S 11 R 105/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 105/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 273/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Klägerin ist am 00.00.1975 geboren. Sie absolvierte eine zwölfmonatige Ausbildung als Bekleidungsfertigerin von 1992 bis 1994 und schloss diese auch mit einer entsprechenden Prüfung ab. Die Klägerin war dann zunächst in diesem Beruf tätig und zuletzt von 2003 bis Februar 2006 als Reinigungskraft in der Gebäudereinigung versicherungspflichtig beschäftigt.

Unter dem 26.04.2005 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Rentenantrag. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung der Klägerin durch Frau S am 10.05.2005. Sie diagnostizierte bei der Klägerin ein Wirbelsäulenleiden bei bekanntem Morbus Scheuermann und kam in sozialmedizinischer Hinsicht zu dem Ergebnis, dass der Klägerin noch mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne häufiges Bücken sechs Stunden und mehr am Tag zumutbar seien. Mit Bescheid vom 08.06.2005 wies die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass eine Rente nicht gewährt werden könne, weil in den letzten fünf Jahren drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht vorhanden seien. Im maßgeblichen Zeitraum vom 26.04.2000 bis 25.04.2005 seien nur drei Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt. Im Übrigen bestehe auch weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung.

Dagegen erhob die Klägerin am 17.06.2005 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass sie mit den bei ihr vorliegenden Erkrankungen keine drei Stunden auch nur leichteste Tätigkeiten ausüben könne. Im Übrigen habe sie die sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, da sie 1997 und 1999 Kinder bekommen habe. Mit weiterem Bescheid vom 27.10.2005 lehnte die Beklagte erneut den Rentenantrag ab und führte nun zur Begründung aus, dass zwar die Anspruchsvoraussetzung - drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren - zum 25.04.2005 erfüllt sei. Jedoch sei zwar die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die Krankheit Wirbelsäulenleiden bei bekanntem Morbus Scheuermann beeinträchtigt. Die Klägerin könne jedoch nach den ärztlichen Feststellungen noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein, so dass mit diesem Leistungsvermögen weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Dagegen erhob die Klägerin unter dem 23.11.2005 Widerspruch und bezog sich unter anderem auf ein Attest ihres behandelnden Orthopäden C, wonach trotz medizinischer Behandlung insgesamt eine Zunahme der Beschwerden bei der Klägerin zu verzeichnen sei. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung der Klägerin am 16.01.2006 durch den Nervenarzt P- X. Dieser stellte bei der Klägerin einen Verdacht auf somatoforme Schmerzstörungen, einen Kopfschmerz vom Spannungstyp, Verdacht auf funktionelle Beschwerden des Gastrointestinaltraktes, einen Zustand nach operativer Behandlung eines Carpaltunnelsyndroms rechts sowie eine geplante Operation eines Carpaltunnelsyndroms links fest. Er kam in sozialmedizinischer Hinsicht zu dem Ergebnis, dass der Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr am Tag möglich seien. Dem Widerspruch der Klägerin gab die Beklagte nicht statt, sondern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2006 zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheides (Blatt 97 bis Blatt 100 der Verwaltungsakten) Bezug genommen.

Die Klägerin hat am 02.05.2006 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass sie aufgrund ihrer schweren Krankheiten nicht auch nur drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könnte. Ihre Erkrankungen verursachten unter anderem ein Taubheitsgefühl in beiden Händen, so dass sie mit ihren Händen überhaupt nicht arbeiten könne.

Die Klägerin beantragt daher,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2005 in Gestalt des Wi derspruchsbescheides vom 05.04.2006 zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 01.05.2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass bei der Klägerin noch ein sechs- und mehrstündiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere leidensangepasste Tätigkeiten bestehe. Eine Einschränkung der arbeitstäglichen Wegefähigkeit sei nicht festgestellt worden, so dass die Voraussetzungen weder für eine volle noch für eine teilweise Erwerbsminderung bei der Klägerin vorlägen.

Das Gericht hat zunächst zur Abklärung des Gesundheitszustandes der beruflichen Belastbarkeit der Klägerin Befundberichte des behandelnden Orthopäden C, des Neurologen L1, des Internisten W, des Chirurgen Q1, des Orthopäden L2 und des Neurochirurgen I, beigezogen. Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und zwar auf orthopädisch - rheumatologischen Gebiet von Q2. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 23.01.2007 die folgenden bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgeführt:

chronisches Wirbelsäulensyndrom,. Z. n. thorakalem Morbus Scheuermann, Carpaltunnelsyndrom beidseits, Z. n. Carpalbandspaltung rechts, asymptomatischer Fersensporn links, Senk-Spreizfuß.

In seiner Leistungsbeurteilung ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten könnte. Die Klägerin sollte nicht in Zwangshaltungen und nicht ständig sitzend arbeiten. Ferner sollte sie Akkordarbeiten und das Heben und Tragen von schweren Lasten vermeiden. Sofern die Klägerin diese Einschränkungen beachte, sei sie nicht gehindert, noch vollschichtig tätig zu sein. Auch sei sie noch in der Lage, eine Gehstrecke von 1000 Metern zu Fuß mehrfach am Tag zurückzulegen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 23.01.2007 (Blatt 76 bis Blatt 113 der Gerichtsakten), welches den Beteiligten vorab schriftlich mitgeteilt worden ist, Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten über die Klägerin verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2006 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2000 (Bundesgesetzblatt I, Seite 1827, mit Wirkung ab 01.01.2001). Denn die Klägerin ist noch nicht einmal teilweise erwerbsgemindert.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VI).

Zwar ist die Klägerin nicht mehr uneingeschränkt leistungsfähig. Denn die bei ihr bestehenden Regelwidrigkeiten wirken sich zusammenfassend dahingehend aus, dass ihr nur noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung zumutbar sind. Die Klägerin sollte dabei keine Arbeiten verrichten, die mit Zwangshaltungen, Akkordarbeiten oder ständig sitzenden Arbeiten oder mit dem Heben und Tragen von schweren Lasten verbunden sind. Sofern die Klägerin jedoch diese Einschränkungen beachtet, ist sie nicht gehindert, noch vollschichtig tätig zu sein. Auch ist sie noch in der Lage, Fußwegstrecken von bis zu viermal am Tag auch bis zu 1000 Metern zurückzulegen.

Mit diesen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen der Klägerin im Erwerbsleben folgt die Kammer den schlüssig und begründeten Ausführungen des Sachverständigen Q2. Der Sachverständige ist aufgrund eingehender Untersuchung und sorgfältiger Befunderhebung unter Berücksichtigung der übrigen im Untersuchungszeitpunkt vorliegenden medizinischen Unterlagen zu der von ihm vorgenommenen Beurteilung des Gesundheitszustandes und dessen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen der Klägerin im Erwerbsleben gelangt. Dass der Sachverständige Befunde unvollständig erhoben oder die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Erwerbsleben unzutreffend beurteilt hat, ist nicht erkennbar. Die Klägerin hat zwar gegen das Gutachten vorgebracht, dass sie mit ihren Behinderungen die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt habe. Der zusammenfassenden Beurteilung des Sachverständigen könne bei ihrem Krankheitsbild nicht zugestimmt werden. Ihre Krankheiten hätten sich kontinuierlich seit 2004 verschlimmert. Diese Einwände der Klägerin hat sie durch keinerlei medizinische Unterlagen begründet. Insoweit ist auch nicht erkennbar, inwieweit das Gutachten von Q2 nicht zutreffend sein sollte. Allgemeine Ausführungen, dass der Beurteilung des Sachverständigen nicht zugestimmt werden könne, können die Aussagen in dem Gutachten des Sachverständigen grundsätzlich nicht entkräften.

Mit diesem festgestellten Leistungsvermögen ist die Klägerin noch in der Lage, eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie kann daher von ihrem Leistungsvermögen ohne weiteres Arbeiten als Mitarbeiterin in der Poststelle größerer Betriebe oder Behörden ausüben. Auch ist sie als Bürohilfskraft oder Innendienstpförtnerin einsetzbar sowie als Montiererin oder Sortiererin von Kleinteilen. Diese Arbeiten sind leicht und berücksichtigen die ärztlicherseits genannten Einschränkungen bei der Klägerin.

In diesem Zusammenhang ist nicht zu prüfen, ob die Klägerin eine ihr zumutbare Tätigkeit finden oder vermittelt bekommen kann. Denn das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erlangen, obliegt grundsätzlich nicht der Rentenversicherung, sondern der Arbeitslosenversicherung. Anhaltspunkte für einen in den sogenannten Katalogfällen (Unüblichkeits- und Seltenheitsfälle) aufgeführten Ausnahmetatbestand liegen hier nicht vor.

Auch nach der Vorschrift des § 240 SGB VI hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Hiernach besteht Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für Versicherte, die

1.vor dem 02.01.1961 geboren sind und 2.berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI).

Die Klägerin hat nach dieser Vorschrift bereits deshalb keinen Anspruch, da sie am 00.00.1975 geboren ist, d. h. nicht vor dem 02.01.1961.

Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung kommt vorliegend erst recht nicht in Betracht, da der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung der weitergehende ist (§ 43 Abs. 2 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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