L 5 KR 1308/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 2664/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1308/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Befreiung von der Zuzahlungspflicht für das Jahr 2004.

Der 1958 geborene Kläger ist durch eine Encephalomyelitits disseminata (multiple Sklerose, MS) mit schubförmig progredientem Verlauf chronisch erkrankt. Bei ihm ist (seit März 2003) nach dem Schwerbehindertengesetz ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt und ihm ist daneben der Nachteilsausgleich G zuerkannt. Der Kläger hatte nach seinen Angaben aus seiner Beschäftigung als Arzt in Teilzeit im Jahr 2003 ein Entgelt in Höhe von 33.398,00 EUR verdient, seine Ehefrau 57.728,00 EUR, zusammen haben die Eheleute 91.117,00 EUR Einnahmen erzielt.

Für das Jahr 2004 beantragte der Kläger mit Antrag vom 16. Februar 2004 (Bl. 6/5 VA) bei der Beklagten von weiteren Zuzahlungen befreit zu werden. Er legte in diesem Zusammenhang eine Aufstellung über ihm im Jahr 2003 entstandene Kosten bezüglich seiner Eigenanteile in Höhe von ca. 1.990,00 EUR vor.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, hinsichtlich der Befreiung von Zuzahlungen für 2003 und 2004, dass die Belastungsgrenze im Jahr 2003 EUR 1.736,69 (2 %-Grenze) betragen habe und für das Jahr 2004 eine 1 %-ige Belastungsgrenze in Höhe von 867,71 EUR ermittelt worden sei. Diese Grenze sei auf der Grundlage der Einnahmen aus dem Jahr 2003 berechnet worden und stehe unter diesem Vorbehalt. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass im Jahr 2004 Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung nicht geltend werden könnten, da der Schwerbehindertenausweis des Klägers nicht die Merkmale "aG", "H" oder "bl" aufweise.

Am 7. Januar 2005 legte der Kläger des Weiteren noch eine Aufstellung seiner Kosten aus Eigenanteilen für das Jahr 2004 in Höhe von nunmehr 1.890,22 EUR vor. Darin enthalten waren u.a. viermal eine Praxisgebühr von je 10,00 EUR (40,00 EUR), Zuzahlungen für Medikamente in Höhe von 149,35 EUR, Schwimmbadbesuche in Höhe von 67,20 EUR, Taxikosten zur Krankengymnastik und zur Klinik in Höhe von 33,00 EUR. Daneben machte er Kosten für in der Schweiz bezogene Medikamente (Doryl 2 mg sowie Padma 28) in Höhe von 197,10 EUR und 64,50 EUR geltend. Weiterhin wurden Kosten einer Krankengymnastik in Höhe von insgesamt 204,06 EUR Eigenanteil geltend gemacht sowie ferner Kosten im Rahmen einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme in Isny in Höhe von 729,51 EUR (nach Abzug der Erstattung durch die Beklagte) und Fahrtkosten zur Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von 395,50 EUR.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2005 lehnte die Beklagte eine Befreiung ab, da die individuelle Belastungsgrenze durch die zu berücksichtigenden Zuzahlungen nicht erreicht werde. Als Zuzahlungen hätten insgesamt 492,83 EUR berücksichtigt werden können, die Belastungsgrenze des Klägers belaufe sich aber im Jahre 2004 auf 867,71 EUR.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, seit 2001 betreibe er mit hohem zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Aufwand Vorsorge zur Verhinderung einer weiteren Verschlimmerung der bestehenden chronischen Erkrankung. Die von der Beklagten anerkannten Ausgaben stünden in keinem Verhältnis zu den von ihm durch ambulante Behandlung vermiedenen stationären Behandlungskosten. Unter Vorlage einer überarbeiteten Aufstellung vom 05. Februar 2005 verwies der Kläger darauf, dass ihm letztlich im Jahr 2004 Kosten in Höhe von 2.087,01 EUR entstanden seien für Gesundheits-/Krankheitsausgaben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zu Begründung führte sie an, Kosten für Arzneimittel, Verband- und Heilmittel, die ohne ärztliche Versorgung und/oder im Ausland bezogen worden seien, könnten ebenso wenig berücksichtigt werden, wie Kosten der Schwimmbadbesuche und Kosten, die im Zusammenhang mit der ambulanten Vorsorgemaßnahme angefallen seien. Dies gelte auch für die Zuzahlungen zu den Fahrkosten und den Fahrkosten selbst, die anlässlich der ambulanten Behandlungen entstanden seien. Auch unter Berücksichtigung der weiteren Praxisgebühr von 10,00 EUR könnten insgesamt lediglich 502,83 EUR als gesetzliche Zuzahlungen für das Jahr 2004 berücksichtigt werden. Weil diese Kosten die individuelle Belastungsgrenze unterschreiten würden, scheide eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht für das Jahr 2004 aus.

Hiergegen hat der Kläger am 13. September 2005 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, seine derzeit laufenden Krankheitskosten würden 6 % seines und 2 % des Familieneinkommens ausmachen. Die Nichtanerkennung von vorliegenden krankheitszweckgebundenen Ausgaben nach den Richtlinien der DMSG wiesen auf sehr deutliche Lücken im Gesetzesrahmen zum Nachteil ambulant behandelter Chroniker hin.

Das SG hat mit Urteil vom 10. Februar 2006 die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass der Kläger die gesetzlichen Voraussetzungen für die teilweise Befreiung von Zuzahlungen nach § 61 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung nicht erfülle. Danach hätten Versicherte Zuzahlungen in Höhe von mindestens 5,00 EUR bis höchstens 10,00 EUR grundsätzlich zu leisten. Allerdings hätten sie während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten. Die Belastungsgrenze betrage 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung seien, betrage sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Beim Kläger läge unstreitig eine chronische Erkrankung vor. Die Beklagte habe daher auch aufgrund der Einkommensangaben des Klägers die Belastungsgrenze mit 867,71 EUR zutreffend festgestellt. Diese werde jedoch nach Überzeugung des SG nicht erreicht. Dabei sei zu beachten, dass es sich bei den Zuzahlungen im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausschließlich um die von § 61 SGB V erfassten Eigenbeteiligungen der Versicherten handele. Nicht berücksichtigt würden Eigenanteile der Versicherten sowie Aufwendungen, die nicht in § 61 SGB V ihren Zahlungsgrund hätten. Neben der Praxisgebühr seien berücksichtigungsfähig die Zuzahlungen zu Arzneimitteln, zu Heilmitteln und zu Fahrkosten. Weiter fielen darunter u.a. auch noch Zuzahlungen zu Hilfsmitteln. Erforderlich sei aber, dass die zuzahlungsbelastete Leistung selbst in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse falle. Aus diesem Grunde könne der vom Kläger angegebene Eigenanteil zu in der Schweiz erworbenen Medikamenten nicht berücksichtigt werden, da die Leistung außerhalb des EU-Bereiches liege (mit Hinweis auf § 13 Abs.4 SGB V). Das gleiche gelte auch für die erhobenen Fahrkosten, die nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse unterlägen. Letztlich seien auch die vom Kläger geltend gemachten Eigenanteile im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme keine Zuzahlungen im Sinne der § 61, 62 SGB V.

Der Kläger hat gegen das ihm mit Einschreiben-Rückschein am 21. Februar 2006 zugestellte Urteil am 6. März 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung machte er geltend, er begehre die volle Übernahme der ihm entstehenden persönlichen Aufwendungen, diese müssten alle als gesetzliche Zuzahlungen angerechnet werden. Er sehe formal den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt. Denn hier werde neben ärztlich definierter "Gesundheit" und "Krankheit" vom Gesetzgeber wie auch der Krankenkasse de jure wie de facto ein Zwischenstatus "bedingt gesund/eingeschränkt krank" geschaffen, trotz seiner anerkanntermaßen vorliegenden schweren chronischen Erkrankung. Neben dem gesetzlich abgeführten Arbeitnehmer-Krankenkassenbeitrag (ca. 250,00 EUR monatlich) werde ein zusätzlicher Kostenanteil (brutto ca. 170,00 EUR monatlich) notwendig, so dass für 2004 persönliche Vollkosten in Höhe von ca. 420,00 EUR monatlich entstünden (bei 70 % Arbeitsplatz mit 27,5 Stunden). Neben der Überschreitung des Regelsatzes von 1 % des Familieneinkommens nach der Chronikerregelung liege demnach de facto ein zweiter Krankenkassenbeitrag des Versicherten vor. Schließlich werde noch auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) abgestellt, wo u.a. auch ausgeführt werde, "Gleiches gilt, wenn die gesetzlichen Leistungsvorschriften - wie hier - durch die zuständigen Fachgerichte eine für den Versicherten nachteilige Auslegung und Anwendung erfahren."

Der Kläger beantragt sinngemäß

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Februar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2005 aufzuheben und festzustellen, dass er für das Jahr 2004 zumindest teilweise von der Zuzahlungspflicht befreit ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500 EUR ist überschritten. Im Streit steht hier die Frage, ob der Kläger mit den von ihm geltend gemachten Aufwendungen/Zuzahlungen in einer Größenordnung von über 2000 EUR die für die hier maßgebliche Belastungsgrenze von 867,71 EUR bereits überschritten hat und insoweit an sich für diese Zuzahlungen bitte befreit werden müssen.

III.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von Zuzahlungen für das Jahr 2004 nicht besteht.

III.

Die Beklagte hat im Hinblick auf die zum 1. Januar 2004 eingetretene Gesetzesänderung in nicht zu beanstandender Weise für die Zeit ab 1. Januar 2004 eine Zuzahlungspflicht des Klägers mit einer Belastungsgrenze in Höhe von 867,71 EUR festgesetzt.

Gemäß § 61 SGB V in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung aufgrund des GMG vom 14. November 2003 (BGBl. I Seite 2190) betragen Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, 10 v.H. des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 EUR und höchstens 10 EUR; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Als Zuzahlungen zu stationären Maßnahmen werden je Kalendertag 10 EUR erhoben. Bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege beträgt die Zuzahlung 10 v.H. der Kosten sowie 10 EUR je Verordnung. Geleistete Zuzahlungen sind von dem zum Einzug Verpflichteten gegenüber dem Versicherten zu quittieren; ein Vergütungsanspruch hierfür besteht nicht.

Gemäß § 62 Abs. 1 SGB V in der seit 1. Januar 2004 aufgrund des GMG geltenden Fassung haben Versicherte während des Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind (Satz 1). Die Belastungsgrenze beträgt 2 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (Satz 2). Die weitere Dauer der in Satz 2 genannten Behandlung ist der Krankenkasse jeweils spätestens nach Ablauf eines Kalenderjahres nachzuweisen und vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, soweit erforderlich, zu prüfen (Satz 3). Das Nähere zur Definition einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 (Satz 4).

Gem. § 62 Abs. 2 SGB V in der seit 1. Januar 2004 (und bis 31. Dezember 2004) maßgeblichen Fassung werden bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen nach Abs. 1 die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners jeweils zusammengerechnet (Satz 1). Hierbei sind die jährlichen Bruttoeinnahmen für den ersten in dem gemeinsam im Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15. v. H. und für jeden weiteren in dem gemeinsam im Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners um 10 v. H. der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu vermindern (Satz 2). Für jedes Kind des Versicherten und des Lebenspartners sind die jährlichen Bruttoeinnahmen um den sich nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) ergebenden Betrag zu vermindern; die nach Satz 2 bei der Ermittlung der Belastungsgrenze vorgesehene Berücksichtigung entfällt (Satz 3). Zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt gehören nicht Grundrenten, die Beschädigte nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes erhalten, sowie Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Körper und Gesundheit gezahlt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (Satz 4). Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist bei Versicherten,

1. die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) oder im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes oder Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten, 2. bei denen die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden,

sowie für den in § 264 genannten Personenkreis als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelsatz des Haushaltsvorstandes nach der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Regelsatzverordnung) maßgeblich (Satz 5 in der bis 31. Dezember 2004 maßgeblichen Fassung).

Die Beklagte hat zunächst zutreffend die maßgebliche Belastungsgrenze mit 867,71 EUR für das Jahr 2004 festgesetzt. Auszugehen war hierbei ausweislich der Gehaltsmitteilungen des Klägers und seiner Ehefrau für das Jahr 2003 von Einnahmen in Höhe von brutto 33.389,45 EUR bzw. 57.728,91 EUR, insgesamt also 91.118,36 EUR. Gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB V sind für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten 15 vH der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches hiervon abzuziehen. Die jährliche Bezugsgröße betrug für das Jahr 2004 28.980 EUR, 15 vH hieraus sind 4.347 EUR. Damit bleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 86.771,36 EUR. Hieraus ist 1 vH der Betrag von 867,71 EUR.

Das SG hat zutreffend unter Hinweis auf die maßgebliche Rechtslage des weiteren darauf hingewiesen, dass es sich bei den Zuzahlungen im Sinne von § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB V - bezüglich derer eine Befreiung bei Erreichen der Belastungsgrenze beantragt werden kann - ausschließlich um die von § 61 SGB V erfassten Zuzahlungen/Eigenbeteiligungen der Versicherten handelt. Es werden daher nicht berücksichtigt die Eigenanteile der Versicherten sowie die Aufwendungen, die nicht in § 61 SGB V ihren Zahlungsgrund haben. Neben der Praxisgebühr (§ 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V), sind daher nur berücksichtigungsfähig die Zuzahlungen zu Arzneimitteln (§ 31 Abs. 3 SGB V), zu Heilmitteln (§ 32 Abs. 2 SGB V) und zu Fahrkosten - nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen - (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Weiter fallen darunter u.a. auch noch Zuzahlungen zu Hilfsmitteln (§ 33 Abs. 2 Satz 5 SGB V).

Erforderlich hierzu ist aber, dass die zuzahlungsbelastende Leistung selbst in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse fällt. Aus diesem Grunde kann, wie bereits von der Beklagten und auch vom SG angeführt, der vom Kläger angegebene Eigenanteil zu in der Schweiz erworbenen Medikamenten nicht berücksichtigt werden. Gem. § 13 Abs. 4. Satz 1 SGB V (in der bis 31. Dezember 2006 maßgeblichen Fassung) sind Versicherte u.a. berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum an Stelle der Sache- und der Dienstleistung im liege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Die Schweiz ist jedoch weder Mitglied der Europäischen Union noch des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR). Zwar sind nunmehr in der ab 1. Januar 2007 maßgeblichen Fassung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze - Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - (VÄndG) vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3439) Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten, in denen die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden ist, an Stelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Ausweislich der Beschlussempfehlung und des Berichtes des Ausschusses für Gesundheit vom 25. Oktober 2006 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (BT-Drs. 16/3157) wurde die Änderung in § 13 Abs. 4 Satz 1, wonach nunmehr allein maßgeblich ist, ob in dem betreffenden Staat die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 anzuwenden ist, aufgenommen, um künftig auch die Möglichkeit einzuräumen zusätzlich Leistungserbringer aus Staaten in Anspruch zu nehmen, in denen die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 aus anderen Gründen gilt (siehe BT-Drs. 16/3157 S. 15/16 zu Nummer 2 Buchst. a). Dies ist derzeit bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft der Fall, in der die Verordnung (EWG) Nr. 14 und 8/71 auf Grund des "Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit" (BGBl 2001 II vom 7. September 2001 S. 810) Anwendung findet (siehe BT-Drs. 16/3157 S. 16 zu Nummer 2. Buchst. a). Diese Regelung gilt allerdings erst seit 1. Juli 2007, findet also für die hier streitige teilweise Befreiung von Zuzahlungen im Jahr 2004 (noch) keine Berücksichtigung.

Auch fehlt es an einer Leistungsverpflichtung der Beklagten bezüglich der angefallenen Fahrtkosten (§ 60 Abs. 1 und 2 SGB V). Ebenso wenig sind auch die vom Kläger geltend gemachten Eigenanteile im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme Zuzahlungen im Sinne der §§ 61, 62 SGB V.

Zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führt im Übrigen auch der von ihm zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98). Danach ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V. mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlichen Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Unabhängig davon, ob es sich bei der beim Kläger vorliegenden Erkrankung der Multiplen Sklerose um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung handelt, steht hier jedenfalls eine anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung, deren Kosten auch von den Krankenkassen übernommen werden, zur Verfügung. Wenn der Kläger dennoch (wohl) in eigener Regie sich Rehabilitationsmaßnahmen und eine Therapie auf der Grundlage bestimmter in der Schweiz besorgter Medikamente zusammengestellt hat, geht dies auch zu seinen Lasten und kann er hier nicht geltend machen, dass die Versichertengemeinschaft auch in diesem Fall für die Kosten eintreten müsse. Das bedeutet letztlich, dass erst recht die Krankenkassen in solchen Fällen dann auch nicht die Eigenanteile des Versicherten bei der Berechnung der Höhe der Belastung und der Überschreitung der Belastungsgrenze zu berücksichtigen haben.

Aus diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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