L 6 VG 1127/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 VG 1600/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 1127/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.01.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Insbesondere ist streitig, ob bei der Klägerin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade besteht.

Die 1990 geborene Klägerin wurde am 14.12.1999 gemeinsam mit ihrer Schwester M. und einer Cousine auf dem Schulweg von einem unter paranoider Schizophrenie leidenden Mann angegriffen. Nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen griff der Mann zunächst nach der Klägerin und versuchte, sie mitzuzerren. Ihre Schwester M. kam ihr zu Hilfe und schlug mit einem Regenschirm auf den Mann ein. Er zerrte die Klägerin noch ein Stück weiter und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht, so dass sie blutend zu Boden fiel. Ihrer Schwester trat er mit dem Fuß gegen die linke Kopfseite und versetzte ihr mehrere Faustschläge, so dass sie ebenfalls zu Boden fiel. Er wandte sich dann nochmals der Klägerin zu und verlangte von ihr, mit ihm nach Hause zu gehen. Der Klägerin gelang es aber, sich loszureißen und wegzurennen. Daraufhin ließ der Täter von den Mädchen ab. Passanten riefen dann die Mutter der Klägerin an, die ihre Töchter im Kreiskrankenhaus S. vorstellte. Bei der Klägerin wurden eine Schädelprellung sowie eine Prellung und Schürfung des linken Knies diagnostiziert (Durchgangsarztbericht von Chefarzt Dr. V. vom 15.12.1999). Ihre Schwester erlitt eine Schädelprellung, eine Grünholzfraktur des linken Handgelenkes und eine Prellung der linken Hand.

Am 02.10.2000 beantragte die Klägerin - ebenso wie ihre Schwester - bei dem damaligen Versorgungsamt R. (VA) die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem OEG. Vorgelegt wurde das Schreiben der Dipl.-Sozialpädagogin P. von der Psychologischen Beratungsstelle in T. vom 03.11.2000, wonach die Klägerin und ihre Schwester von Mitte Dezember 1999 bis April 2000 in der Beratungsstelle in psychologischer Beratung waren. Sie hätten nach dem gemeinsam erlebten Überfall erhebliche Schlafstörungen, Angstzustände mit Albträumen und Schwierigkeiten, den bisher sicher zurückgelegten Schulweg ohne Ängste zu gehen, gehabt. Auf Anfrage des VA teilte Frau P. mit Schreiben vom 28.02.2002 mit, mit Hilfe einer Spieltherapie und Gesprächen habe die Klägerin allmählich die Symptome und Schwierigkeiten überwunden.

Das VA holte das versorgungsärztliche Gutachten von Dr. G. vom 05.08.2002 ein. Bei der Untersuchung gab die Mutter der Klägerin an, diese sei schon immer ein ruhiges Kind gewesen, seit dem traumatischen Ereignis sei sie noch zurückhaltender geworden und habe über Schlafstörungen und Ängste geklagt. Außerdem hätten sich ihre schulischen Leistungen verschlechtert. Der Notendurchschnitt sei im Verlauf des Jahres von 2,5 auf 4,5 gesunken. Durch die psychologische Betreuung habe sich eine Besserung des psychischen Befundes eingestellt. Inzwischen habe die Klägerin die 4. Klasse freiwillig wiederholt und habe jetzt einen Notendurchschnitt etwa bei 4, in der italienischen Schule, die zweimal pro Woche besucht werde, liege er etwa bei 2. Dr. G. vertrat die Auffassung, als Folge des traumatischen Ereignisses seien bei der Klägerin psychoreaktive Störungen aufgetreten, die eine psychotherapeutische Behandlung bis 04/2000 erforderlich gemacht hätten. Die MdE für diese psychoreaktiven Störungen sei für die Zeit vom 01.12.1999 bis 30.11.2000 mit 20 vom Hundert (v. H.) und ab 01.12.2000 mit 10 v. H. zu bewerten.

Mit Bescheid vom 12.09.2002 anerkannte das VA "psychoreaktive Störungen" als Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 OEG. Die Gewährung einer Rente lehnte es ab, da eine MdE in rentenberechtigendem Grade (um wenigstens 25 v. H.) nicht erreicht werde. Den nicht näher begründeten Widerspruch, mit dem die Klägerin die Gewährung einer Rente begehrte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2003 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 10.06.2003 (Dienstag nach Pfingsten) Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie vertrat die Auffassung, es bestehe seit 01.12.1999 eine MdE um 25 v. H ... Auch nach dem Ende der psychologischen Betreuung leide sie unter Verhaltensstörungen, insbesondere Hemmungen gegenüber Fremden, Schlafsstörungen und Albträumen.

Der Beklagte trat der Klage entgegen.

Der behandelnde Kinderarzt Dr. S. teilte auf Anfrage des SG unter dem 10.11.2003 mit, dass er die Klägerin lediglich am 17.12.1999 wegen der bei dem Überfall erlittenen körperlichen Verletzungen behandelt habe.

Das SG holte dann auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten von Prof. Dr. K., Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, vom 24.03.2006 ein. Dieser führte eine eingehende Exploration der Mutter der Klägerin sowie eine Exploration und jugendpsychiatrische Untersuchung einschließlich testpsychologischer Untersuchung der Klägerin und ihrer Schwester durch. Im Rahmen des psychischen Befundes beschrieb er die Klägerin als kooperationsbereit, zugewandt, still und affektiv nur geringgradig schwingungsfähig. Insgesamt sei der psychische Befund noch innerhalb der normalen Variationsbreite gemessen an 15-jährigen Jugendlichen. Weiter führte er aus, in der testpsychologischen Untersuchung zeige sich, dass die Klägerin sich als auffallend problembeladen darstelle und in zahlreichen Problembereichen, die die Alltagswelt von Jugendlichen tangierten, auffällig hohe Belastungswerte angebe. Aufgrund des Testergebnisses könne von einer noch deutlich erhöhten Ängstlichkeit gesprochen werden und von der Empfindung, eher unbeliebt, unattraktiv und missachtet zu sein, im Sinne eines geringen Selbstwertgefühles. Der Sachverständige diagnostizierte eine Angstreaktion und Vermeidungsverhalten im Rahmen einer Anpassungsstörung nach ICD-10: F 43.2 nach traumatischem Erlebnis im Alter von 8 Jahren im Sinne von ICD-10: Z 61.7 (persönliches ängstigendes Erlebnis in der Kindheit). Er stützte sich bei seiner Beurteilung auch auf die Angaben der Mutter, wonach die Klägerin unter Dunkelangst leide und seit dem Ereignis ein eher vermeidendes Verhalten an den Tag lege, resigniert habe beziehungsweise sich aufgegeben habe. Zusätzlich habe die Mutter eine isolierte Rechtschreibstörung angegeben, die von der Schule diagnostiziert worden sei. In seiner Beurteilung führte Prof. Dr. K. aus, es sei nicht sicher zu klären, inwieweit das Ausmaß der Anpassungsstörung alleine als Folge des Ereignisses vom 14.12.1999 zu sehen sei. Das Selbstwertgefühl der Klägerin dürfte auch durch die schädigungsunabhängige isolierte Rechtschreibstörung beeinträchtigt sein. Insgesamt handle es sich bei den Verhaltensauffälligkeiten, die von der Klägerin und der Mutter berichtet würden um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebens- und Gestaltungsfähigkeit entsprechend einer MdE um 30 v. H., wobei zwei Drittel bis drei Viertel der Ausprägung auf das Traumaerlebnis zurückzuführen sein dürften entsprechend einer MdE um 20 - 22,5 v. H. Er bewerte die schädigungsbedingte MdE zum Zeitpunkt der Untersuchung mit 20 v. H ... Diese Bewertung gelte seit 01.12.1999. Insoweit bestehe Übereinstimmung mit der Beurteilung von Dr. G ...

Mit Gerichtsbescheid vom 18.01.2007 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, unter Berücksichtigung der Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. könne für die Klägerin nicht von einer stärker behindernden Störung ausgegangen werden, so dass eine MdE in rentenberechtigender Höhe nicht erreicht werde. Prof. Dr. K. sei insbesondere davon ausgegangen, dass die Störung bei der Klägerin zu Beginn nicht so ausgeprägt gewesen sei wie bei ihrer Schwester, die bis 30.06.2001 eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. erhalten habe.

Gegen den am 05.02.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.03.2007 Berufung eingelegt. Sie hat vorgetragen, sie habe den Vorfall bis heute nicht vollständig verarbeitet. Sie sei still und verschlossen, zeige extremes Verhalten gegenüber Männern und habe im Wesentlichen keine Freundinnen. Ihre schulischen Leistungen seien nach wie vor schlecht. Zum Beweis der Tatsache, dass ihre schulischen Leistungen nach dem Vorfall nachgelassen hätten, hat die Klägerin mehrere Zeugnisse beziehungsweise Schulberichte der R.-M.-Schule S., katholische freie Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule, vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.01.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20.09.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2003 zu verurteilen, ihr ab 01.12.1999 eine Beschädigtenrente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Beurteilung von Prof. Dr. K. weiterhin für zutreffend, zumal die Klägerin keine neuen Tatsachen bzw. ärztlich begründeten Argumente vorgetragen habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit demEinverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, da die bei der Klägerin anerkannten Schädigungsfolgen nach dem OEG keine MdE um wenigstens 25. v. H. bedingen.

Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Dabei muss der geltend gemachte Gesundheitsschaden wesentlich ursächlich auf den vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff zurückzuführen sein. Das schädigende Ereignis, die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) müssen erwiesen sein, während nach § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber erforderlich ist (BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58).

Die MdE ist gemäß § 30 Abs. 1 BVG nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Dabei sind seelische Begleit¬erscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die Beurteilung ist maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt ist. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum von bis zu 6 Monaten (§ 30 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 BVG). Bei jugendlichen Beschädigten ist die MdE nach dem Grade zu bemessen, der sich bei Erwachsenen bei gleicher Gesundheitsstörung ergibt (§ 30 Abs. 1 Satz 5 BVG). Beschädigtenrente wird nach § 31 Abs. 1 und 2 BVG ab einer MdE um 25 v. H. gewährt.

Um eine möglichst weitgehende Einheitlichkeit in der Beurteilung der MdE im sozialen Entschädigungsrecht sicherzustellen hat das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) herausgegeben. Diese stellen ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar und werden deshalb vom Senat in ständiger Rechtssprechung herangezogen.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien und der vorliegenden ärztlichen Unterlagen - insbesondere der Gutachten von Dr. G. und Prof. Dr. K. - kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die psychoreaktive Störung, unter der die Klägerin in Folge des Überfalles am 14.12.1999 leidet, seit diesem Zeitpunkt eine MdE um weniger als 25 v. H. bedingt. Nach den Angaben der Mutter der Klägerin gegenüber Dr. G. litt die Klägerin nach dem traumatischen Ereignis unter Schlafstörungen, Ängsten und gelegentlichen Träumen von dem Ereignis. Ihre schulischen Leitungen hätten nachgelassen. Sie sei schon immer ein ruhiges Kind gewesen, seit dem traumatischen Ereignis aber sei sie noch zurückhaltender geworden. Dr. G. schildert die Klägerin als freundliches ruhiges Mädchen, das spontan Kontakt aufnimmt, bei der Anamneseerhebung aber sehr zurückhaltend ist. Die Stimmung sei ausgeglichen gewesen, die Schwingungsfähigkeit erhalten. Zeichen erhöhter vegetativer Erregbarkeit seien nicht nachweisbar gewesen. Eine psychologische Betreuung durch Frau Pieper erfolgte bis April 2000 und führte zu einer allmählichen Besserung der Symptome.

Nach den AHP 26.3, Seite 48 beträgt die MdE für Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen 0 bis 20 v. H., bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit 30 bis 40 v. H ... Beispielhaft werden hier ausgeprägte depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert und somatoforme Störungen genannt. Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten bedingen eine MdE um 50 bis 70 v. H., schwere Störungen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten eine MdE um 80 bis 100 v. H ... Die Beurteilung von Dr. G., der die MdE jedenfalls bis 30.11.2000 mit 20 v. H. einschätzte, steht mit den AHP in Einklang. Die von der Klägerin und ihrer Mutter geschilderten Symptome sind noch den leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen zuzuordnen, wobei Dr. G. zu Recht den Beurteilungsspielraum voll ausgeschöpft und eine MdE um 20 v. H. angenommen hat. Eine stärker behindernde Störung, z. B. eine ausgeprägte depressive oder phobische Störung, lag danach bei der Klägerin nicht vor. Die vorhandenen Symptome konnten durch die ca. 4-monatige Therapie soweit gebessert werden, dass die Klägerin ohne weitere therapeutische Behandlung ihren Alltag gestalten konnte. Im Gegensatz dazu musste ihre Schwester auch nach Beendigung der regelmäßigen therapeutischen Behandlung im April 2000 wegen nach wie vor bestehender insbesondere nächtlicher Ängste bis Sommer 2001 therapeutische Einzelgespräche bei Frau P. in Anspruch nehmen, wie sich aus dem Befundbericht von Frau P. vom 28.02.2002 in den Akten des Beklagten über die Schwester der Klägerin ergibt. Dr. G., der auch die Schwester der Klägerin untersucht hat, hat für diese daher bis 30.06.2001 nachvollziehbar eine MdE um 30 v. H. angenommen.

Aus dem Gutachten von Prof. Dr. K. ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die schädigungsbedingte MdE zu irgendeinem Zeitpunkt mit mindestens 25 v.H. zu bewerten wäre. Auch Prof. Dr. K. hat beide Mädchen untersucht und kam in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Mutter der Klägerin zu der Beurteilung, dass inzwischen die Symptomatik bei der Klägerin stärker sei als bei ihrer Schwester. Er beschrieb sie im Gegensatz zu Dr. G. als affektiv nur geringgradig schwingungsfähig. Sie leide nach wie vor unter zahlreichen Ängsten, unter anderem einer leichtgradigen Phobie in Bezug auf den Ort des Geschehens, die aber nicht so ausgeprägt sei, dass sie deswegen ihren Schulweg entscheidend geändert hätte. Bei dieser Befundbeschreibung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine therapeutische Behandlung der Ängste der Klägerin gegenwärtig nicht stattfindet, vermag der Senat nicht festzustellen, dass bei der Klägerin bereits eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebens- und Gestaltungsfähigkeit vorliegt, die eine MdE um 30 v. H. bedingen würde. Prof. Dr. K. begründet seine gegenteilige Einschätzung, es liege insgesamt eine MdE um 30 v. H. vor, vor allem auch mit den auffälligen Ergebnissen in der testpsychologischen Untersuchung, insbesondere mit den Hinweisen auf eine abnorm hohe Problembeladenheit, die sich bei der Beantwortung des "Problemfragebogens für Jugendliche" durch die Klägerin gezeigt habe. Prof. Dr. K. wies jedoch auch darauf hin, dass es sich hier um Selbstbewertungen handelt, bei denen nicht sicher auszuschließen sei, dass eine Tendenz zu einer entsprechenden dramatischen Darstellung vorliege, obwohl die Werte in der Offenheits-/Lügenskala des Testes noch im Normbereich gelegen hätten. Da Prof. Dr. K. lediglich eine leichtgradige Phobie beschreibt und keine dringende Behandlungsbedürftigkeit sieht (eine stützende Psychotherapie wäre seiner Ansicht nach "günstig"), hält es der Senat nicht für gerechtfertigt, bei dem innerhalb der normalen Variationsbreite einer 15-jährigen Jugendlichen liegenden psychischen Befund bereits von einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durch die psychoreaktive Störung auszugehen.

Die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Zeugnisse bestätigen diese Beurteilung. Aus dem Schulbericht vom 29.01.1999 ergibt sich, dass bereits vor dem Überfall im Leistungsbereich Probleme bestanden, die nach Auffassung der Lehrer die Zurückversetzung von der zweiten in die erste Klasse in Betracht kommen ließen. Im Abschlusszeugnis der Grundschule vom 24.07.2002 erreichte die Klägerin in Deutsch und Mathematik die Note ausreichend, in bildender Kunst, textilem Werken und im italienisch-muttersprachlichen Unterricht die Note gut. Ein andauernder Leistungsabfall in der Schule nach dem Überfall im Vergleich zu den vorherigen schulischen Leistungen ergibt sich daraus gerade nicht. In dem Jahresbrief aus dem Schuljahr 2001/2002 vom 24.07.2002 wird auch eine "muntere Art" bei der Klägerin erwähnt und nach dem Zeugnis vom 15.07.2001 hat die Klägerin einen festen Platz unter ihren Freundinnen. Dies spricht ebenfalls dagegen, dass die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin durch Schädigungsfolgen wesentlich eingeschränkt ist.

Es kommt im Rahmen der vorliegenden Fragestellung nicht mehr darauf an, ob die seelische Störung in vollem Umfang auf das Trauma durch den Überfall am 14.12.1999 zurückzuführen ist. Nach den AHP 71 Seite 213 ist bei länger anhaltenden Störungen und chronisch verlaufenden Entwicklungen zu prüfen, ob die Schädigungsfaktoren fortwirken oder schädigungsunabhängige Faktoren Grund für die Chronifizierung verantwortlich sind ("Verschiebung der Wesensgrundlage"). Insoweit nennt Prof. Dr. K. die diagnostizierte isolierte Rechtschreibstörung als einen schädigungsunabhängigen Faktor, der teilweise für die Probleme der Klägerin insbesondere im Bereich des Selbstwertgefühles verantwortlich sei. Zu berücksichtigen wäre hier nach Überzeugung des Senats auch, dass die Klägerin bereits vor dem Ereignis als ruhig geschildert wurde, wie sich auch aus dem Schulbericht der Grundschule vom 29.01.1999 ergibt. Darin wird ausgeführt, die Klägerin beteilige sich am Unterrichtsgespräch aus eigenem Antrieb nicht. Es ist somit nachvollziehbar, dass die Klägerin persönlichkeitsbedingt eher zurückhaltend ist. Diese schädigungsunabhängigen Faktoren sind nach Überzeugung des Senats mit ursächlich für die vorliegende Ausprägung der Anpassungsstörung bei der Klägerin. Ob sie sich von den Schädigungsfolgen in der Weise abgrenzen lassen, wie dies Prof. Dr. K. angenommen hat, braucht nicht entschieden zu werden, da bereits der Gesamtzustand keine MdE um mindestens 25 v. H. rechtfertigt. Eine MdE um 20 v. H. wäre allenfalls geeignet, Ansprüche auf Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen.

Die Berufung war aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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