L 5 KR 4376/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 4014/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4376/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme von Behandlungskosten.

Die 1987 geborene Klägerin begab sich am 24. März 2005 in Behandlung zu Dr. W. in M., der eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nur für die große Psychotherapie, Umweltmedizin, Naturheilverfahren und Psychoanalyse besitzt. Dr. W. diagnostizierte bei der Klägerin ein Fibromyalgiesyndrom und empfahl ihr ein multimodales Schmerztherapieprogramm in seiner Praxis.

Mit Schreiben vom 28. März 2005 beantragte die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die ambulanten, in der Praxis von Dr. W. durchzuführenden Maßnahmen. Zusätzlich bat sie um Mitteilung, ob auch für eine Unterkunft in M. für die Zeit der Behandlung eine Beteiligung durch die Beklagte erfolge. Mit Telefax vom 19. April 2005 legte die Klägerin noch eine "Terminvereinbarung" vor, wonach die Therapie am 12. April 2005 aufgenommen worden sei und bis zum 27. Mai 2005 andauern sollte. Auf telefonische Nachfrage der Beklagten teilte die Praxis Dr. W. mit, dass bestimmte Leistungen bei der Klägerin über die Krankenversichertenkarte abgerechnet würden (ärztliche Beratung, körperliche Untersuchung und Blutabnahmen). Bei allen anderen Leistungen handele es sich laut der Praxis um IGeL-Leistungen (individuelle Gesundheitsleistungen), die von der Praxis privat in Rechnung gestellt würden (Bl. 33 VA).

Mit Bescheid vom 12. Mai 2005 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Behandlungen, die von Dr. W. privat in Rechnung gestellt würden, keine Kostenübernahme möglich sei (Bl. 35 VA). In der Folge legte die Klägerin der Beklagten ergänzend eine Rechnung, ausgestellt von T. W., Vermietung, M. für die Nutzung eines Appartements in der Zeit vom 17. Mai 2005 bis 27. Mai 2005 über einen Betrag in Höhe von 650 EUR vor (Bl. 38 VA). Mit weiterem Bescheid vom 29. Juni 2005 (der sich nicht in der Akte befindet) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die eingereichten Rechnungen bezüglich der Behandlung durch Dr. W. kein Zuschuss gezahlt werden könne.

Hiergegen erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, Widerspruch und machte unter Vorlage eines Behandlungs- und Befundberichts von Dr. W. geltend, die Behandlung bei Dr. W. sei dringend notwendig gewesen. Andere ambulante Maßnahmen hätten keinen Erfolg gehabt. Eine beantragte stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei abgelehnt worden. Dr. W. sei im Bereich der Behandlung und Therapie von Fibromyalgie eine Kapazität, er werde von Ärzten und zum Beispiel der Deutschen Rheumaliga empfohlen. Sie hätten sich auch in den letzten Jahren immer wieder von Fachärzten anhören müssen, dass es Fibromyalgie nur bei älteren Frauen zwischen 30 und 50 Jahren gebe. Durch die Therapie bei Dr. W. habe die Klägerin einen großen Erfolg erreicht, es gehe ihr viel besser.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie führte zur Begründung aus, bei der beantragten Leistung (Behandlungskonzept des Dr. W.) handele es sich um eine unkonventionelle Methode, für die der Bundesausschuss noch keine Empfehlung ausgesprochen habe. Kosten dafür dürften daher grundsätzlich nicht übernommen werden. Ausgeschlossen sei damit auch die Kostenerstattung der von Dr. W. veranlassten Laboruntersuchungen sowie die Erstattung der Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Fahrtkosten.

Dagegen hat die Klägerin am 6. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat der Klägerbevollmächtigte geltend gemacht, es sei nicht maßgeblich, ob die Behandlungsmethode von Dr. W. in die BUB-Richtlinie (Anm. des Senats: seit 1. April 2006 "Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung") aufgenommen sei oder nicht. Aufgrund der hier unstreitig vorliegenden juvenilen Fibromyalgie der Klägerin sei vielmehr darauf abzustellen, ob die angewandte Behandlung von Dr. W. in der medizinischen Praxis anerkannt sei und sich durchgesetzt habe. Um eine solche Methode handele es sich bei der angewandten Ganzkörper-Kältetherapie mit Infrarot- und Heißluftbehandlung sowie den Begleitmaßnahmen.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat nochmals darauf verwiesen, dass bislang eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht abgegeben wurde.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Juli 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Erstattung der durch die Behandlung von Dr. W. entstandenen Kosten gegenüber der Beklagten nicht besteht. Alleinige mögliche Anspruchsgrundlage sei § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Danach seien, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei. Eine Erstattungspflicht scheitere hier schon daran, dass die Klägerin keinen Sachleistungsanspruch auf die von Dr. W. durchgeführte Behandlung habe. Die von Dr. W. durchgeführte Behandlung gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies werde auch von Dr. W. selbst so gesehen, der eine teilweise Kassenzulassung habe und Leistungen, soweit sie Kassenleistungen seien, auch direkt mit der gesetzlichen Krankenversicherung abrechne. Die übrigen Leistungen seien auch nach dem eigenen Bekunden von Dr. W. so genannte "IGEL-Leistungen". Bei der von Dr. W. durchgeführten Therapie handele es sich vielmehr um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Auch ergebe sich aus den in der Verwaltungsakte enthaltenen Artikel von Dr. W. (PiD 1-2500), dass es sich hier um ein von Dr. W. selbst entwickeltes Verfahren handele, das in einer dreimonatigen Therapiephase durchgeführt werde. Die Behandlung von Dr. W. könne daher nur als noch in einer Testphase befindliche Behandlungsmethode eingestuft werden. Als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode könnte die Therapie nur zur Anwendung kommen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen über die Anerkennung abgegeben habe (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Eine solche Empfehlung liege unstreitig nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BVR 347/98) ergebe sich vorliegend nichts anderes. Denn Voraussetzung für die Übernahme von Kosten auch außerhalb einer entsprechenden Anerkennung sei u. a., dass es sich um eine lebensbedrohliche oder sogar regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung handele. Bei der Fibromyalgie handele es sich jedoch nicht um eine lebensbedrohliche oder sogar regelmäßig tödliche Erkrankung. Darüber hinaus ergebe sich aus der Anlage zur Begründung des Widerspruchs durch die Eltern der Klägerin (Bl. 45/48 VA), dass schulmedizinische Behandlungsmethoden durchaus vorliegen würden und Versuche der Behandlung auch bereits in der Vergangenheit stattgefunden hätten. So sei etwa der "Dokumentation D. Fibromyalgie" zu entnehmen, dass bereits bei einer Untersuchung am 22. November 2001 in der Universitäts-Kinderklinik W. ein Fibromyalgiesyndrom festgestellt worden sei. In der Folge hätten zwei stationäre Behandlungen in der Kinderrheumaklinik G. P. stattgefunden, die allerdings beide von der Klägerin vorzeitig beendet worden seien. Für das SG sei daher nicht ersichtlich, dass eine Behandlung der Klägerin im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung nicht möglich gewesen wäre. Schließlich fehle es vorliegend auch an der notwendigen Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenentstehung. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setze der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V voraus, dass der Versicherte durch die Ablehnung der Krankenkasse veranlasst werde, sich die Behandlung auf eigene Kosten zu beschaffen (siehe etwa Urteil vom 19. Juni 2006 in SozR 3-2500 § 28 Nr. 6 m.w.N.). Der Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme datiere vom 28. März 2005. Die Behandlung bei Dr. W. sei jedoch am 24. März 2005 begonnen und am 12. April 2005 - noch vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten - fortgesetzt worden.

Die Klägerin hat gegen den ihrem Bevollmächtigten am 31. Juli 2006 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid am 28. August 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, entgegen der Auffassung des SG ergebe sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 keinesfalls, dass diese Entscheidung nur für solche lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen gelte. Vielmehr führe das Bundesverfassungsgericht aus, dass es einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip bedürfe, wenn dem (Pflicht-) Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere eine lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten würden. Das Bundesverfassungsgericht mache hiermit deutlich, dass diese Grundsätze eben nicht nur bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, sondern bei der Behandlung einer Krankheit allgemein gelten würden. Bei der Abwägung über die Kostenübernahme mögen durchaus die Art und Schwere der Erkrankung eine Rolle spielen. Bei der hier bei der Klägerin vorliegenden juvenilen Fibromyalgiesyndrom handele es sich allerdings nicht um eine "Allerweltskrankheit". Es liege vielmehr eine Krankheit mit erheblichen Schmerzen und Beeiträchtigungen und Nachteilen vor. Mehrere von der Klägerin durchgeführte "konventionelle" Behandlungen seien fehlgeschlagen und hätten keine Besserung gebracht. Bei der multimodalen Schmerztherapie von Dr. W. handele es sich um eine in der medizinischen Praxis anerkannte und durchgesetzte Behandlung. Im Übrigen habe die eigentliche Behandlung (Ganzköper-Kältetherapie) erst am 12. Mai 2005 (mit Hinweis auf die Rechnung PVS/Südwest GmbH vom 21. Juni 2005) und damit dem Tag der bereits vorher bekannten ablehnenden Entscheidung der Beklagten begonnen. Die Mutter der damals noch nicht volljährigen Klägerin sei am 11. Mai 2005 über die Ablehnung informiert worden, wie sich dies aus der Verwaltungsakte der Beklagten (Bl. 35 VA) ergebe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juli 2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 12. Mai 2005 und 29. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die durch die Behandlung von Dr. W. in der Zeit vom 22. März 2005 bis 19. Juli 2005 entstandenen Kosten einschließlich der Fahrtkosten sowie der Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500 EUR ist überschritten. Im Streit steht die Übernahme von Kosten in Höhe von zumindest 1.986,13 EUR.

II.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme dieser Kosten durch die Beklagte nicht besteht.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte Erstattung der ihr entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der Behandlung bei Dr. W. ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Diese Regelung bestimmt:

Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Die Klägerin hatte, seinerzeit vertreten durch ihre Eltern, mit Schreiben vom 28. März 2005 die Übernahme der Kosten der Behandlung bei Dr. W. beantragt. Die Beklagte hat diese mit Bescheiden vom 12. Mai 2005 und 29. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2005 abgelehnt. Eine Erstattungspflicht kommt danach nur in Betracht, wenn die Beklagte hier zu Unrecht die Übernahme der Kosten für diese Behandlung abgelehnt hat. Wie bereits vom SG jedoch zutreffend ausgeführt, hat die Klägerin keinen Sachleistungsanspruch auf die von Dr. W. durchgeführte Behandlung. Bei den hier streitigen Leistungen handelt es sich um so genannte "IGeL-Leistungen", die gerade nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören. Es handelt sich auch bei der von Dr. W. durchgeführten Therapie um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Wie dem Artikel von Dr. W. in der Verwaltunsakte selbst zu entnehmen ist, handelt es sich hier um eine von ihm entwickelte Behandlung, die in einer dreimonatigen Therapiephase durchgeführt wird. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzen der neuen Methode sowie deren medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung, 2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderung sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern und 3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Eine solche Empfehlung liegt hier in der zwischenzeitlichen Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (Method-RL) Anl. I (Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) jedoch (nach wie vor) nicht vor.

Zutreffend hat das SG im Weiteren auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - in SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) einen Anspruch verneint. Nach dieser Entscheidung ist es mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, den Einzelnen unter bestimmten Voraussetzungen einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine Beiträge die notwendige Krankenbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Wie bereits vom SG ausgeführt, handelt es sich aber bei der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung einer Fibromyalgie nicht um eine lebensbedrohliche oder sogar regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Das SG hat in dem Zusammenhang auch im Übrigen schon zutreffend darauf verwiesen, dass ausweislich der von den Eltern der Klägerin vorgelegten "Dokumentation D. Fibromyalgie" zu entnehmen ist, dass hier auch schulmedizinische Behandlungsmethoden vorliegen und auch entsprechende Behandlungsversuche stattgefunden haben. So wurde etwa bereits bei einer Untersuchung am 22. November 2001 in der Universitätskinderklinik W. ein Fibromyalgiesyndrom festgestellt und in der Folge fanden zwei stationäre Behandlungen in der Kinderrheumaklinik G. P. statt (2002 bzw. 2004), die allerdings beide von der Klägerin vorzeitig beendet wurden.

Soweit der Klägerbevollmächtigte geltend macht, das Bundesverfassungsgericht habe keineswegs diese Ausnahme auf lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche verlaufende Erkrankungen beschränkt haben wollen, sondern vielmehr generell die Auffassung vertreten, dass diese Grundsätze nicht nur bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gelten würden, sondern bei der Behandlung einer Krankheit allgemein, kann der Senat dem so nicht folgen. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss zum einen im Ergebnis sehr wohl das hier bestehende System in der gesetzlichen Krankenversicherung, wonach eine Behandlung zu Lasten der Krankenkasse grundsätzlich nur dann durchzuführen ist, wenn diese Behandlungsmethode zuvor vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt worden ist, nicht in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar unter anderem in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 zunächst darauf hingewiesen, dass es einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip bedürfe, wenn dem Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmung oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten würden (aaO Rdnr. 22). Es hat aber in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 in SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 Rdnrn. 26-29) ausdrücklich festgestellt, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist,

• dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versichertenleistungen (nur) nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) und nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt,

• dass die gesetzlichen Krankenkassen nicht von Verfassungswegen gehalten sind, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (aaO Rdnr. 27 mit Hinweis auch auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. März 1997, NJW 1997, 3085) und

• dass es dem Gesetzgeber nicht von Verfassungswegen verwehrt ist, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der Krankenkassen auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen (a. a. O. Rdnr. 28).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 zwar offen gelassen, ob das nach § 135 SGB V vorgesehene Verfahren der Entscheidung durch den Bundesausschuss verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, ob vor allem der Bundesausschuss über eine hinreichende demokratische Legitimation verfügt und welche Rechtsqualität seinen Richtlinien zukommt (a. a. O. Rdnr. 29). Der Erste Senat des BSG zieht jedoch in seinem Urteil vom 7. November 2006 (B 1 KR 24/06 R) in Übereinstimmung mit dem 6. Senat des BSG (Urt. vom einen 31. Mai 2006 - B 6 KA 13/05 R - Therapiehinweise) die hinreichende demokratische Legitimation des Bundesausschusses zum Erlass derartiger Richtlinien nicht grundsätzlich in Zweifel.

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 ( 1 BvR 347/98, BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 5) zu einer ärztlichen Behandlungsmethode konkret aber entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art 2 Abs 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Das BVerfG beanstandet insoweit eine verfassungswidrige Auslegung im Grundsatz verfassungsgemäßer Vorschriften des SGB V durch das BSG. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode sei im Rahmen der GKV ausgeschlossen, weil der zuständige Bundesausschuss diese noch nicht anerkannt oder sie sich zumindest in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion noch nicht durchgesetzt hat, verstößt nach dieser Rechtsprechung des BVerfG gegen das GG, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: • Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. • Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. • Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ( BVerfG, SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 ).

Das BVerfG hat damit letztlich aber wie den hier dargestellten Kriterien zu entnehmen ist - entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten - letztlich die "Ausnahme" auf lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen beschränkt.

Auch unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG (siehe etwa Urt. vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - und vom 26. September 2006 - B 1 KR 1/06 R -) sind daher hier die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten der durch Dr. W. erfolgten Behandlung der Klägerin zu Lasten der Krankenkasse nicht gegeben, weil es bereits an der ersten Voraussetzung, nämlich einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung fehlt.

Im Übrigen bestehen aber auch für den Senat erhebliche Zweifel an der notwendigen Kausalität zwischen der Leistungsablehnung und der Kostenentstehung. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V voraus, dass der Versicherte durch die Ablehnung der Krankenkasse veranlasst wird, sich die Behandlung auf eigene Kosten zu beschaffen (siehe etwa Urteil vom 19. Juni 2006 SozR 3-2500 § 28 Nr. 6 m.w.N.). Die Behandlung bei Dr. W. wurde am 24. März 2005 begonnen, wie etwa der Rechnung vom 14. April 2005 zu entnehmen ist. Danach wurde dort u. a. ein psychofunktionelles Beschwerdeprofil erhoben u. a. ebenso ein EKG mit Ergometrie sowie bereits ein Ernährungsplan/eine Verhaltensempfehlung erstellt. Der am 12. Mai 2005 begonnene Behandlungsabschnitt entsprechend der Behandlungsmethode von Dr. W. begann am Tag der ablehnenden Entscheidung bzw. ein Tag nachdem die Ablehnung der Mutter der Klägerin telefonisch mitgeteilt worden ist. Diese unmittelbare zeitliche Nähe des Beginns dieses Behandlungsblockes nach der telefonischen Ablehnung weckt jedenfalls erhebliche Zweifel daran, ob die Klägerin sich erst nach der Ablehnung veranlasst gesehen hat, nunmehr auf eigene Kosten diese Behandlung fortzuführen. Denn es kann aller Erfahrung nach davon ausgegangen werden, dass der sich über einen Zeitraum von 15 Tagen (12. Mai bis 27. Mai 2005) mit praktisch täglichen Behandlungsterminen in der Praxis des Dr. W. erstreckende Behandlungsblock nicht kurzfristig von einem Tag auf den anderen vereinbart werden kann. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass schon vor Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung der Beklagten sich die Klägerin endgültig für die Durchführung dieser Behandlungsmethode - und zwar unabhängig von der Frage der Übernahme der Kosten durch die Beklagte - entschieden hatte. Damit fehlt es dann aber auch an der Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und der auf eigene Kosten veranlassten Behandlung durch die Klägerin.

Aus diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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