L 9 B 166/07 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 185/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 B 166/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, mit dem eine vorläufige Entscheidung über die Förderung der Teilnahme einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme ( Eingliederungsmaßnahme) erstrebt wird, ist ein Anordnungsgrund im Regelfall nicht gegeben.

2. Eine Unzumutbarkeit, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, kann dann angenommen werden, wenn es sich um die einzige in Betracht kommende Maßnahme handelt, die zudem der Art nach nicht regelmäßig angeboten wird.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 07.09.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung einer Weiterbildungsmaßnahme zum Internetentwickler ab April 2008.

Der am 00.00.1966 geborene Antragsteller bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II. Am 27.03.2007 beantragte er die Übernahme der Kosten einer Weiterbildung zum Internetentwickler für die Dauer von zwölf Monaten ab dem 02.04.2007 bei dem Bildungsträger Q in I. Mit Bescheid vom 03.04.2007 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Am 05.04.2007 beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Detmold (S 7 AS 57/07 ER) mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenübernahme für die Weiterbildung. Mit Beschluss vom 18.04.2007 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das LSG NRW mit Beschluss vom 21.05.2007 zurück (L 9 B 74/07 AS ER).

Bereits am 08.05.2007 hatte der Antragsteller Untätigkeitsklage wegen der Nichtbescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 03.04.2007 vor dem Sozialgericht Detmold erhoben (S 7 AS 83/07). Er trug vor, dass er die Möglichkeit habe, ab dem 24.08.2007 in das zweite Modul des Kurses einzusteigen. Er hätte vorher gerne eine Entscheidung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2007 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.04.2007 als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus, dass die seitens des Antragstellers begehrte Fortbildung auf Grund des Fehlens jeglicher Berufserfahrung in regulärer dauerhafter Beschäftigung als nicht sinnvoll und vertretbar erachtet werde. Mit Schreiben vom 19.07.2007 teilte der Antragsteller mit, dass er an der Untätigkeitsklage weiter festhalte, da es seitens der Antragsgegnerin kein Konzept für eine Integration in eine Bildungsmaßnahme gäbe.

Mit Schreiben vom 01.08.2007 wandte sich der Antragsteller an das Sozialgericht Detmold und teilte mit, dass auf seinen Eilantrag vom 05.07.2007 für die Fortbildung Internetentwickler (Einstieg in das zweite Modul) ab dem 24.08.2007 bislang keine Antwort vorliege. Er leite deshalb eine Untätigkeitsklage ein. Auf Hinweis des Sozialgerichts zur Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage hat der Antragsteller mit Schreiben vom 30.08.2007 mitgeteilt, dass er den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehre. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit, dass ihr ein Antrag vom 05.07.2005 nicht vorliege.

Mit Schreiben vom 06.09.2007 teilte der Antragsteller mit, dass ein Beginn der Maßnahme ab dem 24.08.2007 nicht mehr möglich sei. Er begehre nunmehr die Gewährung der Maßnahme ab April 2008. Er habe sich für die Teilnahme ab Anfang April 2008 eintragen lassen. Kostenübernahme habe er mit einem Schreiben vom 05.09.2007 beantragt.

Auf telefonische Nachfrage des Sozialgerichts Detmold teilte der Maßnahmeträger mit, die Maßnahme solle am 07.04.2008 beginnen. Plätze seien sicher bis Mitte Februar zu buchen.

Mit Beschluss vom 07.09.2007 hat das Sozialgericht Detmold den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einer Eilbedürftigkeit und damit einem Anordnungsgrund. Es bestehe noch genügend Zeit, ein Verwaltungsverfahren bezüglich des neuen Maßnahmebeginns durchzuführen.

Gegen den am 11.09.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schreiben vom 17.09.2007 (Eingang: 18.09.2007) Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, er wolle eine Entscheidung über den Beginn der Maßnahme erreichen und nicht eine Entscheidung über ein längeres Verwaltungsverfahren. Die Eilbedürftigkeit habe er schon mit Untätigkeitsklage vom 01.08.2007 glaubhaft gemacht, um einen Einstieg ab dem 24.08.2007 zu erreichen. Um seinen weiteren beruflichen Lebensweg überhaupt planen zu können, sei eine Entscheidung erforderlich.

Die Antragsgegnerin hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig. Sie trägt vor, dass über den Antrag hinsichtlich der im April 2008 beginnenden Maßnahme noch nicht entschieden werden könne, da dieses einen Eingriff in ein offenes Verfahren bedeuten würde. Mit einer Entscheidung über den Antrag sei erst nach Abschluss des Klageverfahrens zu rechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein.

Anordnungsgrund kann nur die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sein. Entscheidend ist insoweit, ob es nach den Umständen des Einzelfalles für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Ein wesentlicher Nachteil liegt vor, wenn der Antragsteller konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist oder ihm sogar die Vernichtung der Lebensgrundlage droht. Auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile, die entstehen, wenn das Ergebnis eines langwierigen Hauptsacheverfahrens abgewartet werden müsste, können ausreichen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 14.02.2007, L 9 B 6/07 AS ER).

Vorliegend fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Der Antragsteller hat keine Nachteile im o.g. Sinne glaubhaft gemacht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass derartige Nachteile ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung drohen würden.

Soweit sich der Antragsteller darauf bezieht, dass bereits seine Anträge hinsichtlich der am 02.04. und 24.08.2007 beginnenden Maßnahmen erfolglos geblieben seien, kann dies eine gegenwärtige Notlage im o.g. Sinne nicht begründen. Denn ein Einstieg in diese Maßnahmen ist - auch nach dem Vortrag des Antragstellers - aktuell nicht (mehr) möglich, so dass es insofern einer vorläufigen Regelung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch das Gericht nicht bedarf.

Auch hinsichtlich der am 07.04.2008 beginnenden Maßnahme hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund im o.g. Sinne nicht glaubhaft gemacht. Die Maßnahme beginnt erst in ca. 5 ½ Monaten. Nach Auskunft des Maßnahmeträgers ist eine Meldung sicher bis Mitte Februar 2008 möglich. Soweit Plätze frei sind, kann eine Meldung auch noch kurzfristiger erfolgen. Zwar vertritt die Antragsgegnerin die Auffassung, den Antrag vom 05.09.2007 auf Grund des noch anhängigen Klageverfahrens hinsichtlich der am 02.04.2007 begonnenen Maßnahme nicht bescheiden zu müssen, da es sich um einen Eingriff in ein offenes Verfahren handeln würde. Der Antragsteller hat aber insofern die Möglichkeit, nach Maßgabe des § 88 Abs. 1 SGG Untätigkeitsklage zu erheben. Einem solchen Klageverfahren wäre es vorbehalten, zu prüfen, ob die Antragsgegnerin einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung des Antrags auf Grund des bereits anhängigen Klageverfahrens hat. Durch die Möglichkeit der Erhebung der Untätigkeitsklage ist dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers hinreichend Rechnung getragen. Dies gilt umso mehr, als die Sperrfrist gemäß § 88 Abs. 1 SGG ausnahmsweise nicht eingehalten werden muss, wenn die Behörde eindeutig und unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass sie nicht entscheiden werde, eine Sachentscheidung also abgelehnt hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 88, Rn. 5 b, m.w.N.).

Unabhängig davon sprechen erhebliche Gründe generell gegen eine Eilbedürftigkeit. Es ist grundsätzlich nicht ausreichend für die Eilbedürftigkeit, dass ein arbeitsuchender Alg-II-Bezieher eine Maßnahme besuchen will, deren Beginn demnächst bevorsteht. Ist - wie hier - die Kostenfrage streitig, so ist in aller Regel das Verfahren in der Hauptsache der einzige Weg, die streitigen Fragen - und sei es auch nur dem Grunde nach - zu klären. Etwas anderes kann nur gelten, wenn es sich objektiv um die einzige für den Antragsteller in Betracht kommende Maßnahme handelt, die zudem auch nicht der Art nach regelmäßig angeboten wird oder der Antragsteller offensichtlich die gesetzlichen Voraussetzungen für die Teilnahme erfüllt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient nämlich nicht der Umgehung des (normalen) Klageverfahrens sondern ausschließlich der Behebung einer aktuellen Notsituation, die ein Abwarten nicht zulässt. Davon kann hier keine Rede sein. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen Antragsteller handelt, dem - trotz der Vollendung des 40. Lebensjahres - jegliche Berufserfahrung in einer regulären dauerhaften Beschäftigung fehlt. Gerade in einem solchen Fall dürfte das Klageverfahren unumgänglich sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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