L 13 AS 4234/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 2388/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4234/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde der Antragsteller, der das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet.

Für den im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 22. Februar 2007 ist prozessuale Grundlage § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.

Prozessuale Grundlage des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verfolgten Anspruches ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Der Erlass einer hier nur in Betracht kommenden einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus (zum Folgenden vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2006 - L 13 AS 2759/06 ER-B m.w.N., abgedruckt in Juris). Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann bei Leistungen nach dem SGB II in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde. Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen, ist, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens. Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 1 BvR 569/05 - abgedruckt in Juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B - m.w.N. in Juris).

Die Voraussetzungen für den Erlass der von dem Antragsteller beantragten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Ausgehend von den obigen Grundsätzen erscheint die begehrte Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile zunächst nicht nötig, soweit der Antragsteller im Wege des am 27. April 2007 rechtshängig gewordenen Verfahrens des Eilrechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen vom 22. Februar bis 26. April 2006 begehrt. Der Antragsteller hat nicht das Vorliegen besonderer Umstände wie etwa den sofortigen Verlust der Unterkunft wegen aufgelaufener Mietschulden glaubhaft gemacht, die ausnahmsweise eine Befriedigung vergangenen Bedarfs im einstweiligen Rechtsschutzverfahren rechtfertigen könnten.

Für die Zeit ab 27. April 2007 fehlt es an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, insbesondere aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Fraglich ist hier, ob der Antragsteller seinen Lebensunterhalt aus vorhandenen Vermögen sichern kann und muss. Dies ist zur Überzeugung des Senats zu bejahen. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen grundsätzlich alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Auch die aufgrund von Versicherungsverträgen bestehenden und realisierbaren Ansprüche auf Auszahlung des vorhandenen Guthabens stellen Vermögen im Sinne dieser Vorschrift dar. Vom Vermögen ist gemäß Abs. 2 Nr. 1 dieser Vorschrift - wie vom Sozialgericht und vom Antragsgegner berücksichtigt - ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100 EUR bis zu einem Höchstbetrag von jeweils 9.750 EUR abzusetzen.

Damit steht nach dieser Vorschrift dem zu Beginn des maßgeblichen Bewilligungszeitraums 53-jährigen Antragsteller ein Freibetrag in Höhe von 7.950,- EUR zu. Darüber hinaus ist ein Freibetrag gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 EUR zu berücksichtigen, so dass vom Vermögen ein Betrag in Höhe von insgesamt 8.700,- EUR abzusetzen ist. Das Vermögen betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 13.054,23 EUR. Es setzt sich zusammen aus den Werten der Versicherungen in Höhe von 1.736,22 EUR (K. Lebens-Versicherung Nr., Stand: 30. April 2007), 2.292,30 EUR (B. B. Versicherungen, Stand 30. April 2007), 3.033,27 EUR (H.-M. LV Stand 1. Mai 2007) und 4.532,25 EUR (H.-M. LV,1 Stand 1. Juni 2007). Hinzukommen Wertpapiere im Wert von 1.460,19 EUR (M. H. S. oHG, Stand 31. Dezember 2006). Abzüglich des Freibetrags bleibt damit ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 4.354,23 EUR.

Das Vermögen aus Versicherungen und Wertpapieren stellt kein ausdrücklich als Altersvorsorge gefördertes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II (Altersvorsorge nach dem Riester-Modell) dar. Dies sind nur solche Versorgungsvereinbarungen, bei denen die Zweckbestimmung und die tatsächliche Verwendung für die Altersvorsorge unmittelbar oder für ein der Altersvorsorge dienendes Eigenheim bzw. Eigentumswohnung durch die Zertifizierung sichergestellt wird. Gesichert ist durch die Zertifizierung, dass das zu Beginn der späteren Auszahlungsphase eingezahlte Kapital zur Auszahlung der Altersversorgung in Form einer lebenslangen gleich bleibenden oder steigenden monatlichen Leibrente zur Verfügung steht. Diese Formen staatlich subventionierten Vermögensaufbaus sollen auch im Fall von Bedürftigkeit bei Arbeitslosigkeit nicht angetastet werden müssen und sollen bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht zu Lasten des Arbeitslosen berücksichtigt werden. Dies rechtfertigt die Privilegierung dieser Altersvorsorge, auch wenn die Verfügungsmöglichkeit hierüber nicht vollständig ausgeschlossen wird. Im Falle der (steuer)schädlichen Verwendung sind aber nicht nur die auf das ausgezahlte geförderte Altersvorsorgevermögen entfallenen Zulagen zurückzuzahlen (vgl. § 93 EStG); es entfällt auch die Privilegierung des angesparten Vermögens (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 7. November 2006 - L 13 AL 941/06 - in Juris).

Auch gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sind hier keine weiteren Freibeträge zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift sind geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 16.250 EUR nicht übersteigt, vom Vermögen abzusetzen. Die Versicherungen des Antragstellers sind jedoch keine Rentenversicherungen, für die Verwertungsausschluss vereinbart ist ...

Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten erlangt Bedeutung lediglich bei der Frage der Verwertbarkeit bzw. der Zumutbarkeit. Ein Ansatz von Verbindlichkeiten ist auf der Stufe der Feststellung der vorhandenen Vermögensgegenstände nur dann geboten, soweit die Verbindlichkeiten unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand lasten (vgl. BSGE 84, 48, 53 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 7). Solche Verbindlichkeiten sind weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der vom Antragsteller vorgetragenen Darlehensvereinbarung bestehen zudem Zweifel insoweit, als er diese im Januar 2007 mit seiner Mutter für die Folgemonate bis August 2007 getroffen haben will, obwohl ihm im Januar ein Betrag in Höhe von 5.702,42 EUR aus der K. Lebens-Versicherung Nr. zugeflossen sein dürfte. Er hat auch nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er diesen Ende Februar 2007 bereits verbraucht hatte. Zudem ergibt sich aus der Vereinbarung, dass jedenfalls vor August 2007 keine Fälligkeit der Rückzahlung bestand.

Der Antragsteller hat auch nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die Verwertung der Versicherungen offensichtlich unwirtschaftlich (§ 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II, zu diesem Tatbestandsmerkmal vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2007, - B 11b AS 37/06 R - in Juris) ist. Dies dürfte anhand der vorgelegten Unterlagen jedenfalls im Hinblick auf den Rückkauf der K. Lebens-Versicherung Nr. in Betracht kommen. Unabhängig davon, dass eine Beleihung weiterhin in Betracht kommen dürfte, bliebe es aber auch, wenn der Wert dieser Versicherung unberücksichtigt würde, bei einem anzurechnenden Vermögen in Höhe von 2.618,01 EUR. Auch eine besondere Härte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 a.a.O.) lässt sich nicht erkennen. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Antragsteller gestellten Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Denn zum einen ist es keine vom Gesetzgeber übersehene, ungewöhnliche Situation, dass neben dem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II auch ein Rentenverfahren betrieben wird und zum anderen ist auch nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass mit einem erfolgreichen Abschluss in absehbarer Zeit zu rechnen wäre.

Nachdem der Antragsteller die Versicherung bei der H.-M. am 1. August 2007 gekündigt, den Betrag in Höhe von 4.556,78 EUR am 21. August 2007 erhalten und geltend gemacht hat, den Betrag zur Schuldenbegleichung an seine Mutter überwiesen zu haben, erhält er auf der Grundlage des Bescheids vom 23. August 2007 seit dem 21. August 2007 Leistungen nach dem SGB II, so dass die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II hier offen bleiben kann. Ab diesem Zeitpunkt kann der Antrag schon deswegen keinen Erfolg haben, weil dem Antragsteller insofern das Rechtsschutzbedürfnis und ein Anordnungsgrund fehlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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