L 4 KR 2268/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 2588/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2268/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. April 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die 1940 geborene Antragstellerin ist Mitglied der Antragsgegnerin. Sie ist verheiratet und erzieht ihr 1995 geborenes Enkelkind. Seit November 2006 bezieht sie Regelaltersrente. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) von 60 festgestellt. Auf Kosten der Antragsgegnerin erfolgte vom 23. Juli bis 13. August 2003 eine "Mutter-Kind-Kur". Einen im Jahre 2005 von der Antragstellerin gestellten Antrag auf eine Vorsorgemaßnahme für "Mutter und Kind" lehnte die Antragsgegnerin ab (Bescheid vom 7. Juli 2005).

Unter dem 25. Februar 2007 beantragte die Antragstellerin erneut eine stationäre Vorsorgemaßnahme. Sie gab an, Beschwerden habe sie wegen eines Weichteilrheumas, einer Arthrose an beiden Handgelenken, eines deformierten rechten Handgelenks, einer beginnenden Alterssteife sowie eines Bandscheibenvorfalls an der Halswirbelsäule. Sie habe seit drei Jahren Tag und Nacht Schmerzen. Von der Vorsorgemaßnahme erwarte sie Abstand von der übrigen Familie sowie Stressabbau. Die Internisten Dres. B. und S.-B. nannten in der ärztlichen Verordnung vom 9. März 2007 als Hauptdiagnose einen schweren psychischen Erschöpfungszustand sowie als Nebendiagnosen eine schwere Fingergelenksarthrose und ein chronisches Schmerzsyndrom. Sie verwiesen auf die familiäre Belastung durch die Erziehung des Enkelkinds, die Unterstützung der psychisch kranken Tochter sowie der Betreuung des hirnkranken Ehemanns. Wegen des Kindes sei eine Allergiefreiheit als besondere Anforderung an den Kurort zu stellen. Internist Dr. G., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), sah nach einer Besprechung am 26. März 2007 keine Indikation für eine "Oma-Enkel-Kur". Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin den Antrag mit Schreiben vom 28. März 2007, das nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ab. Es müssten weiterhin die ambulanten Möglichkeiten genutzt werden, um eine dauerhafte Verbesserung der familiären Belastungssituation zu erzielen. Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 31. März 2007 Widerspruch. Ihre gesundheitlichen Probleme hätten sich verschlimmert. Ihre Hausärztin habe die unbedingt erforderliche "Mutter-Kind-Kur" befürwortet, weil sie die Familienprobleme und -krankheiten kenne. Sie legte die Bescheinigung der Landeshauptstadt Stuttgart - Jugendamt - vom 4. Februar 2003 vor, wonach sich das Enkelkind seit 1. September 2002 auf nicht absehbare Zeit in ihrem und ihres Ehemanns Haushalt in Vollzeitpflege befinde.

Am 2. April 2007 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Stuttgart, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine "Oma-Enkelkind-Kur" zu gewähren. Sie verwies auf die Begründung ihres Widerspruchs und legte Unterlagen des im Jahre 2005 durchgeführten Antragsverfahrens auf eine entsprechende Vorsorgemaßnahme vor, die die Antragsgegnerin damals abgelehnt hatte.

Die Antragsgegnerin verwies auf die Stellungnahme des MDK.

Das Sozialgericht hörte Facharzt für Orthopädie Dr. Be. und Internistin Dr. S.-B. als sachverständige Zeugen. Dr. Be. gab an (Schreiben vom 23. April 2007), die Gesundheit der Antragstellerin sei durch degenerative Veränderungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule eingeschränkt. Es bestehe eine erhebliche Funktionseinschränkung und Minderbelastbarkeit der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie des rechten Handgelenks und beider Füße. Es seien chiro- und neutraltherapeutische Behandlungsmaßnahmen sowie intramuskuläre Injektionen erfolgt. Für das rechte Handgelenk sei Krankengymnastik rezeptiert worden. Außerdem habe er Spreizfuß-Bandagen verordnet. Ob eine stationäre "Oma-Enkelkind-Kur" medizinisch notwendig sei, könne von ihm nicht beurteilt werden, gegebenenfalls wäre auch eine ambulante Rehabilitation möglich. Die Anwesenheit des Enkelkinds sei erforderlich, sofern die Antragstellerin das Kind aufziehe. Eine besondere Dringlichkeitsstufe könne nicht festgelegt werden. Mittelfristig erscheine es sinnvoll, der Antragstellerin eine Kur zu befürworten. Dr. S.-B. gab an (Schreiben vom 24. März 2007), die Antragstellerin sei durch die außergewöhnliche häusliche Belastung geschwächt und benötige dringend eine psycho-physische Stabilisierung. Erfolgt seien Injektionentherapien, physikalische Maßnahmen sowie Chirotherapie. Zu ambulanten Maßnahmen rate sie nicht, weil diese aus Zeitgründen nicht wahrgenommen werden könnten und es dadurch zu einer zusätzlichen Belastung für die Antragstellerin komme. Der Ehemann sei nicht in der Lage, den Enkel zu versorgen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 30. April 2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es sei unter Berücksichtigung der Angaben der behandelnden Ärzte nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragstellerin schwerwiegende Gesundheitsfolgen drohten, wenn sie nicht kurzfristig eine "Oma-Enkelkind-Kur" durchführe. Es sei ihr zuzumuten, die Entscheidungen in der Hauptsache (Widerspruchsverfahren und gegebenenfalls nachfolgendes Klageverfahren) abzuwarten. Sie sei mit ambulanten Maßnahmen jedenfalls vorläufig ausreichend versorgt.

Gegen den ihr am 3. Mai 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 7. Mai 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 15. Mai 2007). Behandlungen am Wohnort seien wegen des großen Aufwands unmöglich. Ihr Erschöpfungszustand sei so weit fortgeschritten, dass sie sich bald außerhalb der Kurfähigkeit befinde.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine stationäre Rehabilitation in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Es lägen keine ausreichenden medizinischen Gründe für die Durchführung einer stationären Vorsorgemaßnahme für Oma und Enkelkind vor, was auch die vom Sozialgericht eingeholten ärztlichen Auskünfte bestätigten.

II.

Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist statthaft (§ 172 SGG) und zulässig, aber nicht begründet. Der Senat weist die Beschwerde der Klägerin aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Denn das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG, die Beklagte zu verpflichten, ihr (der Klägerin) eine stationäre Rehabilitation in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme zu bewilligen, zu Recht abgelehnt. Das Sozialgericht hat zutreffend einen Anordnungsgrund verneint. Ein Anordnungsgrund kann in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde. Der Klägerin ist zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Die vom Sozialgericht gehörten behandelnden Ärzte Dres. Be. und S.-B. haben in ihren sachverständigen Zeugenauskünften gegenüber dem Sozialgericht Gründe für eine besondere Dringlichkeit, die die Durchführung der begehrten Maßnahme vor der abschließenden Entscheidung durch die Antragsgegnerin und gegebenenfalls die Gerichte gebietet, nicht genannt. Sie ergibt sich auch nicht aus den sonstigen Angaben der behandelnden Ärzte.

Das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren führt zu keiner anderen Entscheidung. Es ist nicht erkennbar, das ausschließlich eine stationäre Rehabilitation erforderlich ist und eine ambulante Rehabilitation ausscheidet. Die Möglichkeit einer ambulanten Rehabilitation lässt sich nicht allein mit einem behaupteten großen Aufwand, der zusätzlich zu der Versorgung der Familienangehörigen anfalle, verneinen. Sollte die Antragstellerin eine stationäre Rehabilitation durchführen, müsste für die Zeit ihrer Abwesenheit die Versorgung jedenfalls ihres Ehemannes sichergestellt werden, z. B. durch Haushaltshilfe nach § 38 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Es ist nicht erkennbar, weshalb dies nicht in entsprechender Weise auch bei einer ambulanten Rehabilitation erfolgen könnte, sodass der Antragstellerin ausreichend Zeit für die Behandlungen einer ambulanten Rehabilitation zur Verfügung stünde. Die von Dr. S.-B. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 24. März 2007 genannte Befürchtung könnte damit nicht bestehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved