S 23 (24) SO 31/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 (24) SO 31/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 13.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2005 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides der Beklagten.

Der am 00.00.1934 geborene Kläger, der Dipl.-Kaufmann ist, bezog für sich und seine Ehefrau seit dem 01.01.2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG). Bei Antragstellung waren sie darüber belehrt worden, dass sie zur Mitteilung jeder Änderung in ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen verpflichtet seien.

Zusätzlich bezogen der Kläger und seine Ehefrau ab dem 01.01.2003 Wohngeld, das zunächst 173,00 Euro monatlich betrug.

Zuletzt bewilligte die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 23.02.2004 für die Zeit ab dem Monat März 2004 Leistungen in Höhe von 1.004,09 Euro monatlich, mit Bescheid vom 24.05.2004 für die Zeit ab dem Monat Juni 2004 Leistungen in Höhe von 1.667,77 Euro monatlich, mit Bescheid vom 23.06.2004 für die Zeit ab dem Monat Juli 2004 Leistungen in Höhe von 1.004,09 Euro monatlich, mit Bescheid vom 26.07.2004 für die Zeit ab dem Monat August 2004 Leistungen in Höhe von 1.004,09 Euro monatlich, mit Bescheid vom 19.11.2004 für die Zeit ab dem Monat Dezember 2004 Leistungen in Höhe von 1.004,09 Euro monatlich und mit Bescheid vom 20.12.2004 für die Zeit ab dem Monat Januar 2005 Leistungen in Höhe von 1.176,29 Euro monatlich.

Unter dem 05.01.2005 teilte die Beklagte - Sozialamt, Grundsicherung - auf Anfrage des Klägers vom 02.01.2005 wegen um 9,80 Euro verringerter Leistungen mit, dass sie ab dem 01.04.2004 eine Erhöhung des Wohngeldes auf 182,00 Euro zu berücksichtigen und nachträglich außerdem einen Betrag von 90,00 Euro einzubehalten habe. Die Änderung der Höhe des Wohngeldes hätte der Kläger längst mitteilen müssen.

Der Kläger erwiderte, diese Änderung sei ihm am 26.02.2004 amtlich mitgeteilt worden. Er sehe nicht ein, dass er den Betrag zurückzahlen müsse. Die Beklagte habe fehlerhaft gehandelt, indem sie das Wohngeld nicht in korrekter Höhe angerechnet habe.

Mit Bescheid vom 06.01.2005, gerichtet an den Kläger, hob die Beklagte "ihren Bescheid" mit Wirkung zum 01.04.2004 auf. Zur Begründung führte sie aus, es sei eine Änderung eingetreten. Das Wohngeld sei erhöht worden. Der Kläger sei seiner Pflicht zur Mitteilung dieser Änderung vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die Überzahlung betrage 90,00 Euro. Dem Bescheid beigefügt war eine Aufstellung gezahlter und zu zahlender Grundsicherungsleistungen für die Monate März bis Dezember 2004. Es ergab sich eine Differenz von 90,00 Euro.

Der Kläger erwiderte unter dem 10.01.2005, der Bescheid vom 06.01.2005 enthalte keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Die Beklagte erteilte den Bescheid daraufhin unter dem 13.01.2005 erneut. Sie stützte ihre Entscheidung auf §§ 48, 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).

Der Kläger erhob am 18.01.2005 Widerspruch. Eine Mitwirkungspflicht habe nicht bestanden. Dem Grundsicherungsamt sei die Erhöhung des Wohngeldes bekannt gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass es sich um ein unabhängig von der Wohngeldstelle agierendes Amt handele. Dies ergebe sich bereits aus dem einheitlichen Briefkopf. Im Übrigen dürfe er auf den Bestand des Bewilligungsbescheides vertrauen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie halte daran fest, dass der Kläger seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei. Er habe annehmen müssen, dass trotz einheitlichen Briefkopfes unterschiedliche Ämter agierten.

Der Kläger hat am 12.04.2005 Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor, eine Mitwirkungspflicht habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die Änderung der Höhe des Wohngeldes habe dem Grundsicherungsamt bekannt gewesen sein müssen. Das Grundsicherungsamt und die Wohngeldstelle seien immer unter dem Briefkopf "Stadt S" aufgetreten. Ihm habe sich nicht erschlossen, dass es sich um unabhängig voneinander agierende Ämter handele. Hinsichtlich des Bestandes des Bewilligungsbescheides genieße er Vertrauensschutz.

Zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 05.10.2007 ist der Kläger nicht erschienen.

Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt ergänzend aus, der Kläger habe die Änderung der Höhe des Wohngeldes nicht mitgeteilt. Er habe auch nicht annehmen dürfen, dass sich ihre verschiedenen Ämter untereinander austauschten. Dies verbiete schon der Datenschutz.

Der Kläger hat erwidert, der Datenschutz verbiete den Austausch verschiedener Ämter einer Kommune nicht, wenn die Kenntnis der Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich sei. Auch tatsächlich finde ein Datenabgleich statt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden.

Denn dieser war ausweislich der Zustellungsurkunde am 07.08.2007 ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt worden. Die Ladung war gemäß §§ 63 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 180 Zivilprozessordnung (ZPO) im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten erfolgt. Der Kläger hat den Erhalt der Ladung ferner durch seinen Schriftsatz vom 21.09.2007 bestätigt, in dem er die Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens beantragte. Diesem Antrag hat das Gericht nicht entsprochen, sondern dem Kläger mit Schreiben vom 25.09.2007 mitgeteilt, dass auf sein persönliches Erscheinen zum Termin nicht verzichtet werden könne. Es hat ihm jedoch die Möglichkeit aufgezeigt, unter Vorlage eines Attests eine Terminsverschiebung zu beantragen. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Das Schreiben des Gerichts ist auch nicht im Wege des Postrücklaufs zurückgekehrt.

Im Übrigen kann das Gericht gemäß § 126 SGG, sofern in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, nach Lage der Akten entscheiden, wenn in einem Termin keiner der Beteiligten erscheint oder beim Ausbleiben von Beteiligten die erschienen Beteiligten beantragen.

Eine unzulässige Überraschungsentscheidung zu Lasten des Klägers ist nicht ergangen. Vielmehr hat die Kammer entsprechend seiner Klage stattgegeben.

Die Klage hat Erfolg.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 13.01.2005, mit dem die Beklagte wörtlich ihren Bescheid mit Wirkung zum 01.04.2004 aufhob, und den Widerspruchsbescheid vom 15.03.2005, mit dem die Beklagte ihre Entscheidung bestätigte, gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn die Bescheide sind rechtswidrig.

Die Rechtsgrundlagen bilden § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 SGB X und § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Die Bescheide sind bereits formell rechtmäßig.

Denn genügen nicht dem Maßstab des § 33 Abs. 1 SGB X. Danach muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

Ein Bescheid ist nicht hinreichend bestimmt, wenn aus ihm nicht klar hervorgeht, was die Behörde verfügt hat bzw. was seinem Empfänger zugebilligt und auferlegt wird (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2006, Az.: L 20 SO 20/06). Konkret bedeutet dies, dass der Verfügungssatz erklären muss, welcher Verwaltungsakt mit Wirkung zu welchem genauen Zeitpunkt zurückgenommen wird; er muss die Bewilligungsbescheide für den betroffenen Leistungszeitraum nennen (LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.). Denn die Aufhebung einer Bewilligung bildet den actus contrarius zur Leistungsbewilligung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.).

Mit ihrem Bescheid vom 13.01.2005 hob die Beklagte wörtlich ihren Bescheid mit Wirkung zum 01.04.2004 auf. Die Aufhebung ist aber nicht auf die die Zeit ab dem 01.04.2004 betreffenden Bewilligungsbescheide bezogen. Bei diesen handelt es sich zunächst um den Bescheid vom 23.02.2004, mit dem die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit ab dem Monat März 2004 Leistungen in Höhe von 1.004,09 Euro monatlich bewilligt hatte. Weiter handelt es sich um den Bescheid vom 24.05.2004, mit dem die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit ab dem Monat Juni 2004 Leistungen in Höhe von 1.667,77 Euro monatlich bewilligt hatte, den Bescheid vom 23.06.2004, mit dem die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit ab dem Monat Juli 2004 Leistungen in Höhe von 1.004,09 Euro monatlich bewilligt hatte, den Bescheid vom 26.07.2004, mit dem die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit ab dem Monat August 2004 Leistungen in Höhe von 1.004,09 Euro monatlich bewilligt hatte, den Bescheid vom 19.11.2004, mit dem die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit ab dem Monat Dezember 2004 Leistungen in Höhe von 1.004,09 Euro monatlich bewilligt hatte, und den Bescheid vom 20.12.2004, mit dem die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau für die Zeit ab dem Monat Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Höhe von 1.076,29 Euro monatlich bewilligt hatte.

Diese Bescheide wären zu nennen gewesen, denn mit ihnen hatte die Beklagte die Leistungen nach dem GSiG und nach dem SGB XII für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.01.2005 bewilligt und die Aufhebung betraf diesen Bewilligungszeitraum.

Die hinreichende Bestimmtheit eines Aufhebungsbescheides erfordert weiter, dass dieser aufzeigt, inwieweit sich die Aufhebung der Bewilligung auf die Leistungen der einzelnen Begünstigten bezieht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.).

Die Beklagte differenziert jedoch nicht zwischen den dem Kläger und den seiner Ehefrau gewährten Leistungen. Vielmehr stellt sie pauschal auf die unzureichende Berücksichtigung des nunmehr in Höhe von 182,00 Euro statt in Höhe von 173,00 Euro monatlich gewährten Wohngeldes ab und berücksichtigt eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 9,00 Euro monatlich bzw. 90,00 Euro für die Zeit vom 01.04.2004 bis 31.01.2005.

Als problematisch könnte sich ferner erweisen, dass die genannten Bewilligungsbescheide sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber seiner Ehefrau ergangen waren, während sich der Bescheid vom 13.01.2005 und der Widerspruchsbescheid vom 15.03.2005 allein an den Kläger richteten (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.).

Der Mangel der fehlenden hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit der Bescheide ist nicht heilbar (LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.). Denn die in § 41 Abs. 1 SGB X genannten Heilungsmöglichkeiten bei Verfahrens- und Formfehlern erfassen diesen Fall nicht. Sie beziehen sich allein auf die unterbliebene Antragstellung, die unterbliebene Begründung, die unterbliebene Anhörung eines Beteiligten, den unterbliebenen Beschluss eines Ausschusses, die unterbliebene Mitwirkung einer anderen Behörde und die unterbliebene Hinzuziehung eines Beteiligten.

Da die Bescheide bereits aufgrund ihrer formellen Rechtmäßigkeit aufzuheben waren, bedurfte es der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Bescheide, das heißt des Vorliegens der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 SGB X und des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, nicht mehr.

Damit hat die Beklagte dem Kläger den einbehaltenen Erstattungsbetrag in Höhe von 90,00 Euro auszuzahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Berufung bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 Euro unterschritt. Die Kammer hat von der Zulassung der Berufung jedoch konkludent abgesehen, weil die Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Denn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtsfrage ist durch das zitierte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen hinreichend geklärt und nicht umstritten.
Rechtskraft
Aus
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