Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 13620/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Ast. für die Ferienzeit vom 11.7. bis zum 27.7. und vom 20.8. bis 24.8.2007 kalendertäglich 7 EUR Sozialgeld zu zahlen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Der Vater und Vertreter des Antragstellers (Ast.) ist rechtskräftig geschieden. Das aus der Ehe hervorgegangene Kind, der 1996 geb. Ast., lebt überwiegend bei der Mutter, die auch das Kindergeld bezieht und nach einer Auskunft des geschiedenen Ehemanns aus einer Erwerbstätigkeit ca. 1500 EUR netto verdient.
Eine ausdrückliche umgangsrechtliche Regelung besteht nicht. Der Ast. hält sich nach jeweiliger einvernehmlicher Absprache der Eltern beim Vater auf, der laufend Alg II bezieht.
Aus Anlass eines bevorstehenden Ferienaufenthalts des Ast. bei seinem Vater in der Zeit vom 11.7. bis zum 27.7. und voraussichtlich 20.8. bis 24.8.2007 macht der Ast. mit Eilantrag vom 21.6.2007 die einstweilige Gewährung der anteiligen Regelleistung unter Berufung auf Rechtsprechung des BSG geltend. Mit dem Alg II des Vaters könne er seinen eigenen Bedarf während der Ferienzeit nicht sichern.
Auf Anfrage des Gerichts hat der Kindesvater erklärt, dass es keine verbindliche finanzielle Absprache zu den Kosten des Umgangsrechts gebe; in der Vergangenheit sei er für die Kosten aufgekommen. Weder er noch der Ast. könnten eine finanzielle Beteiligung der Mutter erzwingen.
Der Antragsgegner (Ag.) hält dem Antrag entgegen, dass der Ast. seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter habe und es daher nicht zu einer Bedarfsgemeinschaft (BG) mit dem Vater kommen könne. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Ast. bzw. dessen Mutter für die Kosten des Umgangs aufkommen könnten, da sie keine SGB II-Leistungen beziehen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet. Angesichts der kurz bevorstehenden Ferienzeit kann nur im Rahmen der vom BVerfG in SGB II-Eilverfahren geforderten Folgenabwägung (Beschluss vom 12.5.2005 – 1 BvR 569/05) über den geltend gemachten Anspruch entschieden werden.
Die Folgenabwägung fällt angesichts der besonderen und verfassungsrechtlich (Art. 6 GG) geschützten Bedeutung des Umgangsrechts für die personale Bindung zwischen Elternteil und Kind sowie der persönlichen Entwicklung des Kindes zugunsten des Ast. aus. Denn nach Rechtsprechung des BSG, der das erkennende Gericht folgt (Urteil vom 7.11.2006 – B 7b As 14/06 R), entsteht für die Dauer des Ferienaufenthalts eine BG zwischen dem hilfebedürftigen Elternteil und dem umgangsberechtigten und –verpflichteten Kind (§ 1684 BGB).
Ob und in welchem Umfang nach dieser Rechtsprechung ein Sozialgeldanspruch des Ast. besteht, ist nach Maßgabe eines angemessenen Ausgleichs zwischen den berechtigten Interessen des Ast. und seines Vaters an der Ermöglichung des Umgangsrechts auf der einen, sowie des Ag., der öffentliche Mittel zur Verwirklichung des Umgangsrechts einsetzt, auf der anderen Seite, zu entscheiden. Die sozialrechtliche Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für den Umgang mit den Kindern findet ihre Grenze darin, dass es nicht zu einer unbe-schränkten "Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten" kommen kann (BSG, Urteil vom 7.11.2006, B 7 b AS 14/06 R). Insofern muss auch die finanzielle Situation der Kindesmutter mit berücksichtigt werden (vgl. LSG NRW vom 10.5.2007 – L 20 B 24/07 SO ER).
So wie die Sachlage vom Vater des Ast. glaubhaft geschildert wird, ist die Mutter des Ast. nicht bereit, trotz ausgefallenen Anspruchs auf Kindesunterhalt angesichts ihres geringen Einkommens auch noch für die Kosten der Ferien aufzukommen. Die von der Zivilrecht-sprechung angebotene Ausgleichslösung über eine Erhöhung des Selbstbehalts des Unterhalts-verpflichteten (vgl. BGH vom 23.2.2005 – XII ZR 56/02) greift hier nicht.
Das Kindergeld dient angesichts des ausgefallenen Unterhalts voll der Bestreitung des Betreuungsunterhalts der Mutter.
Ob die Mutter bei dem angegebenen Nettoeinkommen von ca. 1500 EUR rechtlich verpflichtet werden kann, mit zur Ermöglichung des Umgangs beizutragen, muss im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Eine Verpflichtung zur Beteiligung mit einem verbleibenden Einkommen (nach Abzug der Mietkosten) von weniger als dem doppelten Regelsatz (692 EUR seit 1.7.1007) dürfte nicht bestehen (vgl. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 11.12.2006 – 16 WF 271/06).
Jedenfalls kann weder der Ast. noch sein Vater vor der Inanspruchnahme staatlicher Hilfe auf eine unsichere zivilrechtlichen Klage verwiesen werden.
Ob die Kindesmutter im Rahmen einer Fortwirkung familienhafter Beziehungen (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 29) bereit wäre, mit zu den Kosten des Ferienaufenthalts beizutragen, muss ebenfalls im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Die Höhe des zuerkannten Anspruchs orientiert sich am kalendertäglichen Regelsatz von gerundet 7 EUR (= 208 EUR: 30). Gründe für eine Herausrechnung einzelner Bedarfspositionen sieht das Gericht angesichts der Pauschalierung der Regelsätze nicht.
Eine Anrechnung des Kindergeldes kann nicht erfolgen, da das Kindergeld nicht der Ferien-BG zur Verfügung steht. Der Ast. kann es nicht von seiner Mutter herausverlangen. Auch sein Vater ist mangels einer Rechtsgrundlage dazu nicht imstande.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Gericht sieht sich im Hinblick auf Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg zur Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass der Ast. einen Zwangsgeldantrag nach § 201 SGG beim Sozialgericht stellen muss, sollte der Beschluss nicht unverzüglich umgesetzt werden. Bei Nichtzahlung ist der Zwangsgeldantrag spätestens binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses beim Sozialgericht Berlin, Invalidenstraße 52, 10557 Berlin, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berlin einzulegen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Der Vater und Vertreter des Antragstellers (Ast.) ist rechtskräftig geschieden. Das aus der Ehe hervorgegangene Kind, der 1996 geb. Ast., lebt überwiegend bei der Mutter, die auch das Kindergeld bezieht und nach einer Auskunft des geschiedenen Ehemanns aus einer Erwerbstätigkeit ca. 1500 EUR netto verdient.
Eine ausdrückliche umgangsrechtliche Regelung besteht nicht. Der Ast. hält sich nach jeweiliger einvernehmlicher Absprache der Eltern beim Vater auf, der laufend Alg II bezieht.
Aus Anlass eines bevorstehenden Ferienaufenthalts des Ast. bei seinem Vater in der Zeit vom 11.7. bis zum 27.7. und voraussichtlich 20.8. bis 24.8.2007 macht der Ast. mit Eilantrag vom 21.6.2007 die einstweilige Gewährung der anteiligen Regelleistung unter Berufung auf Rechtsprechung des BSG geltend. Mit dem Alg II des Vaters könne er seinen eigenen Bedarf während der Ferienzeit nicht sichern.
Auf Anfrage des Gerichts hat der Kindesvater erklärt, dass es keine verbindliche finanzielle Absprache zu den Kosten des Umgangsrechts gebe; in der Vergangenheit sei er für die Kosten aufgekommen. Weder er noch der Ast. könnten eine finanzielle Beteiligung der Mutter erzwingen.
Der Antragsgegner (Ag.) hält dem Antrag entgegen, dass der Ast. seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter habe und es daher nicht zu einer Bedarfsgemeinschaft (BG) mit dem Vater kommen könne. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Ast. bzw. dessen Mutter für die Kosten des Umgangs aufkommen könnten, da sie keine SGB II-Leistungen beziehen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet. Angesichts der kurz bevorstehenden Ferienzeit kann nur im Rahmen der vom BVerfG in SGB II-Eilverfahren geforderten Folgenabwägung (Beschluss vom 12.5.2005 – 1 BvR 569/05) über den geltend gemachten Anspruch entschieden werden.
Die Folgenabwägung fällt angesichts der besonderen und verfassungsrechtlich (Art. 6 GG) geschützten Bedeutung des Umgangsrechts für die personale Bindung zwischen Elternteil und Kind sowie der persönlichen Entwicklung des Kindes zugunsten des Ast. aus. Denn nach Rechtsprechung des BSG, der das erkennende Gericht folgt (Urteil vom 7.11.2006 – B 7b As 14/06 R), entsteht für die Dauer des Ferienaufenthalts eine BG zwischen dem hilfebedürftigen Elternteil und dem umgangsberechtigten und –verpflichteten Kind (§ 1684 BGB).
Ob und in welchem Umfang nach dieser Rechtsprechung ein Sozialgeldanspruch des Ast. besteht, ist nach Maßgabe eines angemessenen Ausgleichs zwischen den berechtigten Interessen des Ast. und seines Vaters an der Ermöglichung des Umgangsrechts auf der einen, sowie des Ag., der öffentliche Mittel zur Verwirklichung des Umgangsrechts einsetzt, auf der anderen Seite, zu entscheiden. Die sozialrechtliche Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für den Umgang mit den Kindern findet ihre Grenze darin, dass es nicht zu einer unbe-schränkten "Sozialisierung von Scheidungsfolgekosten" kommen kann (BSG, Urteil vom 7.11.2006, B 7 b AS 14/06 R). Insofern muss auch die finanzielle Situation der Kindesmutter mit berücksichtigt werden (vgl. LSG NRW vom 10.5.2007 – L 20 B 24/07 SO ER).
So wie die Sachlage vom Vater des Ast. glaubhaft geschildert wird, ist die Mutter des Ast. nicht bereit, trotz ausgefallenen Anspruchs auf Kindesunterhalt angesichts ihres geringen Einkommens auch noch für die Kosten der Ferien aufzukommen. Die von der Zivilrecht-sprechung angebotene Ausgleichslösung über eine Erhöhung des Selbstbehalts des Unterhalts-verpflichteten (vgl. BGH vom 23.2.2005 – XII ZR 56/02) greift hier nicht.
Das Kindergeld dient angesichts des ausgefallenen Unterhalts voll der Bestreitung des Betreuungsunterhalts der Mutter.
Ob die Mutter bei dem angegebenen Nettoeinkommen von ca. 1500 EUR rechtlich verpflichtet werden kann, mit zur Ermöglichung des Umgangs beizutragen, muss im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Eine Verpflichtung zur Beteiligung mit einem verbleibenden Einkommen (nach Abzug der Mietkosten) von weniger als dem doppelten Regelsatz (692 EUR seit 1.7.1007) dürfte nicht bestehen (vgl. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 11.12.2006 – 16 WF 271/06).
Jedenfalls kann weder der Ast. noch sein Vater vor der Inanspruchnahme staatlicher Hilfe auf eine unsichere zivilrechtlichen Klage verwiesen werden.
Ob die Kindesmutter im Rahmen einer Fortwirkung familienhafter Beziehungen (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 29) bereit wäre, mit zu den Kosten des Ferienaufenthalts beizutragen, muss ebenfalls im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Die Höhe des zuerkannten Anspruchs orientiert sich am kalendertäglichen Regelsatz von gerundet 7 EUR (= 208 EUR: 30). Gründe für eine Herausrechnung einzelner Bedarfspositionen sieht das Gericht angesichts der Pauschalierung der Regelsätze nicht.
Eine Anrechnung des Kindergeldes kann nicht erfolgen, da das Kindergeld nicht der Ferien-BG zur Verfügung steht. Der Ast. kann es nicht von seiner Mutter herausverlangen. Auch sein Vater ist mangels einer Rechtsgrundlage dazu nicht imstande.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Gericht sieht sich im Hinblick auf Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg zur Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass der Ast. einen Zwangsgeldantrag nach § 201 SGG beim Sozialgericht stellen muss, sollte der Beschluss nicht unverzüglich umgesetzt werden. Bei Nichtzahlung ist der Zwangsgeldantrag spätestens binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses beim Sozialgericht Berlin, Invalidenstraße 52, 10557 Berlin, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berlin einzulegen.
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