L 4 P 5935/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 P 2421/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 5935/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Beitragszuschlag für Kinderlose in der sozialen Pflegeversicherung ist verfassungsgemäß.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Beiträge der Klägerin zur sozialen Pflegepflichtversicherung (PV) ab 01. Januar 2005.

Die am 1970 geborene Klägerin, deren kinderlos gebliebene Ehe geschieden ist, ist seit 01. Januar 2004 als Rechtsanwältin selbstständig tätig. Sie ist bei der AOK Baden-Württemberg (AOK) freiwillig krankenversichert und bei deren Pflegekasse, der Beklagten, pflegepflichtversichert. Nach dem Einkommensfragebogen vom 12. Oktober 2004 hatte die Klägerin jährliche Einkünfte aus ihrer selbstständigen Tätigkeit von EUR 3.554,46. Mit Bescheid der AOK vom 25. Januar 2005, der den Hinweis enthielt, dass dieser Bescheid auch im Namen der Pflegekasse ergehe, wurde die Klägerin davon unterrichtet, dass zum Jahreswechsel das Kinder-Berücksichtigungsgesetz in Kraft getreten sei. Dadurch erhöhe sich für kinderlose Mitglieder ab 01. Januar 2005 der Beitragssatz in der PV um 0,25 Beitragssatzpunkte. Nicht zu zahlen sei der Beitragssatz von Mitgliedern, deren Elterneigenschaft gegenüber der Pflegekasse nachgewiesen oder dort bereits bekannt sei, die das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten sowie die vor dem 01. Januar 1940 geboren seien. Nach den dortigen Unterlagen treffe keine dieser Voraussetzungen für die Klägerin zu, weshalb für sie der Beitragszuschlag in der PV berechnet werden müsse. Einschließlich dieses Beitragszuschlags ergebe sich damit auch unter Berücksichtigung der Änderung des Einkommens ab 01. Januar 2005 ein monatlicher Beitrag zur PV von EUR 35,32. Dem genannten Bescheid war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Mit dem am 02. Mai 2005 bei der Beklagten eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Vorschriften über den Zuschlag zum Beitrag zur PV für kinderlose seien offensichtlich verfassungswidrig. Diesen Widerspruch wies die bei der Beklagten bestehende Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2005 zurück. Darin wurde ausgeführt, in Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 03. April 2001 (1 BvR 1629/94 = BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr. 2) sehe § 55 Abs. 3 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) in der ab 01. Januar 2005 geltenden Fassung eine Erhöhung des Beitragssatzes für ab dem 01. Januar 1940 geborene kinderlose Mitglieder nach Vollendung des 23. Lebensjahres um 0,25 Beitragssatzpunkte vor. Mitglieder, die ihre Elternschaft nicht nachgewiesen hätten, gälten bis zum Ablauf des Monats, in dem der Nachweis erbracht werde, beitragsrechtlich als kinderlos. Da die Klägerin das 23. Lebensjahr bereits vollendet und nach den vorliegenden Unterlagen kinderlos sei, entspreche die Erhebung des erhöhten Beitragssatzes zur PV der Rechtslage. Das Gesetz biete keinerlei Ermessensspielraum oder Ausnahmetatbestände, weshalb es unerheblich sei, weshalb Kinderlosigkeit vorliege.

Deswegen erhob die Klägerin am 16. Juni 2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Sie trug vor, sie sei im August 2002 an Brustkrebs erkrankt. Aufgrund einer Hormontherapie sei es bei ihr indiziert, innerhalb der insgesamt fünf Jahre dauernden Behandlung nicht schwanger zu werden. Sie rüge die Verfassungswidrigkeit des § 55 Abs. 3 SGB XI. Mit der rechtssystematischen Umsetzung allein durch die Bezugnahme auf eine "Elternschaft" entspreche die Gesetzeskorrektur weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Anforderungen des BVerfG im Urteil vom 03. April 2001. Damit verstoße der Gesetzgeber gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verletze sie damit gleichzeitig in ihren Rechten aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Das BVerfG habe eindeutig nicht die Elternschaft im Sinne des § 56 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) als maßgebliches Kriterium für eine Differenzierung bei der Beitragserhebung gewollt, sondern allein die tatsächliche Erziehung und Betreuung von Kindern belohnen wollen. Die vom Gesetzgeber getätigte Art und Weise der Umsetzung der Grundsätze des BVerfG stelle eine unzulässige, da zu pauschal definierte Lösung dar. Mit dem pauschalen Verweis auf die Elternschaft ergebe sich die Bevorzugung einer ganzen Reihe von Berechtigten, die mit dem zu privilegierenden Tatbestand, nämlich der Erziehung und Betreuung, nichts zu tun hätten. Deutlich werde dies bei der Privilegierung der Stiefeltern, aber auch bei der Betrachtung der Elterneigenschaft aufgrund eines Pflegeelternstatus. Auch die Elterneigenschaft durch Adoption führe, ohne dass dazu ein konkreter Zusammenhang mit einer Erziehungs- oder Betreuungsleistung gefordert werde, zu einer Beitragsminderung der Adoptiveltern auf Lebenszeit. Bei Betrachtung einer biologischen Elterndefinition werde der dogmatische Grundansatz der Entscheidung des BVerfG ad absurdum geführt. Dies zeige sich besonders drastisch an der Bevorzugung von biologischen Vätern, die auch dann den Erziehungsbonus in Anspruch nehmen könnten, wenn sie nichts anderes als nur die biologische Vaterschaft nachweisen könnten. Dabei werde nicht verkannt, dass der Gesetzgeber durchaus berechtigt sei, pauschale Einstufungen, auch wenn diese im Einzelfall zu gewissen Ungerechtigkeiten führten, vorzunehmen. Dies gelte jedoch nur insoweit, als der Gesetzgeber die Handlungsalternativen anhand inzwischen möglicher Erkenntnisse und Erfahrungen überprüft und auf den Versuch einer sachgerechten Lösung nicht verzichtet habe. Das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des § 55 Abs. 3 SGB XI ergebe jedoch keinen Hinweis auf den Versuch einer wirklich sachgerechten Lösung. Es wäre dem Gesetzgeber durchaus möglich gewesen, eine sachgerechte Lösung zu finden. Ein Ansatzpunkt wäre beispielsweise die analoge Anwendung der Regelungen bei den Kindererziehungszeiten aus dem Bundeserziehungsgeldgesetz oder bei den rentenrelevanten Zeiten der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen. Auch im Kindergeld- und Einkommensteuerrecht werde bei privilegierenden Tatbeständen stets auf das Merkmal der tatsächlichen Kindererziehung abgestellt. Im Übrigen müsse bei ihr noch Folgendes berücksichtigt werden: Im Zeitpunkt der Krebsdiagnose habe sie sich gerade in der Lebensphase befunden, in der Akademikerinnen sich mit Familienplanung befassten. Aufgrund der notwendigen medizinischen Behandlungen habe sie jedoch die Familienplanung bis auf weiteres hinten anstellen müssen. Sie sei medizinisch indiziert ungewollt kinderlos und es sei ihr zumindest temporär aus medizinischen Gründen nicht möglich, selbst Kinder zu bekommen. Wenn der Gesetzgeber eine grob generalisierende Regelung schaffe, dann müsse jedenfalls wie für ihren Fall eine Härtefallregelung getroffen werden, die beispielsweise für Versicherte, die nicht innerhalb der Ausschlussfrist bis zum 23. Lebensjahr einen Kinderwunsch realisieren könnten, einen Ausnahmetatbestand enthalte. Die Klägerin reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter das Urteil des BVerfG vom 03. April 2001, die BT-Drucksache 15/3671, die "Gemeinsamen Empfehlungen zum Nachweis der Elternschaft" und Erläuterungen zu "Auswirkungen des Gesetzes zur Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung". Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Mit Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2006, der ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 04. November 2006 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe ab 01. Januar 2005 den erhöhten Beitrag nach § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI zu zahlen. Der verfassungsrechtlichen Würdigung der Klägerin vermöge sich das Gericht nicht anzuschließen. Der Gesetzgeber habe den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht verletzt. Die vom Gesetzgeber gewählte Typisierung verletze die Klägerin auch bei Bejahung ungewollter Kinderlosigkeit nicht in ihren Grundrechten.

Dagegen hat die Klägerin am 27. November 2006 unter Vorlage der Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. März 2006 (S 8 KR 3035/05) und des Sozialgerichts Münster vom 10. März 2006 (S 6 P 136/95) sowie des Urteils des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 22. November 2006 (L 2 R 386/06) schriftlich Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen, dass eine im Wege einer "Erzeugertheorie" erfolgte Umsetzung des Gesetzgebungsauftrages mit den Gedanken des BVerfG nicht mehr in Einklang gebracht werden könne. Auch die Darlegungen des LSG Niedersachsen-Bremen überzeugten nicht.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Oktober 2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2005 abzuändern, soweit ab 01. Januar 2005 auch ein Beitragszuschlag zum Beitrag zur Pflegeversicherung für Kinderlose von 0,25 Beitragsatzpunkten festgesetzt worden ist, hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, ob die Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI verfassungsgemäß ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht bei der Klägerin ab 01. Januar 2005 bei der Berechnung der Beiträge zur PV den Beitragszuschlag für Kinderlose nach § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten erhoben. Damit ist der Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2005, den die Klägerin hinsichtlich der Festsetzung des Beitragszuschlags angegriffen hat, rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten.

Streitig ist die Erhebung des Beitragszuschlags für Kinderlose. Die Klägerin ist bei der AOK Baden-Württemberg als freiwilliges Mitglied krankenversichert und damit nach § 20 Abs. 3 SGB XI versicherungspflichtig in der PV. Der Beitragssatz zur PV beträgt zunächst seit 01. Juli 1996 1,7 v.H. der beitragspflichtigen Einnahmen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI), die bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 57 Abs. 3 SGB XI bestimmt werden. Nach § 55 Abs. 3 SGB XI in der ab 01. Januar 2005 geltenden Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3448) ist bestimmt: Der Beitragssatz nach Abs. 1 Satz 1 und 2 erhöht sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Satz 1 gilt nicht für Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I. Die Elterneigenschaft ist in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle, von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse, nachzuweisen, sofern diesen die Eltereigenschaft nicht bereits aus anderen Gründen bekannt ist. Die Spitzenverbände der Pflegekassen beschließen gemeinsam Empfehlungen darüber, welche Nachweise geeignet sind. Erfolgt die Vorlage des Nachweises innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes, gilt der Nachweis mit dem Beginn des Monats der Geburt als erbracht, ansonsten wirkt der Nachweis ab Beginn des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Nachweis erbracht wird. Nachweise für vor dem 01. Januar 2005 geborene Kinder, die bis zum 30. Juni 2005 erbracht werden, wirken vom 01. Januar 2005 an. Satz 1 gilt nicht für Mitglieder, die vor dem 01. Januar 1940 geboren wurden, für Wehrdienst- und Zivildienstleistende sowie für Bezieher von Arbeitslosengeld II. Die Klägerin trägt die Beiträge zur PV nach § 59 Abs. 4 SGB XI, weshalb sie von ihr nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI einschließlich des Beitragszuschlags für Kinderlose zu zahlen sind. Die Beklagte als Pflegekasse ist hier für die Festsetzung der Beiträge zur PV einschließlich des Beitragszuschlags zuständig (Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-3300 § 20 Nr. 5). Soweit es um den allein streitigen Beitragszuschlag geht, liegt eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten vor. Denn in dem Bescheid vom 25. Januar 2005, in dem auch über den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung ab 01. Januar 2005 entschieden worden ist, ist eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Bescheid insoweit auch im Namen der Pflegekasse ergeht. Dies bezieht sich auf die Festsetzung des Beitrags zur PV.

Die Klägerin erfüllt, wie das SG zutreffend festgestellt hat, die Voraussetzungen für die Erhebung des Beitragszuschlags für Kinderlose. Sie hat das 23. Lebensjahr vollendet und ist kinderlos. Die Ausnahmen des § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI liegen nicht vor. Die Klägerin hat eine Elternschaft nach § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI i.V. mit § 56 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I nicht nachgewiesen. Sie hat bisher kein Kind geboren, was unstreitig ist, zumal sie ausdrücklich geltend gemacht hat, sie habe bisher aus medizinischen Gründen ungewollt kein Kind geboren. Die Klägerin ist auch nach dem 01. Januar 1940 geboren, weshalb die Erhebung des Beitragszuschlags für Kinderlose nicht nach § 55 Abs. 3 Satz 7 SGB XI ausgeschlossen ist. Auch die Festsetzung der Höhe des monatlichen Beitrags zur PV, gegen den die Klägerin im Übrigen keine Einwendungen erhoben hat, ist zutreffend.

Entgegen der Ansicht der Klägerin erachtet der Senat die Regelung über den Kinderzuschlag für Kinderlose nicht für verfassungswidrig (vgl. auch Urteil des Senats vom 05. Oktober 2007 - L 4 R 394/07 -), auch nicht in ihrer Anwendung auf den Fall der Klägerin. Mit der gesetzlichen Neuregelung des Beitragszuschlags für Kinderlose in der PV hat der Gesetzgeber im Sinne des Urteils des BVerfG vom 03. April 2001, a.a.O., beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der PV, wie der Klägerin, bei der Bemessung der Beiträge relativ entlastet, indem nunmehr Mitglieder der PV mit Kindern bei gleich hohem beitragspflichtigen Einnahmen nicht mit einem beitragsmäßig gleich hohen Beitrag zur PV belastet werden wie kinderlose Mitglieder. Die gesetzliche Neuregelung im Kinder-Berücksichtigungsgesetz genügt dem Gesetzgeber auch nach der genannten Entscheidung des BVerfG eingeräumten großen Spielraum bei der Ausgestaltung eines Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art. 6 Abs. 1 des GG entsprechenden Beitragsrechts in der PV. Im Rahmen dieses großen Spielraums liegt es auch, dass der Gesetzgeber zwecks verwaltungspraktikabler Typisierung des zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmenden Ausgleichs mit Blick auf die Elterngeneration an die "Elternschaft" im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I für die relative Privilegierung bei der Beitragserhebung zur PV angeknüpft hat. Damit wird auf die leicht feststellbare und nachweisbare leibliche Elternschaft einschließlich der durch Adoption begründeten Elternschaft, aber auch auf die Stiefelternschaft (vgl. dazu Urteil des BSG vom 18. Juli 2007 - B 12 P 4/06 R -) und die Pflegeelternschaft zurückgegriffen. Es erscheint dem Senat nicht als verfassungsrechtlich geboten, statt an die aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung im Hinblick auf die beitragsabführende Stelle durch öffentliche Urkunden leicht nachweisbare (formale) "Elternschaft", die bei der Klägerin nicht vorliegt, alternativ oder kumulativ an eine konkret erbrachte und nachgewiesene Betreuungs- und Erziehungsleistung in einem bestimmten Umfang anzuknüpfen. Dies gilt unabhängig davon, dass diese (formal nachgewiesene) "Elternschaft" im Einzelfall eine ganz unterschiedliche Betreuungs- und Erziehungsleistung bedeuten mag, beispielsweise dann, wenn das Kind kurz nach der Geburt gestorben ist oder die Stiefelternschaft erst im Erwachsenenalter begründet worden ist (vgl. dazu BSG, a.a.O., Rdnrn. 19 ff.). Es lässt sich derzeit nicht feststellen, dass eine solche formale Elternschaft nicht typischerweise mit einer Betreuungs- und Erziehungsleistung einhergegangen ist bzw. einhergeht. Die formale Elternschaft erscheint also durchaus als geeignetes Indiz für das tatsächliche Vorliegen einer Betreuungs- und Erziehungsleistung. Die vom Gesetzgeber ab 01. Januar 2005 typisierend getroffene Regelung über den Beitragszuschlag für Kinderlose erscheint als sachgerecht auch, soweit es um die Altersgrenze von 23 Jahren geht, mit der an die Altersgrenze nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB V angeknüpft wurde (vgl. BT-Drucks. 15/3671 S. 6 Zu Nr. 1). Die von der Klägerin angeführten Regelungen aus anderen Gesetzen zur Typisierung einer Betreuungs- und Erziehungsleistungen begründen keine Verfassungswidrigkeit der vom Gesetzgeber hier gewählten Anknüpfung.

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten die Gründe, warum jemand keine Kinder hat, für die Zuschlagspflicht keine Rolle spielen; eine Motivforschung, warum jemand keine Kinder hat, könne und solle es nicht geben; es gehe auch nicht darum, Kinderlose zu bestrafen (vgl. BT-Drucks. a.a.O. S. 5). Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt hier ein Verfassungsverstoß auch nicht im Hinblick darauf vor, dass der Gesetzgeber lediglich das Merkmal der fehlenden Elternschaft, d.h. der Kinderlosigkeit, als Differenzierungskriterium aufgegriffen und nicht weiter danach unterschieden hat, ob die Kinderlosigkeit auf einer bewussten Entscheidung oder auf medizinischen Gründen beruht. Letzteres Kriterium, das die Klägerin vor allem im Hinblick auf die im August 2002 festgestellte Erkrankung an Brustkrebs, weshalb es bei ihr wegen einer Hormontherapie indiziert sei, innerhalb der insgesamt fünf Jahre dauernden Behandlung nicht schwanger zu werden, geltend macht, ist nicht geeignet, eine unterschiedliche Behandlung im Einzelfall innerhalb der Gruppe der Kinderlosen zu rechtfertigen. Unabhängig davon, dass es sich dabei um ein Kriterium handelt, das kaum einer Nachprüfung durch die Behörden oder die Gerichte zugänglich wäre, ist es auch nicht angezeigt, hierauf im Rahmen einer Härtefallregelung im Einzelfall abzustellen. Abgesehen davon würde eine auf medizinischen Gründen beruhende Kinderlosigkeit es nicht ausschließen, beispielsweise eine Elternschaft durch Adoption oder durch Inpflegenahme zu begründen. Das BVerfG hat vor allem auch darauf abgestellt, dass Kinder erziehende Versicherte nicht nur einen zeitlichen Aufwand für die Kindererziehung erbringen müssen, sondern auch finanzielle Belastungen zu tragen haben, die bei kinderlosen Versicherten nicht auftreten. Hieran hat das BVerfG in erster Linie die verfassungswidrige Gleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen festgemacht. Dieser Umstand tritt allerdings in allen Gruppen der kinderlosen Versicherten auf. Ob die derzeitige Kinderlosigkeit auf einer eigenen Entscheidung, auf medizinischen oder sonstigen Gründen beruht, ist unerheblich. Auch Versicherte, die zwar Kinder wünschen, sie aber aus den verschiedensten Gründen nicht bekommen können, sind im Regelfall weder daran gehindert, durchgehend versicherungspflichtig beschäftigt zu sein, noch sind sie in finanzieller Hinsicht hierdurch eingeschränkt. Eine weitere Differenzierung der Beitragslast innerhalb der Gruppe der Kinderlosen ist deshalb aus der Sicht des Senats nicht angezeigt (vgl. auch Urteil des Senats vom 05. Oktober 2007, a.a.O.).

Gründe, den Rechtsstreit auszusetzen und dem BVerfG nach Art. 100 GG vorzulegen, sind deshalb für den Senat nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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