L 11 KR 2/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 121/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 2/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.11.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten; im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zum 01.03.2006 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden ist.

Bei dem 1954 geborenen Kläger liegt ein allgemeiner körperlicher Verfall bei langjähriger Suchterkrankung vom Morphintyp mit Ersatzprogramm und Beikonsum vor. Er bezog ab dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld (Alg) II nach § 19 Satz 1 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), dass ihm von dem zu 2) beigeladenen Integrationscenter bewilligt wurde, nachdem er in seinem Antrag vom 24.08.2004 bejaht hatte, drei Stunden täglich arbeiten zu können. Eine von dem Beigeladenen zu 2) veranlasste ärztliche Feststellung der Leistungsfähigkeit konnte zunächst nicht erfolgen, da der Kläger zu der am 06.06.2005 beabsichtigten ärztlichen Untersuchung nicht erschien. Nach einer Untersuchung am 26.10.2005 kam der Gutachter Dr. H zu dem Ergebnis, aufgrund des allgemeinen körperlichen Verfalls sei der Kläger nicht in der Lage, regelmäßig und gewinnbringend im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. Er sei außer Stande, eine leichte Tätigkeit 15 Stunden und mehr zu verrichten. Wann das Gutachten erstellt wurde und wann es bei dem Beigeladenen zu 2) einging, lässt sich den Verwaltungsunterlagen nicht entnehmen. Nach einem Vermerk vom 05.12.2005 wurde der Kläger an diesem Tag aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet; zugleich wurde das Gutachten an den Leistungsbereich weitergeleitet. Am 08.02.2006 leitete der Beigeladene zu 2) das Gutachten der Beigeladenen zu 1) als örtlichem Sozialhilfeträger unter Hinweis auf die fehlende Erwerbstätigkeit des Klägers zu. Diese bewilligte dem Kläger Leistungen nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab dem 01.03.2006. Mit Bescheid vom 17.02.2006 hob der Beigeladene zu 2) die Alg II-Bewilligung mit Wirkung vom 01.03.2006 auf. Einen Erstattungsanspruch wegen der Leistungsbewilligung in der Vergangenheit hat er bei der Beigeladenen zu 1) nicht angemeldet.

Der Kläger beantragte am 20.02.2006 bei der Beklagten die freiwillige Versicherung ab dem 01.03.2006 unter Hinweis auf die vom 01.01.2005 bis 28.02.2006 bestehende Mitgliedschaft.

Nachdem der Beigeladene zu 2) der Beklagten mit Schreiben vom 22.03.2006 mitgeteilt hatte, dass der Kläger seit dem 01.03.2006 Leistungen nach dem SGB XII erhalte, da er laut ärztlichem Gutachten vom 26.10.2005 nicht erwerbsfähig sei, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.04.2006 die Durchführung der freiwilligen Versicherung ab. Die Vorversicherungszeit sei nicht erfüllt, denn Versicherungszeiten, in denen eine Versicherung aufgrund unrechtmäßig bezogenen Alg II bestanden habe, seien nicht zu berücksichtigen. Der Kläger macht mit seinem Widerspruch geltend, der Leistungsbezug sei rechtmäßig gewesen. Während des Leistungsbezugs sei er pflichtversichertes Mitglied der Beklagten gewesen, so dass er die erforderliche Vorversicherungszeit für die Begründung einer freiwilligen Versicherung erfüllt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund des ärztlichen Gutachtens stehe fest, dass spätestens seit dem 26.10.2005 mangels Erwerbsfähigkeit Alg II zu Unrecht gewährt worden sei. Wegen der Ablehnung der freiwilligen Versicherung hat die Beigeladene zu 1) Leistungen nach § 264 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erbracht und deswegen einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten angemeldet.

Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Vortrag wiederholt, er habe die Vorversicherungszeit für die freiwillige Versicherung erfüllt, da er aufgrund des Bezugs von Alg II vom 01.01.2005 bis 28.02.2006 pflichtversichert gewesen sei. Der Leistungsbezug sei rechtmäßig gewesen, eine Rückforderung der Leistung sei nicht erfolgt.

Mit Urteil vom 30.11.2006 hat das Sozialgericht unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass eine freiwillige Versicherung zustande gekommen sei. Die erforderliche Vorversicherungszeit sei aufgrund des Leistungsbezugs gegeben. Die Krankenkassen hätten in diesem Zusammenhang kein eigenes Beurteilungsrecht hinsichtlich des rechtmäßigen Bezugs von Alg II.

Mit der fristgerecht eingelegten Berufung hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz SGB V die materielle Rechtslage maßgebend sei. Insoweit stehe aufgrund des ärztlichen Gutachtens fest, dass der Kläger spätestens seit dem 26.10.2005 zu Unrecht Alg II bezogen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Gelsenkirchen vom 30.11.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten und des Beigeladenen zu 2) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden ist.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des SGB III und andere Gesetze vom 22.12.2005, BGBl. I, 3676) können der freiwilligen Krankenversicherung Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen zumindest 12 Monate versichert waren. Dabei sind Zeiten, in denen die Versicherung allein deshalb bestanden hat, weil Alg II zu Unrecht bezogen wurde, nicht zu berücksichtigen. Nach § 188 Abs. 2 SGB V beginnt die Mitgliedschaft der in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V genannten Versicherungsberechtigten mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht. Nach § 188 Abs. 3 SGB V ist der Beitritt schriftlich zu erklären und den Krankenkassen innerhalb von 3 Monaten anzuzeigen (§ 9 Abs. 2 Ziffer 1 SGB V).

Danach ist der Kläger ab 01.03.2006 wirksam der Beklagten beigetreten. Er hat vom 01.01.2005 bis 28.02.2006 Alg II bezogen und war somit nach § 5 Abs. 1 Ziffer 2 a SGB V pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Da nach § 190 Abs. 12 SGB V die Mitgliedschaft der Bezieher von Alg II mit Ablauf des letztes Tages, für den die Leistung bezogen wird, endet, ist der Kläger zum 01.03.2006 als Pflichtversicherter bei der Beklagten ausgeschieden. Am 01.03.2006 ist die "Anmeldung zur freiwilligen Krankenversicherung" ab 01.03.2006 bei der Beklagten eingegangen, so dass der Beitritt fristgemäß (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) und in der erforderlichen Schriftform (§ 188 Abs. 3 SGB V) erfolgt ist.

Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Vorversicherungszeit deshalb nicht erfüllt ist, weil die Mitgliedschaft des Klägers seit der ärztlichen Feststellung der fehlenden Erwerbsfähigkeit anlässlich der Untersuchung am 26.10.2006 nicht berücksichtigt werden dürfe, da damit feststehe, dass er seit diesem Zeitpunkt materiell Alg II zu Unrecht bezogen hat. Diese Auffassung der Beklagten teilt der Senat nicht. Er hält an seiner im Beschluss vom 31.08.2006 (L 11 B 18/06 KR ER) vertretenen Auffassung fest, dass im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz SGB V die Krankenkassen nicht eigenständig die materielle Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs überprüfen dürfen, sondern an die Leistungsbewilligungen des nach SGB II zuständigen Trägers gebunden sind.

Der Wortlaut der Vorschrift lässt allerdings eine Auslegung im Sinne der Beklagten zu, denn die Formulierung "zu Unrecht bezogen" lässt offen, ob die Bewilligung von Alg II gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 330 Drittes Buch Sozialgesetzbuch und den § 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben, also förmlich festgestellt worden sein muss, dass Leistungen nicht zugestanden haben oder ob unabhängig davon die materiellen Voraussetzungen des Leistungsbezugs überprüft werden können. Auch die Gesetzesbegründung gibt insoweit keinen eindeutigen Hinweis. Danach sollte die Nichtberücksichtigung von Zeiten einer Versicherung aufgrund des rechtswidrigen Bezugs von Alg II "insbesondere" verhindern, dass ein wegen Fehlens der Erwerbsfähigkeit rechtswidriger Bezug von Alg II dazu führt, dass nach dem Ende des unrechtmäßigen Leistungsbezugs eine dauerhafte freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet werden kann (BT-Drucksache 16/245,9). Allerdings hätte ohne die vorgenommene Ergänzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V die Zeit der Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von Alg II selbst bei einer rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung berücksichtigt werden müssen, da nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V die Versicherungspflicht allein an den tatsächlichen Leistungsbezug anknüpft und nach dem letzten Halbsatz der Vorschrift auch durch eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht berührt wird. Somit geben weder die Gesetzesbegründung noch der Anlass der Gesetzesänderung etwas dafür her, dass den Krankenkassen ein eigenes Prüfungsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Leistungsbezuges zustehen soll (in diesem Sinne aber wohl Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 19.09.2006 - L 5 B 376/06 KR ER).

Gegen die Befugnis der Krankenkassen zu einer eigenständigen Prüfung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs spricht jedoch schon grundsätzlich, dass mit der Bewilligung von Leistungen der Träger des SGB II das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB II) und Hilfebedürftigkeit (§ 9 Abs. 1 SGB II) bejaht. Ob insoweit von einer Tatbestandswirkung der Bewilligung ausgegangen werden muss (so das Hessische LSG, Beschluss vom 07.07.2006 - L 8 KR 109/06 ER) kann dahinstehen (vgl. zu Zweifeln an einer Tatbestandswirkung BSG SozR 3-1300 § 104 Nr. 15). Grundsätzlich gilt aber, dass innerhalb eines gegliederten Sozialleistungssystems die anderen Träger die Regelungsbefugnis des zuständigen Trägers zu akzeptieren haben. Soweit das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet, muss jeder Träger die Entscheidung der anderen Träger respektieren und inhaltlich seinen Entscheidungen zugrundelegen (vgl. BSG SozR 1300 § 103 Nr. 2; SozR 3-2200 § 183 Nr. 6; SozR 3-1300 § 86 Nr. 3). Die zitierte Gesetzbegründung gibt keinen Hinweis, dass im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V von diesen Grundsätzen abgewichen werden sollte.

Im Gegenteil kann vor dem Hintergrund des in den § 44 a, 45 SGB II getroffenen Regelungssystems zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Hilfesuchenden den Krankenkassen keine eigenständige Befugnis zur Prüfung der materiellen Leistungsvoraussetzungen des Alg II-Bezugs zugestanden werden. Nach § 44 a Satz 1 SGB II (in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung) bzw. § 44 a Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006, BGBl. I, 2535) stellt die Agentur für Arbeit fest, ob der Hilfesuchende erwerbsfähig ist. Gemäß Satz 2 a.a.O. entscheidet bei einem Streit um die Feststellung die gemeinsame Einigungsstelle (§ 45 SGB II). Bis zu deren Entscheidung hat der Leistungsträger nach dem SGB II Leistungen zu erbringen (§ 44 a Satz 3 SGB II a.F., § 44 a Abs. 1 Satz 3 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 02.12.2006, BGBl. I, 2742). Diese Bestimmung enthält eine Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 SGB III. Ein Streit über die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen soll sich nicht zu seinen Lasten so auswirken, dass er weder von dem Träger des SGB II noch dem Träger des SGB XII Leistungen erhält. Seine Erwerbsfähigkeit wird vielmehr mit der Folge der Leistungszuständigkeit des Trägers nach dem SGB II fingiert (Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44 a RdNr. 24). Die Zahlungspflicht des Leistungsträgers des SGB II bis zur Entscheidung der Einigungsstelle gilt auch für den Fall, dass er von einer fehlenden Erwerbsfähigkeit ausgeht, sich aber nicht um eine Klärung der Angelegenheit mit dem zuständigen Leistungsträger des SGB XII bemüht hat. Er darf fehlende Erwerbsfähigkeit nicht annehmen, ohne den zuständigen Sozialhilfeträger eingeschaltet zu haben (so ausdrücklich BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2; zu § 44 a Abs. 1 SGB II n.F. ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.03.2007 - L 8 AS 6504/06). Die endgültige Zuständigkeit des Leistungsträgers des SGB II bis zur Einschaltung des Sozialhilfeträgers wird durch die Einfügung des Abs. 2 in § 44 a SGB II zum 01.08.2006 bestätigt. In Abs. 2 Satz 1 ist den Trägern des SGB II ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) eingeräumt worden, wenn die Einigungsstelle entschieden hat, dass kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestand. Da nach § 44 a Abs. 2 Satz 2 SGB II als Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Vorliegen seiner Leistungspflicht im Sinne des § 103 Abs. 3 SGB X der Tag des Widerspruchs des Sozialhilfeträgers gegen die Feststellung der Agentur für Arbeit gilt, ergibt sich daraus, dass nach Ansicht des Gesetzgebers bis zu diesem Zeitpunkt die Träger des SGB II materiell zur Leistung verpflichtet sind. Mit dieser gesetzlichen Zuständigkeitsabgrenzung wäre kaum vereinbar, im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V anzunehmen, Alg II, zu dessen Gewährung der Träger des SGB II nach den obigen Ausführungen verpflichtet war, sei "zu Unrecht" bezogen worden, mögen auch tatsächlich mangels Erwerbsfähigkeit die materiellen Leistungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben.

Auch die weitere Änderung des § 44 a SGB II durch das Gesetz vom 20.07.2006 (a.a.O.) spricht dagegen, dass die Krankenkassen eigenständig die Erwerbsfähigkeit als Leistungsvoraussetzung überprüfen dürfen. Sie haben nunmehr nach § 44 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II ebenfalls die Möglichkeit, der Feststellung der Erwerbsfähigkeit durch die Agentur für Arbeit zu widersprechen und eine Entscheidung der Gemeinsamen Einigungsstelle (§ 45 SGB II) herbeizuführen. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung berücksichtigt, dass von den finanziellen Folgen eines rechtswidrigen Bezugs von Alg II aufgrund fehlender Erwerbsfähigkeit auch die Krankenkassen betroffen sind (BT-Drucksache 16/1410, 27). Die Krankenkassen sind aber nur in das Einigungsstellenverfahren einbezogen, so dass diese abschließend für alle Beteiligte über die Erwerbsfähigkeit entscheidet. Mit dieser verfahrensrechtlichen Lösung wäre ein eigenes materielles Prüfungsrecht der Krankenkassen im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V nicht vereinbar.

Für eine Bindung der Krankenkassen an die Entscheidung des Trägers nach dem SGB II (bzw. der Einigungsstelle) spricht schließlich noch, dass damit bei der Entscheidung über die freiwillige Versicherung Auseinandersetzungen über die Richtigkeit der Entscheidungen des Leistungsträgers des SGB II vermieden werden (vgl. insoweit BSG SozR 3-2200 § 183 Nr. 6). Es wäre für die Betroffenen unzumutbar, wenn über längere Zeit der Krankenversicherungsschutz ungeklärt bliebe.

Somit ist im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V unbeschadet der Regelung des letzten Halbsatzes so lange davon auszugehen, dass die Leistungen nicht "zu Unrecht" bezogen worden sind, als der Arbeitssuchende auf der Grundlage einer Bewilligung des zuständigen Trägers Alg II erhalten hat und damit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V versichert war. "Zu Unrecht bezogen" im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz SGB V hat ein Versicherter Alg II somit nur dann, wenn die Bewilligung zurückgenommen (§ 45 Abs. 1 SGB X) oder aufgehoben (§ 48 Abs. 1 SGB X) worden ist. Der förmlichen Beseitigung der Leistungsbewilligung steht die Entstehung eines Erstattungsanspruchs gemäß § 44 a Abs. 2 SGB II gleich. Da bei Bestehen eines Erstattungsanspruchs gemäß § 107 SGB X die Leistung des unzuständigen Trägers als Leistung des zuständigen Trägers gilt, steht diese Erfüllungsfiktion einem Rückgriff bei dem Leistungsempfängern nach § 45, 48, 50 SGB X entgegen (vgl. von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl., § 107 RdNr. 2 mit Nachweisen der Rechtsprechung). In diesem Fall kommt die Aufhebung der Bewilligung durch den Träger des SGB II gegenüber dem Leistungsempfänger nicht mehr in Betracht. Gleichwohl steht auch in diesem Fall fest, dass der Leistungsbezug nach dem SGB II "zu Unrecht" erfolgt ist, so dass ebenso wie bei einer förmlichen Aufhebung der Bewilligung für die Beurteilung der Vorversicherungszeit von einer rechtswidrigen Leistungsgewährung ausgegangen werden kann.

Nach dem Vorstehenden ist somit die Vorversicherungszeit erfüllt, da der Kläger 14 Monate wegen des Bezugs von Alg II pflichtversichert war. Die Bewilligung ist erst mit Wirkung vom 01.03.2006 aufgehoben worden, der Beigeladene zu 2) hat insoweit auch keinen Erstattungsanspruch gegenüber der Beigeladenen zu 1) geltend gemacht. Somit ist die gesamte Zeit der durch den Leistungsbezug begründeten Mitgliedschaft zu berücksichtigen. Der Kläger ist damit zum 01.03.2006 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat dem Rechtsstreit auch im Hinblick die nach Angaben der Beteiligten zahlreichenden ruhenden Verfahren zur gleichen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) beigemessen und daher die Revision zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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