L 7 SO 4540/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SO 4343/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4540/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 27. August 2007 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 13. August 2007 bis einschließlich 31. Januar 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung von Vermögen von Frau A. L. zu gewähren. Der Antragsgegner darf die Leistung darlehensweise erbringen und die Auszahlung davon abhängig machen, dass der Antragsteller ihm Gemälde im Wert von 2.500,00 EUR zur Sicherung übereignet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 Satz 1, 1. Halbs. SGG), ist zulässig und in der Sache im Wesentlichen begründet. Das SG hat den am 13. August 2007 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher der Antragsteller Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab Antragstellung am 20. April 2007 begehrt, zu Unrecht abgelehnt. Der Antragsteller hat ab dem im Tenor genannten Zeitpunkt Anspruch auf Leistungen ohne Anrechnung des PKW seiner Lebensgefährtin als verwertbares Vermögen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und 17. August 2005 a.a.O.; Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 2. Auflage, Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Auflage, § 123 Rdnr. 62 (alle m.w.N.)). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage, Rdnr. 259 (alle m.w.N.)).

Die genannten Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des SG hier vor. Der Antragsteller hat aller Voraussicht nach Anspruch auf Gewährung von Leistungen ohne Anrechnung des PKW seiner Lebensgefährtin als Vermögen. Eine solche Anrechnung setzte nämlich voraus, dass es sich um verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII handelt, das dem Leistungsberechtigten oder einer Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, zusteht (§ 19 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 20 SGB XII). Die gesetzlichen Vorgaben für eine Anrechnung eines Teils des Wertes des der Lebensgefährtin des Antragstellers gehörenden PKW sind nach Auffassung des Senats nicht erfüllt. Es spricht vielmehr viel dafür, dass dieser PKW ein so genanntes Schonvermögen i.S.v. § 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII darstellt und deshalb bei der Bedarfsberechnung außer Betracht zu bleiben hat. Er dient nämlich der Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit.

Die Ermittlungen des Senats haben ergeben, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers selbstständig tätig ist als Kunsthändlerin und Kunstmanagerin. Diese Tätigkeit nimmt nach den im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen und angesichts der Zahl der darin dokumentierten Ausstellungen und Aktivitäten offensichtlich einen wesentlichen Teil ihrer Zeit in Anspruch. Der Tätigkeit liegt ein auf Durchführung von Ausstellungen und Verkauf von Kunstwerken gerichtetes Konzept zugrunde, das auf Dauer angelegt erscheint und auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Die Tatsache, dass in den letzten zwei Jahren steuerrechtlich kein Gewinn erzielt worden ist, hindert die Annahme einer Erwerbstätigkeit nicht. Zum Einen ergibt sich aus den vorgelegten Steuerbescheiden, dass in den Jahren davor (vor einem durch einen Unglücksfall bedingten Umzug) durchaus Gewinn erzielt worden ist. Zum Zweiten ist dem Inhalt der Akten zu entnehmen, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers selber nicht im Leistungsbezug des Antragsgegners, der Bundesagentur für Arbeit oder eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch steht, was nur bedeuten kann, dass es ihr gelingt, ihren Lebensunterhalt durch die selbstständige Tätigkeit zu bestreiten. Bei dieser Sachlage ist es lebensfremd und kaum nachvollziehbar, ihrer Tätigkeit den Charakter einer Erwerbstätigkeit abzusprechen. Damit greift aber die genannte Sondervorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII und die Anrechnung des PKW mit dem vollem oder einem teilweisem Wert ist ausgeschlossen. Nachdem der Antragsgegner sich bislang lediglich auf diesen PKW gestützt hatte und weitere Vermögensgegenstände der Lebensgefährtin nicht ohne Weiteres aus den Akten und den umfangreichen Angaben des Antragstellers ersichtlich sind, muss die Frage, ob ggf. andere Vermögensgegenstände oder Einkünfte anrechenbar sind, nicht in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren geklärt werden.

Der Senat hat sich des weiteren davon überzeugt, dass dem Antragsteller selber derzeit jedenfalls kein sofort verwertbares Vermögen zur Verfügung steht. Was die so genannten Urmodelle seiner Skulpturen angeht, handelt es sich ohnehin um Betriebsvermögen eines Künstlers, das nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht als verwertbares Vermögen anzusehen ist (vgl. Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 3/05 R - (juris)).

Die vorhandenen und in seinem Eigentum stehenden Gemälde dürften allerdings Kunstgegenstände sein, die grundsätzlich verkäuflich sind und auch zum Verkauf stehen und damit Vermögen darstellen. Sie sind jedoch angesichts der Situation auf dem Kunstmarkt offensichtlich tatsächlich derzeit nicht einfach verkäuflich. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben in letzter Zeit einige Ausstellungen mit eigenen Werken gehabt, ohne dass daraus Einkommen erzielt worden wäre.

Es spricht daher viel dafür, dass er jedenfalls in einer vorübergehenden Notlage im Sinne des § 38 SGB XII ist und zur Sicherung seines Lebensunterhaltes der Leistungen des Antragsgegners bedarf, soweit sein geringes Renteneinkommen nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreicht. Insoweit kommt aber vorrangig eine darlehensweise Bewilligung in Betracht. Dies muss im Einzelnen noch im Hauptsacheverfahren noch geklärt werden; dort ist auch zu entscheiden, ob die Notlage tatsächlich nur vorübergehend ist oder ob von einer längeren Unverkäuflichkeit ausgegangen werden muss.

Da eine einstweilige Anordnung der Abwendung gegenwärtiger Nachteile dient, kann grundsätzlich rückwirkend keine Leistung zugesprochen werden (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Beschlüsse vom 17.August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 und vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B (juris) m.w.N.). Der Beginn der Bewilligung war daher auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim SG zu beschränken. Der darüber hinaus gehende Antrag ist zu Recht zurückgewiesen worden. Der Senat macht weiter von dem ihm in § 86b Abs. 2 SGG eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass er die einstweilige Anordnung bis Ende Januar 2008 und damit auf den Zeitraum von ungefähr sechs Monaten begrenzt. Bis zu diesem Zeitpunkt kann im Rahmen des Widerspruchsverfahren geklärt sein, ob und inwieweit der Antragsteller tatsächlich endgültigen Anspruch auf Leistungen hat.

Weiterhin hält es der Senat im Rahmen dieser Entscheidung für angebracht, dem Antragsgegner das Recht zuzubilligen, eine Sicherheit in Form der Übereignung von Gemälden zuzugestehen, die in etwa dem Wert der zugesprochenen Leistungen entsprechen. Solche Klauseln sind im Rahmen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zulässig (vgl. Beschluss des Senats vom 29. Januar 2007 - L 7 SO 5672/06 ER-B (juris)).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Angesichts des überwiegenden Obsiegens des Antragstellers bestand keine Veranlassung, ihm einen Teil seiner außergerichtlichen Kosten zu belassen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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