L 29 B 828/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 116 AS 10038/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 B 828/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. Mai 2007 insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner verpflichtet worden ist, an den Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für April 2007 in Höhe von 16,20 EUR, für Mai 2007 in Höhe von 486 EUR und von Juni bis einschließlich August 2007 in Höhe von 520 EUR zu zahlen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auch insoweit abgelehnt. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Schößler ohne Ratenzahlung bewilligt. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der geborene Antragsteller ist österreichischer Staatsbürger. Im September 2001 beantragte er in der Bundesrepublik Deutschland die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Als Zweck des Aufenthaltes gab er eine Arbeitsaufnahme an. Die von der Ausländerbehörde geforderten Nachweise in Form einer Bescheinigung des Arbeitgebers, eines Unterhaltsnachweises und eines Krankenversicherungsnachweises legte der Antragsteller nicht vor. Ihm wurde vom Landeseinwohneramt Berlin für den Zeitraum vom 28. September 2001 bis zum 31. Mai 2002 bescheinigt, dass der Aufenthalt gemäß § 69 Abs. 3 AuslG vorläufig als erlaubt gilt. Ausweislich einer Meldebescheinigung des Bezirksamtes Mitte von Berlin vom 13. April 2007 war der Antragsteller in dem Zeitraum vom 24. September 2001 bis zum 13. Januar 2003 unter verschiedenen Anschriften in Berlin-Pankow gemeldet. Für den Zeitraum vom 14. Januar 2003 bis 29. November 2004 enthält die Bescheinigung keine Angaben. Für den Zeitraum vom 30. November 2004 durchgehend bis zum 28. Februar 2006 war der Antragsteller wiederum unter verschiedenen Anschriften in Berlin-Pankow gemeldet. Für den Zeitraum vom 1. März 2006 bis 15. Februar 2007 enthält die Bescheinigung keine Angaben, seit dem 16. Februar 2007 ist der Antragsteller unter der Anschrift B in B gemeldet.

Mit Datum vom 16. Dezember 2004 erklärte der Antragsteller in einem Formblatt "Erklärung zur Ausstellung einer Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU", er sei freizügigkeitsberechtigt. In dem Erklärungsvordruck wurde er darauf hingewiesen, dass Nichterwerbstätige nur Freizügigkeit genießen, sofern sie über ausreichende Existenzmittel (600,00 EUR monatlich) und Krankenversicherungsschutz verfügen. Auf diese Erklärung vom 16. Dezember 2004 wurde dem Antragsteller am 12. Februar 2005 eine Bescheinigung über das gemeinschaftliche Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU erteilt. Seit Januar 2005 bezog er Arbeitslosengeld II vom JobCenter Pankow. Mit Datum vom 30. März 2007 erklärte der Antragsteller, er habe sich seit circa November 2004 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und bisher keine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt.

Nach Umzug in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners beantragte der Antragsteller dort am 16. Februar 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 30. März 2007 den Antrag ab, da der Antragsteller gemäß § 7 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei. Zudem sei aufgrund der Erklärung des Antragstellers gegenüber der Ausländerbehörde, er verfüge monatlich über mindestens 600 EUR, nicht von einer Hilfebedürftigkeit des Antragstellers auszugehen.

Am 30. April 2007 hat der Antragsteller daraufhin bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie Unterkunftskosten fortlaufend ab März 2007 begehrt hat.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 7. Mai 2007 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an den Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für April 2007 in Höhe von 16,20 EUR, für Mai 2007 in Höhe von 486 EUR und von Juni bis einschließlich August 2007 in Höhe von 520 EUR zu zahlen, und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach der gebotenen summarischen Prüfung der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht angenommen werden könne. Es sei bereits zweifelhaft, ob dem Antragsteller nicht aufgrund eines fünfjährigen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland eine unbeschränkte Freizügigkeit zustehe. Weiter sei zweifelhaft, ob im Hinblick auf Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 b der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments vom 29. April 2004 das begehrte Arbeitslosengeld II als "Sozialhilfe" im Sinne von Art. 24 Abs. 4 b Richtlinie 2004/38/EG anzusehen sei.

Gegen den dem Antragsgegner am 16. Mai 2007 zugestellten Beschluss hat dieser am 31. Mai 2007 Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht Berlin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners und der beigezogenen, den Antragsteller betreffenden Ausländerakte des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten - Ausländerbehörde - Berlin Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Sozialgericht hat dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Zeit von April 2007 bis August 2007 zu Unrecht stattgegeben.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht. (§ 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Auch im Beschwerdeverfahren sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg NVwZ 1990, 975).

Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag vor dem Sozialgericht Berlin Leistungen bereits ab März 2007 begehrt hat, hat das Sozialgericht mit seinem Beschluss zutreffend den Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Anordnungsgrund abgelehnt. Insoweit ist die Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden.

Darüber hinaus - für die Zeit von April 2007 bis August 2007 - ist das Sozialgericht zu Unrecht von der Existenz eines Anordnungsanspruches ausgegangen. Für diesen Zeitraum hat das Sozialgericht den Antragsgegner zu Unrecht zu einer vorläufigen Leistung an den Antragsteller verpflichtet. Auch für diesen Zeitraum ist ein Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht glaubhaft gemacht.

Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich erfüllt. Insoweit bestehen zumindest aufgrund der Erklärung des Antragstellers gegenüber der Ausländerbehörde vom Dezember 2004 im Hinblick auf § 7 Abs.1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II Zweifel an dem Vorliegen einer Hilfebedürftigkeit. Denn sollten die damaligen Angaben des Antragstellers zutreffend sein, er verfüge über ausreichende Existenzmittel (monatlich mindestens 600,00 EUR), so wäre insoweit eine Hilfebedürftigkeit nicht gegeben.

Selbst wenn jedoch die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt wären, scheitert ein Leistungsanspruch des Antragstellers aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, und zwar sowohl nach der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558) als auch nach der ab dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Art. 6 Abs. 9 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970).

Nach der bis zum 27. August 2007 geltenden Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II waren Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergab, ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Nach der seit dem 28. August 2007 geltenden Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind ausgeschlossen

1. Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,

3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Vorliegend reiste der Antragsteller zumindest ausweislich seiner Angaben in dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vom 28. September 2001 zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik Deutschland ein. Während der gesamten Dauer des Aufenthaltes des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland ist eine Arbeitsaufnahme durch ihn nach seiner Erklärung vom 30. März 2007 jedoch nicht erfolgt. Andere Gründe, die einen dauerhaften Aufenthalt des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland begründen und rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus § 4a Abs.1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (bis zum 27. August 2007 im Wesentlichen inhaltsgleich § 2 Abs. 5 Freizügigkeitsgesetz/EU in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern - Zuwanderungsgesetz - vom 30. Juli 2004 - vgl. BGBl. 2004 I S. 1950).

Nach dieser Regelung haben zwar insbesondere Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller jedoch nicht. Hierbei kann dahinstehen, ob der Antragsteller sich seit September 2001 überhaupt rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat. Insoweit bestehen Bedenken, weil der Antragsteller zwar bei der Einreise im September 2001 angab, diese erfolge zu Arbeitsaufnahme; entsprechende Nachweise blieb er jedoch schuldig. Ihm wurde daher nur bis zum 31. Mai 2002 eine vorläufige Erlaubnis gem. § 69 Abs. 3 AuslG bescheinigt. Gleiches gilt für seine Einreise im November 2004. Damals gab er an, freizügigkeitsberechtigt zu sein. Er bestätigte mit seiner Unterschrift, über ausreichende Existenzmittel (in Höhe von mindestens 600 EUR monatlich) zu verfügen. Auch hier bestehen Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieser Angaben, da der Antragsteller bereits im Folgemonat (ab Januar 2005) Leistungen nach dem SGB II beantragte und erhielt.

Selbst wenn jedoch von einem rechtmäßigen Aufenthalt des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland auszugehen wäre, so wären die Voraussetzungen des § 4a Abs.1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürger (Freizügigkeitsgesetz/EU) in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung nicht erfüllt, weil sich der Antragsteller nicht ständig seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Auch hierbei kann dahinstehen, ob er sich entsprechend seiner Erklärung vom 30. März 2007 seit November 2004 oder bereits seit September 2001 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Selbst wenn er schon einmal im September 2001 eingereist ist, ist nicht glaubhaft gemacht, dass er sich seither durchgehend in Deutschland aufgehalten hat. Vielmehr war der Antragsteller ausweislich der Meldebescheinigung des Bezirksamtes Mitte von Berlin vom 13. April 2007 nur bis Januar 2003 gemeldet. Eine neue Meldung erfolgte erst wieder am 30. November 2004. Nach dieser Bescheinigung liegt eine Unterbrechung des ständigen rechtmäßigen Aufenthaltes ab dem 14. Januar 2003 vor. Nach § 4a Abs. 6 Freizügigkeitsgesetz/EU in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 wird der ständige Aufenthalt zwar nicht berührt durch Abwesenheiten bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr (Nr. 1) oder Abwesenheit zur Ableistung des Wehrdienstes oder eines Ersatzdienstes (Nr. 2) sowie eine einmalige Abwesenheit von bis zu zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigem Grund, insbesondere auf Grund einer Schwangerschaft und Entbindung, schweren Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung (Nr. 3). Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen im Sinne von § 4a Abs. 6 Nrn. 1 bis 3 Freizügigkeitsgesetz/EU in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung ist jedoch nicht ersichtlich. Nach der (ersten) Unterbrechung des ständigen Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet ab Januar 2003 ist somit von der erneuten Meldung am 30. November 2004 ausgehend die Fünfjahresfrist zu ermitteln, welche bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht erfüllt ist. Gleiches gilt, falls auch für die Zeit vom 1. März 2006 bis 15. Februar 2007, für die die Meldebescheinigung des Bezirksamtes Mitte von Berlin vom 13. April 2007 ebenfalls keine Angaben enthält, eine Unterbrechung des ständigen rechtmäßigen Aufenthaltes vorliegt. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 wie auch nach dem bis zum 27. August 2007 geltenden im Wesentlichen inhaltsgleichen § 2 Abs. 5 Freizügigkeitsgesetz/EU in der Fassung des Art. 2 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 steht dem Antragsteller mithin nicht zu.

Gleiches gilt für ein Aufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007. Nach dieser Regelung kann auch schon vor Ablauf von fünf Jahren ein Daueraufenthaltsrecht entstehen. Voraussetzung ist jedoch jeweils, dass der Unionsbürger zuvor eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ausgeübt hat. Eine Erwerbstätigkeit hat der Antragsteller nach eigenen Angaben in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nie ausgeübt.

Auch ein Aufenthaltsrecht aus § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU (sowohl nach der seit dem 28. August 2007 als auch nach der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung) ist für den Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Ein solches Aufenthaltsrecht stünde dem Antragsteller allenfalls dann zu, wenn er insbesondere über ausreichende Existenzmittel verfügt. Das Vorhandensein solcher Mittel erklärte er zwar am 16. Dezember 2004 gegenüber der Ausländerbehörde. Ein Nachweis über solche ausreichende Existenzmittel und eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes nach § 5a Abs. 1 Ziffer 3 Freizügigkeitsgesetz/EU in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 erfolgte jedoch nicht. Nicht einmal einen Monat später beantragte und erhielt der Antragsteller vielmehr ab Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II, auf die er mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch gehabt hätte, wenn er entsprechend seiner Erklärung vom 16. Dezember 2004 monatlich über ausreichende Existenzmittel verfügen konnte. Damit ist der Antragsteller entweder nicht bedürftig nach dem SGB II (wenn er über ausreichende Existenzmittel verfügt) oder, was der Senat als wahrscheinlicher ansieht, nicht nach § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt (wenn er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt). Ein aus § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU abgeleitetes Aufenthaltsrecht vermag der Senat unter diesen Umständen jedenfalls nicht zu erkennen.

Kann der Antragsteller jedoch sein Aufenthaltsrecht allenfalls aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (Aufenthalt zum Zwecke der Arbeitssuche) ableiten, so ist er gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II (in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ausgeschlossen. Gleiches gilt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der ab dem 28. August 2007 geltenden Fassung.

Eine andere Einschätzung ergibt sich für den Senat auch nicht im Hinblick auf europarechtliches Gemeinschaftsrecht (a.A. wohl 19. Senat des Landessozialgerichts Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2007 - L 19 B 116/07 AS ER – in juris).

Mit der Neufassung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558) sollte nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales die Regelung des Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 umgesetzt werden. Nach Art. 24 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 2004/38/EG genießt vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehenen Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrages die gleiche Behandlung wie der Staatsangehörige des Mitgliedstaates. Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ist abweichend der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthaltes oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Ein Aufenthaltsrecht nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG besteht bei Unionsbürgern, die in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen.

Wie bereits dargestellt, kann ein Recht des Antragstellers auf Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland allenfalls zum Zwecke der Arbeitssuche hergeleitet werden. Hält er sich jedoch zum Zwecke der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland auf, so liegt ein Fall des Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG vor und er kann nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG "während des längeren Zeitraums" der Arbeitssuche (und damit auch mehr als nur drei Monate) von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen werden.

Um eine solche Leistung der Sozialhilfe handelt es sich nach Ansicht des Senats vorliegend bei der begehrten Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Zum einen wurde mit Einführung des Arbeitslosengeldes II unter Abschaffung der bisherigen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe eine neue Sozialleistung geschaffen, die insbesondere die Nachfolge der bisherigen Sozialhilfe antrat. Das Arbeitslosengeld II wird wie die Sozialhilfe beitragsunabhängig durch Steuermittel finanziert und unter Bedürftigkeitsgesichtspunkten gewährt. Zum anderen könnte dem Antragsteller mangels Erfüllung jeglicher arbeitslosenversicherungsrechtlicher Voraussetzungen allenfalls ein Anspruch auf Leistungen unter Sozialhilfegesichtspunkten zustehen.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften führt ebenfalls nicht zu einer anderen Einschätzung.

Zum einen erging die in dem oben genannten Beschluss des 19. Senates des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2004 nicht zu den vorliegend streitentscheidenden Regelungen. Bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts beschränkt sich der Gerichtshof darauf, die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift, so wie diese seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden gewesen wäre, zu erläutern und zu verdeutlichen (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 20. September 2001, C-184/99, "Rudy Grzelczyk" – in juris). Wie bereits dargelegt, wurde § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 zum Zwecke der Umsetzung der Regelung des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG geändert, und zwar erst mit Wirkung zum 1. April 2006, obwohl die Richtlinie vom 29. April 2004 (Amtsblatt der Europäischen Union L. 158/77, 30. April 2004) datiert. Diese Regelungen - ebenso wie die ab dem 28. August 2007 geltenden Neureglungen des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - waren mithin nicht Gegenstand der Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof.

Zum anderen führt der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus, dass insbesondere das Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten nicht absolut ist. Es besteht nur vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. September 2004, C-456/02 – "Michel Trojani" – in juris). Wie bereits dargestellt, ist danach ein Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG nicht verpflichtet, während der Dauer einer Arbeitssuche im Sinne von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren.

Dies steht auch im Einklang mit den übrigen Regelungen der Richtlinie 2004/38/EG, insbesondere der Art. 6 ff ... Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG hat ein Unionsbürger allgemein das Recht zum Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat nur für die Dauer bis zu drei Monaten und auch nur, solange er die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nimmt (Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG). Ein längerer Aufenthalt ist grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der Art. 7 ff. der Richtlinie 2004/38/EG möglich. Ein solches Aufenthaltsrecht besteht beispielsweise für einen Arbeitnehmer oder Selbstständigen sowie einen Unionsbürger, der für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenderen Versicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen (Art. 7 Abs. 1a und b der Richtlinie 2004/38/EG).

Auch nach diesen Regelungen lässt sich nicht erkennen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrte Leistung haben könnte. Der Antragsteller war nach seiner eigenen Erklärung niemals in Deutschland beschäftigt und Bemühungen im Rahmen einer Arbeitssuche sind weder belegt noch ersichtlich. Dass der Antragsteller zumindest im Zeitpunkt seiner Einreise im November 2004 über ausreichende Existenzmittel verfügte, erscheint für den Senat aufgrund eines fehlenden Nachweises und nach der Beantragung und Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bereits ab Januar 2005 ebenfalls nicht als wahrscheinlich.

Prozesskostenhilfe war dem Antragsteller gemäß § 73a SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ohne Prüfung des Vorliegens hinreichender Erfolgsaussicht des Rechtsverfolgung zu bewilligen, weil der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat und der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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