L 12 AL 3006/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 1800/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3006/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 9.5.2007 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen

Tatbestand:

Streitig ist eine zweiwöchige Sperrzeit wegen fehlender Eigenbemühungen.

Der Kläger bezog von der Beklagten seit dem 1.7.2005 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 43,09 EUR täglich.

Am 16.12.2005 hatte der Kläger ein Gespräch mit seiner Arbeitsvermittlerin A., in dessen Verlauf ihm schriftlich aufgegeben wurde, dass und in welchem Umfang er Eigenbemühungen um eine neue Stelle vornehmen müsse, so zum Beispiel drei Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen und die Suche nach Arbeitsplätzen über das Internet. Dem Kläger wurde eine Frist bis zum 2.1.2006 gesetzt, auf die Rechtsfolgen bei Nichtbemühen wurde er hingewiesen.

Bei dem Gespräch am 2.1.2006 legte der Kläger keine Nachweise über Eigenbemühungen vor. Er wolle sich auch nicht bei einem Seminar anmelden, da er dieses schon einmal gemacht habe.

Bei einem weiteren Gespräch am 24.1.2006 mit seiner Arbeitsvermittlerin A. gab der Kläger an, dass er sich auch bis jetzt nicht um Arbeit bemüht habe, er auch keinen Arbeitsplatz suchen werde. Die Beklagte meldete den Kläger am gleichen Tag ab, verwies ihn auf Leistungen nach dem SGB II und stellte die Zahlung des Alg mit Wirkung vom 24.1.2006 ein.

Mit Bescheid vom 23.2.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass in der Zeit vom 3.1.2006 bis 16.1.2006 eine zweiwöchige Sperrzeit wegen der Nichtvornahme von Eigenbemühungen eingetreten sei. Die Bewilligung von Alg wurde für die genannte Zeit aufgehoben.

Der Widerspruch des Klägers mit der Begründung, an dem Arbeitsmarktseminar habe er bereits im Oktober 2005 teilgenommen, wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 21.4.2006 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 15.5.2006 beim Sozialgericht H. (SG) Klage erhoben. Das SG hat mit Beschluss vom 3.4.2007 Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 24.4.2007 bestimmt. Der Kläger hat darauf mit Schreiben vom 19.4.2007 mitgeteilt, er werde am 24.4.2007 wegen eines gleichzeitigen Termins am Landessozialgerichts nicht erscheinen, für einen eventuellen neuen Termin beantrage er einen Kostenvorschuss in Höhe von 20 EUR oder eine Fahrkarte für öffentliche Verkehrsmittel. Das SG hat dem Kläger dann mit Schreiben vom 23.4.2007 mitgeteilt, der Termin zur Erörterung des Sachverhalts sei aufgehoben. Es hat darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei. Ein Gerichtsbescheid werde nicht vor dem 27.4.2007 ergehen, der Kläger erhalte Gelegenheit, sich zuvor zur Sache und zur Verfahrensweise zu äußern.

Durch Gerichtsbescheid vom 9.5.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer zweiwöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 3. bis 16.1.2006 aufgehoben. Eine Sperrzeit sei eingetreten, weil der Kläger sich versicherungswidrig verhalten habe, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Er habe keine Eigenbemühungen unternommen, insbesondere habe er sich weder bei Zeitarbeitsfirmen beworben noch über das Internet nach Arbeitsplätzen gesucht. Der Kläger habe dafür auch keinen wichtigen Grund gehabt.

Gegen diesen am 15.5.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.6.2007 Berufung eingelegt. Er wendet sich zunächst dagegen, dass ihm mit Schreiben vom 23.4.2007, Poststempel 24.4.2007, vom SG die Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 27.4.2007 gegeben worden sei. Das Verfahren liege seit etwa 1,5 Jahren beim SG "unbearbeitet herum", dann werde ihm ein Tag bzw. evtl. nur eine Nacht zur Stellungnahme ermöglicht. Im übrigen habe er sich nicht versicherungswidrig verhalten. Seine Eigenbemühungen habe er dargestellt. Wichtige Gründe habe er angegeben.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgericht H. vom 9.5.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 23.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere ist in diesem Verfahren die Streitwertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (500 Euro) erreicht, weil hier um eine zweiwöchige Sperrzeit, also um Alg für 14 Tage je 43,09 Euro (insgesamt 603,26 EUR) gestritten wird.

Die Berufung ist auch im Sinne der Zurückverweisung begründet. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Dies ist hier der Fall. Das SG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.

Nach § 62 SGG ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich geschehen. Dieser Anspruch auf rechtliches Gehör ist ein prozessuales Grundrecht (Art. 103 GG), und diesen hat das SG bei Erlass des Gerichtsbescheids verletzt. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Diese vorherige Anhörung ist nur dann ordnungsgemäß durchgeführt, wenn eine angemessene Frist zur Stellungnahme (zur Sache und/oder zur Verfahrensweise) eingeräumt wird. Im Regelfall ist eine Frist von zwei Wochen ab dem Zugang der Mitteilung unter Ausschluss von Postlaufzeiten einzuräumen (BSG SozR 4 -1500 § 62 Nr. 1).

Im vorliegenden Fall hat das SG dem Kläger mit Schreiben vom 23.4.2007 Gelegenheit zur Stellungnahme zur Sache und zur beabsichtigten Verfahrensweise gegebenen bis zum 26.4.2007 (einschließlich). Der Kläger hatte also, worauf er selbst hingewiesen hat, nur höchstens zwei Tage Zeit, sich abschließend zu äußern. Diese zu kurze Frist verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und stellt einen Verfahrensmangel dar. Dieser Verfahrensmangel wäre nur dann nicht wesentlich, wenn der Kläger zuvor auf eine weitere Äußerung oder auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hätte. Dies hat er jedoch gerade nicht getan. Er hat vielmehr auf die Anberaumung eines Termins zur Erörterung der Sache mitgeteilt, er könne an diesem Termin nicht erscheinen, für einen eventuellen neuen Termin beantrage er einen Kostenvorschuss. Der Kläger hat damit gerade nicht auf weiteres Vorbringen oder auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, sondern durchaus geäußert, dass er einem (weiteren) Verhandlungstermin entgegensieht.

Nun steht die Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Gerichtsbescheids wegen des wesentlichen Verfahrensmangels im Ermessen des Senats. Er ist nicht zur Zurückverweisung verpflichtet, hat vielmehr zu beachten, dass die Zurückverweisung die Ausnahme sein soll (siehe dazu Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., Anm. 5 zu § 159). Hier ist abzuwägen zwischen dem Interesse der Beteiligten an einer Sachentscheidung und der Prozessökonomie einerseits und dem Verlust des Klägers einer Instanz andererseits. Der Kläger hat hier den Verfahrensmangel selbst gerügt und zu erkennen gegeben, dass er eine mündliche Verhandlung wünscht. Dass der Kläger auch darauf hingewiesen hat, dass das Verfahren bereits über ein Jahr unbearbeitet beim SG gelegen habe, zeigt, dass er nicht damit einverstanden ist, jetzt ohne ausreichende Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme mit einer Entscheidung überzogen zu werden. In dieser Situation hat die Prozessökonomie zurückzustehen hinter dem Interesse des Klägers, nicht ohne Not eine Instanz zu verlieren. Der Senat sieht es damit als gerechtfertigt an, das Verfahren unter Aufhebung des Gerichtsbescheids an das SG zurückzuverweisen. Das SG wird dem Kläger eine mindestens zweiwöchige Frist zur Stellungnahme zur Sache und zur Verfahrensweise einräumen müssen, falls es eine erneute Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt. Falls der Kläger jedoch auf einer mündlichen Verhandlung besteht, weil er die Gründe für seine Klage noch mündlich vorbringen will, wird das SG dies abzuwägen haben.

Über den Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheids entscheidet der Senat nicht.

Eine Kostenentscheidung hat hier nicht zu ergehen. Sie bleibt der Entscheidung des SG vorbehalten, wobei das SG auch über die Kosten dieses Verfahrens zu entscheiden hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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