Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 15 U 28/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 U 102/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Organisiert ein Betriebssportverband e. V. in der Sparte Badminton Punktspielrunden mit Hin- und Rückspielen sowie der Möglichkeit des Auf- und Abstiegs in den Grup-pen und Staffeln, ist der Teilnehmer an einem solchen Punktspiel nicht in der gesetz-lichen Unfallversicherung versichert; es überwiegt der Wettkampfcharakter.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 19. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der vom Kläger erlittene Sportunfall als Arbeitsunfall festzustellen ist.
Der am 1954 geborene Kläger ist als Krankenpfleger im U S -H , Campus L , beschäftigt. Im U besteht u.a. eine Betriebssportgruppe Badminton. In ihr spielt der Kläger mit. Beim Badminton-Spielen zog sich der Kläger am 6. April 2004 ein Dis¬tor¬sionstrauma und eine Kreuzbandruptur im linken Kniegelenk zu, als er bei Gewichtsverlagerung das linke Knie verdrehte.
Das U zeigte der Beklagten den Unfall am 24. Mai 2004 an. Die Beklagte holte daraufhin Unterlagen auf medizinischem Gebiet ein und ermittelte zu den Umständen des Sportunfalls sowie zur Organisation der Betriebssportgruppe Badminton Folgendes: Das U ist einer von 15 Betrieben der Sparte Badminton, die im Betriebssportverband (BSV) – Sparte Badminton – in L zusammengeschlossen sind. Dieser Sparte gehören 177 Personen an. Die Spielorganisation wird durch den Betriebssportverband e. V. durchgeführt. Gespielt wird zweimal wöchentlich ausschließlich in der Sporthalle des J in der Hansestadt L. Da die Hansestadt L für die Betriebssportsparte Badminton nur eine Halle zweimal wöchentlich zur Verfügung stellen kann, wird der Trainingstag für alle Betriebssportgruppen Badminton von L zusammen angesetzt. Vor der Saison werden Mannschaften dem Betriebssportverband gemeldet, wobei den Mannschaften auch Spieler verschiedener Firmen angehören können. Die Betriebssportgruppe Badminton des U s stellte 2002 zwei Mannschaften mit insgesamt 14 Spielern. Der Kläger gehörte der Mannschaft Arbeitsamt I an (Bezeichnung der Mannschaft). Je nach Spielstärke und Personen wurde in verschiedenen Staffeln und Gruppen gespielt. Es wurde in Punktrunden gespielt, so dass für die der Hin- und Rückrunde insgesamt 30 Spiele auszutragen waren. Die Ergebnisse der Punktspiele wurden dem Betriebssportverband gemeldet und in Tabellen eingetragen. Je nach Staffel bestand die Möglichkeit des Auf- und Abstiegs. Für jeden Spieler war ein Spielerpass über den Betriebssportverband ausgestellt. Es war eine Unfallversicherung über den Gerling-Konzern für die Mitglieder der Betriebssportgruppe abgeschlossen. Bei einem Punktspiel der Rückrunde ereignete sich der Unfall des Klägers.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung wies die Beklagte auf Folgendes hin: Nach der Rechtsprechung müsse die sportliche Betätigung geeignet sein, die durch die betriebliche Tätigkeit bedingte körperliche, geistige oder nervliche Belastung auszugleichen. Außer dem reinen Ausgleichssport sei dafür grundsätzlich jede Sportart geeignet, solange die Sportausübung nicht der Teilnahme am allgemeinen sportlichen Wettkampf diene. Anderenfalls liege weder bei einem dieser Zweckbestimmung entsprechenden Training noch beim Wettkampf selbst versicherter Betriebssport vor, auch wenn es sich ausschließlich um Betriebssportgemeinschaften handele. Nach den durchgeführten Ermittlungen sei davon auszugehen, dass der Wettkampfcharakter bei der am Unfalltag betriebenen Sportausübung eindeutig im Vordergrund gestanden habe. Der Kläger sei am 6. April 2004 bei einem Badminton-Spiel, das über die Betriebssportverband-Or¬ga¬nisation angesetzt gewesen sei, verunglückt. Bei derartigen Spielen oder Vorbereitungsspielen stehe grundsätzlich der Wettkampfcharakter im Vordergrund, so dass kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Sozialgesetz, Siebtes Buch (SGB VII) vorliege. Der hiergegen vom Kläger bei der Beklagten am 30. Dezember 2004 eingegangene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Februar 2005 vor dem Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er und die Mitspieler der Betriebssportgemeinschaft Badminton zur körperlichen Ertüchtigung und zur sportlichen Betätigung spielten, nicht jedoch als Wettbewerb. Selbst wenn bei der Durchführung der einzelnen Spiele Punkte gezählt würden, liege hierin noch kein Wettkampf. Die Punktvergabe sei zwingend notwendig, um die Spieler zu ermuntern. Die Spielergebnisse würden registriert, um der Hansestadt Lübeck als Hallenbetreiber nachzuweisen, dass tatsächlich gespielt werde und wie viele Personen am Training teilnähmen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2005 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 6. April 2004 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. Mai 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe am 6. April 2004 keinen Arbeitsunfall erlitten. Nach den vom Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2005 - B 2 U 59/04 R - aufgestellten Kriterien müssten u. a. Übungszeit und Übungsdauer in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen, um von Betriebssport ausgehen zu können. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe nicht fest, dass der Kläger am 6. April 2004 den Unfall bei versichertem Betriebssport erlitten habe. Zu Recht habe die Beklagte entschieden, dass der Wettkampfcharakter der am Unfalltag ausgeführten sportlichen Betätigung im Vordergrund gestanden habe. Der Zusammenschluss von circa 15 Betriebssportgruppen verschiedener Firmen zur Sparte Badminton über den BSV Lübeck und die Ausgestaltung der Spielorganisation mit einem regelmäßigen Punktspielbetrieb und den Möglichkeiten des Auf- und Abstiegs machten den überwiegenden Wettkampfcharakter deutlich. Die Einteilung in Gruppen und Staffeln sei Voraussetzung für den Wettkampfverkehr unter mehreren Mannschaften. Denn die Ergebnisse der Spiele zwischen den einzelnen Mannschaften hätten Auswirkungen auf den Ver¬bleib in einer Staffel oder Gruppe und damit über Auf- bzw. Abstieg. Damit liege ein dem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ausschließender Wettkampfcharakter vor. Denn zum Wesenscharakter der Spiels gehöre das Erzielen von Punkten und der Sieg über den bzw. die Gegner, so dass die sachliche Rechtfertigung für die Annahme von Unfallversicherungsschutz während der Ausübung des Sportes nicht gegeben sei. Zudem zeige auch der Abschluss einer privaten Unfallversicherung für die Spieler, dass Zweifel am Bestehen des Versicherungsschutzes bei der Beklagten hätten.
Gegen dieses dem Kläger am 24. August 2006 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 19. September 2006. Hierzu macht er im Wesentlichen geltend: Er spiele Badminton zum Ausgleich zu seiner überwiegend stehenden Tätigkeit als Kranken- und OP-Pfleger und um die Folgen eines im Jahre 2000 erlittenen Motorradunfalles auszugleichen. Am 6. April 2004 habe nicht der Wettkampf im Vordergrund gestanden. In der streitigen Spielsaison habe er der Mannschaft Arbeits¬amt I L als Aushilfsspieler angehört. Wenn innerhalb von Betriebssportgemeinschaften regelmäßige Spiele stattfänden, bei denen ein Sieger/Verlierer wegen der Notwendigkeit des Zählens festgestellt werde, so sei hierin noch kein Wettkampf zu sehen. Der Wettkampf finde nur innerhalb der Betriebssportgemeinschaft statt, um flüssiges Spielen zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Juli 1996 – 2 RU 2/95 – falle die Ausübung von Betriebssport auch dann noch in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn der körperliche Ausgleich im Vordergrund stehe. Dem körperlichen Ausgleich dienten danach einerseits gelegentliche Wettkämpfe gegen andere Gruppen oder sogar jährlich stattfindende Pokalturniere. Soweit sei es hier nicht einmal gegangen. Der Wettkampfcharakter (Spiele zwischen gebildeten Mannschaften innerhalb der Betriebssportvereinbarung) schließe die betriebliche Tätigkeit nicht aus, sondern stehe mit ihr im inneren Zusammenhang.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Mai 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2005 aufzuheben und 2. festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 6. April 2004 um einen Arbeitsunfall handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Begründung der angefochtenen Bescheide sowie die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Lübeck.
Die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten und die Gerichtsakten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Da die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, entscheidet der Senat vorliegend gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist zulässig; Form und Frist sind gewahrt (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1 SGG). Da es dem Kläger um die Anerkennung des Ereignisses vom 6. April 2004 als Arbeitsunfall geht, hat das Sozialgericht sein Begehren zu Recht als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG angesehen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil hält der Überprüfung stand. Der Bescheid vom 20. Dezember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2005, mit dem die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, entspricht der Sach- und Rechtslage und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Das BSG hat seit seiner grundlegenden Entscheidung vom 28. November 1961 - BSGE 16, 1 - in ständiger Rechtsprechung den Betriebssport als einen der versicherten Beschäftigung zuzurechnenden Ausgleichssport angesehen und in späteren Entscheidungen diese Rechtsprechung weiter entwickelt. Das Sozialgericht hat dies in seinen Gründen zutreffend wiedergegeben; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.
Nach der Entscheidung des BSG vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 - ist dann von einem inneren Zusammenhang einer sportlichen Betätigung mit der Beschäftigung des Unternehmens und damit von versichertem Betriebssport auszugehen, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: - Der Sport muss Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter haben. - Er muss regelmäßig stattfinden. - Der Teilnehmerkreis muss im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens bzw. der Unternehmen, die sich zu einer Betriebssportgemeinschaft zusammengeschlossen haben, beschränkt sein. - Übungszeiten und –dauer müssen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen. - Die Übungen müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden.
Diesen Zielsetzungen entspricht zwar am ehesten der Ausgleichs¬sport in Form von Lockerungsübungen. Als Betriebssport können jedoch alle Sportarten in Betracht kommen (Lauterbach, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 8 Anm. 198). Der Versicherungsschutz ist auch bei der Ausübung von Sportarten nicht ausgeschlossen, denen es eigentümlich ist, dass sie einen Gegner voraussetzen und meist zwischen verschiedenen Mannschaften ausgetragen werden, wenn und solange die nach der Rechtsprechung des BSG maßgebenden allgemeinen Voraussetzungen für Betriebssport gegeben sind. Der für den versicherten Betriebssport geforderten Zielsetzung entsprechen Sportarten mit Wettkampfcharakter jedoch nicht, wenn dieser Charakter im Vordergrund steht (BSG vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 38/03 -).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Versicherungsschutz vorliegend zu verneinen, da bei der sportlichen Betätigung des Klägers am 6. April 2004 nicht der Ausgleichscharakter, sondern der Wettkampfcharakter im Vordergrund stand. Denn hierauf war die konkrete Ausgestaltung des Spielbetriebes gerichtet. Es wurde ein geregelter Punktspielbetrieb mit Hin- und Rückrunde durchgeführt. Es gab ein Training als Vorbereitung auf die Punktspiele. Für den Wettkampf spricht ferner die Einteilung nach Spielstärke in Gruppen und Staffeln mit der Möglichkeit des Auf- bzw. Abstiegs je nach erreichten Punkten bzw. gegenüber den anderen Mannschaften. Der Wettkampfcharakter ergibt sich im Übrigen aus den Meldungen der Ergebnisse der jeweiligen Punktspiele gegenüber dem BSV. Es mag sein, dass diese Meldung auch dazu dient, um gegenüber der Hansestadt L als Hallenbetreiber die Nutzung der Halle nachzuweisen und damit ein Angebot dieser Sportart überhaupt erst zu ermöglichen. Gleichzeitig wurden die Ergebnisse jedoch in einer Tabelle zusammengeführt, um so die Stellung der jeweiligen Mannschaft in einer Rangliste festzuhalten.
Soweit sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung auf die Entscheidung des BSG vom 2. Juli 1996 - 2 RV 32/95 - beruft, wonach die Ausübung von Betriebssport auch dann noch in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen werden kann, wenn der körperliche Ausgleich im Vordergrund steht, vermag dies die vorliegende Entscheidung nicht zu erschüttern. Denn in dem dem BSG-Urteil zu Grunde liegenden konkreten Sachverhalt ging es darum, den Unfallversicherungsschutz beim Betriebssport bei einem einmal im Jahr an einem Tag stattfindenden Fußballturnier gegen andere Betriebssportgemeinschaften zu bewerten, dessen Spieldauer gegenüber der üblichen auf zweimal fünfzehn Minuten reduziert war. Damit unterscheidet sich dieser Sachverhalt von dem hier zu entscheidenden Fall so wesentlich, dass dieses BSG-Urteil keine Anwendung finden kann.
Nach Würdigung aller Umstände hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass sein Unfall vom 6. April 2004 als Arbeitsunfall anerkannt wird.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat sieht keinen Anlass, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der vom Kläger erlittene Sportunfall als Arbeitsunfall festzustellen ist.
Der am 1954 geborene Kläger ist als Krankenpfleger im U S -H , Campus L , beschäftigt. Im U besteht u.a. eine Betriebssportgruppe Badminton. In ihr spielt der Kläger mit. Beim Badminton-Spielen zog sich der Kläger am 6. April 2004 ein Dis¬tor¬sionstrauma und eine Kreuzbandruptur im linken Kniegelenk zu, als er bei Gewichtsverlagerung das linke Knie verdrehte.
Das U zeigte der Beklagten den Unfall am 24. Mai 2004 an. Die Beklagte holte daraufhin Unterlagen auf medizinischem Gebiet ein und ermittelte zu den Umständen des Sportunfalls sowie zur Organisation der Betriebssportgruppe Badminton Folgendes: Das U ist einer von 15 Betrieben der Sparte Badminton, die im Betriebssportverband (BSV) – Sparte Badminton – in L zusammengeschlossen sind. Dieser Sparte gehören 177 Personen an. Die Spielorganisation wird durch den Betriebssportverband e. V. durchgeführt. Gespielt wird zweimal wöchentlich ausschließlich in der Sporthalle des J in der Hansestadt L. Da die Hansestadt L für die Betriebssportsparte Badminton nur eine Halle zweimal wöchentlich zur Verfügung stellen kann, wird der Trainingstag für alle Betriebssportgruppen Badminton von L zusammen angesetzt. Vor der Saison werden Mannschaften dem Betriebssportverband gemeldet, wobei den Mannschaften auch Spieler verschiedener Firmen angehören können. Die Betriebssportgruppe Badminton des U s stellte 2002 zwei Mannschaften mit insgesamt 14 Spielern. Der Kläger gehörte der Mannschaft Arbeitsamt I an (Bezeichnung der Mannschaft). Je nach Spielstärke und Personen wurde in verschiedenen Staffeln und Gruppen gespielt. Es wurde in Punktrunden gespielt, so dass für die der Hin- und Rückrunde insgesamt 30 Spiele auszutragen waren. Die Ergebnisse der Punktspiele wurden dem Betriebssportverband gemeldet und in Tabellen eingetragen. Je nach Staffel bestand die Möglichkeit des Auf- und Abstiegs. Für jeden Spieler war ein Spielerpass über den Betriebssportverband ausgestellt. Es war eine Unfallversicherung über den Gerling-Konzern für die Mitglieder der Betriebssportgruppe abgeschlossen. Bei einem Punktspiel der Rückrunde ereignete sich der Unfall des Klägers.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung wies die Beklagte auf Folgendes hin: Nach der Rechtsprechung müsse die sportliche Betätigung geeignet sein, die durch die betriebliche Tätigkeit bedingte körperliche, geistige oder nervliche Belastung auszugleichen. Außer dem reinen Ausgleichssport sei dafür grundsätzlich jede Sportart geeignet, solange die Sportausübung nicht der Teilnahme am allgemeinen sportlichen Wettkampf diene. Anderenfalls liege weder bei einem dieser Zweckbestimmung entsprechenden Training noch beim Wettkampf selbst versicherter Betriebssport vor, auch wenn es sich ausschließlich um Betriebssportgemeinschaften handele. Nach den durchgeführten Ermittlungen sei davon auszugehen, dass der Wettkampfcharakter bei der am Unfalltag betriebenen Sportausübung eindeutig im Vordergrund gestanden habe. Der Kläger sei am 6. April 2004 bei einem Badminton-Spiel, das über die Betriebssportverband-Or¬ga¬nisation angesetzt gewesen sei, verunglückt. Bei derartigen Spielen oder Vorbereitungsspielen stehe grundsätzlich der Wettkampfcharakter im Vordergrund, so dass kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Sozialgesetz, Siebtes Buch (SGB VII) vorliege. Der hiergegen vom Kläger bei der Beklagten am 30. Dezember 2004 eingegangene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2005 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Februar 2005 vor dem Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er und die Mitspieler der Betriebssportgemeinschaft Badminton zur körperlichen Ertüchtigung und zur sportlichen Betätigung spielten, nicht jedoch als Wettbewerb. Selbst wenn bei der Durchführung der einzelnen Spiele Punkte gezählt würden, liege hierin noch kein Wettkampf. Die Punktvergabe sei zwingend notwendig, um die Spieler zu ermuntern. Die Spielergebnisse würden registriert, um der Hansestadt Lübeck als Hallenbetreiber nachzuweisen, dass tatsächlich gespielt werde und wie viele Personen am Training teilnähmen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2005 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 6. April 2004 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. Mai 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe am 6. April 2004 keinen Arbeitsunfall erlitten. Nach den vom Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2005 - B 2 U 59/04 R - aufgestellten Kriterien müssten u. a. Übungszeit und Übungsdauer in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen, um von Betriebssport ausgehen zu können. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe nicht fest, dass der Kläger am 6. April 2004 den Unfall bei versichertem Betriebssport erlitten habe. Zu Recht habe die Beklagte entschieden, dass der Wettkampfcharakter der am Unfalltag ausgeführten sportlichen Betätigung im Vordergrund gestanden habe. Der Zusammenschluss von circa 15 Betriebssportgruppen verschiedener Firmen zur Sparte Badminton über den BSV Lübeck und die Ausgestaltung der Spielorganisation mit einem regelmäßigen Punktspielbetrieb und den Möglichkeiten des Auf- und Abstiegs machten den überwiegenden Wettkampfcharakter deutlich. Die Einteilung in Gruppen und Staffeln sei Voraussetzung für den Wettkampfverkehr unter mehreren Mannschaften. Denn die Ergebnisse der Spiele zwischen den einzelnen Mannschaften hätten Auswirkungen auf den Ver¬bleib in einer Staffel oder Gruppe und damit über Auf- bzw. Abstieg. Damit liege ein dem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ausschließender Wettkampfcharakter vor. Denn zum Wesenscharakter der Spiels gehöre das Erzielen von Punkten und der Sieg über den bzw. die Gegner, so dass die sachliche Rechtfertigung für die Annahme von Unfallversicherungsschutz während der Ausübung des Sportes nicht gegeben sei. Zudem zeige auch der Abschluss einer privaten Unfallversicherung für die Spieler, dass Zweifel am Bestehen des Versicherungsschutzes bei der Beklagten hätten.
Gegen dieses dem Kläger am 24. August 2006 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 19. September 2006. Hierzu macht er im Wesentlichen geltend: Er spiele Badminton zum Ausgleich zu seiner überwiegend stehenden Tätigkeit als Kranken- und OP-Pfleger und um die Folgen eines im Jahre 2000 erlittenen Motorradunfalles auszugleichen. Am 6. April 2004 habe nicht der Wettkampf im Vordergrund gestanden. In der streitigen Spielsaison habe er der Mannschaft Arbeits¬amt I L als Aushilfsspieler angehört. Wenn innerhalb von Betriebssportgemeinschaften regelmäßige Spiele stattfänden, bei denen ein Sieger/Verlierer wegen der Notwendigkeit des Zählens festgestellt werde, so sei hierin noch kein Wettkampf zu sehen. Der Wettkampf finde nur innerhalb der Betriebssportgemeinschaft statt, um flüssiges Spielen zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Juli 1996 – 2 RU 2/95 – falle die Ausübung von Betriebssport auch dann noch in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn der körperliche Ausgleich im Vordergrund stehe. Dem körperlichen Ausgleich dienten danach einerseits gelegentliche Wettkämpfe gegen andere Gruppen oder sogar jährlich stattfindende Pokalturniere. Soweit sei es hier nicht einmal gegangen. Der Wettkampfcharakter (Spiele zwischen gebildeten Mannschaften innerhalb der Betriebssportvereinbarung) schließe die betriebliche Tätigkeit nicht aus, sondern stehe mit ihr im inneren Zusammenhang.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Mai 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2005 aufzuheben und 2. festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 6. April 2004 um einen Arbeitsunfall handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Begründung der angefochtenen Bescheide sowie die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Lübeck.
Die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten und die Gerichtsakten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Da die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, entscheidet der Senat vorliegend gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist zulässig; Form und Frist sind gewahrt (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1 SGG). Da es dem Kläger um die Anerkennung des Ereignisses vom 6. April 2004 als Arbeitsunfall geht, hat das Sozialgericht sein Begehren zu Recht als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG angesehen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil hält der Überprüfung stand. Der Bescheid vom 20. Dezember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2005, mit dem die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, entspricht der Sach- und Rechtslage und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Das BSG hat seit seiner grundlegenden Entscheidung vom 28. November 1961 - BSGE 16, 1 - in ständiger Rechtsprechung den Betriebssport als einen der versicherten Beschäftigung zuzurechnenden Ausgleichssport angesehen und in späteren Entscheidungen diese Rechtsprechung weiter entwickelt. Das Sozialgericht hat dies in seinen Gründen zutreffend wiedergegeben; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.
Nach der Entscheidung des BSG vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 - ist dann von einem inneren Zusammenhang einer sportlichen Betätigung mit der Beschäftigung des Unternehmens und damit von versichertem Betriebssport auszugehen, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: - Der Sport muss Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter haben. - Er muss regelmäßig stattfinden. - Der Teilnehmerkreis muss im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens bzw. der Unternehmen, die sich zu einer Betriebssportgemeinschaft zusammengeschlossen haben, beschränkt sein. - Übungszeiten und –dauer müssen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen. - Die Übungen müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden.
Diesen Zielsetzungen entspricht zwar am ehesten der Ausgleichs¬sport in Form von Lockerungsübungen. Als Betriebssport können jedoch alle Sportarten in Betracht kommen (Lauterbach, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 8 Anm. 198). Der Versicherungsschutz ist auch bei der Ausübung von Sportarten nicht ausgeschlossen, denen es eigentümlich ist, dass sie einen Gegner voraussetzen und meist zwischen verschiedenen Mannschaften ausgetragen werden, wenn und solange die nach der Rechtsprechung des BSG maßgebenden allgemeinen Voraussetzungen für Betriebssport gegeben sind. Der für den versicherten Betriebssport geforderten Zielsetzung entsprechen Sportarten mit Wettkampfcharakter jedoch nicht, wenn dieser Charakter im Vordergrund steht (BSG vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 38/03 -).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Versicherungsschutz vorliegend zu verneinen, da bei der sportlichen Betätigung des Klägers am 6. April 2004 nicht der Ausgleichscharakter, sondern der Wettkampfcharakter im Vordergrund stand. Denn hierauf war die konkrete Ausgestaltung des Spielbetriebes gerichtet. Es wurde ein geregelter Punktspielbetrieb mit Hin- und Rückrunde durchgeführt. Es gab ein Training als Vorbereitung auf die Punktspiele. Für den Wettkampf spricht ferner die Einteilung nach Spielstärke in Gruppen und Staffeln mit der Möglichkeit des Auf- bzw. Abstiegs je nach erreichten Punkten bzw. gegenüber den anderen Mannschaften. Der Wettkampfcharakter ergibt sich im Übrigen aus den Meldungen der Ergebnisse der jeweiligen Punktspiele gegenüber dem BSV. Es mag sein, dass diese Meldung auch dazu dient, um gegenüber der Hansestadt L als Hallenbetreiber die Nutzung der Halle nachzuweisen und damit ein Angebot dieser Sportart überhaupt erst zu ermöglichen. Gleichzeitig wurden die Ergebnisse jedoch in einer Tabelle zusammengeführt, um so die Stellung der jeweiligen Mannschaft in einer Rangliste festzuhalten.
Soweit sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung auf die Entscheidung des BSG vom 2. Juli 1996 - 2 RV 32/95 - beruft, wonach die Ausübung von Betriebssport auch dann noch in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen werden kann, wenn der körperliche Ausgleich im Vordergrund steht, vermag dies die vorliegende Entscheidung nicht zu erschüttern. Denn in dem dem BSG-Urteil zu Grunde liegenden konkreten Sachverhalt ging es darum, den Unfallversicherungsschutz beim Betriebssport bei einem einmal im Jahr an einem Tag stattfindenden Fußballturnier gegen andere Betriebssportgemeinschaften zu bewerten, dessen Spieldauer gegenüber der üblichen auf zweimal fünfzehn Minuten reduziert war. Damit unterscheidet sich dieser Sachverhalt von dem hier zu entscheidenden Fall so wesentlich, dass dieses BSG-Urteil keine Anwendung finden kann.
Nach Würdigung aller Umstände hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass sein Unfall vom 6. April 2004 als Arbeitsunfall anerkannt wird.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat sieht keinen Anlass, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen.
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