L 8 R 1495/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 4093/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 1495/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. März 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2003 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2003 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung

Der 1963 geborene Kläger erlernte von September 1979 bis Februar 1983 den Beruf des Kupferschmiedes. Diese Ausbildung schloss er mit der Gesellenprüfung am 26.02.1983 erfolgreich ab. In diesem Beruf arbeitete er bis März 1985. Vom 01.04.1985 bis um 31.03.1989 war er Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Direkt im Anschluss daran war er als Blechner berufstätig und ab August 1990 war er als Schweißer im Akkord versicherungspflichtig beschäftigt; das Arbeitsverhältnis besteht noch. Seit dem 16.06.2003 ist der Kläger allerdings arbeitsunfähig. Im Zeitraum vom 23.06.1998 bis zum 22.06.2003 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder für Lohnersatzleistungen wie Krankengeld gezahlt; insgesamt wurden für den Kläger mehr als fünf Jahre Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung gezahlt. Der Kläger bezieht eine Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau.

Im Dezember 2001 traten beim Kläger Beschwerden (Missempfindungen) zunächst am linken, später auch am rechten Bein auf. Das Stehen wurde insgesamt unsicher. Wegen dieser Beschwerden befand sich der Kläger zunächst für drei Tage (vom 03.04. bis 05.04.2002) stationär in der Neurologischen Klinik der Stadtklinik B.-B ... Dort wurde der Verdacht auf eine Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) geäußert. Aufgrund der vom 25.04.2002 bis zum 10.05.2002 dauernden stationärer Behandlung im Klinikum L. wurde der Verdacht bestätigt und eine Encephalomyelitis disseminata diagnostiziert. Auf seinen Antrag vom 06.03.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger ein stationäres Heilverfahren, welches der Kläger in der Zeit vom 15.04.2003 bis zum 13.05.2003 im Neurologischen Reha-Zentrum Q. in B. W. durchführte. Im Entlassungsbericht der Klinik wird ua ausgeführt, durch die intensiv durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen sei eine leichte Besserung der körperlichen Defizite gelungen. Aufgrund der herabgesetzten körperlichen Belastbarkeit sei eine Tätigkeit als Schweißer jedoch ungeeignet. Der Kläger könne allenfalls noch leichte körperliche Arbeiten mit regelmäßigen Arbeitszeiten vollschichtig durchführen. Empfehlenswert wäre eine Umsetzung im Betrieb oder eine Umschulungsmaßnahme.

Am 23.06.2003 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. untersuchen und begutachten. Der Arzt vertrat in seinem Gutachten vom 27.07.2003 die Auffassung, der Kläger sei sowohl für seinen bisherigen Beruf als Schweißer als auch für leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes weiterhin vollschichtig belastbar. Mit Bescheid vom 11.08.2003 und Widerspruchsbescheid vom 29.10.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab.

Am 13.11.2003 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt (Schreiben Dr. R. vom 05.01.2004, Bl. 34/35 der SG-Akte, und Schreiben Dr. S. vom 06.01.2004, Bl. 36/37 der SG-Akte) und anschließend ein Gutachten beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 29.03.2004 ausgeführt, der Kläger könne aus nervenärztlicher Sicht noch 6 Stunden und mehr leichte körperliche Arbeiten verrichten. Anschließend hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. S. gutachtlich gehört. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 11.09.2004 die Meinung vertreten, der Kläger könne nur noch unter 3 Stunden täglich erwerbstätig sein. Mit Urteil vom 22.03.2005 hat das SG die Klage abgewiesen.

Am 14.04.2005 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist auch weiterhin der Ansicht, dass ihm aufgrund seiner Erkrankung eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht. Als Beleg für sein Vorbringen hat er den Befundbericht des Radiologen Dr. Z. über eine Kernspintomographie des Schädels vom 15.04.2005 (Bl. 8 der LSG-Akte) und den Bericht der Stadtklinik B.-B., Neurologische Klinik, vom 01.06.2006 (Bl. 64/65 der LSG-Akte) über einen stationären Aufenthalt in der Zeit vom 10.05.2006 bis 18.05.2006 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. März 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juni 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.

Der Senat hat zunächst zur Aufklärung des Gesundheitszustandes des Klägers in der Zeit ab 01.01.2004 schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt (Auskunft Dr. S. vom 21.08.2005, Bl. 26/28 der LSG-Akte, und Dr. R. vom 30.08.2005, Bl. 29/30 der LSG-Akte) und den Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik S. beigezogen, in der sich der Kläger vom 11.09.2005 bis zum 24.09.2005 in stationärer Behandlung befand. Die Beklagte hat sich hierzu unter Bezugnahme auf die Stellungnahme ihrer Beratungsärztin vom 26.01.2006 (Bl. 47/48 der LSG-Akte) geäußert. Anschließend hat der Senat mit Schreiben vom 28.02.2006 von Amts wegen Oberstarzt Dr. K., Leiter der Abteilung Neurologie und Psychiatrie des Bundeswehrkrankenhauses U., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 06.02.2007 dargelegt, dass dem Kläger körperlich beanspruchende Tätigkeiten nicht mehr und leichte körperliche Arbeiten weniger als 3 Stunden möglich sind. Der Kläger hat sich durch dieses Gutachten in seiner Auffassung bestätigt gesehen und außerdem den Bericht des Facharztes für diagnostische Radiologie M. über eine am 20.03.2007 durchgeführte Kernspintomographie des Schädels sowie der Hals- und Brustwirbelsäule vorgelegt. Die Beklagte hat ua bemängelt, dass der gerichtliche Sachverständige den Kläger bereits am 25.04.2006 untersucht habe, sein Gutachten aber vom 06.02.2007 datiere. Die Beratungsärztin der Beklagten hat in ihrer Stellungnahme vom 13.04.2007 (Bl. 125/126 der LSG-Akte) ausgeführt, die Tatsache, dass die vom Kläger geschilderten Beschwerden grundsätzlich als glaubhaft anzusehen seien, sage noch nichts darüber aus, inwieweit diese Beschwerden zu gesundheitlichen Einschränkungen im beruflichen Leistungsvermögen führen. Die angegebene quantitative Leistungsminderung sei durch die geringen neurologischen Defizite nicht zu begründen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26.07.2007 ist der gerichtliche Sachverständige bei seiner Einschätzung geblieben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und begründet. Die Beklagte und das SG haben einen Rentenanspruch des Klägers zu Unrecht verneint. Dem Kläger steht aufgrund eines am 23.06.2003 eingetretenen Versicherungsfalls dem Grunde nach Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.07.2003 zu. Die Berufung wird nur insoweit zurückgewiesen, als der Kläger Rente auch für den Monat Juni 2003 begehrt.

Nach § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) - Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) idF der Bekanntmachung vom 19. 02.2002 (BGBl I S. 754) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 SGB VI).

Diese Voraussetzungen für eine Rentengewährung sind erfüllt. Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Stellungnahmen und Berichte steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seit Antragstellung (23.06.2003) aufgrund einer Erkrankung außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sein berufliches Leistungsvermögen ist auf weniger als 3 Stunden täglich herabgesunken. Dies folgt im Wesentlichen aus dem Gutachten des vom Senat gehörten gerichtlichen Sachverständigen Dr. K., aber auch aus dem auf Antrag des Klägers gutachtlich gehörten Dr. S ...

Der Kläger leidet seit mindestens April 2002 an Multipler Sklerose. Diese Erkrankung (und nicht nur eine Verdachtsdiagnose) wurde erstmals im Rahmen der vom 25.04. bis zum 10.05.2002 dauernden stationärer Behandlung des Klägers im Klinikum L. festgestellt und seitdem immer wieder bestätigt. Auch die Beklagte geht von dieser Diagnose aus. In Übereinstimmung mit der Beklagten geht der Senat ferner davon aus, dass sich alleine mit der Diagnose einer Multiplen Sklerose keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit begründen lässt. Maßgeblich sind vielmehr die Ausmaß und Schwere der Erkrankung und die durch sie bedingten Beeinträchtigungen. Die vom Sachverständigen Dr. K. festgestellten neurologischen Störungen sind noch nicht so ausgeprägt, dass sie eine zeitliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bedingen. So ist die Gehfähigkeit nach dem Gutachten des Dr. K. (Seite 23) dadurch eingeschränkt, dass der Gang stumpf-ataktisch (ungeordnet, unkoordiniert) ist, und bei blindem Seiltänzergang kann das Gleichgewicht nicht gehalten werden. Daher sind dem Kläger alle Arbeiten, die einen intakten Gleichgewichtssinn erfordern (Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie auf unebenem Boden) nicht mehr zumutbar. Da zudem eine verminderte Kraftentwicklung vorliegt, sind dem Kläger mittelschwere und schwere Arbeiten ebenfalls nicht mehr möglich.

Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit resultiert zur Überzeugung des Senats aus den mit der Erkrankung verbundenen Schmerzen. Der gerichtliche Sachverständige Dr. K. hat detailliert und nachvollziehbar dargelegt, weshalb er die vom Kläger angegebenen Schmerzen für glaubhaft hält. So hat er z.B. darauf hingewiesen, dass Schmerzen auch bei seiner klinischen Untersuchung des Klägers aufgetreten sind und zu vegetativen Reaktionen wie Blässe und Schweißausbruch geführt haben, die sich nicht simulieren lassen und daher das Schmerzerleben objektivieren. Darüber hinaus lassen sich die vom Kläger angegebenen Schmerzen problemlos mit dem Krankheitsbild erklären. So konnten durch die kernspintomographischen Untersuchungen Entzündungsherde im Rückenmark der Hals- und Brustwirbelsäule festgestellt werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen kommt es gerade bei Prozessen im Bereich der Hinterstränge des Rückenmarks zu sehr beeinträchtigenden und quälenden Schmerzen mit überwiegend brennendem Charakter. Schließlich spricht für das Vorliegen sehr starker Schmerzen auch die Tatsache, dass der Kläger - je nach Bedarf - das Medikament Valderon N ret. einnimmt, das nach seinem Anwendungsbereich der Behandlung sehr starker Schmerzen dient. Die Schmerzen sind beim Kläger in erheblich beeinträchtigender Weise am Tage vorhanden und führen auch zumindest zum Teil zu einer Beeinträchtigung des Schlafes; sie lassen sich durch Medikamente lindern, aber nicht beseitigen. Durch die Störung des Schlafes kommt es am Tag zu übermäßiger Müdigkeit und Antriebsminderung. Ferner führen die Schmerzen zu einer verminderten Konzentrationsfähigkeit. Die vom Sachverständigen und vom Senat für glaubhaft erachteten großen Schmerzen führen zu einer Reduzierung des beruflichen Leistungsvermögens auf weniger als 3 Stunden täglich. Bestätigt wird die Leistungsbeurteilung des Dr. K. durch das Gutachten des Dr. S., der darauf aufmerksam macht, dass der Kläger bei Ausübung einer Tätigkeit etwa nach einer Stunde zunehmende Schmerzen bekomme, die ihn zwängen, eine betriebsunübliche Pause einzulegen. Der Senat schließt sich in vollem Umfang der Beurteilung des Dr. K. und des Dr. S. an. Deren Beurteilung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie bei der diagnostischen Einschätzung (chronisches Schmerzsyndrom bzw somatoforme Schmerzstörung iS einer Anpassungsstörung) unterschiedliche Akzente setzen. Denn entscheidend ist das Ausmaß der Schmerzen und nicht ihre diagnostische Bewertung.

Auch die Ausführungen der Beklagten und die Stellungnahmen der Beratungsärztin vermögen die Einschätzung der genannten Sachverständigen nicht in Zweifel zu ziehen. Sie stellen ebenso wie das SG und der vom SG gehörte Sachverständige Dr. D. zu einseitig auf die organisch feststellbaren Veränderungen ab und messen deshalb dem mit der Krankheit verbundenen Schmerzerleben eine zu geringe Bedeutung bei. Dabei hält auch die Beratungsärztin der Beklagten die Schmerzen für glaubhaft. Aus dem Gutachten des Dr. D. ergibt sich überdies, dass Menschen, die wie der Kläger an einer Multiplen Sklerose leiden, nicht selten über eine rasche Erschöpfung und Ermüdbarkeit klagen. Dr. D. hält deshalb auch die Beschwerden des Klägers, der bis zum Auftreten seiner Erkrankung regelmäßig einer Tätigkeit in einem metallverarbeitenden Betrieb nachgegangen ist, zumindest zum Teil für nachvollziehbar. Aus seinem Gutachten ergibt sich auch, dass der Kläger seinen bisherigen Lebensstil - er betrieb als Hobby Kampfsport - komplett geändert hat und heute nicht einmal mehr Rad fahren kann. Ferner ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Beschwerden schon mehrmals Klinikaufenthalte erforderlich waren. Zudem wurde im Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Q. ua ausgeführt, dass durch die intensiv durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen zwar eine leichte Besserung der körperlichen Defizite gelungen sei. Aufgrund der herabgesetzten körperlichen Belastbarkeit sei eine Tätigkeit als Schweißer jedoch ungeeignet. Der Kläger könne allenfalls noch leichte körperliche Arbeiten mit regelmäßigen Arbeitszeiten vollschichtig durchführen. Mit dieser Formulierung ("allenfalls") wird ebenfalls ein erheblich eingeschränktes Leistungsvermögen beim Kläger bestätigt.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Eintritt des Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung spätestens zum Zeitpunkt der Antragstellung am 23.06.2003 nachgewiesen ist. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers bereits zu einem früheren Zeitpunkt erheblich gemindert war, dies lässt sich aber nicht mehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Der Senat sieht den Rentenantrag des Klägers als maßgeblichen Zeitpunkt an, weil der Kläger damit zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich selbst (spätestens) ab diesem Zeitpunkt nicht mehr für erwerbsfähig hält. Außerdem ist der Kläger seit dem 16.06.2003 (wieder) arbeitsunfähig erkrankt und konnte trotz erfolgter Wiedereingliederungsversuche nicht mehr in den Arbeitsprozess integriert werden. Die Rente ist daher gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI von dem Kalendermonat an zu leisten, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, also ab 01.07.2003. Für die Zeit vor der Antragstellung lässt sich eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit nicht (mehr) feststellen. Diese Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Klägers.

Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden zwar nach § 102 Abs. 2 S. 1 SGB VI grundsätzlich nur auf Zeit geleistet. Dies gilt aber nach § 102 Abs. 2 S. 4 SGB VI nicht, wenn es sich um eine Rente handelt, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht und zudem unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Anspruch des Klägers auf eine Erwerbsminderungsrente besteht unabhängig von der Arbeitsmarktlage; er beruht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Klägers, der diesem nur Tätigkeiten von weniger als 3 Stunden am Tag erlaubt. Der Senat ist außerdem davon überzeugt, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Dies folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K., der ausführt, dass eine so nachhaltige Besserung, dass die Leistungseinschränkungen voraussichtlich ganz oder teilweise wegfallen werden, nicht zu erwarten sei. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an, weil er die hierfür vom Sachverständigen gegebene Begründung für schlüssig und überzeugend hält. So hat Dr. K. einerseits darauf hingewiesen, dass die Erkrankung schon seit Jahren besteht und andererseits darauf abgestellt, dass der typische Verlauf einer Multiplen Sklerose durch immer wieder neu auftretende Entzündungsherde gekennzeichnet ist. Eine von ihm als theoretisch möglich bezeichnete spontane Rückbildung genügt für die Annahme einer Besserungswahrscheinlichkeit nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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