L 6 VG 6427/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 VG 1198/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 6427/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Zusammenhang mit dem Tod seiner am 1986 geborenen Tochter V. H. (V.H.), die im Dezember 2001 an einer Überdosis Drogen starb.

Der 1951 in Österreich geborene Kläger beantragte am 02.04.2002 beim damaligen Versorgungsamt Freiburg die Gewährung von Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem OEG, weil seine Tochter einem Verbrechen zum Opfer gefallen sei. Das Versorgungsamt zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Konstanz (Aktenzeichen 60 Js 4103/02) bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13.08.2002 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Tochter des Klägers sei nicht Opfer eines vorsätzlich rechtswidrigen tätlichen Angriffes geworden, denn ihr Tod infolge der Einnahme von Alkohol und Tabletten könne keiner Fremdperson zur Last gelegt werden.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er habe gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Konstanz Beschwerde eingelegt, worauf diese die Ermittlungen wieder aufgenommen habe. Seiner Auffassung nach habe der Beschaffer der Drogen, M. A. C. (M.C.), seine Tochter getötet. Er legte das Urteil des Amtsgerichts Singen vom 17.02.2004 vor. Durch dieses war der wegen fahrlässiger Tötung angeklagte M.C. wegen unerlaubter unmittelbarer Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden. Das Amtsgericht ging in seinem Urteil im Wesentlichen aufgrund eines Geständnisses des Angeklagten und Tagebuchaufzeichnungen der Verstorbenen von folgendem Tatbestand aus: V. H., die bei ihrer Mutter und deren Lebensgefährten wohnte, traf sich am Nachmittag des 19.12.2001 mit dem damals 22-jährigen M. C. Er löste in einer Apotheke Rezepte über 100 Tabletten Diazepam ein. Insgesamt 30 dieser Tabletten übergab er der 15-jährigen Tochter des Klägers, von denen zumindest vier zu deren Eigenkonsum und die anderen zur Weitergabe an einen Freund bestimmt waren. Die Tochter des Klägers hatte bereits früher Diazepam konsumiert. Sie hatte seit mindestens zwei Jahren Erfahrung im Umgang mit verschiedenen weichen Drogen, insbesondere konsumierte sie regelmäßig Haschisch. V. H. und M. C. rauchten zunächst einen Joint Haschisch, sodann nahm V. H. vier Tabletten Diazepam ein. Danach kauften beide alkoholische Getränke, die sie sodann in der Wohnung von M. C. konsumierten. V. H. trank ein Weizenbier-Cola-Mischgetränk und zwei Flaschen Bier. Infolge der Einnahme der berauschenden Mittel war sie in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Obwohl M. C. dies erkannte, verabreichte er ihr auf ihren eigenen Wunsch mindestens 300 Tropfen des Schmerzmittels Tramal. Den Abend verbrachten beide zusammen mit weiteren Bekannten. Gegen 22.00 Uhr war V. H. wieder zu Hause. Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen 07.00 und 17.00 Uhr des Folgetages starb sie in ihrem Zimmer infolge von Bewusstlosigkeit an Aspiration von Erbrochenem.

Dem Amtsgericht hatten Auskünfte der G. GmbH, der Herstellerin des Medikaments Tramal, vorgelegen. Diese hatte dem Kläger auf dessen Anfrage mit Schreiben vom 05.03.2002 mitgeteilt, dass Tramal auch bei deutlicher Überdosierung selten zu lebensbedrohlichen Vergiftungen führe. Es seien Fälle bekannt, bei welchen Einzeldosen bis zu 10 g Tramal ohne Schäden eingenommen worden seien. Der atemdepressive Effekt von Tramal sei nur gering ausgeprägt, so dass auch bei 15facher Überdosierung von Tramal keine klinisch relevante Atemdepression zu erwarten sei. Hierbei sei aber zu bedenken, dass sich zusätzlich genommene Stoffe wie Alkohol und Diazepam in ihrer Wirkung gegenseitig verstärkten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2005, zugegangen nach Angaben des Klägers am 19.04.2005, wies das Regierungspräsidium S., Landesversorgungsamt, den Widerspruch des Klägers zurück, weil der Tod von V. H. keiner Fremdperson zur Last gelegt werden könne.

Dagegen erhob der Kläger am 17.05.2005 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage. Er machte geltend, ihm stehe Hinterbliebenenversorgung in Höhe von monatlich 351 EUR, Ersatz der Bestattungskosten und Zinsen nach dem OEG zu. Das Amtsgericht Singen habe festgestellt, dass V. H. durch Medikamente vergiftet worden sei. Die vorsätzliche Beibringung von Gift stehe einem tätlichen Angriff gleich. Versagungsgründe nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG lägen nicht vor. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) beabsichtige den besonderen Schutz Minderjähriger. Von einer vermeidbaren Selbstgefährdung seiner erst 15-jährigen Tochter könne nicht ausgegangen werden. Auch der Umstand, dass sie sich durch die Einnahme und den Konsum von Stoffen, welche unter das BtMG fielen, strafbar gemacht habe, führe nicht zu einem Ausschlusstatbestand. Denn dies falle im Vergleich der beiderseitigen Tatbeiträge von Täter und Opfer nicht ins Gewicht. Der Kläger legte u. a. das Gutachten von Prof. Dr. P. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität F., Arbeitsgruppe Drogenforschung, erstellt für die Staatsanwaltschaft Konstanz, vor. Der Gutachter kam in seinem Gutachten vom 24.01.2002 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 12.03.2003 zu dem Ergebnis, der Tod von V. H. sei durch eine Mischintoxikation von Tramadol und Diazepam eingetreten. Die therapeutische Serumkonzentration bei der Einnahme von Tramal (Wirkstoff Tramadol) liege im Bereich zwischen 300 bis 600 ng/ml. Bei der Geschädigten sei eine Konzentration von 4.089 ng/ml zu verzeichnen gewesen. Terminal sei es zum Einatmen von erbrochenem Mageninhalt gekommen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 24.10.2006 ab. Es ging davon aus, dass der Tod von V. H. durch die einem tätlichen Angriff gleichstehende vorsätzliche Beibringung von Gift erfolgt sei. Die strafrechtliche Terminologie könne insoweit auf das Sozialrecht übertragen werden. Das Gutachten von Prof. Dr. P. habe eine massiv erhöhte Konzentration des Wirkstoffes Tramadol ergeben, welche sich in Kombination mit anderen zentral wirkenden Substanzen wie Diazepam und Kannabisprodukten ungünstig verstärkend ausgewirkt habe. Die Kammer gehe daher von einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch das Medikament in seiner zugefügten Menge aus. Der im Strafverfahren angeklagte M. C. habe dieses Gift auch vorsätzlich beigebracht, denn er habe bewusst eine weit über der therapeutischen Tagesdosis von 100 Tropfen liegende Menge zur Herbeiführung eines gesundheitsgefährdenden Rauschzustandes bei V. H. angewandt. Das Gericht vermöge nicht festzustellen, dass diese in der konkreten Situation in die Einnahme des Medikamentes wirksam eingewilligt habe. Eine solche Erklärung wäre, ihr Vorliegen unterstellt, unwirksam, weil V. H. in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Obwohl sie somit Opfer einer vorsätzlichen Beibringung von Gift nach § 1 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OEG geworden sei, habe der Vater des Opfers dennoch keinen Anspruch auf die begehrte Versorgung, weil der Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG vorliege. Danach seien Leistungen zu versagen, wenn es in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegende Gründe gebe, die eine Entschädigung unbillig erscheinen ließen. Die Unbilligkeit der Entschädigung lasse sich aus der Kombination einer sozialwidrigen Lebensweise der Tochter des Klägers im Drogenmilieu und dem konkreten Vorverhalten durch den Konsum von berauschenden Mitteln begründen. Diese missbilligenswerte Selbstgefährdung habe die Tochter des Klägers altersentsprechend erkennen können. Das eigene strafrechtlich relevante Vorverhalten der Tochter des Klägers, nämlich der freiwillige und unbeeinflusste Besitz und die Einnahme von dem BtMG unterliegenden Substanzen, habe wesentlich zur Schwere des Taterfolges beigetragen. Infolgedessen sei es unbillig, dem Kläger Leistungen nach dem OEG im Zusammenhang mit dem Tod seiner Tochter zu gewähren.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 07.12.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.12.2006 Berufung eingelegt. Er trägt vor, die rechtswidrige Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln von M. C. an V. H. sei durch seine eigene Aussage sowie durch den Zeugen R. C. (R. C.) bewiesen. Zudem habe M. C. früher schon Diazepam und Tramal an sich und den Zeugen A. M. (A. M.) abgegeben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. Oktober 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 13. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Bestattungs- und Sterbegeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten beider Rechtszüge sowie des Beklagten und die beigezogenen Strafverfahrensakten des Amtsgerichts Singen 5 Ls 60 Js 4103/02/03 bzw. des Landgerichts Konstanz 6 Ns 60 Js 4103/02 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn der Beklagte hat zu Recht Ansprüche des Klägers auf Hinterbliebenenversorgung, Bestattungs- und Sterbegeld nach dem OEG i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) abgelehnt.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält derjenige, der infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG steht einem tätlichen Angriff im Sinne des Abs. 1 gleich die vorsätzliche Beibringung von Gift.

Wie das BVG, auf das in dieser Vorschrift verwiesen wird, geht auch das OEG von einer dreigliedrigen Kausalkette aus. Das erste Glied ist der vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriff bzw. die vorsätzliche Beibringung von Gift, das zweite Glied bildet die durch diesen schädigenden Vorgang hervorgerufene Schädigung (Primärschaden), das dritte Glied stellt die Folgen der gesundheitlichen Schädigung dar (also das Versorgungsleiden, dessen Feststellung ein Antragsteller durch die Versorgungsverwaltung begehrt bzw. der Tod, wenn um Leistungen für Hinterbliebene gestritten wird). Wie nach dem BVG müssen auch nach dem OEG diese drei Glieder der Kausalkette als anspruchsbegründende Tatsachen nachgewiesen werden. Dies bedeutet, dass auch der vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriff (vgl. Urteil des BSG vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R - SozR 3-3900 § 15 Nr. 3) bzw. die vorsätzliche Beibringung von Gift im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein muss. Hierfür ist es zwar nicht notwendig, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist jedoch ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt. Dabei können nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der auch über das Inkrafttreten des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) hinaus noch Geltung hat (Artikel 2 § 16 des Gesetzes vom 18. August 1980, BGBl. I S. 1469) und auch auf dem Gebiet des OEG Anwendung findet (BSG aaO m.w.N.), in den Fällen, in denen Unterlagen nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zu beschaffen sind, oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Die für das Kriegsopferrecht vorgesehene Beweiserleichterung ist im Opferentschädigungsrecht allerdings dann nicht anwendbar, wenn ein Antragsteller - wie hier - zu dem in Frage stehenden Vorfall keine Angaben aus Eigenwissen oder überhaupt keine Angaben machen kann (vgl. BSG aaO).

Ein "tätlicher Angriff" liegt hier nicht vor, denn ein solcher setzt grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines Anderen zielende, gewaltsame und in der Regel auch handgreifliche Einwirkung voraus. Die Verletzungshandlung im OEG ist dabei eigenständig und ohne Bezugnahme auf das Strafgesetzbuch (StGB) geregelt (vgl. BSG SozR 3-3800 § 1 Nr. 1). Dass der Gesetzgeber in einer Giftbeibringung keinen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gesehen hat, ergibt sich schon daraus, dass er die "Gleichstellungsvorschrift" des § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG geschaffen hat. Anlass hierfür war, dass die möglichen schweren Tatfolgen die Vergiftung so stark in die Nähe der Gewaltkriminalität rücken, dass dem Gesetzgeber die Einbeziehung in die Entschädigungsregelung geboten erschien (vgl. Kunz/Zellner, OEG, 4. Auflage, Rndziff. 79 zu § 1 unter Hinweis auf BT-Drucksache Nr. 7/2506, Seite 14).

Der Senat lässt dahingestellt, ob der objektive Tatbestand der Giftbeibringung im vorliegenden Fall erfüllt ist. Unter Gift ist jeder anorganische oder organische Stoff zu verstehen, der unter bestimmten Bedingungen lediglich durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu zerstören vermag. Die Frage, ob ein Gift hierzu geeignet ist, ist nicht nach der abstrakten Möglichkeit, sondern nach den besonderen Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf die Quantität und Qualität des beigebrachten Stoffes, der körperlichen Beschaffenheit des Opfers sowie der Art der Anwendung zu beurteilen. Gift im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG kann deshalb auch das im Rahmen einer ärztlichen Behandlung als Heilmittel verschriebene Medikament in vorsätzlich falscher Dosierung sein (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.12.2004 - L 10 VG 22/04 (juris)). Da die Beibringung von Gift der Vorschrift des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Vergiftung) entspricht, die an die Stelle des durch das Sechste Strafrechtsreformgesetzes vom 26.01.1998, BGBl. I, Seite 164, aufgehobenen Tatbestandes des § 229 StGB getreten ist, kann im Rahmen des OEG die zu den zitierten Vorschriften des StGB ergangene Rechtsprechung berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall hat M. C. der geschädigten V. H. mindestens 300 Tropfen Tramal verabreicht. Im Hinblick auf die aktenkundige Auskunft der G. GmbH vom 05. März 2002, wonach auch bei deutlicher Überdosierung lebensbedrohliche Vergiftungen selten sind, erscheint es eher unwahrscheinlich, dass die Verabreichung der Tramaltropfen für sich genommen bereits den objektiven Tatbestand der Vergiftung erfüllt. In derselben Auskunft hat die G. GmbH jedoch darauf hingewiesen, dass zusätzlich gegebene Gifte wie z. B. Alkohol oder Diazepam sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Dem Gutachten von Prof. Dr. P. vom 24.01.2002 mit der Ergänzung vom 12.03.2003 entnimmt der Senat, dass dies auch im Verhältnis zu Cannabisprodukten gilt.

Die Frage, ob der objektive Tatbestand der Giftbeibringung im Hinblick auf die beschriebenen Verstärkungsmechanismen zu bejahen ist, kann hier aber deshalb offen bleiben, weil jedenfalls ein Vorsatz des M. C., mit seiner Tat die Gesundheit von V. H. zu schädigen oder gar dauerhaft zu zerstören, nicht nachweisbar ist. M. C. und V. H. konsumierten beide regelmäßig Drogen, Alkohol und Medikamente. Ihr Interesse am Abend des 19.12.2001 lag im gemeinsamen Rauschzustand. Sie wussten, dass nicht nur Alkohol und Haschisch (Joints) berauschen, sondern auch Medikamente wie Diazepam und Tramal. Die Kenntnis darüber, dass das beigebrachte Mittel Tramal in der gewählten Überdosierung eine gesundheitsschädigende Wirkung haben oder - wie geschehen - den Tod von V.H. mitverursachen könnte, dürfte M. C. bei der Verabreichung des Medikaments an die Tochter des Klägers aber ebenso gefehlt haben, wie das Bewusstsein dafür, eine solche Folge zumindest billigend in Kauf zu nehmen. Statt dessen erscheint es sachnäher anzunehmen, dass M. C. (und V. H.) gleichgültig gegenüber den gesundheitlichen Nebenwirkungen ihrer Rauschzustände und denen ihrer Bekannten waren, wenn sie gemeinsam Drogen, Alkohol und/oder Medikamente im Übermaß konsumierten. Gingen sie aber davon aus, dass mit dem Betäubungsmittelkonsum keine Gesundheitsschäden außerhalb des angestrebten Rauschs verbunden seien oder die möglicherweise verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie etwa Übelkeit nicht oder allenfalls vorübergehend eintreten würden, so handelte M. C. nur (bewusst) fahrlässig, vielleicht sogar leichtfertig. Für Vorsatz im Sinne eines Ernsthaft-für-möglich-Haltens des Todes von V.H. und eines Sich-mit-ihm-Abfindens, gibt es keine Anhaltspunkte im Verhalten oder in den Aussagen des M. C. Folgerichtig hat das Amtsgericht den M. C. auch nur wegen der Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln, nicht aber wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder Vergiftung verurteilt. Ohne Bedeutung ist im vorliegenden Rechtsstreit, ob das Amtsgericht M. C. zu Recht wegen eines Verstoßes gegen § 29 BtMG verurteilt hat (vgl. die Beschlüsse des Landgerichts Konstanz über die vorläufige bzw. entgültige Einstellung des Verfahrens nach § 153 a der Strafprozessordnung (StPO) vom 20.07.2004 und 20.12.2004).

Nicht mehr entscheidungserheblich ist deshalb, ob V. H. wirksam in ihre Schädigung eingewilligt hat und deshalb die Rechtswidrigkeit einer vorsätzlichen Vergiftung entfällt. Ebenfalls ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob dem Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG Leistungen zu versagen waren, weil V. H. ihre Schädigung (wesentlich mit-)verursacht hat oder weil es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten von V. H. liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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