L 10 B 1402/07 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 316/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 1402/07 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Kläger wird ihnen unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Juni 2007 für das Verfahren S 23 AS 316/07 vor dem Sozialgericht Cottbus Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin T E gewährt. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Cottbus (S 23 AS 316/07) ist streitig, ob den Klägern für die Zeit vom 02. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als bislang bewilligt zustehen. Die Kläger machen geltend, die Beklagte habe zu Unrecht den der Klägerin zu 2. nach § 421 l Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gewährten Existenzgründungszuschuss (EGZ) von 360,- EUR bis September 2005 und von 240,- EUR für die Zeit danach als Einkommen angerechnet (was allerdings für die Monate Oktober und November 2005 ins Leere geht, da die die Beklagte bei der im Verfahren S 23 AS 316/07 angefochtenen Leistungsbewilligung für diese keinen EGZ berücksichtigt hatte, weswegen sie später mit einem gesondert angefochtenen Bescheid die Bewilligung für beide Monate teilweise aufhob und Erstattung von insgesamt 480,- EUR verlangte). Das SG Cottbus hat mit Beschluss vom 18. Juni 2007 die Gewährung von Prozesskosten¬hilfe (PKH) mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt.

Die Beschwerde der Kläger ist zulässig und begründet.

Nach § 114 ZPO ist einem Beteiligten, der - wie die Kläger - nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf seinen Antrag PKH zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechts¬verfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Mit dieser Bestimmung wird der Gesetzgeber seiner Verpflichtung gerecht, die aus Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) grundrechtlich gesicherte Rechtsschutzgleichheit zu gewährleisten, die beinhaltet, den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise zu eröffnen, insbesondere dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen (BVerfGE 81, 347 f). Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn § 114 ZPO von den Fachgerichten in einer Weise ausgelegt und angewandt wird, die Restriktionen vermeidet, die in Ansehung der dargestellten Zielvorstellung ver¬fassungs¬rechtlich unzulässig sind. Dazu gehört es, die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht zu überspannen, insbesondere die Prüfung schwieriger Sach- und Rechtsfragen nicht in das PKH-Verfahren vorzuverlagern, und bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 Abs. 2 ZPO) Un¬gleichheiten entgegenzuwirken, deren Ausmaß nach den Fähigkeiten der Beteiligten und dem Streit¬stoff variieren können (vgl BVerfG, 1. Senat, 3. Kammer, Beschluss vom 30. August 2006 – 1 BvR 955/06, BVerfG, 1. Senat, 1. Kammer, Beschluss vom 18. Dezember 2001 - 1 BvR 391/01).

Nach diesen Maßstäben hat die Klage hinreichende Erfolgsaussicht und ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich. Denn die Frage, ob der EGZ nach § 11 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen ist - hier mit der Folge entsprechend geringerer Leistungsansprüche sämtlicher Kläger, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden -, ist in der Rechtsprechung umstritten. Der hier erkennende Senat bejaht die Anrechenbarkeit (Beschlüsse vom 06. Dezember 2005 – L 10 AS 1144/05 AS ER – veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de und 21. März 2007 – L 10 B 255/07 AS ER), überwiegend haben die Landessozialgerichte hingegen bislang die gegenteilige Auffassung vertreten (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. Mai 2007 – L 7 AS 218/06, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. April 2006 – L 8 AS 29/06, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. September 2006 – L 20 B 178/06 AS ER, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2006 – L 8 AS 2198/06 ER-B, Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 24. Juli 2006 – L 3 B 151/06 AS-ER 2198/06 ER-B). Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt zu dieser Frage noch nicht vor, beim Bundessozialgericht (BSG) sind zu ihr zwei Verfahren anhängig (B 14/7b AS 16/06 R und B 14 AS 21/07 R). Danach ist die Rechtslage offen, ein Erfolg der Kläger im Klageverfahren jedenfalls nicht fern liegend.

Einer Würdigung der Sach- und Rechtslage für die Monate Oktober und November 2005 bedarf es für die Belange des PKH-Verfahrens nicht, da für die Bewilligung und die Beiordnung die Erfolgsaussicht bezüglich eines Teilzeitraums ausreicht (vgl. zur evtl. (Nicht-)Einbeziehung des (Teil-)Aufhebungs- und Erstattungsbescheides in dieses Verfahren BSG, Beschluss vom 18. August 1999 – B 4 RA 25/99 BSozR 3-1500 § 96 Nr. 9).

Wie die Sache kostenmäßig zu behandeln ist, wenn – was angezeigt erscheint - das SG Cottbus das Verfahren S 23 AS 316/07 mit dem Verfahren S 23 AS 317/07 verbindet, in dem es unter derselben rechtlichen Fragestellung um den Folgezeitraum Juli bis September 2006 geht und für das den Klägern ebenfalls PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin E bewilligt worden ist (Beschluss des 5. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 04. Oktober 2007 – L 5 B 1401/07 AS PKH), muss hier nicht entschieden werden.

Im PKH-Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO Kosten nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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