L 11 KR 87/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 375/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 87/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.08.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenerstattung in Höhe 1521,19 Euro für eine Implantatversorgung der Klägerin im Unterkiefer.

Unter Vorlage eines Schreibens des Priv. Doz. Dr. A, Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und Plastische Operationen des Evangelischen Krankenhauses I vom 22.07.2004 beantragte die Klägerin wegen chronischer Schmerzzustände bei ausgeprägter Unterkieferatrophie, chronischer Niereninsuffizienz (dialysepflichtig) und Hypertonie die Kostenübernahme für eine notwendig gewordene Beckenkammtransplantation sowie zweier Zahnimplantate im Unterkiefer. Mit Bescheid vom 05.08.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte aus, eine Kieferatrophie stelle keine Ausnahmeindikation im Sinne der Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkasse für eine Implantatversorgung dar, dieser Ausschluss gelte auch für eine Beckenkammtransplantation. Daraufhin überreichte die Klägerin einen Kostenvoranschlag des Priv. Doz. Dr. A vom 01.09.2004 in Höhe von 2137,47 Euro, der sich auf die Implantatversorgung bezog. Mit Bescheid vom 20.09.2004 lehnte die Beklagte erneut eine Kostenübernahme ab und verwies auf das Fehlen der Ausnahmeindikation nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 27.09.2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2004 zurück. Die Kieferatrophie stelle keine Ausnahmeindikation für eine Kostenbeteiligung der Beklagten an einer Implantatversorgung dar.

Hiergegen richtete sich die am 23.12.2004 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgte. Die bei ihr bestehende ausgeprägte Unterkieferatrophie mit chronischen Schmerzen erfordere nach Auffassung des Evangelischen Krankenhauses I die Behandlung mit einer Beckenkammtransplantation und Implantaten im Unterkiefer. Zu berücksichtigen seien in dem Zusammenhang auch, dass sie dialysepflichtig sei und Bluthochdruck habe. Ohne das Transplantat drohe ein Unterkieferbruch, die Implantatbehandlung sei am 24.09.2004 durchgeführt worden und habe Kosten in Höhe von 1521,19 Euro verursacht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05.08.2004 und des weiteren Bescheides vom 20.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2004 zu verurteilen, die Kosten für die Beckenkammtransplantation und die Zahnimplantationsbehandlung zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Eine Ausnahmeindikation für die streitige implantologische Leistung habe nicht vorgelegen.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Priv. Doz. Dr. A vom 15.11.2005 eingeholt.

Sodann hat es die Klage mit Urteil vom 25.08.2006 abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Die Beckenkammtransplantation stehe mit der Implantatversorgung im Zusammenhang, da sie letzteres erst möglich gemacht habe. Aus diesem Grunde komme auch hierfür eine Kostenübernahme nur bei Vorliegen einer der in den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen nach § 92 Abs. 1 SGB V festgeschriebenen Ausnahmeindikationenen in Betracht. Diese lägen aber nicht vor, da Ursache für die Implantatversorgung der Klägerin die Unterkieferatrophie sei, die aber in den Richtlinien nicht als solche Ausnahme genannt sei. Die Richtlinien seien abschließend und für den Leistungsanspruch des Versicherten bindend. Der Ausschluss der Kieferatrophie sei auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und gelte auch dann, wenn aufgrund einer objektiven Prothesenunverträglichkeit ausschließlich eine Implantatversorgung zur Erreichung eines kaufähigen Gebisses in Betracht komme (BSG Urteil vom 03.09.2003 B 1 KR 9/02 R).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 15. November 2006. Das Sozialgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der medizinische Eingriff sei dringend erforderlich gewesen. Bei ihr lägen außergewöhnliche Umstände vor, die die Annahme einer Ausnahmeindikation rechtfertigten. Dr. A habe in seinem Befundbericht vom 15.11.2005 gegenüber dem Sozialgericht ausgeführt, bei ihr läge ein extremer Knochenschwund im Unterkiefer und chronische Schmerzzustände vor. Wegen eines objektiv extrem schlechten Prothesenlagers sei eine prothetische Versorgung objektiv nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei die Versorgung der Klägerin mit einem Implantat gestützten Zahnersatz Bestandteil einer medizinischen Gesamtbehandlung gewesen, der im Zusammenhang mit der Niereninsuffizienz der Klägerin hätte betrachtet werden müssen. Diese Gesamtbetrachtung habe das Erstgericht nicht vorgenommen. Das Sozialgericht habe auch übersehen, dass bei ihr ein größerer Kieferdefekt vorliege, der in den Richtlinien des Bundesausschusses als Ausnahmeindikation genannt werde. Die Implantatversorgung sei vor allem auch aufgrund einer Entzündung des Kiefers und des Vorliegens einer Osteopathie vorgenommen worden, unberücksichtigt geblieben sei auch, dass sie unter einer extremen Xerostomie leide.

Die Klägerin beantragt nach dem Inhalt ihrer Schriftsätze,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.08.2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05.08.2004 und 20.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2004 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Beckenkammtransplantation und die Zahnimplantationsbehandlung in Höhe von 1521,19 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht die Beklagte sich auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung, die sie für zutreffend hält.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und von einer mündlichen Verhandlung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr durch die Beckenkammtransplantation und die Implantatversorgung entstandenen Kosten.

Als Rechtsgrundlage kommt nur § 13 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches (SGB) V in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt. Anhaltspunkte für einen Notfall sind nicht gegeben. Nach der zweiten Alternative der Vorschrift hat eine Krankenkasse nur dann, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, und dadurch dem Versicherten Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind, diese Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Letzteres war hier nicht der Fall. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB V umfasst der Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Zahnersatz. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Nach § 28 Abs. 2 Satz 9 i.V.m. Satz 8 SGB V gehören implantologische Leistungen nicht zur zahnärztlichen Behandlung und dürfen von den Krankenkassen nicht bezuschusst werden, es sei denn wegen seltener vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikation für besonders schwere Fälle, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt.

Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass eine derartige in den Richtlinien festgelegte Ausnahmeindikation nicht vorliegt, so dass damit Anspruch auf Versorgung mit implantologischen Leistungen und der Beckenkammtranplantation nicht gegeben ist. Die Beckenkammtransplantation ist zwar von der implantologischen Leistung zu unterscheiden, ausweislich des Berichts des Dr. A vom 22.07.2004 ist sie jedoch erforderlich, um die implantologische Leistung sicherzustellen und auf Dauer zu stabilisieren, so dass sie damit mit der implantologischen Leistung als Einheit anzusehen ist. Zutreffend hat das Sozialgericht auch festgestellt, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte Unterkieferatrophie vorliegt, die entgegen der Auffassung der Klägerin keine Ausnahmeindikation für eine Implantatversorgung rechtfertigt. Sie begründet lediglich eine Ausnahmeindikation für eine Suprakonstruktion, die vorliegend jedoch nicht streitig ist, und deren Kosten die Beklagte übernommen hat (Bescheid vom 26.04.2005). Der Senat verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Entscheidung des BSG vom 19.06.2001 (Az.: B 1 KR 4/00 R), in dem das BSG entschieden hat, dass eine Kieferatrophie nicht zu den vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen festgelegten besonders schweren Fällen gehört, in denen seit 01.07.1997 ausnahmsweise eine Leistungspflicht besteht und dass die darin liegende Beschränkung des Krankenversicherungsschutzes auch kein höherrangiges Recht verletzt. Da die in den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen festgelegten Ausnahmeindikationen eng zu interpretieren sind und eine Auslegung über den Wortlaut nicht zulassen, kommt es auch nicht für den Anspruch der Klägerin darauf an, dass ihrer Meinung nach außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Ausnahmeindikation rechtfertigten.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der im Berufungsverfahren aufgestellten Behauptung der Klägerin, sie leide sowohl unter einem größeren Kieferdefekt, der seine Ursache in Entzündungen des Kiefers habe als auch unter einer extremen Xerostomie. Hierfür finden sich in der gesamten Akte keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Priv.-Doz. Dr. A in seinem für das Sozialgericht erstatteten Befund- und Behandlungsbericht vom 15.11.2005 die Frage nach dem Vorliegen mindestens einer der vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkasse festgelegten Ausnahmeindikation für besonders schwere Fälle bei einer Implantatversorgung ausdrücklich verneint. Dies deckt sich auch mit seinen Ausführungen im Kostenvorschlag vom 01.09.2004, in dem sich der Hinweis findet, dass eine Implantatversorgung aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen grundsätzlich keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen sei und vom Patienten selbst bezahlt werden müsse. Eine Bezuschussung sei nur in seltenen, begründeten und gutachterlich festgestellten Ausnahmefällen möglich. Damit wird deutlich, dass Dr. A auch seinerzeit keine Ausnahmeindikation für gegeben erachtet hat. Der Senat sieht auch daher keine Veranlassung, den Sachverhalt insofern weiter aufzuklären, betrachtet die diesbezügliche Äußerung der Klägerin lediglich als Schutzbehauptung.

Auch der weitere Vortrag der Klägerin, aus § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V ergebe sich, dass die Beklagte die Leistungen im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringen müsse, ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Insofern verkennt die Klägerin den Regelungsgehalt der von ihr zitierten Vorschrift, wenn sie die Ansicht vertritt, im Rahmen dieser Gesamtbehandlung sei ihre Niereninsuffizienz zu berücksichtigen. Der vom Gesetzgeber verwandte Begriff der "medizinischen Gesamtbehandlung" stellt nicht darauf ab, den gesamten körperlichen Zustand für die Frage der Notwendigkeit mit einer Implantatversorgung zu berücksichtigen, ist vielmehr im Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt des § 28 Abs. 2 SGB V zu sehen und zu verstehen. In dieser Vorschrift sind Regel- und Ausnahmefälle der vertragszahnärztlichen Behandlung festgeschrieben und es ist deutlich gemacht worden, unter welchen Voraussetzungen eine zahnimplantologische Behandlung Teil der vertragszahnärztlichen Behandlung ist. Diese ist dann als Ausnahmebehandlung neben der sonst zum Leistungskatalog der vertragszahnärztlichen Behandlung gehörenden Leistung als medizinische Gesamtbehandlung zu betrachten (vgl. hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 20.06.2007 (Az.: L 11 (2) KR 124/05).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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