Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 77/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 344/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16. November 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB II. Konkret streiten die Parteien wegen der Teilnahme der Klägerin an einer Trainingsmaßnahme.
Die 46-jährige Klägerin ist gelernte Krankenschwester und hat einen Abschluss als Sozialpädagogin (FH). Sie ist jedoch bereits längere Zeit arbeitslos und bezieht seit 01.01.2005 Arbeitslosengeld (Alg) II.
Die Beklagte übersandte der Klägerin ein Schreiben vom 20.01.2006, das als "Angebot einer Maßnahme der Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahme nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 48 ff. SGB III" überschrieben und mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen war. Darin wurde der Klägerin die Teilnahme an der Maßnahme "SGB II - bevorzugt Frauen" vorgeschlagen; die Maßnahme wurde durchgeführt im Bauhof L. vom 30.01. bis 10.02.2006.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 20.01.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung brachte sie vor, bei der Maßnahme handle es sich um eine nicht gerechtfertigte Sanktion. Die Maßnahme eigne sich nicht, berufliche Kompetenzen festzustellen. Dennoch nahm sie an der Trainingsmaßnahme teil.
Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2006 als unzulässig. Das Maßnahmeangebot, so die Begründung, sei kein Verwaltungsakt. Ob die Ablehnung einer zumutbaren Maßnahme zu Sanktionen im Sinn von § 31 SGB II führe, sei weder Gegenstand des Widerspruchsverfahrens noch im Vorfeld einer entsprechenden Entscheidung als Verwaltungsakt zu definieren.
Klage erhoben hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.02.2006. Sie trägt vor, die vorliegende Trainingsmaßnahme diene lediglich zur kostenlosen Übernahme von Reinigungsarbeiten. Es sei weder qualifiziertes Reinigungspersonal noch pädagogisch geschultes Personal zur Stelle. Ein koordiniertes Vorgehen sei nicht zu erkennen. Das Sozialgericht Landshut hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.11.2006 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, es fehle an einem Verwaltungsakt; das Schreiben der Beklagten vom 20.01.2006 sei nicht als solcher einzustufen.
Berufung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.12.2006 eingelegt. Bei der Maßnahme, so die Klägerin zur Begründung, habe es sich lediglich um Putzarbeiten gehandelt. Der Stadt L. sei es nur darum gegangen, sich reguläres Reinigungspersonal zu sparen. Die Alg II-Empfängerinnen seien während der Arbeitszeit sich selbst überlassen gewesen. Fachliche oder pädagogische Anweisungen seien nicht gegeben worden. Die Arbeitsumstände seien unzumutbar gewesen. Die Maßnahme sei weder zumutbar gewesen noch habe sie die Vermittlungschancen der Klägerin verbessert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16.11.2006 sowie das Schreiben der Beklagten vom 20.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihrer ablehnenden Haltung verweist sie auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zwar zulässig. Sie bleibt aber dennoch ohne Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig beurteilt.
1. Nicht Streitgegenstand ist der sich ab 13.02.2006 an die Trainingsmaßnahme anschließende Ein-Euro-Job. Weder im Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 27.02.2006 noch im Widerspruch und auch nicht im Klage- und Berufungsschriftsatz hat die Klägerin zu erkennen gegeben, sie wolle den Streitgegenstand entsprechend erweitert haben. Angegriffen ist nicht nur der Widerspruchsbescheid vom 30.01.2006, obwohl das wegen der Behandlung des Widerspruchs als unzulässig hier nicht fern läge (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2005, § 79 RdNr. 11; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., Sozialgerichtsgesetz, 8.Auflage 2005, § 95 RdNr. 3a), sondern das Schreiben vom 20.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids.
2. Als Anfechtungsklage ist die Klage nicht zulässig. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zufolge liegt eine Anfechtungsklage dann vor, wenn die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird. An dieser Stelle kann noch dahin stehen, ob das Schreiben vom 20.01.2006 einen Verwaltungsakt verkörpert. Jedenfalls hätte sich der vermeintliche Verwaltungsakt dadurch erledigt, dass die Trainingsmaßnahme durchgeführt wurde und die Klägerin auch ordnungsgemäß daran teilnahm. Damit wäre eine Beschwer der Klägerin entfallen. Dies würde auch für eine auf Kassation des Schreibens vom 20.01.2006 gerichtete Leistungsklage gelten, wenn man vom fehlenden Verwaltungsaktscharakter ausgehen würde (vgl. dazu unten 3.).
3. Auch eine so genannte Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig. Für die Fälle, dass sich ein Verwaltungsakt erledigt hat, gibt § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG die Möglichkeit, bei spezifischem Interesse die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses erledigten Verwaltungsaktes zu beantragen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist hier jedoch nicht statthaft, weil das Schreiben der Beklagten vom 20.01.2006 keinen Verwaltungsakt im Sinn von § 31 SGB X beinhaltet; denn auch sie ist verwaltungsaktsspezifisch (vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 10. Auflage 2000, § 11 RdNr. 10). War bereits die erledigte Klage unzulässig, ist es nach Eintritt des erledigenden Ereignisses auch die Fortsetzungsfestellungsklage (vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, a.a.O., § 11 RdNr. 18). Das ist hier der Fall, so dass die Frage offen bleiben kann, ob ein spezifisches Interesse an der Feststellung bestünde.
Eine Anfechtungsklage war bereits vor dem Erledigungseintritt unzulässig, weil nicht statthaft. Bei dem Schreiben vom 20.01.2006 handelt es sich in der Tat um ein bloßes Angebot ohne Regelungscharakter. Zunächst liegt kein so genannter Formverwaltungsakt vor, dessen Verwaltungsaktscharakter allein aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes anzunehmen wäre (vgl. dazu BSGE 91, 68 RdNr. 10 ff.; BSG SozR 4-1200 § 52 SGB I Nr. 1 RdNr. 9; BSGE 95, 176 RdNr. 11). Denn für das Schreiben vom 20.01.2006 trifft dies nicht zu. Das Angebot ist nicht in Bescheidsform, sondern als normales Anschreiben mit Anrede und gängiger Schlussformel "Mit freundlichen Grüßen" gefasst; eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Bereits der Betreff weist deutlich aus, es handle sich um ein "Angebot". Im Text des Briefes ist davon die Rede, die Beklagte würde der Klägerin die Teilnahme an der Maßnahme "anbieten". Der Umstand, dass eine Rechtsfolgenbelehrung im Sinn des § 31 Abs. 1 SGB II beigefügt war, ist insoweit nicht relevant.
Auch wenn man vorrangig auf den Inhalt des Schreibens vom 20.01.2006 abstellt, ergibt sich kein anderes Bild. Ein Verwaltungsakt setzt voraus, dass es sich bei einer Maßnahme um eine Regelung handelt. Von einer Regelung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn ihr ein Verbindlichkeitsanspruch beigegeben ist (wobei "Vollstreckbarkeit" nicht unbedingte Voraussetzung ist). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Der Klägerin ist mit dem Schreiben vom 20.01.2006 die Teilnahme an der Maßnahme nicht unter Ausübung staatlicher Macht "befohlen" worden. Dieses war als bloßes Angebot bezeichnet worden und auch als solches aufzufassen. Daran vermag nichts zu ändern, dass das An-gebot möglicherweise die Vorstufe zu einer Absenkung nach § 31 SGB II verkörpern mag. Auch wenn die "Sanktionsnähe" des Angebots zugegebenermaßen deutlich spürbar ist (vgl. Köhler, Anmerkung zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.01.2005 - B 11a/11 AL 39/04 R, SGb 2005, S. 598), so gehört es unter diesem Blickwinkel dennoch zu den lediglich vorbereitenden Maßnahmen, die für sich noch keine Verwaltungsakte sind (vgl. BSGE 95, 176 RdNr. 10 m.w.N.; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 31 RdNr. 27).
Dieses Ergebnis findet Bestätigung durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu entsprechenden Maßnahmen nach dem SGB III. Im vorliegenden Fall findet das Angebot für die Trainingsmaßnahme in § 16 Abs. 1 SGB II seine rechtliche Verankerung. Dieser Regelungskomplex lehnt sich sehr stark - wie bereits die gesetzlichen Verweisungen zeigen - an das Arbeitsförderungsrecht an. So erscheint zwingend geboten, an dieser Stelle das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.01.2005 - B 11 A/11 AL 39/04 R - (SozR 4-1300 § 63 SGB X Nr. 2) zu berücksichtigen. Diese Entscheidung äußert sich zu einem Maßnahmeangebot nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB III, weswegen die Parallelität auf der Hand liegt: Das Bundessozialgericht hat ausgeführt, bei dem Angebot oder dem Vorschlag handle es sich lediglich um eine Verfahrenshandlung, die der Vorbereitung der eigentlichen Sachentscheidung diene. Es weist darauf hin, auch die auf die Arbeitsvermittlung eines Arbeitslosen gerichtete Tätigkeit der Bundesagentur für Arbeit sei grundsätzlich nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet, sondern sei schlichtes Verwaltungshandeln. Der Umstand, dass in einer Rechtsfolgenbelehrung auf § 144 SGB III hingewiesen werde, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Dieser Hinweis verdeutliche gerade den fehlenden Regelungscharakter; eine Sachentscheidung stehe gerade noch aus. Die Teilnahmeobliegenheit sei nicht mittels Verwaltungszwang durchsetzbar. Erst im Rahmen der Sperrzeitentscheidung seien Eignung und Zumutbarkeit der Maßnahme zu prüfen (vgl. auch BSGE 95, 176 RdNr. 11; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 14.09.2006 - L 7 AS 97/06; zustimmend Köhler, a.a.O.).
Die Konstellation ist im vorliegenden Fall nahezu identisch. Der Senat sieht bei Trainingsmaßnahmen auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 SGB II keine tragfähigen Gründe, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht darauf zu übertragen. Nicht beigepflichtet werden kann Stimmen, die versuchen, signifikante Unterschiede zwischen den Regularien des SGB II und des SGB III herauszuarbeiten und damit eine Unanwendbarkeit der zitierten BSG-Rechtsprechung zu begründen. So wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht, die Prüfprogramme des § 31 Abs. 1 SGB II und des § 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 4 SGB III als signifikant unterschiedlich einzustufen. Falsch wäre auch, eine Differenzierung daraus abzuleiten, § 31 SGB II sehe härtere Sanktionen vor als § 144 SGB III; das nämlich ist nicht der Fall. Zunächst dürfte im Regelungsbereich des SGB II eine Leistungsabsenkung von vornherein erschwert sein. Denn eine Sanktionierung des Nichtantritts einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme erscheint nach gegenwärtigem Rechtsstand nur auf der Basis des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b oder c SGB II möglich (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 31 RdNr. 52), während § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III einen unmittelbaren Sperrzeittatbestand verkörpert. Ungeachtet dessen bewirkt § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II, dass derjenige, der von einer Sperrzeit nach § 144 SGB III betroffen ist, grundsätzlich nicht als Ersatz das volle Alg II, sondern auch dieses nur in abgesenkter Höhe beziehen kann.
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt nicht, das Schreiben vom 20.01.2006 als Verwaltungsakt zu behandeln und der Klägerin so die Anfechtungsklage zu ermöglichen. Denn diesem ist dadurch Genüge getan, dass der eine Ab-senkung umsetzende Bescheid gerichtlich angegriffen werden kann. Mancher Betroffene mag es zwar beunruhigend finden, eine berufliche Eingliederungsmaßnahme zu verweigern und so die Absenkung zu riskieren; ein emotionales Bedürfnis, bereits im Vorfeld die Verhältnisse gerichtlich klären zu lassen und es nicht "darauf ankommen zu lassen", kann nicht geleugnet werden. Von verfassungsrechtlicher Relevanz ist dieser Aspekt jedoch nicht.
4. Eine allgemeine Festsellungsklage nach § 55 SGG ist deswegen unzulässig, weil es an einem Feststellungsinteresse fehlt. Denn das Schreiben vom 20.01.2006 hat als solches keine Beschwer begründet. Diese würde sich erst dann ergeben, wenn nach einer Nichtteilnahme an der Maßnahme eine Bescheid auf der Grundlage von § 31 SGB II ergehen würde. Ein solcher könnte je nach Fallgestaltung mit der reinen Anfechtungsklage oder aber mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen werden. Es besteht keine insbesondere keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, gerichtlichen Rechtsschutz bereits im Vorfeld gegen vorbereitende Maßnahmen zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft Leistungen zur Eingliederung nach dem SGB II. Konkret streiten die Parteien wegen der Teilnahme der Klägerin an einer Trainingsmaßnahme.
Die 46-jährige Klägerin ist gelernte Krankenschwester und hat einen Abschluss als Sozialpädagogin (FH). Sie ist jedoch bereits längere Zeit arbeitslos und bezieht seit 01.01.2005 Arbeitslosengeld (Alg) II.
Die Beklagte übersandte der Klägerin ein Schreiben vom 20.01.2006, das als "Angebot einer Maßnahme der Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahme nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 48 ff. SGB III" überschrieben und mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen war. Darin wurde der Klägerin die Teilnahme an der Maßnahme "SGB II - bevorzugt Frauen" vorgeschlagen; die Maßnahme wurde durchgeführt im Bauhof L. vom 30.01. bis 10.02.2006.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 20.01.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung brachte sie vor, bei der Maßnahme handle es sich um eine nicht gerechtfertigte Sanktion. Die Maßnahme eigne sich nicht, berufliche Kompetenzen festzustellen. Dennoch nahm sie an der Trainingsmaßnahme teil.
Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2006 als unzulässig. Das Maßnahmeangebot, so die Begründung, sei kein Verwaltungsakt. Ob die Ablehnung einer zumutbaren Maßnahme zu Sanktionen im Sinn von § 31 SGB II führe, sei weder Gegenstand des Widerspruchsverfahrens noch im Vorfeld einer entsprechenden Entscheidung als Verwaltungsakt zu definieren.
Klage erhoben hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.02.2006. Sie trägt vor, die vorliegende Trainingsmaßnahme diene lediglich zur kostenlosen Übernahme von Reinigungsarbeiten. Es sei weder qualifiziertes Reinigungspersonal noch pädagogisch geschultes Personal zur Stelle. Ein koordiniertes Vorgehen sei nicht zu erkennen. Das Sozialgericht Landshut hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.11.2006 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, es fehle an einem Verwaltungsakt; das Schreiben der Beklagten vom 20.01.2006 sei nicht als solcher einzustufen.
Berufung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.12.2006 eingelegt. Bei der Maßnahme, so die Klägerin zur Begründung, habe es sich lediglich um Putzarbeiten gehandelt. Der Stadt L. sei es nur darum gegangen, sich reguläres Reinigungspersonal zu sparen. Die Alg II-Empfängerinnen seien während der Arbeitszeit sich selbst überlassen gewesen. Fachliche oder pädagogische Anweisungen seien nicht gegeben worden. Die Arbeitsumstände seien unzumutbar gewesen. Die Maßnahme sei weder zumutbar gewesen noch habe sie die Vermittlungschancen der Klägerin verbessert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16.11.2006 sowie das Schreiben der Beklagten vom 20.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihrer ablehnenden Haltung verweist sie auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zwar zulässig. Sie bleibt aber dennoch ohne Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig beurteilt.
1. Nicht Streitgegenstand ist der sich ab 13.02.2006 an die Trainingsmaßnahme anschließende Ein-Euro-Job. Weder im Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 27.02.2006 noch im Widerspruch und auch nicht im Klage- und Berufungsschriftsatz hat die Klägerin zu erkennen gegeben, sie wolle den Streitgegenstand entsprechend erweitert haben. Angegriffen ist nicht nur der Widerspruchsbescheid vom 30.01.2006, obwohl das wegen der Behandlung des Widerspruchs als unzulässig hier nicht fern läge (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Auflage 2005, § 79 RdNr. 11; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., Sozialgerichtsgesetz, 8.Auflage 2005, § 95 RdNr. 3a), sondern das Schreiben vom 20.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids.
2. Als Anfechtungsklage ist die Klage nicht zulässig. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zufolge liegt eine Anfechtungsklage dann vor, wenn die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird. An dieser Stelle kann noch dahin stehen, ob das Schreiben vom 20.01.2006 einen Verwaltungsakt verkörpert. Jedenfalls hätte sich der vermeintliche Verwaltungsakt dadurch erledigt, dass die Trainingsmaßnahme durchgeführt wurde und die Klägerin auch ordnungsgemäß daran teilnahm. Damit wäre eine Beschwer der Klägerin entfallen. Dies würde auch für eine auf Kassation des Schreibens vom 20.01.2006 gerichtete Leistungsklage gelten, wenn man vom fehlenden Verwaltungsaktscharakter ausgehen würde (vgl. dazu unten 3.).
3. Auch eine so genannte Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig. Für die Fälle, dass sich ein Verwaltungsakt erledigt hat, gibt § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG die Möglichkeit, bei spezifischem Interesse die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses erledigten Verwaltungsaktes zu beantragen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist hier jedoch nicht statthaft, weil das Schreiben der Beklagten vom 20.01.2006 keinen Verwaltungsakt im Sinn von § 31 SGB X beinhaltet; denn auch sie ist verwaltungsaktsspezifisch (vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 10. Auflage 2000, § 11 RdNr. 10). War bereits die erledigte Klage unzulässig, ist es nach Eintritt des erledigenden Ereignisses auch die Fortsetzungsfestellungsklage (vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, a.a.O., § 11 RdNr. 18). Das ist hier der Fall, so dass die Frage offen bleiben kann, ob ein spezifisches Interesse an der Feststellung bestünde.
Eine Anfechtungsklage war bereits vor dem Erledigungseintritt unzulässig, weil nicht statthaft. Bei dem Schreiben vom 20.01.2006 handelt es sich in der Tat um ein bloßes Angebot ohne Regelungscharakter. Zunächst liegt kein so genannter Formverwaltungsakt vor, dessen Verwaltungsaktscharakter allein aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes anzunehmen wäre (vgl. dazu BSGE 91, 68 RdNr. 10 ff.; BSG SozR 4-1200 § 52 SGB I Nr. 1 RdNr. 9; BSGE 95, 176 RdNr. 11). Denn für das Schreiben vom 20.01.2006 trifft dies nicht zu. Das Angebot ist nicht in Bescheidsform, sondern als normales Anschreiben mit Anrede und gängiger Schlussformel "Mit freundlichen Grüßen" gefasst; eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Bereits der Betreff weist deutlich aus, es handle sich um ein "Angebot". Im Text des Briefes ist davon die Rede, die Beklagte würde der Klägerin die Teilnahme an der Maßnahme "anbieten". Der Umstand, dass eine Rechtsfolgenbelehrung im Sinn des § 31 Abs. 1 SGB II beigefügt war, ist insoweit nicht relevant.
Auch wenn man vorrangig auf den Inhalt des Schreibens vom 20.01.2006 abstellt, ergibt sich kein anderes Bild. Ein Verwaltungsakt setzt voraus, dass es sich bei einer Maßnahme um eine Regelung handelt. Von einer Regelung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn ihr ein Verbindlichkeitsanspruch beigegeben ist (wobei "Vollstreckbarkeit" nicht unbedingte Voraussetzung ist). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Der Klägerin ist mit dem Schreiben vom 20.01.2006 die Teilnahme an der Maßnahme nicht unter Ausübung staatlicher Macht "befohlen" worden. Dieses war als bloßes Angebot bezeichnet worden und auch als solches aufzufassen. Daran vermag nichts zu ändern, dass das An-gebot möglicherweise die Vorstufe zu einer Absenkung nach § 31 SGB II verkörpern mag. Auch wenn die "Sanktionsnähe" des Angebots zugegebenermaßen deutlich spürbar ist (vgl. Köhler, Anmerkung zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.01.2005 - B 11a/11 AL 39/04 R, SGb 2005, S. 598), so gehört es unter diesem Blickwinkel dennoch zu den lediglich vorbereitenden Maßnahmen, die für sich noch keine Verwaltungsakte sind (vgl. BSGE 95, 176 RdNr. 10 m.w.N.; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 31 RdNr. 27).
Dieses Ergebnis findet Bestätigung durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu entsprechenden Maßnahmen nach dem SGB III. Im vorliegenden Fall findet das Angebot für die Trainingsmaßnahme in § 16 Abs. 1 SGB II seine rechtliche Verankerung. Dieser Regelungskomplex lehnt sich sehr stark - wie bereits die gesetzlichen Verweisungen zeigen - an das Arbeitsförderungsrecht an. So erscheint zwingend geboten, an dieser Stelle das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.01.2005 - B 11 A/11 AL 39/04 R - (SozR 4-1300 § 63 SGB X Nr. 2) zu berücksichtigen. Diese Entscheidung äußert sich zu einem Maßnahmeangebot nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB III, weswegen die Parallelität auf der Hand liegt: Das Bundessozialgericht hat ausgeführt, bei dem Angebot oder dem Vorschlag handle es sich lediglich um eine Verfahrenshandlung, die der Vorbereitung der eigentlichen Sachentscheidung diene. Es weist darauf hin, auch die auf die Arbeitsvermittlung eines Arbeitslosen gerichtete Tätigkeit der Bundesagentur für Arbeit sei grundsätzlich nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet, sondern sei schlichtes Verwaltungshandeln. Der Umstand, dass in einer Rechtsfolgenbelehrung auf § 144 SGB III hingewiesen werde, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Dieser Hinweis verdeutliche gerade den fehlenden Regelungscharakter; eine Sachentscheidung stehe gerade noch aus. Die Teilnahmeobliegenheit sei nicht mittels Verwaltungszwang durchsetzbar. Erst im Rahmen der Sperrzeitentscheidung seien Eignung und Zumutbarkeit der Maßnahme zu prüfen (vgl. auch BSGE 95, 176 RdNr. 11; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 14.09.2006 - L 7 AS 97/06; zustimmend Köhler, a.a.O.).
Die Konstellation ist im vorliegenden Fall nahezu identisch. Der Senat sieht bei Trainingsmaßnahmen auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 SGB II keine tragfähigen Gründe, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht darauf zu übertragen. Nicht beigepflichtet werden kann Stimmen, die versuchen, signifikante Unterschiede zwischen den Regularien des SGB II und des SGB III herauszuarbeiten und damit eine Unanwendbarkeit der zitierten BSG-Rechtsprechung zu begründen. So wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht, die Prüfprogramme des § 31 Abs. 1 SGB II und des § 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 4 SGB III als signifikant unterschiedlich einzustufen. Falsch wäre auch, eine Differenzierung daraus abzuleiten, § 31 SGB II sehe härtere Sanktionen vor als § 144 SGB III; das nämlich ist nicht der Fall. Zunächst dürfte im Regelungsbereich des SGB II eine Leistungsabsenkung von vornherein erschwert sein. Denn eine Sanktionierung des Nichtantritts einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme erscheint nach gegenwärtigem Rechtsstand nur auf der Basis des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b oder c SGB II möglich (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 31 RdNr. 52), während § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III einen unmittelbaren Sperrzeittatbestand verkörpert. Ungeachtet dessen bewirkt § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II, dass derjenige, der von einer Sperrzeit nach § 144 SGB III betroffen ist, grundsätzlich nicht als Ersatz das volle Alg II, sondern auch dieses nur in abgesenkter Höhe beziehen kann.
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt nicht, das Schreiben vom 20.01.2006 als Verwaltungsakt zu behandeln und der Klägerin so die Anfechtungsklage zu ermöglichen. Denn diesem ist dadurch Genüge getan, dass der eine Ab-senkung umsetzende Bescheid gerichtlich angegriffen werden kann. Mancher Betroffene mag es zwar beunruhigend finden, eine berufliche Eingliederungsmaßnahme zu verweigern und so die Absenkung zu riskieren; ein emotionales Bedürfnis, bereits im Vorfeld die Verhältnisse gerichtlich klären zu lassen und es nicht "darauf ankommen zu lassen", kann nicht geleugnet werden. Von verfassungsrechtlicher Relevanz ist dieser Aspekt jedoch nicht.
4. Eine allgemeine Festsellungsklage nach § 55 SGG ist deswegen unzulässig, weil es an einem Feststellungsinteresse fehlt. Denn das Schreiben vom 20.01.2006 hat als solches keine Beschwer begründet. Diese würde sich erst dann ergeben, wenn nach einer Nichtteilnahme an der Maßnahme eine Bescheid auf der Grundlage von § 31 SGB II ergehen würde. Ein solcher könnte je nach Fallgestaltung mit der reinen Anfechtungsklage oder aber mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen werden. Es besteht keine insbesondere keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, gerichtlichen Rechtsschutz bereits im Vorfeld gegen vorbereitende Maßnahmen zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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