L 23 B 108/07 SO PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 SO 948/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 108/07 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. April 2007 abgeändert. Der Antragstellerin wird unter Beiordnung ihres Rechtsanwalts Dr. M N für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt. 2. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag vom 27. März 2007 vor dem Sozialgericht begehrt, den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen zur Hilfe zur Pflege im Umfang von 45 Wochenstunden zuzüglich Dienstagsnachtwache ab dem 27. März 2007 in Höhe von monatlich 798,40 Euro für zunächst drei Monate zu gewähren und der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren.

Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Hilfe zur Pflege im Umfang von weiteren fünf Wochenstunden in Höhe von 19,96 Euro je Stunde ab dem 27. März 2007 für drei Monate zu gewähren und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Weiter hat das Sozialgericht beschlossen, dass der Antragsgegner ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu erstatten hat. Zur Begründdung hat das Sozialgericht angeführt, dass der auf die Verpflichtung zur Kostenübernahme einer Dienstagsnachtwache gerichtete Antrag mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes unbegründet sei. Im Übrigen sei dem Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wege der Folgenabwägung stattzugeben gewesen.

Mit Beschluss vom selben Tag hat das Sozialgericht der Antragstellerin Prozesskostenhilfe in Höhe von "einem Drittel" unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt und im Übrigen den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Begründet hat das Sozialgericht diese Entscheidung damit, dass der auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung der Kostenübernahme für weitere 10 Pflegestunden gerichtete Antrag insoweit erfolgreich gewesen sei, als im Wege der Folgenabwägung die Hälfte zuzusprechen gewesen sei. Hinsichtlich der begehrten Kostenübernahme für die Dienstagsnachtwache sei der Eilantrag unbegründet gewesen.

Gegen den ihr am 25. April 2007 zugestellten Beschluss zur Gewährung von Prozesskostenhilfe, hat die Antragstellerin am 21. Mai 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 29. Mai 2007). Mit der Beschwerde wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Einschränkung für das erstinstanzliche Verfahren begehrt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Antragstellerin war unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren in vollem Umfange zu bewilligen.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO - erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Antragstellerin ist nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Sie bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zur Pflege in Einrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -.

Der Rechtstreit bot auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig. An die Prüfung der Erfolgsaussichten dürfen dabei keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Oktober 1991, 1 BvR 1386/91, NJW 1992, 889). Eine Rechtsverfolgung ist dann hinreichend erfolgversprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt der Antragstellerin unter Berücksichtigung des Vortrages des anderen Beteiligten zumindest für vertretbar und den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält. Eine Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache erfolgt im Rahmen der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozesskostenhilfeverfahren nicht (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/98, NJW 1991, 413). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht dem Antrag eine Erfolgswahrscheinlichkeit nicht abgesprochen. Das Sozialgericht hat auch die Antragsgegnerin verpflichtet, weiteren Hilfebedarf (Hilfe zur Pflege) ab dem 27. März 2007 anzuerkennen und abzugelten. Soweit das Sozialgericht der Antragstellerin mit der Entscheidung vom 20. April 2007 in der Hauptsache nicht vollumfänglich hinsichtlich des Umfangs des geltend gemachten Pflegebedarfs gefolgt ist, hat das Sozialgericht das teilweise Unterliegen bei der Kostenentscheidung im Beschluss über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 20. April 2007 berücksichtigt. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war jedoch - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - von einer Erfolgsaussicht als Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Einschränkung für das erstinstanzliche Verfahren auszugehen.

Soweit in der Literatur vertreten wird, dass eine Rechtsverfolgung oder -verteidigung auch lediglich teilweise Aussicht auf Erfolg bieten kann und dies im Rahmen eines Bewilligungsbeschlusses über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen sei (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage Rn. 415; Philippi in: Zöller, ZPO, 26. Auflage 2007 § 114 Rn. 20; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Auflage 2006 § 114 Rn. 102), kann dem jedenfalls für das hier vorliegende Verfahren nicht gefolgt werden. Die Auffassung in der Literatur beruht darauf, dass im zivilgerichtlichen Verfahren bei einem abgrenzbaren Streitgegenstand der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse auch nur nach einem Teilgegenstandswert zu bemessen ist (OLG München, Beschluss vom 28. Oktober 1994 - 11 WF 979/94 - m.w.N.). Dieser Gedanke kann in sozialgerichtliche Verfahren wie dem vorliegenden, in dem das Gerichtskostengesetz – GKG – keine Anwendung findet (§ 197a SGG i.V.m. § 183 SGG) und Rahmengebühren nach § 3 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG - für die Instanz anfallen, grundsätzlich nicht übertragen werden. Eine Abgrenzung von Teilen des geltend gemachten Anspruchs - hier Anerkennung eines weiteren Pflegebedarfs in Stunden ausgedrückt – führt nicht generell zu einer Verringerung der Rahmengebühr. Die Rahmengebühr ist nämlich nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG anhand des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers bzw. Klägers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Daher kann nicht über eine Quotelung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe anhand des Wertes eines Teils des Streitgegenstandes der Vergütungsanspruch über § 48 Abs. 1 RVG abweichend von §§ 3, 14 RVG bestimmt werden. Eine hinreichende Erfolgsaussicht, die bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren führt, ist mithin auch dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung nur teilweise Aussicht auf Erfolg hat. In diesem Fall ist dann Prozesskostenhilfe vollumfänglich zu gewähren (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21. Februar 2007, L 7 B 189/06; LSG Hamburg, Beschluss vom 08. März 2007, L 5 B 118/06 ER AS, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03. August 2007, L 7 B 232/05 AS). Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn im sozialgerichtlichen Verfahren zwei Klagebegehren in einer Klage gemeinsam verfolgt werden, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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