmen und abgrenzen kann. Der Begriff des gemeingefährlichen Mittels ist nicht allgemein festgelegt, etwa im Sinne einer Anknüpfung an die gemeingefährlichen Straftaten des 28. Abschnitts des StGB, zu denen auch die Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 b StGB gehört (Leipziger Kommentar, § 211 StGB Randnummer 57). Allein aus der Tatsache, dass die unbekannten Täter hier den objektiven Tatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB erfüllt haben, indem sie die Sicherheit des Straßenverkehrs durch Bereiten eines Hindernisses beeinträchtigt haben, genügt daher nicht, um hier eine mit gemeingefährlichen Mitteln begangene Tat anzunehmen. Typische Beispiele für Taten mit gemeingefährlichen Mitteln sind Brandstiftung, Herbeiführung einer Überschwemmung oder Einsatz von Sprengstoff. Auch Steinwürfe von Brücken auf Kraftfahrzeuge bei starkem Autoverkehr stellen nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ein gemeingefährliches Mittel dar (BGH, VRS 63,119). Aus dem Vergleich mit diesen Beispielen ergibt sich, dass von dem in einer Höhe von ca. 1,60 Metern in den Gehweg hineinragenden Holzbalken keine ebenso große und unberechenbare Gefahr für eine unbestimmte Anzahl von Personen ausging. Hierfür reicht es nicht aus, dass von dem Holzbalken eine gewisse Gefahr für sämtliche Passanten ausging, die möglicherweise zu der fraglichen Zeit an dem Ort vorbeikamen, an dem der Holzbalken platziert war. Der Holzbalken war im Gegensatz zu den genannten gemeingefährlichen Mitteln nicht geeignet, in einem von dem oder den Tätern nicht mehr beherrschbaren Ablauf eine unbestimmte Anzahl von Personen zu schädigen. Vielmehr hätte jeder vorbeikommende Passant die Möglichkeit gehabt, den Holzbalken zu erkennen und eine Verletzung zu vermeiden. Spätestens nach dem Unfall der Klägerin war die Gefahr, die von dem Holzbalken ausging, offensichtlich. Jeder hinzukommende Passant hatte die Möglichkeit, die Gefahr durch Zurückschieben des Holzbalkens in den Fahrradabstellplatz zu beseitigen. Keinesfalls wurde durch den Unfall der Klägerin ein unkontrollierbarer Prozess ausgelöst, der ohne weitere Einflussmöglichkeit zur Verletzung weiterer Personen führen musste. Auch wenn die Täter sich von dem Ort entfernt hatten und somit selbst nicht mehr in der Lage waren, die Gefahr zu beseitigen, so ist ihnen hier dennoch nicht vorzuwerfen, ein gemeingefährliches Mittel im Sinne des § 211 StGB eingesetzt zu haben.

Die Berufung war aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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