L 6 SB 4968/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 1539/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4968/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. September 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von zumindest 50 streitig.

Bei der 1943 geborenen Klägerin stellte das frühere Versorgungsamt Heilbronn (VA) erstmals mit Bescheid vom 3. Mai 1982 einen GdB von 30 fest; dabei legte es als Funktionsbehinderungen "psychische Labilität bei Verlust der Gebärmutter und re. Eierstock bei Belassung der linken Adnexe" zugrunde. Auf den im Oktober 1999 gestellten Neufeststellungsantrag berücksichtigte das VA als weitere Funktionsbeeinträchtigung "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" (Teil-GdB 20) und stellte mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 den Gesamt-GdB mit 40 fest.

Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 22. Dezember 2000, mit dem sie die Berücksichtigung der neu aufgetretenen Harninkontinenz geltend machte. Das VA holte die Befundberichte des Arztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe B. vom 18. April 2001 und des Urologen Dr. H. vom 27. März 2001 ein und veranlasste die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin Dr. B. vom 5. Juni 2001, der als weitere Behinderung eine Harninkontinenz mit einem Teil-GdB von 10 bewertete, wodurch sich jedoch keine Auswirkungen auf den Gesamt-GdB ergäben.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2001 lehnte das VA den Antrag auf eine höhere Bewertung des GdB gestützt auf diese Stellungnahme ab. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, seit der letzten Neufeststellung sei eine massive Verschlechterung der Problematik im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und teilweise auch der Lendenwirbelsäule (LWS) eingetreten. Im Rahmen der zuletzt durchgeführten Rehabilitations(Reha)-Maßnahme sei eine extrem stark abgenutzte HWS und das komplette Fehlen einer Bandscheibe der HWS festgestellt worden. Das VA holte bei dem Arzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. S. den Befundbericht vom 9. Januar 2001 ein und veranlasste die weitere vä Stellungnahme von Dr. E. vom 8. Februar 2002, die eine massive Verschlimmerung nicht bestätigt sah. Die von Dr. S. beschriebenen Funktionseinschränkungen entsprächen leichten bis mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten und bedingten weiterhin einen GdB von 20. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2002 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen erhob die Klägerin am 27. Juni 2002 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage. Sie machte eine nochmalige Verschlimmerung in Form eines Bandscheibenvorfalls geltend und verwies auf eine am 15. August 2002 erfolgte operative Behandlung (mikrochirurgische Nukleotomie L3/4). Es liege zwischenzeitlich eine massive Beeinträchtigung in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor (HWS und LWS) vor, so dass die Feststellung eines höheren GdB gerechtfertigt sei. Das gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Dr. R. erstatte Gutachten stütze diese Ansicht. Darin habe ihr Hausarzt auch zutreffend dargelegt, wie sich die Verschlechterung des Wirbelsäulenleidens und ihre psychische Beeinträchtigung durch fortgesetzte Belastungen gegenseitig beeinflussten. Sie legte die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. vom 31. Dezember 2004 zu den vom Beklagten vorgelegten Einwendungen gegen sein Gutachten vor. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Er legte die vä Stellungnahmen des Dr. F. vom 29. Oktober 2004 und des Dr. W. vom 21. Januar 2005 vor. Das SG hörte Dr. S. unter dem 20. Januar 2003 schriftlich als sachverständigen Zeugen und erhob das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. D. vom 1. März 2004, der eine endgradige Belastungseinschränkung der HWS und der LWS bei Fehlen von neurologischen Ausfällen beschrieb, wodurch sich kein höherer GdB als 20 rechtfertige. Zusammen mit der psychischen Labilität, die er höchstens mit einem GdB von 20 ansetzen wollte, und der Harninkontinenz beurteilte er den Gesamt-GdB mit maximal 30. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erhob das SG darüber hinaus das Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin/Chirotherapie Dr. R. vom 25. Juli 2004. Dieser bewertete die Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule ebenfalls mit einem Teil-GdB von 20, die psychischen Beeinträchtigungen (schwere chronifizierte familiäre Belastungssituation, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, chronische Erschöpfung) mit einem Teil-GdB von 30, den Verlust der Gebärmutter und eines Eierstocks sowie die Stressinkontinenz mit einem Teil-GdB von jeweils 10 und gelangte insgesamt zu einen Gesamt-GdB von 50. Mit Urteil vom 27. September 2005 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der festgestellte GdB von 40 sei auch weiterhin angemessen und ausreichend. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 13. Oktober 2005 zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 14. November 2005 beim SG Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das SG habe ihre psychische Beeinträchtigung bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht einbezogen. Demgegenüber bestätigten die Ausführungen im Entlassungsbericht der B. Klinik, wo sie zwischenzeitlich eine Reha-Maßnahme durchgeführt habe, ihre psychischen Gesundheitsstörungen, die auch von Dr. R. in seinem Gutachten mit einem Teil-GdB von 30 berücksichtigt worden seien. Bei dieser Maßnahme sei auch festgestellt worden, dass sie an einer Skoliose mit Verformung u.a. des Brustbeins leide. Hieraus resultierten ihre Schmerzen im Hals- und Brustbereich. Verstärkt habe sich im Übrigen die Harninkontinenz, wie der vorgelegte Arztbrief der Fachärztin für Urologie Dr. B. vom 9. Dezember 2005 belege; hierfür sei ein Teil-GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt. An bisher nicht vorgebrachten Beeinträchtigungen leide sie ferner an einer Allergie gegen Duftstoffe und Formaldehyd, die sich in Form von Ekzemen insbesondere auf der Kopfhaut äußere; hierfür sei ein Teil-GdB von 20 anzusetzen. Eine ebenfalls vorliegende chronische Gastritis Typ C, die zu Übelkeit ohne Brechreiz und wechselnden Stuhlgewohnheiten führe, rechtfertige einen Teil-GdB von 10, so dass jedenfalls ein Gesamt-GdB von 50 festzustellen sei. Eine nochmalige Verschlimmerung der Wirbelsäulenbeschwerden mit starken Schmerzzuständen aufgrund einer Wurzelreizung bei chronischem LWS-Syndrom sei Ende September/Anfang Oktober 2006 eingetreten. Bei dem chronischem BWS- und LWS-Syndrom sei von mittelgradigen Beschwerden und funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten auszugehen, weshalb insoweit ein GdB von 30 bis 40 anzusetzen sei. Diesbezüglich legte sie den Arztbrief des Dr. S. vom 16. November 2006 sowie die Auflistung von Diagnosen des Dr. K. vom 13. Dezember 2006 vor. Dass es im Rahmen ihres Wirbelsäulenleidens zu neurologischen Ausfällen in Form von Parästhesien und Dysästhesien der Zehen, teilweise auch des rechten Beines insgesamt komme, werde von Dr. R. in seinem Kurzbericht vom 24. Januar 2007, der vorgelegt wurde, bestätigt. Am 9. Januar 2007 sei im übrigen ein Karzinom im Bereich des rechten Augenlides entfernt worden. Insoweit hat die Klägerin den Arztbrief des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. H. vom 17. Januar 2007 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. September 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2002 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit zumindest 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe das SG die depressive Verstimmung nicht unberücksichtigt gelassen und die nicht mit neurologischen Ausfällen einhergehenden Beeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule zutreffend bewertet. Auch die Harninkontinenz rechtfertige keine Höherbewertung als mit einem Teil-GdB von 10, da ein nächtlicher Harnabgang nicht dokumentiert sei. Nach Entfernung des Basalzellkarzinoms ergebe sich kein GdB. Der Beklagte hat die vä Stellungnahmen des Dr. B. vom 28. Juni 2006, des Dr. G. vom 31. Oktober 2006 sowie des Dr. F.e vom 24. April 2007 vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Seit der letzten Feststellung mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 haben sich die Funktionsbehinderungen bei der Klägerin nicht so weit verschlimmert, dass diese nunmehr die Bewertung mit einem GdB von 50 rechtfertigen würden.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinne ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er der bindenden Feststellung einerseits und im Zeitpunkt der begehrten Neufeststellung andererseits zugrunde gelegen hat. Demnach ist vorliegend zu prüfen, ob sich im Gesundheitszustand der Klägerin, wie er dem Bescheid vom 15. Dezember 1999 zugrunde gelegen hat, eine wesentliche Verschlimmerung feststellen lässt, die es rechtfertigt, anstelle des bisherigen GdB von 40 nunmehr einen solchen von 50 festzustellen.

Dies ist vorliegend zu verneinen. Denn dass sich die Funktionsstörungen bei der Klägerin, die durch eine psychische Labilität und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule geprägt sind, seit der letzten Feststellung mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 derart verschlimmert haben, dass die bisherige Bewertung mit einem Gesamt-GdB von 40 dem Ausmaß der Beeinträchtigungen nicht mehr Rechnung trägt, vermag der Senat nach Würdigung der vom SG eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. D. und Dr. R. unter Einbeziehung der vorgelegten bzw. beigezogenen weiteren medizinischen Unterlagen nicht festzustellen.

Was die Bewertung der Wirbelsäulenbeeinträchtigungen anbelangt, besteht zwischen den im erstinstanzlichen Verfahren mit einer Begutachtung beauftragen Sachverständigen Dr. D. und dem Arzt des Vertrauens der Klägerin, dem Sachverständigen Dr. R., Übereinstimmung. Dr. D. erhob anlässlich seiner Untersuchung am 13. Februar 2004 lediglich eine endgradige Belastungseinschränkung der HWS und LWS ohne neurologische Ausfälle, wobei er die Beweglichkeit noch als sehr gut beschrieb. Auch Dr. R. stellte im Rahmen seiner Untersuchung rund fünf Monate später im Juli 2004 im Bereich der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte eine im Wesentlichen altersgerechte Beweglichkeit fest und gelangte insoweit ebenso wie Dr. D. zu einem Teil-GdB von 20. Hiervon wesentlich abweichende Befunde lagen auch der Neufeststellung mit Bescheid vom 15. Dezember 1999, mit dem erstmals degenerative Wirbelsäulenbeschwerden berücksichtigt worden waren, nicht zugrunde. Soweit im Jahr 2002 als Folge eines Bandscheibenvorfalls im Bereich von L3/4 zunächst eine Verschlimmerung eingetreten ist, die zu einer operativen Behandlung führte, handelte es sich gerade nicht um einen Dauerzustand, der im Rahmen der Bewertung des GdB Berücksichtigung finden könnte. So ist es nach Durchführung einer medizinischen Reha-Maßnahme nämlich gerade zu dem beschriebenen Zustand gekommen, der auch nach Überzeugung des Senats keinen höheren GdB als 20 rechtfertigt. Auch für die Zeit nach den erwähnten gutachtlichen Untersuchungen vermag der Senat keine Verschlimmerung festzustellen, die es rechtfertigen würde, insoweit von einem höheren Teil-GdB auszugehen. Dies ergibt insbesondere eine Auswertung des Entlassungsberichts der B. Klinik vom 28. April 2006, wo die Klägerin vom 28. März bis 25. April 2006 vor allem im Hinblick auf eine allgemeine Erschöpfungssituation stationär behandelt wurde. Seinerzeit wurden gerade auch anlässlich der Aufnahmeuntersuchung keine wesentlichen Funktionseinschränkungen von Seiten der Wirbelsäule beschrieben. Soweit nach den Angaben der Klägerin Ende September/Anfang Oktober 2006 starke Schmerzzustände aufgetreten sind, rechtfertigen auch diese für sich betrachtet keine höhere Bewertung. Denn die von Dr. S. im Rahmen seines von der Klägerin vorgelegten Arztbriefs vom 16. November 2006 beschriebenen belastungsabhängigen Beschwerden sind Ausdruck des bestehenden und mit einem GdB von 20 bewerteten Krankheitsbildes. Diese sind behandelbar und stellen als solche keine bleibende Verschlechterung des Wirbelsäulenleidens dar, zumal Dr. S. in dem erwähnten Arztbrief vom 16. November 2006 gerade einen neurologisch unauffällige Befund beschreibt. Angesichts dessen vermag der Senat auch aus dem Kurzbericht des Dr. R. vom 24. Januar 2007, der weder Bezug nimmt auf einen bestimmten Untersuchungstag und eine konkret durchgeführte Untersuchung noch eine Befundbeschreibung enthält, keine andere Beurteilung ableiten.

Auch hinsichtlich der Beeinträchtigungen von psychiatrischer Seite vermag der Senat keine Verschlimmerung festzustellen, die nunmehr eine Bewertung mit einem Teil-GdB von mehr als 30 zulassen würde. Selbst Dr. R., auf den sich die Klägerin in erster Linie stützt, bewertete im Rahmen seines Sachverständigengutachtens den Teil-GdB insoweit lediglich mit 30. Anders als der Sachverständige Dr. D., der den GdB - allerdings fachfremd - von psychiatrischer Seite allenfalls mit 20 beurteilte, beschrieb Dr. R. die seit Jahren bestehende familiäre Belastungssituation der Klägerin, die zu einer chronischen Erschöpfung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung geführt habe, ausführlich und stellte auch den Bezug zu den immer wieder auftretenden Wirbelsäulenbeschwerden her. Auch der Beklagte legte seiner Beurteilung insoweit einen Teil-GdB von 30 zugrunde. Für eine Höherbewertung und insbesondere die Annahme einer seit 15. Dezember 1999 eingetretenen deutlichen Verschlimmerung sieht der Senat angesichts dessen keine Anhaltspunkte. Schließlich hat auch die Klägerin ihren Neufeststellungsantrag vom 22. Dezember 2000 selbst lediglich mit einer neu aufgetretenen Harninkontinenz begründet und auch in dem sich anschließenden Widerspruchs- und Klageverfahren keine Verschlimmerung der psychischen Situation geltend gemacht. Auch im Berufungsverfahren hat sie noch die Richtigkeit der erwähnten Einschätzung des Dr. R. bekräftigt.

Letztlich rechtfertigt auch die neu aufgetretene Harninkontinenz, mit der die Klägerin ihren dem Verfahren zugrunde liegenden Verschlimmerungsantrag begründet hat, nicht die begehrte Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Insoweit hat der Beklagte zutreffend keinen höheren Teil-GdB als 10 zugrunde gelegt. Denn nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2004 (AHP), die auch der Senat in ständiger Rechtsprechung im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung heranzieht, wird erst eine Harninkontinenz mit einem Harnabgang tags und nachts mit einem GdB von 20 bis 40 bewertet. Ein Harnabgang gerade auch nachts, vermag der Senat den aktenkundigen Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen. Hierüber hatte die Klägerin ausweislich des vorgelegten Arztbriefs der Dr. B. vom 9. Dezember 2005 offenbar auch dieser Ärztin nicht berichtet. Denn schließlich verneinte sie anlässlich ihrer dortigen Vorstellung im Rahmen der anamnestischen Angaben ausdrücklich einen Urinabgang im Liegen, so dass von einem Harnabgang auch Nachts nicht auszugehen ist. Die Bewertung dieser Funktionsstörung mit einem Teil-GdB von 10 ist demnach ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die zuletzt als weitere Behinderung geltend gemachte Allergie gegen Duftstoffe und Formaldehyd sowie die chronische Gastritis rechtfertigen letztlich ebenso wenig wie der Zustand nach Basalzellkarzinom die Bewertung mit einem GdB. Insoweit haben Dr. G. und Dr. F. in ihren vä Stellungnahmen vom 31. Oktober 2006 und vom 24. April 2007 zutreffend dargelegt, dass es sich lediglich um leichte Gesundheitsstörungen handelt, die keinen messbaren GdB bedingen bzw. soweit das Basalzellkarzinom betroffen ist, keinen GdB rechtfertigen (vgl. AHP Nr. 26.17, Seite 110). Denn nach den AHP ist nach Entfernung eines malignen Tumors der Haut in den ersten fünf Jahren zwar ein GdB von jedenfalls 50 anzusetzen und eine Heilungsbewährung abzuwarten; dies gilt u.a. jedoch ausdrücklich gerade nicht für ein Basalzellkarzinom, wie dies auch bei der Klägerin entfernt wurde.

Da sich nach alledem keine Verschlimmerung der bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen feststellen lässt, ist es auch nicht gerechtfertigt, den Gesamt-GdB von zuletzt 40 auf den von der Klägerin begehrten Wert von 50 zu erhöhen. Soweit der Sachverständige Dr. R. aus den jeweiligen Einzel-GdB-Sätzen eine Gesamtbeeinträchtigung der Klägerin ableitet, die die Schwerbehinderteneigenschaft begründe, liegt darin eine Neubewertung des Gesamtausmaßes der Behinderungen, die im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens wegen wesentlicher Änderung gemäß § 48 SGB X eine Höherbewertung des Gesamt-GdB nicht rechtfertigt. Ungeachtet dessen teilt der Senat die insoweit getroffene Einschätzung aber auch deshalb nicht, weil darin der Überlagerung der Wirbelsäulenbeschwerden durch die psychischen Beeinträchtigungen, die Dr. R. selbst anschaulich beschrieben hat, nicht hinreichend Rechnung getragen wird.

Da die Berufung nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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